Für Saudi-Arabien ist die anstehende erneute Präsidentschaft Donald Trumps mit zwiespältigen Erwartungen verknüpft: Einerseits pflegt das Königshaus enge Geschäftsbeziehungen zum designierten Präsidenten und dessen Umfeld, was einen privilegierten Zugang zum Weißen Haus eröffnen könnte. Andererseits könnten Trumps Nahostpolitik, seine konfrontative Haltung gegenüber China und seine Pläne zur Steigerung der heimischen Ölproduktion den laufenden Transformationsprozess des Königreichs im Rahmen der ehrgeizigen Entwicklungsagenda »Vision 2030« gefährden. Für Deutschland und seine europäischen Partner ergeben sich hierdurch Möglichkeiten für eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Königreich, auch um eigene strategischen Interessen gegenüber Washington voranzubringen.
Saudi-Arabien durchläuft derzeit einen umfassenden Transformationsprozess. Mit der von Kronprinz Muhammad Bin Salman initiierten »Vision 2030« soll die Wirtschaft des Landes diversifiziert und die Abhängigkeit vom Erdöl reduziert werden. Zu den zentralen Maßnahmen des Entwicklungsplans, der maßgeblich vom saudischen Staatsfonds PIF (Public Investment Fund) vorangetrieben wird, gehören die Förderung des Privatsektors, der Bau futuristischer Städte und die Erschließung neuer Bodenschätze. Allerdings zeigen sich mittlerweile Probleme: Der Zufluss privater Direktinvestitionen bewegt sich weit unterhalb der selbstgesteckten Ziele. Und angesichts knapper Staatsfinanzen mussten 2024 erhebliche Kürzungen an wichtigen Projekten vorgenommen werden. Umso mehr hängt die weitere Umsetzung der »Vision 2030« von einer nachhaltigen Stabilisierung der Region und der damit einhergehenden Verbesserung des Investitionsklimas sowie von hohen Staatseinnahmen ab. Genau diese Voraussetzungen könnten durch Donald Trumps zweite Amtszeit gleich in dreifacher Hinsicht gefährdet werden.
Trumps Nahostpolitik
Bislang ist unklar wie die neue US-Administration die Konflikte im Nahen Osten bearbeiten will und ob sie zur Stabilisierung der Region beitragen wird. Mit Blick auf den Iran ist angesichts der Hardliner in Trumps Umfeld jedenfalls eine deutlich konfrontativere Haltung denkbar. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump mit der Aufkündigung des Atomabkommens eine härtere Gangart gegenüber Teheran eingeschlagen. Diese Politik entsprach zunächst den Interessen Saudi-Arabiens, das auf eine Schwächung seines großen Nachbarn setzte. Nach dem Drohnen- und Raketenangriff von Verbündeten Irans auf saudische Ölanlagen Mitte September 2019 hat Riad jedoch seinen Kurs geändert. Dem Königreich wurde durch die Attacke seine Verwundbarkeit deutlich vor Augen geführt, zumal die USA als Schutzmacht auf eine direkte militärische Reaktion verzichteten. Seither setzt Saudi-Arabien auf gute Beziehungen mit Iran und sieht hierin den Schlüssel für regionale Stabilität. Dagegen mehren sich unter Trumps Beratern Stimmen, die Militärschläge gegen das iranische Atomprogramm fordern.
Auch Trumps Pläne im Hinblick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt könnten den Interessen Riads zuwiderlaufen. Riad fordert eine klare Perspektive für eine Zweistaatenlösung, während Trump in dieser Frage auffallend zurückhaltend bleibt. Seine engen Beziehungen zur Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der sich seinerseits wiederholt gegen einen Palästinenserstaat ausgesprochen hat, könnten eine nachhaltige Konfliktlösung zusätzlich erschweren.
Konfrontation zwischen Washington und Peking
Auch Trumps Ankündigung einer konfrontativeren US-Chinapolitik könnte zur Herausforderung für die »Vision 2030« werden. Die Wirtschaftsbeziehungen mit der Volksrepublik haben für die Umsetzung des saudischen Entwicklungsplans in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Seit 2010 hat China die USA als größten Abnehmer saudischen Rohöls sukzessive abgelöst und wurde damit zum wichtigsten Handelspartner des Königreichs. Wechselseitige Direktinvestitionen sollen den Technologietransfer vorantreiben und zur Diversifizierung der saudischen Wirtschaft beitragen. Beide Staaten kooperieren unter anderem bei mineralischen Rohstoffen (SWP-Aktuell 54/2024) und erneuerbaren Energien (SWP-Aktuell 63/2024). Riad befindet sich somit inmitten eines Balanceakts zwischen Peking, als zunehmend wichtigem Wirtschaftspartner, und Washington, seinem nahezu exklusiven Sicherheitsgaranten.
Sollte Trump versuchen, Saudi-Arabien dahingehend unter Druck zu setzen, dass es seine Wirtschaftsbeziehungen zu Peking lockert oder gar aufgibt, würde dies Riad vor erhebliche Probleme stellen. So verfolgt das Königreich im Rahmen der »Vision 2030« eine ehrgeizige Strategie zum Aufbau generativer KI. Dabei setzt es sowohl auf chinesische Hardware als auch auf US-Halbleiter und Expertise. Angesichts wachsender Besorgnis über die intensiver werdenden Beziehungen zwischen China und den Golfstaaten verhängte die US-Regierung bereits 2023 Export-Sanktionen. Nachdem mit G42 zunächst ein Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ins Visier der US-Justiz geraten war, wurde 2024 auch Saudi-Arabien gezwungen, sich aus Verträgen mit China zurückzuziehen. Auch das vom PIF kontrollierte Technologieunternehmen Alat kündigte mögliche Desinvestitionen an, um bestehende US-Partnerschaften nicht zu gefährden. Unter Trump könnte der Druck zu weiteren Desinvestitionen noch zunehmen.
Expansive US-Ölpolitik
Eine weitere Belastung für die Umsetzung der »Vision 2030« könnte sich aus Trumps Plänen für eine expansive Öl- und Gasförderpolitik ergeben. Zwar entspricht eine kohlenstoffbasierte Energiepolitik grundsätzlich Saudi-Arabiens Interessen – wie dessen Blockadehaltung auf der Weltklimakonferenz 2024 eindrücklich gezeigt hat (SWP-Aktuell 65/2024) –, jedoch könnte eine verstärkte Schieferölproduktion in den USA die Preise auf dem internationalen Ölmarkt drücken. Dies würde den nach wie vor stark von Öleinnahmen abhängigen saudischen Haushalt unter Druck setzen und damit die Finanzierung der saudischen Entwicklungspläne weiter erschweren. Ob Trumps »Drill, Baby, Drill«-Ankündigung ernst gemeint oder eher Wahlkampftaktik war, bleibt abzuwarten. Angesichts der aktuellen Marktbedingungen, geprägt von Überkapazitäten und schwacher Nachfrage, haben Energieunternehmen derzeit jedenfalls wenig Anreiz, in eine Ausweitung der Produktion zu investieren. Doch selbst wenn Trump seine Pläne für eine expansive Ölförderpolitik aufgeben sollte, dürfte er an einem ausgewogenen Preiskorridor interessiert sein: niedrige Preise für US-Verbraucher, die jedoch nicht so tief fallen, dass sie die US-Frackingindustrie gefährden. Auch eine solche Entwicklung wäre für Saudi-Arabien herausfordernd. Der derzeitige Ölpreis liegt deutlich unter dem Schwellenwert von 96,20 US-Dollar pro Barrel, den Riad erzielen muss, um den fiskalischen Break-even zu erreichen. Versuche, über die vom Königreich dominierte Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und deren Erweiterung durch Russland und andere Länder (OPEC+) die Preisentwicklung und die internationale Verteilung der Förderquoten zu beeinflussen, gingen in den vergangenen Jahren aufgrund divergierender Interessen immer öfter ins Leere. Unter Trump könnten diese Bemühungen noch stärker zum Scheitern verurteilt sein, falls sie seinen Interessen zuwiderlaufen. Bereits 2018 hatte der damalige US-Präsident Riad gedrängt, seine Ölproduktion zu erhöhen, um die Preise zu senken. Als 2020 ein Preiskampf zwischen Saudi-Arabien und Russland ausbrach (SWP-Aktuell 20/2020), intervenierte er erneut, um den Preisverfall zu stoppen, der eine existentielle Bedrohung für die US-Schieferölindustrie darstellte.
Riads Rückversicherung: Geschäftsbeziehungen des PIF zu Trump und seinem Umfeld
Dass die saudische Führung angesichts dieser Unwägbarkeiten auffällig gelassen auf die Wiederwahl Trumps reagiert, dürfte nicht zuletzt auf die engen Geschäftsverbindungen zurückzuführen sein, die sie mit ihm und seinem Umfeld unterhält. Wie eng diese Beziehungen tatsächlich sind, zeigte sich kurz nach Trumps Wahlsieg, als Yasir Al-Rumayyan, ein enger Vertrauter von Kronprinz Muhammed Bin Salman und Gouverneur des saudischen Staatsfonds PIF, in Trumps Nähe gesichtet wurde.
Der PIF pflegt sowohl direkte als auch indirekte Geschäftsbeziehungen zur Trump Organization, der Unternehmensholding des designierten Präsidenten, die von saudischen Bauprojekten und von Einnahmen aus der vom PIF finanzierten Golf-Tour LIV profitiert. Besonders eng sind jedoch die wirtschaftlichen Verbindungen zu Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Während Trumps erster Amtszeit galt Kushner als einer der wichtigsten Fürsprecher Saudi-Arabiens im Weißen Haus, insbesondere nach dem Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi. Nach Trumps Ausscheiden aus dem Weißen Haus bekam Kushners privates Beteiligungsunternehmen zwei Milliarden US-Dollar vom PIF zur Vermögensverwaltung übertragen – und das, obwohl es innerhalb des PIF Bedenken hinsichtlich seiner unternehmerischen Fähigkeiten gab.
Auch Elon Musk – die wohl mittlerweile einflussreichste Person in Trumps Umfeld – unterhält Geschäftsbeziehungen zum saudischen Staatsfonds, wenngleich diese in der Vergangenheit nicht konfliktfrei waren. Im Jahr 2018 erwarb der PIF Anteile an Tesla. Von Musk behauptete Zusagen des PIF, ihn bei der Privatisierung Teslas zu unterstützen, wurden von Yasir Al-Rumayyan indes dementiert. Der Streit beschäftigte daraufhin sogar Gerichte. Der PIF verkaufte infolgedessen seine Beteiligung und investierte Milliarden US-Dollar in das Konkurrenzunternehmen Lucid. Vor allem über seine Anteile an dem saudischen Unternehmenskonglomerat Kingdom Holding blieb der Staatsfonds aber mit den unternehmerischen Aktivitäten Musks weiter verbunden. So konnte Musks KI-Startup xAI auch dank saudischer Beteiligung umfangreiche Kapitalerhöhungen durchführen. Und auch Musks Auftritt bei der jährlichen Investorenkonferenz des PIF im Oktober 2024 war für Beobachter ein Zeichen, dass sich beide Seiten wieder angenähert haben.
Ausblick und Implikationen für Deutschland und die EU
Saudi-Arabien dürfte dank seiner wirtschaftlichen Verflechtungen über einen vergleichsweise leichten Zugang zu Donald Trump verfügen. Besonders die Verbindung zu Elon Musk könnte für das Königreich von Vorteil sein, da dieser selbst enge Geschäftsbeziehungen zu China pflegt und ein Interesse daran haben dürfte, eine Eskalation des Konflikts zwischen Washington und Peking zu verhindern. Auch Musks überraschendes Treffen mit dem iranischen UN‑Botschafter, bei dem offenbar Möglichkeiten zur Deeskalation der Spannungen im Nahen Osten besprochen wurden, dürfte sehr im Interesse Riads gewesen sein.
Dennoch muss das Königreich befürchten, dass sich durch die Politik der neuen US-Administration die Umsetzung der »Vision 2030« in den kommenden Jahren erschweren könnte. Hinzu kommen Trumps wiederholte Hinweise im Wahlkampf auf die sicherheitspolitische Abhängigkeit Saudi-Arabiens von den USA, die in Riad durchaus als Drohung aufgefasst worden sein dürften. Die saudische Führung dürfte sich daher keineswegs ausschließlich auf ihre Geschäftsbeziehungen zu Trump und seinem Umfeld verlassen, sondern gleichzeitig darum bemüht sein, Verbündete gegenüber Washington zu gewinnen. Auffällig ist dabei, dass Riad derzeit auf eine weitere Annäherung an China, aber auch an Russland verzichtet, was sich vor allem in seinem bisherigen Zögern zeigt, der BRICS-Staatengruppe beizutreten – ein Umstand, den Deutschland und seine europäischen Partner stärker als bisher anerkennen sollten. Im Rahmen eines umfassenden Abgleichs der Interessen mit denen des Königreichs sollten sie sowohl Potentiale als auch Grenzen einer Intensivierung der Zusammenarbeit ausloten.
Beim Konflikt um das iranische Atomprogramm bleibt Saudi-Arabien der zentrale Partner in der Region. Das gilt ebenso für andere regionale Herausforderungen wie den israelisch-palästinensischen Konflikt, in dem auch die Europäer an einer Zweistaatenlösung festhalten. Hier ergeben sich erhebliche Schnittmengen in den gemeinsamen Interessen, auch und gerade gegenüber der neuen Administration in Washington.
Die Situation im Hinblick auf China gestaltet sich indes komplexer. Ebenso wie Saudi-Arabien im Rahmen seiner »Vision 2030« streben auch die Europäer stabile und gute Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik an und haben kein Interesse an einem möglichen Handelskrieg. Allerdings sollten sie in Bezug auf den Transfer moderner Technologien den US-Ansatz unterstützen, wenn es darum geht, den Abfluss sensibler oder verteidigungsrelevanter Technologien nach China und die Umgehung bestehender Sanktionen zu verhindern.
Den absehbaren Interessenkonflikt zwischen Riad und Washington in Bezug auf den Ölpreis sollten die Europäer nutzen, um ein eigenes strategisches Ziel mit größerem Nachdruck zu verfolgen: die Schwächung Russlands auf den internationalen Energiemärkten. Der Zeitpunkt scheint günstig, da Saudi-Arabien zunehmend frustriert ist über seine schwindende Dominanz innerhalb der OPEC+. Angesichts der aktuellen Lage mit vergleichsweise niedrigen Weltmarktpreisen und festgelegten Förderquoten erscheint eine Rücksichtnahme auf die Interessen anderer Ölexportstaaten – insbesondere Russlands – für Riad zunehmend unattraktiv. Die Europäer könnten daher in Abstimmung mit Washington gezielt Möglichkeiten prüfen, russische Ölexporte durch zusätzliche Sanktionen weiter einzuschränken. Der erwartbare Preisanstieg infolge der Angebotsverknappung ließe sich durch eine moderate Erhöhung der saudischen Förderquote kompensieren.
Dr. Stephan Roll ist Senior Fellow der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten,
Antonia Thies ist Doktorandin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
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DOI: 10.18449/2025A01