Verteidigungsministerin von der Leyen schlägt die Einführung einer PESCO für die EU-Außenpolitik vor. Eine damit einhergehende Flexibilisierung ist wünschenswert, muss aber parlamentarisch kontrolliert werden, meint Annegret Bendiek.
Kurz gesagt, 20.02.2018 Research AreasVerteidigungsministerin von der Leyen schlägt die Einführung einer Permanenten Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) für die EU-Außenpolitik vor. Eine damit einhergehende Flexibilisierung ist wünschenswert, muss aber parlamentarisch kontrolliert werden, meint Annegret Bendiek.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen forderte auf der am Sonntag zuende gegangenen Münchner Sicherheitskonferenz eine Permanente Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) in der EU-Außenpolitik, wie es sie in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) bereits gibt. Hierbei geht es vor allem um eine Flexibilisierung durch ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten auch in der Außenpolitik. Diese ist notwendig, sollte aber nicht ohne parlamentarische Kontrolle erfolgen.
Die Permanente Strukturierte Zusammenarbeit, kurz PESCO, ist eine formalisierte Möglichkeit der Zusammenarbeit in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die 25 Mitgliedstaaten am 11. Dezember 2017 mit einem rechtsverbindlichen Beschluss ins Leben gerufen hatten; Großbritannien, Dänemark und Malta beteiligen sich nicht. Die PESCO soll es kleinen Gruppen von ambitionierten Mitgliedstaaten erleichtern, eine gemeinsame Rüstungsbeschaffungspolitik sowie Fähigkeitsentwicklung zu verfolgen. Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten.
In der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sieht der EU-Vertrag eine sogenannte Verstärkte Zusammenarbeit vor. Hier müssen sich mindestens neun Staaten zusammenfinden, um ein gemeinsames Vorhaben auf den Weg zu bringen. Dass der gesamte Rat über ein solches Vorhaben einstimmig beschließen muss, macht die Verstärkte Zusammenarbeit zu einem stumpfen Schwert: Bisher ist kein einziger Beschluss auf diesem Wege zustande gekommen. Zwar gibt es Ausnahmen zum Einstimmigkeitsprinzip in der GASP, diese beschränken sich aber auf einzelne weniger relevante Fragen wie die Ernennung von Sonderbeauftragten. Ein Instrument wie die PESCO formell einzuführen, wird in der GASP nicht gelingen, da eine solche Entscheidung auch hier, anders als in der GSVP, Einstimmigkeit erfordern würde.
Auch wenn der Kommissionspräsident und seine Stellvertreter sich mehrmals für die generelle Umsetzung von Mehrheitsentscheidungen in der GASP ausgesprochen haben, ist deren Einführung wenig realistisch. Sie bedürfte einer Vertragsänderung inklusive erfolgreicher Referenden in einzelnen Mitgliedstaaten. Überdies gibt es verfassungsrechtliche Vorbehalte, wie sie das Bundesverfassungsgericht bereits im Lissabon-Urteil formulierte: Es verwies auf die Integrationsverantwortung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union. Mehrheitsentscheidungen in der GASP würden mit einer parlamentarischen Entmündigung des Bundestags einhergehen und damit der Idee der Parlamentsarmee widersprechen.
Da die Verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der GASP nicht funktioniert, behelfen sich die EU-Mitglieder schön länger damit, europäische Außenpolitik durch sogenannte Koalitionen der Willigen außerhalb des GASP-Rahmens voranzubringen. Ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, wie es von der Leyen für die Außenpolitik anmahnt, ist damit längst Realität. So konnten große EU-Staaten vielfach substantielle Beiträge zu Konfliktlösungen beisteuern: Das Krisenmanagement auf dem Balkan, die Initiative zum Kosovo-Serbien-Dialog, die Verhandlungen in der EU+3 mit Iran über dessen Nuklearprogramm sowie das Minsker Abkommen im sogenannten Normandie-Format sind allesamt durch Gruppenbildungen außerhalb der formalen GASP-Verfahren zustande gekommen. Koalitionen der Willigen sind eine durchaus respektierte Praxis europäischer Außenpolitik. Selbst die Hohe Vertreterin der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, toleriert diese, solange sie den vertraglichen Zielen dienten und sie informiert werde.
Koalitionen der Willigen werden häufig etwa bei Missionen oder Cybersicherheitsübungen auch auf Staaten ausgeweitet, die nicht der EU angehören. Die Schweiz, Norwegen und wohl künftig auch Großbritannien sowie transatlantische Verbündete wie die USA und Kanada kooperieren mit willigen EU-Staaten. So gewinnt das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten in der Außen- und Sicherheitspolitik weiter an Zugkraft.
Zwar ist diese Flexibilisierung der einzig gangbare Weg, eine aktive europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu betreiben und damit sinnvoll. Die parlamentarische Kontrolle dieser Politik bleibt dabei jedoch völlig auf der Strecke. Abkommen im GASP-Bereich benötigen nicht die Zustimmung des Europäischen Parlaments, nationale Parlamente werden zwar involviert, wenn die Abkommen mit Kosten für die beteiligten Staaten verbunden sind, geben aber in der Regel ihren Segen, weil die Parlamentsmehrheit ihre eigene Regierung nicht kritisieren mag.
Um die Flexibilisierung von EU-Außenpolitik außer- und innerhalb der GASP-Verfahren stärker parlamentarisch rückzukoppeln, könnte die Zusammenarbeit der Europaausschüsse aktiviert werden, deren Potenzial bisher brachliegt. Mit der Konferenz der Europaausschüsse (COSAC) gibt es ein Gremium, das die Regierungen nicht nur budgetär, sondern auch aus einem europäischen Blickwinkel fachlich begleiten und damit einer parlamentarischen Kontrolle unterwerfen könnte. Den Koalitionen der willigen Regierungen, die sich zurzeit selbstermächtigen, würde damit eine Koalition der Legislativen zur Seite gestellt. Dies kann dazu beitragen, dass europäische Außenpolitik transparenter wird, anstatt sich in elitären sicherheitspolitischen Zirkeln abzuspielen – etwas, das zunehmend auf Gegenwehr in der Bevölkerung wie zuletzt beim G20-Gipfel in Hamburg stößt. Dass immer mehr Europäer den Mehrwert der EU infrage stellen, ist zu einer ernsthaften Bedrohung der EU aus dem Innern geworden.
Dieser Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.
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