Die Außenminister der G7-Staaten haben sich im Inselstreit im Südchinesischen Meer die amerikanische und japanische Position zu eigen gemacht. Dazu ein Zwischenruf von Christian Becker.
Kurz gesagt, 14.04.2016 Research AreasDie Außenminister der G7-Staaten haben sich im Inselstreit im Südchinesischen Meer die amerikanische und japanische Position zu eigen gemacht. Dazu ein Zwischenruf von Christian Becker.
Obwohl China nicht namentlich genannt wird, hat die Gruppe der Sieben (G7) der westlichen Industrieländer in ihrer jüngsten Erklärung »Zur maritimen Sicherheit« deutlich Position gegen Beijing bezogen. Die chinesische Schaffung bzw. Befestigung von Inselstützpunkten im Südchinesischen Meer wird verurteilt, das amerikanische (und von Japan zunehmend unterstützte) Vorgehen, durch militärische Freedom of Navigation Operations das chinesische Vorgehen völkerrechtlich und symbolisch zu konterkarieren, wird unterstützt.
Ein Konflikt mit vielen Schattierungen
Der Inselstreit im Südchinesischen Meer besitzt allerdings eine unentwirrbare Konflikthistorie. Entscheidend ist deswegen das Verständnis der Motive, von denen die Konfliktparteien angetrieben werden. Auf der einen Seite steht ein im Vertrauen auf die wachsende eigene Kraft großspurig auftretendes China, das jedoch oft zwischen Großmannssucht und Einkreisungsängsten schwankt. Auf der anderen Seite befinden sich die USA, die sich ebenfalls von einem Gefühl imperialer Verantwortung angespornt fühlen, sich aber zugleich sorgenvoll vor dem Aufstieg Chinas getrieben sehen. Für die Besorgnis beider großer Mächte finden sich berechtigte Gründe: Begonnen hat der Inselstreit als ein regionaler Konflikt zwischen den Anrainerstaaten. Das allein ist er längst nicht mehr. Im Kern stehen sich China und eine gerade im Entstehen begriffene Front aus den USA, Japan, den Philippinen, Australien und – perspektivisch – Vietnam gegenüber. China ist deswegen besorgt, eingekreist zu werden. Andererseits: Beijing darf sich nicht wundern, dass seine schnelle Aufrüstung und sein kompromissloses Auftreten in dem Konflikt zu Ängsten seiner kleinen Nachbarn und zu einer von den USA orchestrierten Gegenmachtbildung führt.
Die Rechnung, dass ein geschlossenes internationales Auftreten die Führung in Beijing zu einem kooperativeren Kurs bewegen könnte, dürfte jedoch nicht aufgehen. Eher befeuert die Unterstützung der amerikanischen und japanischen Position das Kräftemessen weiter. Gegendruck wird letztlich nur diejenigen in Beijing bestärken, die Sabotageversuche des »Westens« gegen das aufsteigende China am Werke sehen. China, aber auch die USA, haben bereits so viel Prestige in den Konflikt investiert, dass ein gesichtswahrendes Zurückrudern für alle Seiten immer schwieriger werden dürfte. Wenn weiterhin eine solche Logik vorherrscht, kann aus diesem Konflikt schnell eine offene Auseinandersetzung werden.
Ihre Bedeutsamkeit erhält die jüngste, in Hiroshima verabschiedete Erklärung der G7-Außenminister nun dadurch, dass sie einen symbolischen Schulterschluss mit der US-amerikanischen und japanischen Position darstellt. Formal steht in dieser Erklärung nichts, was die deutsche Politik nicht schon ohnedies geäußert hätte. Schon die Lübecker Erklärung des G7-Außenministertreffens von 2015 formulierte eine ähnliche Position. Doch seitdem haben die Spannungen im Südchinesischen Meer erheblich zugenommen. China hat durch seine unbeirrte Militarisierung der Inselstützpunkte und Washington durch seine massiv erhöhte militärische Präsenz in der Region den Einsatz erhöht. Militärische Symbolhandlungen und die Antworten der anderen Seite darauf haben eine Spirale in Gang gesetzt, deren Ende derzeit nicht in Sicht ist.
Vor diesem Hintergrund schlägt auch die jüngste Erklärung der G7 einen im Vergleich zum Vorjahr härteren Ton an und signalisiert Unterstützung auch bei einer etwaigen Verschärfung des Konflikts. Die entsprechende Reaktion aus Beijing ließ nicht lange auf sich warten: Dort ging man so weit, Vertreter der Botschaften der G7-Staaten in der Sache einzubestellen.
Der Konflikt ist mittlerweile so aufgeladen, dass in Washington die Befürworter eines harten Kurses gegenüber China jedes Hinarbeiten auf Deeskalation als Appeasement disqualifizieren könnten. Daraus erwächst für die deutsche Politik ein ernsthaftes Dilemma. Die EU-Staaten einschließlich Deutschland sind kaum in der Lage, die Entschärfung des Konflikts zu befördern. Aber durch Parteinahmen können sie zu seiner Verschärfung beitragen.
Traditionell ist es europäische und deutsche Linie, in Konflikten wie jenem im Südchinesischen Meer auf Deeskalation und Beachtung des Völkerrechts zu pochen. Angesichts des unbestreitbaren chinesischen »Faktenschaffens« im Inselstreit ist die Berufung auf das Völkerrecht aber wenig aussichtsreich. Jedoch signalisiert sie immerhin den Willen, zur Überwindung von Konflikten aufgrund anerkannter internationaler Rechtsnormen und durch Dialog beizutragen. Die jüngste G7-Erklärung beinhaltet de facto vor allem eine Solidaritätsbekundung der westlichen Partner. Das ist angesichts der intensiven Suche der USA und Japans nach internationaler Unterstützung verständlich. Doch bei aller Unterstützung für Washington und Tokio sollte darauf geachtet werden, den Gesprächsfaden nach Beijing nicht abreißen zu lassen.
Der Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.
»Freedom of Navigation«-Aktivitäten der USA und der ordnungspolitische Disput mit China
Der Inselstreit im Südchinesischen Meer ist Ende Oktober mit der demonstrativen Fahrt eines US-Kriegsschiffs durch von China beanspruchte Gewässer in eine neue Runde eingetreten, aus der die USA gestärkt hervorgehen. Nun ist es Zeit für einen Kompromiss, meint Christian Becker.
Überlegungen zum chinesischen Kalkül im Inselstreit