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2. Außenpolitische Handlungsfähigkeit
2. Verbesserung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit
Weit weniger fortgeschritten ist die Diskussion des Konvents auf dem Felde der Verbesserung der außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union. Zu diesem Themenkomplex ist eine Plenardebatte geführt und sind auf Druck von Konventsmitgliedern - gegen einen widerstrebenden Konventspräsidenten - zwei Arbeitsgruppen eingerichtet worden (»Außenpolitisches Handeln« und »Verteidigung«). Diese haben im September ihre Arbeit aufgenommen und sollen bis November (»Verteidigung«) bzw. Anfang Dezember (»Außenpolitisches Handeln«) erste Arbeitsergebnisse vorlegen.
Die zentralen zur Debatte stehenden Fragen sind gewiß nicht neu: Wie kann die EU als globaler Akteur stärker und effizienter werden, wie kann
- der Beschlußfassungsprozeß beschleunigt,
- die Kontinuität des außenpolitischen Handelns verbessert und vor allem
- die Kohärenz außenpolitischen Handelns erhöht werden; wie kann der Zersplitterung der Initiative, der Entscheidung und der Umsetzung von Entscheidungen zwischen dem 1. und 2. Pfeiler der Union entgegengewirkt und die koordinierte Anwendung der Handlungsinstrumente aus beiden Pfeilern gewährleistet werden?
Zwei Kristallisationspunkte der Debatte sind erkennbar: zum einen das Verhältnis des Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zum EU-Außenkommissar, zum anderen die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungsverfahren im Bereich der gemeinsamen Außenpolitik.
Was die zukünftige Rolle des Hohen Repräsentanten und des für Außenbeziehungen zuständigen Kommissionsmitglieds anbelangt, so läßt sich sowohl eine extrem große Spannbreite der Vorschläge als auch eine Lagerbildung erkennen. Die Palette der Vorschläge reicht von der Suche nach erhöhter Synergie durch bessere Koordinierung der Arbeiten beider Amtsinhaber über Vorschläge, ihnen ein gemeinsames Initiativrecht einzuräumen bis hin zur Forderung nach einer Zusammenlegung der beiden Funktionen. Eine solche wurde von zahlreichen Debattenrednern im Konventsplenum befürwortet. Zwei Extrempositionen lassen sich hier unterscheiden:
- die vom französischen Staatspräsidenten Chirac vorgeschlagene Einsetzung eines europäischen Außenministers, der unter der Autorität eines vom Europäischen Rat zu bestimmenden EU-Präsidenten handeln und die bisher von Javier Solana und Chris Patten wahrgenommenen Funktionen beim Rat bündeln würde;
- die EU-Kommission hingegen schlägt die schrittweise Fusion der Aufgaben des Hohen Repräsentanten und des Kommissars für Außenbeziehungen und eine Ansiedlung des Amtsinhabers innerhalb der Kommission mit einem Sonderstatus vor. Mit dieser Lösung einer »freundlichen Übernahme« des Hohen Repräsentanten durch die Kommission soll die Initiativfunktion im außenpolitischen Bereich zugunsten der Kommission gebündelt und die Vielstimmigkeit der EU in der Außenrepräsentation reduziert werden. Dem Amtsinhaber fiele auch eine richtungsgebende Rolle beim täglichen Krisenmanagement in außenpolitischen Konfliktsituationen zu
Hinter beiden Vorschlägen steht die Kernfrage, ob es möglich ist, ein einziges Gravitationszentrum für die Definition gemeinsamer Interessen, die politische Initiative und für die Umsetzung von Entscheidungen zu bestimmen und ob dieses beim Rat oder der Kommission anzusiedeln wäre.
Für Großbritannien und Frankreich ist eine Eingliederung des Hohen Repräsentanten in die Kommission mit Sicherheit nicht zustimmungsfähig. Die Bundesregierung hat versucht, mit der von Außenminister Fischer lancierten Idee eines »Doppelhutes«, also der Besetzung der Posten des Hohen Repräsentanten und des Außenkommissars in Personalunion, eine vermittelnde Position einzunehmen. Sie hat aber auch die von britischer, französischer und spanischer Seite formulierten Vorschläge, einen EU-Präsidenten mit Zuständigkeit für die Außenbeziehungen für eine längere Dauer durch den Europäischen Rat bestimmen zu lassen, nicht rundheraus abgelehnt.
Hinsichtlich des zweiten Kernpunkts der Debatte, der Ausdehnung von Mehrheitsentscheidungen im Bereich der gemeinsamen Außenpolitik, läßt sich bislang allenfalls ein negativer Konsens dahingehend feststellen, daß Mehrheitsentscheidungen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht in Frage kommen.
Die Konventsdebatten haben bislang allenfalls in beschränktem Maße zur Klärung von Optionen und Ausgangspositionen beigetragen, die vielfach schon seit Jahren bekannt sind. Die Hauptarbeit steht in diesem Bereich noch bevor, wobei eine Lagerbildung erkennbar ist: Die Vertreter der Kommission, die Mehrheit der Europaparlamentarier und die föderalistisch orientierten Benelux-Staaten stehen den Intergouvernementalisten unter französisch-britischer Führung gegenüber.
In der derzeit laufenden zweiten Phase der Konventsarbeit müssen die unterschiedlichen Optionen präzisiert werden, vor allem die institutionelle und verfahrensmäßige Ausgestaltung einer Zusammenlegung der Funktionen des Hohen Repräsentanten und des für Außenbeziehungen zuständigen Kommissionsmitglieds. Vielleicht wäre der Zeitpunkt gekommen, deutscherseits die Ausgestaltung der Idee des »Doppelhuts« näher zu erläutern und Vorschläge zum Designationsverfahren, den Initiativrechten, zum institutionellen und administrativen Unterbau auf Rats- und Kommissionsseite und vor allem zur Regelung des Problems der doppelten Verantwortlichkeit und Loyalität eines »Doppelhutträgers« gegenüber dem Rat einerseits, der Kommission und dem Europaparlament andererseits zu unterbreiten.
Ein zentrales Problem der gesamten Debatte über die zukünftige Gestaltung der Außenbeziehungen der EU besteht darin, daß diese kaum isoliert geführt werden kann, da sie aufs engste verknüpft ist mit der Frage der Institutionenreform.