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Lernfähige deutsche Krisenpolitik?

Lehren aus Mali (2013–2023)

SWP-Studie 2024/S 21, 26.09.2024, 38 Seiten

doi:10.18449/2024S21

Forschungsgebiete

Dr. Denis M. Tull ist Wissenschaftler in der Forschungs­gruppe Afrika und Mittlerer Osten sowie Co-Leiter des Projekts Megatrends Afrika.

  • Zehn Jahre lang – von 2013 bis 2023 – hat Deutschland in Mali eine intensive Krisenpolitik betrieben. Daraus Lehren zu ziehen ist unabdingbar für eine effektive wie lernfähige Außen- und Sicherheitspolitik. Den Fokus gilt es dabei auf interne Strukturen und Prozesse zu legen.

  • Das deutsche Engagement in Mali wurde lange von bündnis- und VN-politischen Motiven bestimmt. Dies war nachvollziehbar und legitim, es bremste indes die Bereitschaft, das eigene Handeln strategisch und zielorientiert auszurichten.

  • Der Mangel an Strategie und Steuerung bewirkte wohl auch, dass die er­heblichen Ressourcen, die Deutschland in Mali investierte, nicht optimal eingesetzt wurden. Die ressortübergreifende Zusammenarbeit hinkte trotz einiger neuer Instrumente (darunter Ertüchtigung) und institutioneller Innovationen (Arbeitsstab Sahel, CIVAD) den Erwartungen hinterher.

  • Die deutsche Beteiligung an der VN-Mission MINUSMA war zwar operativ erfolgreich, aber politisch-strategisch nur schwach verankert. MINUSMA als Ganzes ist an ihrem politischen Auftrag gescheitert.

  • Deutsche Krisenpolitik lernt mit ihren Einsätzen, doch während des Mali-Engagements kam es trotz langer Interventionsdauer lediglich zu Lern- und Anpassungsprozessen auf operativ-taktischer Ebene. Grundlegende Kurskorrekturen blieben aus. Als unzureichend erwiesen sich ressort­gemeinsame Strategiedebatten wie auch Lernkulturen innerhalb und zwischen den beteiligten Häusern.

Problemstellung und Empfehlungen

Mali war unter drei aufeinanderfolgenden Bundes­regierungen zwar keine Priorität, faktisch aber ein Schwer­punkt deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Nach einem begrenzten Engagement ab 2013 fand in dem westafrikanischen Land von 2017 bis 2023 zu­dem der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr statt – mit über 1.100 Soldat:innen, die in VN- und EU-Missionen dienten. Wie Afghanistan wurde Mali zu einem Test­fall für deutsche Handlungsfähigkeit beim Krisen­management im Sinne des vernetzten Handelns meh­rerer Ressorts (fortan: integrierter Ansatz).

Eine Analyse des zehnjährigen Engagements liefert eine insgesamt dürftige Bilanz deutscher und inter­nationaler Krisenpolitik. Erkennbar werden Stärken, Schwächen und Verbesserungspotentiale. Wichtige Parameter wie Strategiefähigkeit, integrierte Ansätze und ressortübergreifendes Handeln im multinatio­nalen Kontext sind dabei nicht nur für das künftige Management von Krisen relevant (die zunehmend Europa selbst betreffen), sondern auch für die effek­tive Gestaltung der Landes- und Bündnisverteidigung.

Diese Studie ist keine Wirkungsanalyse der deutschen Politik in Mali. Ihr Fokus liegt auf der Frage, wie der deutsche Krisenapparat in dem Land agierte. Zu diesem Zweck wird ein Schlaglicht auf ausgewählte Bereiche und Handlungsfelder geworfen. Daraus ergeben sich Schlussfolgerungen, die über Mali hin­aus für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik von Bedeutung sind. Der Bogen wird von übergeordneten strategischen Fragen über Konzepte bis hin zu Instrumenten und Lernprozessen geschlagen, damit sich politische und operative Lehren ziehen lassen.

Positiv ist zunächst, dass in Mali die Weiterentwicklung deutscher Krisenpolitik ihren Niederschlag fand; so wurden dort neuere Konzepte (etwa Integra­tion) und eine große Bandbreite von Instrumenten (darunter Ertüchtigung, Stabilisierung) angewendet. Hinzu kamen Durchhaltevermögen und ein hoher Mittelansatz durch die drei maßgeblichen Ressorts – Auswärtiges Amt (AA), Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) sowie Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Gesamtausgaben lagen bei über 5 Milliar­den Euro.

Mehr bedeutet aber nicht immer besser. Die Ressorts taten sich außerordentlich schwer damit, einen operationalisierbaren Zielkorridor zu entwerfen, der dem beträchtlichen finanziellen Engagement Deutsch­­lands einen angemessenen strategischen Rahmen gegeben hätte. Effektivität und Wirkung blieben auf­grund der Strategiedefizite vermutlich begrenzt. Ausgerufen wurden maximalistische Endzustände – Stabilität und Frieden –, zu denen ein umfangreiches Tableau an Maßnahmen in einem oft sehr vagen Be­zug stand. Das Mandat der Bundeswehr für MINUSMA war präzise formuliert, der Rest war es eher nicht. Erst in den Jahren ab 2020, also gegen Ende des Inter­ventionszeitraums, versuchte Berlin, Eckpunkte einer Strategie zu formulieren. Zu diesem Zeitpunkt – sie­ben Jahre nach Beginn des Engagements – waren die deutschen und internationalen Interventionsapparate aber bereits lange in Pfadabhängigkeiten verfangen.

Eigentlich positive institutionelle Innovationen wie der ressortübergreifende Arbeitsstab Sahel oder die Ertüchtigungsinitiative, ein Aushängeschild ressortgemeinsamer Krisenpolitik, haben die Operationalisierung des integrierten Ansatzes weniger befördert als erhofft. Dies ist paradox angesichts der Tat­sache, dass der integrierte Ansatz heute tief im deut­schen Diskurs und innerhalb der Ministerien verankert ist.

Die Beteiligung an MINUSMA war außenpolitisch sinnvoll und aus operativer Sicht durchaus erfolgreich, auch wenn die VN-Mission als Ganzes ihr poli­tisches Ziel verfehlte. Woran es fehlte, war die strate­gische Grundierung in Form eines überzeugenden, ehrlichen Narrativs zu Sinn und Zweck der deutschen MINUSMA-Beteiligung und ihren Grenzen. Bilateral sowie im Rahmen von VN und EU war Deutschland zwar quantitativ ein sichtbarer Akteur des internatio­nalen Konzerts, doch nahm es keinen großen Einfluss auf dessen Strategie. Dies war in den Anfangsjahren vor allem dem bündnispolitischen Motiv der Inter­vention geschuldet, das es obsolet zu machen schien, eigene strategische Überlegungen zu konzipieren.

Eine Dekade Krisenmanagement in Mali hätte aus­reichend Zeit für Lern- und Anpassungsprozesse gebo­ten, die aber weitgehend ausblieben, obwohl sich ab 2017 die Lage dort stetig verschlechterte. Bis auf eini­ge operative Veränderungen bestand die deutsche Antwort vor allem darin, den einmal eingeschlagenen Kurs fortzusetzen, verbunden mit mehr Mitteleinsatz. Der häufige Hinweis, dass Deutschland »viel tut«, be­antwortete indes nicht die Frage, warum sowohl die Ergebnisse des eigenen Handelns als auch die Lern- und Anpassungsfähigkeit überschaubar waren.

Ressortvertreter:innen beklagen selbstkritisch das Missverhältnis zwischen der Quantität und den Resul­taten deutscher Krisenpolitik. Institutionell ist der deutsche Krisenapparat noch nicht hinreichend auf­gestellt, um effektive Lern- und Anpassungsprozesse zu befördern. Das fängt innerhalb der einzelnen Res­sorts an und findet seine Fortsetzung auf der inter­ministeriellen Ebene. Bis auf sehr wenige Ausnahmen gibt es keine Verfahren und Strukturen für ressortgemeinsames Lernen; ein Personalaustausch zwi­schen den Häusern ist selten, dafür sind Wechsel innerhalb der Ressorts umso häufiger, so dass das institutionelle Gedächtnis schwach ausgeprägt ist. Evaluierungen sind rar (vor allem in AA und BMVg), und eine Organisationskultur, die das Lernen aus Fehlern positiv besetzt, bleibt auch nach Auffassung vieler Ressortmitarbeiter:innen noch zu etablieren.

Empfehlungen:

  • Der Bundestag sollte die Ministerien mit einer res­sortgemeinsamen Auswertung des Mali-Engage­ments beauftragen, aus der sich kritische Schlüsse und Lehren ergeben. Dabei könnte es die Robustheit der Empfehlungen erhöhen, wenn sie mit den umfangreichen Ergebnissen der Enquête-Kommis­sion zu Afghanistan abgeglichen werden.

  • Der Bundestag sollte von den Ministerien eine stärkere Rechenschaftslegung einfordern. Um die Strategieorientierung und den integrierten Ansatz zu befördern, sollte die Idee ressortübergreifender Mandate erneut erwogen werden. Dies würde den einseitigen Fokus auf die Bundeswehr korrigieren, AA und BMZ stärker in die Pflicht nehmen und dem integrierten Ansatz auch im parlamentarischen Raum eine Entsprechung verschaffen.

  • Ressortgemeinsames Krisenmanagement sollte durch positive und negative Anreize forciert wer­den. Länderbezogene ressortgemeinsame Arbeitsstäbe sind sinnvoll – aber nur dann, wenn sie die politische Autorität zur Steuerung strategischer Prozesse erhalten. Gemeinsame und flexiblere Budgetlinien für Krisenländer sollten erwogen werden. Basis dafür müssten realistische, nachvollzieh­bare und operationalisierbare Länderstrategien sein. Spätestens wenn ein Krisenland in Berlin zum Schwerpunkt wird, sollten solche Strategien er­arbeitet werden, die es dann regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen gilt. Gleich­zeitig sollten die Ressorts gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Lernkultur und Lern­infrastruktur ergreifen.

Ziele und Strategiefähigkeit

Ausgangspunkt für eine Bewertung des deutschen Krisen-Engagements in Mali müssen die selbstgesteckten Ziele der Bundesregierung sein, die ihrerseits maßgeblich für die Formulierung und Operationalisierung einer Strategie sind.1 Eine Strategie ist eine auf ein langfristiges Ziel ausgerichtete Gesamtkonzeption, bei der Mittel zweckgerichtet und planmäßig eingesetzt werden. Zwischen Maßnahmen und Res­sourcen muss dabei ein plausibler Wirkungszusammenhang bestehen, so dass nachvollziehbar wird, wie Maßnahmen auf Ziele einzahlen (Theorie des Wan­dels). In Mali waren sowohl bei der Zielformulierung als auch bei der Strategie Schwächen erkennbar, die die Wirksamkeit des beträchtlichen deutschen Engagements vermutlich stark gemindert haben. Zumindest in den ersten Jahren standen die tatsäch­lichen Motive und Ziele nicht im Einklang mit den offiziell deklarierten. Dies trug dazu bei, dass ein strategischer Ansatz im eigentlichen Sinne erst zu einem sehr späten Zeitpunkt entwickelt wurde, näm­lich gut sieben Jahre nach dem Einstieg in die Stabili­sierungsbemühungen für Mali.

Die eigentlichen Motive: Bündnis- und VN-Politik

Die Bundesregierung begründete ihre Beteiligung am internationalen Krisenmanagement in Mali zwar mit Aspekten, die sich stark auf das Land und die Region (Sahel, Westafrika) bezogen, doch waren mit dem Engagement in erster Linie Ziele verbunden, die mit Mali zunächst wenig zu tun hatten.2 Diesen Befund vermitteln jedenfalls Mitarbeiter:innen der Bundes­regierung, nach deren einhelliger Auffassung das deutsche Handeln von zwei Grund­motiven bestimmt war. Demnach ging es erstens um Bündnispolitik bzw. Solidarität mit Frankreich, das nach Beginn seiner Militärintervention im Januar 2013 (Operation Serval) um ein starkes Engagement seiner Partner warb, um die Mali-Krise auch im EU- und VN-Rahmen bewältigen zu können. Der zweite Beweggrund war, die Vereinten Nationen und die multilaterale Ord­nung zu stärken, wobei der Anspruch auf eine deut­sche Gestaltungsrolle mit dem Diskurs über »inter­nationale Verantwortung« einherging. Deutschlands Beteiligung an EUTM Mali, einer Mission der Gemein­samen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU, war komplementär zu beiden Motiven: Berlin unterstützte damit ein französisches Anliegen, konn­te zur außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der EU beitragen und sich generell – wie im VN-Fall MINUSMA – als Multilateralist beweisen.

Das Gewicht dieser Motive nahm 2015/16 noch zu. Erstens war in Berlin Anfang 2016 die Entscheidung gefallen, sich um einen nichtständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat (VNSR) für 2019/20 zu bewerben, was seinerseits eine Ausweitung der deutschen Beiträge zu MINUSMA zur Folge hatte.3 Von zehn Soldaten (Januar 2016) wuchs die deutsche Truppenstärke bei MINUSMA auf 559 (Dezember 2016) und schließlich auf knapp 1.000 (2017). Zweitens berief sich die französische Regierung nach den terroristischen An­griffen in Paris vom 13. November 2015 auf die Beistandsklausel der EU (Art. 42 Abs. 7 des Vertrags über die Europäische Union) und forderte von Part­nern mehr Unterstützung beim Einsatz gegen den sogenannten Islamischen Staat in Irak/Syrien und bei anderen Militäroperationen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen stellte die Verstetigung des deutschen Engagements im Nordirak als Teil der Anti-IS-Koalition sowie eine potentielle Ausweitung der deutschen Aktivitäten in Mali in einen Zusammenhang mit dem Beistandsfall.4 Diese transparente Posi­tionierung blieb jedoch die absolute Ausnahme auf Seiten der Bundesregierung.5 Zugespitzt formuliert: Angesichts der dominierenden bündnis- und VN-politischen Motive war in Mali die Präsenz selbst das Ziel.6 Indes drehte sich über die gesamte Dekade das offizielle deutsche Narrativ um die Krise in dem Land und dem Sahel insgesamt, einschließlich der vor ihr ausgehenden Risiken für die Sicherheit Europas (ille­gale Migration, Instabilität, Terrorismus).

Krise und Intervention in Mali – ein Überblick

Im Jahr 2012 stürzte Mali in eine vielschichtige politische Krise. Sie umfasste eine separatistische Rebellion, einen dschihadistischen Aufstand, einen Militärputsch in der Hauptstadt Bamako und eine militärische Intervention Frankreichs. Letztere begann im Januar 2013 mit der Operation Serval. Durch sie gelang es, die territoriale Kontrolle der Dschihadisten über Nordmali zu beenden, ohne dass jedoch die entsprechenden Gruppen nach­haltig geschwächt worden wären. Aus Serval ging die Anti-Terror-Operation Barkhane hervor, die auf weitere Teile des Sahel ausgedehnt wurde.

Zugleich brachte die internationale Gemeinschaft im An­schluss an Serval enorme Ressourcen auf, um in Mali wieder ein Mindestmaß an Frieden und Sicherheit herzu­stellen. 2013 wurde eine Stabilisierungsmission der Ver­einten Nationen (MINUSMA) mit mehr als 12.000 unifor­mierten Angehörigen entsandt, um Zivilisten zu schützen und Bevölkerungszentren zu sichern. Im selben Jahr fan­den Wahlen in Mali statt, die Ibrahim Boubacar Keita an die Macht brachten. 2015 wurde schließlich in Algier ein Friedensabkommen zwischen nord­malischen Rebellen und der Zentralregierung unterzeichnet, dessen Umset­zung von MINUSMA unterstützt werden sollte. Parallel dazu starteten die internationalen Partner zahlreiche Initiativen, um Malis Regierung bei der Schaffung von Frieden und dem Wiederaufbau des Staates, einschließlich des Sicher­heitssektors, zu unterstützen. Dazu zählte die EU-Trainings­mission EUTM Mali. Deutschland war sowohl bei MINUSMA als auch bei EUTM über die meis­ten Jahre einer der größten Truppensteller.

Trotz eines vielversprechenden Beginns verschlechterte sich die Lage in Mali spätestens ab 2017 stetig. Die Um­setzung des Friedensabkommens kam ebenso wenig voran wie politische und institutionelle Reformen. Trotz aggressiver Terrorismus­bekämpfung durch die französi­sche Armee gelang es den dschihadistischen Gruppen, ihren Aktionsradius zunehmend auf das Zentrum und den Süden Malis auszuweiten. Die poli­tische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Krisenlage führte 2020 zu Massenprotesten gegen die Regierung Keita, die zuletzt Parlamentswahlen zu ihren Gunsten manipuliert hatte. Im August des Jahres nahmen Militärs die Demonstrationen zum Anlass für einen Putsch. Die anfänglich fortge­setzte Koope­ration zwischen Bamako und den interna­tionalen Partnern endete im Zerwürfnis, unter anderem weil sich das neue Mili­tärregime, das großen Rückhalt in der Bevölkerung hatte, Forde­rungen nach einer Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung verweigerte. In der Folge verließen zahlreiche internationale Partner das Land; teils wurden sie zum Abzug gezwungen, dar­unter die Barkhane-Truppen und MINUSMA.

Die Ziele zur Stabilisierung des Landes hat das breit auf­gestellte internationale Konzert verfehlt. Die Sicher­heitslage in Mali verschlechterte sich weiter, auch nach­dem das Militär­regime seine Kooperation mit Russland verstärkt hatte. Das Friedensabkommen mit den nord­malischen Rebellen hat Bamako inzwischen aufgekündigt. Als Teil von MINUSMA ver­ließen die letzten deut­schen Soldaten im Dezember 2023 das Land. Die entwick­lungspolitische Zusammenarbeit mit Mali wurde von Berlin auf niedrigem Niveau fortgesetzt.

Nun ist die Tatsache, dass krisenferne Beweg­gründe das Engagement bei Auslandseinsätzen und Krisenmanagement bestimmen, nicht per se problematisch oder ungewöhnlich. Afghanistan ist dafür ein Beispiel. Auch im Sahel sind solche Fälle offensichtlich, denkt man an die militärische Beteiligung ost- und nordeuropäischer Staaten an der von Frankreich geführten Operation Barkhane und der Task Force Takuba.7 Die MINUSMA-Beiträge Belgiens, der Nieder­lande und Schwedens waren ihrerseits verknüpft mit Bewerbungen um einen Sitz im VN-Sicherheitsrat.8 Nicht selten werden – wie im Fall der niederländischen MINUSMA-Beteiligung – multiple, mehr oder weniger kompatible Ziele mit einem Einsatz verbun­den.9

Die bündnis- und VN-politischen Ziele Deutschlands in Mali waren vertretbar und legitim. Und man wird zumindest für die ersten Jahre der Intervention davon sprechen können, dass Berlin seine primär außenpolitischen Ziele erreicht hat, obwohl es mit den Stabilisierungsversuchen vor Ort relativ wenig aus­richtete. Die Bewerbung um den VNSR-Sitz war erfolg­reich, die Vereinten Nationen und die VN-Friedens­sicherung im Besonderen wurden durch die deutsche (und europäische) Beteiligung mutmaßlich gestärkt. Gegenüber Frankreich kam Berlin seinen Verpflichtungen nach und fand dafür Anerkennung,10 und zwar ohne robuste militärische Beiträge, die Paris ohnedies nicht ernsthaft erwartet hatte.11

Daraus lässt sich ein zweiteiliges Zwischenfazit ziehen. Erstens kann das deutsche Mali-Engagement zumindest für die Anfangszeit nicht im Lichte von Stabilisierungspolitik bewertet werden. Dafür fehlten schlichtweg Ziele und Erfolgskriterien. Es dominierten bündnis- und VN-politische Motive, so dass eine große Diskrepanz zwischen den deklarierten und den eigentlichen Antrieben der Bundesregierung bestand. Zwar sind bündnis- und VN-politische Beweggründe grundsätzlich kompatibel mit Stabilisierungszielen. Allerdings gibt es im konkreten Fall den begründeten Verdacht, dass der Überhang der erstgenannten Moti­ve auf Jahre hinaus eine Hypothek für die deutsche Bereitschaft war, das eigene Handeln strategisch auszurichten. Die ungeklärte Interessenlage trug dazu bei, dass die Ressorts ein übergeordnetes Narrativ nur sehr spät und letztlich unzureichend entwickelten. Es fehlte an einer angemessenen strategischen Ziel­setzung und Operationalisierung – mit der mutmaß­lichen Folge, dass die umfangreichen Ressourcen, die Deutschland in Mali investierte, ineffektiv und ineffi­zient eingesetzt wurden.

Gab es eine deutsche Strategie für Mali?

Ab 2016/17 gewannen Mali-bezogene Ziele schritt­weise an Bedeutung in Diskurs und Praxis deutscher Krisenpolitik im Sahel.12 Bundeskanzlerin Angela Merkel vertrat diese Linie relativ resolut. Unter dem Eindruck der damaligen Flüchtlingskrise in Deutschland machte sie Migrationsbewegungen aus Afrika als das »zentrale Problem« für die Zukunft der EU aus. Mali und den Sahel stufte sie hier als prioritär ein.13 Folgerichtig wurden – neben Terrorismus – Migra­tion und Flucht zur zentralen Argumentationsfigur für deutsches Krisenengagement. Gleichzeitig stand das deutsche und europäische Handeln vor Ort in einem mehr als ungewissen Zusammenhang mit die­ser Begründungsfolie. Mali ist kein wichtiges Her­kunfts- oder Transitland von Migration, und auch für terroristische Verbindungen nach Europa fehlen bis heute belastbare Beweise. Hinterfragt wurde dieses inhaltlich »von Mali entkoppelte« Narrativ indes nie, auch nicht intern.14

Hatte Deutschland fortan Klarheit über die eigenen Prioritäten, und gab es eine passende Strategie in und für Mali, mit der Ziele benannt und operationalisiert worden wären? Die Notwendigkeit dafür lag auf der Hand. Da in Mali gleich mehrere Ministerien enga­giert waren (insbesondere AA, BMZ und BMVg), hätte es einer gemeinsamen Konzeption bedurft, um im Sinne des integrierten Ansatzes ein geteiltes Problemverständnis zu entwickeln und strategische Eckpunkte des eigenen Vorgehens festzulegen.15 Auch aus Effektivitäts- und Effizienzgründen wäre eine stärkere strategische Verortung wünschenswert gewesen. Zwischen 2013 und 2023 beliefen sich die Ausgaben der drei genannten Kernressorts für Mali auf mindes­tens 5,1 Milliarden Euro, also durchschnittlich rund 463 Millionen Euro pro Jahr.16 Dies war ein stattlicher Mittelansatz, wenngleich er deutlich niedriger ausfiel als im Falle Afghanistans, wo von 2001 bis 2021 jähr­lich 865 Millionen Euro ausgegeben wurden.17

Deutsche Krisenpolitik fand in Mali ihre Sinngebung erst im Nachhinein.

Ab 2020 erarbeitete die Bundesregierung eine Reihe von Strategiepapieren zur Mali- bzw. Sahel-Politik. Der späte Zeitpunkt legt nahe, dass der Mali-Kurs bis dahin überwiegend vom bürokratischen »Autopiloten« gelenkt wurde und damit politisch untersteuert war.18 Und selbst jetzt schien der Impe­tus für Strategiebildung in erster Linie vom Bundestag auszugehen, der sich zunehmend alarmiert über die Lage in dem Land zeigte.19 Dies war nicht ohne Zu­sammenhang mit parallelen Entwicklungen in Afgha­nistan, wo der zweite große Auslandseinsatz der Bundeswehr im Sommer 2021 mit einem Scheitern endete.20 Und schließlich spielte auch die absehbare Verringerung von Frankreichs militärischer Präsenz in Mali eine Rolle. Sie warf bei Abgeordneten die Frage auf, wie es fortan um die Sicherheit des deut­schen MINUSMA-Kontingents im nordmalischen Gao stünde. Vor diesem Hintergrund war es vor allem das Parlament, das die Ministerien dazu antrieb, Mali- und Sahel-Politik mit einer strategischen Konzeption zu versehen. Sieben Jahre nach dem Einstieg fand Deutschlands Krisenpolitik in Mali ihre Sinngebung also erst im Nachhinein, zumindest aber reichlich spät. Sie orientierte sich fortan sehr viel stärker an Zielen im Land selbst.

Die Berliner Überlegungen zum Engagement in Mali und dem Sahel mündeten zwischen März 2020 und Mai 2023 in drei Papiere. Den Anfang machte ein Bericht an den Bundestag, in dem die Regierung erst­mals ausführlich ihre Sicht auf die Dinge darlegte.21 Darin zeichnete sie zwar kein rosiges, aber doch ein optimistisches Bild der politischen Lage vor Ort. Die Regierung in Bamako, so hieß es, habe sich zu diver­sen Reformen bekannt – zur Demobilisierung und Reintegration von Kombattanten, zu Sicherheits­sektorreform (SSR), Verfassungsreform und Dezentralisierung. Die Autorität von Präsident Ibrahim Bou­bacar Keita sei »im Wesentlichen gefestigt«.22 Nur wenige Wochen später setzten Massenproteste gegen die malische Regierung ein, die im August 2020 zu Keitas Sturz durch das Militär führten. Berlin wurde – wie auch Paris – von dem Putsch kalt erwischt.

Daneben beschrieb die Bundesregierung in ihrem Bericht ausführlich das umfangreiche und »integrierte« deutsche Engagement, und zwar im Wesentlichen entlang seiner Output-Dimension, also gemäß der Frage »Was tut Deutschland in Mali?«. Einen strate­gischen Ansatz im eigentlichen Sinne bot das Doku­ment nicht. Dargelegt wurde nicht, welche Ressourcen und Maßnahmen zu welchen Zielen beitragen sollten und welche Wirkungskette zu den Zielen füh­ren könnte. Geprägt war das Papier von der Prämisse, die Stärkung bzw. Rückkehr des malischen Staates sei die Lösung. Die wachsenden Spannungen zwischen malischen und externen Partnern wurden nicht prob­lematisiert. Malische Eigenverantwortung wurde unterstrichen, aber nicht erklärt, was zu tun wäre, sollte es an ihr dauerhaft fehlen. Ausgeklammert wurde auch, dass die massive internationale Präsenz im Land – militärischer, entwicklungspolitischer und diplomatischer Art – genau dieser Eigenverantwortung zuwiderlaufen könnte.

Graphik 1

Graphik 1: Ressortspezifisches Engagement der Bundesregierung in Mali (2013-2023)

Vor allem aber thematisierte Berlin nicht, wie eine deutsche oder inter­nationale Kurskorrektur im Sahel aussehen könnte, die sich angesichts der immer schlechteren Lage seit 2017 aufdrängte. Nicht zuletzt wurden auch die bis­herigen Wirkungen und Grenzen des eigenen Vorge­hens, inklusive der VN- und EU-Missionen und ihrer deutschen Beteiligung, kaum reflektiert. Die beiden folgenden Strategiepapiere der Bundesregierung von Februar 2021 und Mai 2023 behoben das Problem nur bedingt. Zwar war der Duk­tus ziel- und ergebnisorientierter (»Benchmarks«, »Oberziele«, »Unterziele«), aber um eigentliche Strate­gien handelte es sich hier – auch nach Ansicht meh­rerer Regierungsvertreter:innen – nicht.23 Deut­sche Interessen wurden nur in einem sehr breiten Sinne beschrieben, und die ausgerufenen Ziele waren rela­tiv allgemein gehalten.24 Es fehlten plausible An­nah­men darüber, wie die deutschen Maßnahmen dazu beitragen soll­ten, die ebenso vagen wie ambi­tio­nier­ten Ziele zu erreichen.25 Die Ausrichtung des deut­schen Auftritts blieb stark angebots- und output-orientiert, der Ab­bildung des Ist-Zustands verhaftet. Insgesamt erfüll­ten die Papiere eher eine nach außen gerichtete, symbolisch-kommunikative Funktion, ins­besondere gegenüber dem Bundestag, als eine opera­tive Richt­schnur zu bieten.

Eine Folge war, dass die zahlreichen Instrumente und Maßnahmen der deutschen Seite relativ beliebig und ungesteuert eingesetzt wurden. Es ist möglich und auch wahrscheinlich, dass einzelne Maßnahmen dennoch Wirkung entfaltet haben. Aber ohne einen integrierten, auf Synergien zielenden Ansatz dürfte eine solche Wirkung häufig isoliert und lokal gewe­sen sein – und damit ohne Einfluss auf die über­geordneten Ziele Stabilität und Frieden.

Ursachenforschung: Mangelnde Strategiefähigkeit

Man kann ein Paradox darin sehen, dass die meisten Gesprächspartner:innen in den Ressorts selbst ein Strategiedefizit deutscher Krisenpolitik in Mali bekla­gen und es dem Apparat gleichwohl nicht gelungen ist, dieses zu überwinden. Welche Gründe hat es, dass Versuche der Strategiebildung hier erst sehr spät und dann nicht in ausreichendem Maße unternommen wurden?

Der erste Grund waren – in der Frühphase – allzu optimistische Zukunftsszenarien. Die interna­tionalen Anfangserfolge in den Jahren 2013 bis 2015 verleiteten zu der Annahme, das deutsche Engagement könne relativ rasch auf ein normales Maß redu­ziert werden.26 Entsprechend global und unscharf waren mit Stabilisierung und Friedensförderung die Ziele, die Berlin ausrief. Anders verhielt es sich mit Migrationsabwehr und Terrorismusbekämpfung. Diese waren konkret. Allerdings standen sie in keiner plausiblen Verbindung zum deutschen Handeln vor Ort, weder bilateral noch multilateral als Teil von EUTM Mali und MINUSMA.27 Ähnlich wie die Kluft zwischen den Mali-nahen und den eigentlichen Moti­ven illustrierte dies die kognitive Dissonanz im deut­schen Diskurs zur Rechtfertigung des eigenen Engage­ments.

Ein zweiter Erklärungsfaktor ist der – wie erwähnt – hohe Stellenwert krisenferner Motive für das deutsche Engagement, zumindest in der ersten Hälfte des Interventionszeitraums. Ziele und Anfor­derungen leiteten sich nicht aus der Problemlage in Mali ab. Vielmehr war die bloße Teilnahme am inter­nationalen Konzert ein ausreichender Nachweis für die Solidarität mit Partnern und die Übernahme inter­nationaler Verantwortung. Dies erklärt jedenfalls, warum Berlin sich lange nicht ausreichend mit den eigenen Zielen in Mali selbst befasste.28 Allerdings stellt sich dann die Frage, ob der stetig erweiterte Mit­telansatz verhältnismäßig war gegenüber den relativ begrenzten Zielen von VN- und Bündnissolidarität.

Ein dritter Faktor ist die internationale Einbettung deutscher Krisenpolitik. Das Versäumnis, die fran­zösisch dominierte Strategie der internationalen Ge­meinschaft mitzugestalten und gegebenenfalls zu korrigieren, wird auch von Ressortvertreter:innen im Nachhinein selbstkritisch eingeräumt.29 Hier zeigt sich möglicherweise eine Parallele zu Afghanistan. Die limitierten militärischen Beiträge, die Deutschland und andere Juniorpartner leisteten, markierten gleichzeitig die Grenze ihres politischen Einflusses auf die Gesamtstrategie, die vom Koalitionsführer formuliert wurde.30

Ohnehin führten Berliner Überlegungen immer wieder zurück zu dem Punkt, dass Solidarität und Lastenteilung mit Frankreich ein wesentlicher An­trieb deutschen Handelns in Mali seien.31 Wer dies als ein zentrales Motiv des Engagements ernst nahm, musste zu dem Schluss kommen, dass Deutschlands lange Zeit passive Haltung »gewollt« und außenpolitisch kohärent war. Dies und die vermutete »über­legene französische Sachkenntnis« bewirkten eine »selbstauferlegte Zurückhaltung« gegenüber Paris.32 Sie galt – mit abnehmender Bedeutung – bis zum Jahr 2023 dergestalt, dass eigenständigere Positionen zu Mali und dem Sahel zwar von der deutschen Bot­schaft in Bamako verfochten wurden und auch inner­halb der Ministerien zunehmend Auftrieb erhielten, doch wegen Rücksicht auf den übergeordneten Rang der deutsch-französischen Beziehungen in Berlin intern umstritten blieben.33 Noch wichtiger: Für Paris war der Sahel eine Priorität, für Berlin mitnichten.

In den Ministerien gab es »wenig Appe­tit« auf mühsame Diskussionen über Ressortgrenzen hinweg.

Als schließlich eine eigene Konzeption unausweichlich erschien, stieß die Idee einer ambitionierten, konkreten und überprüfbaren Strategie auf Widerstand. In den Ministerien gab es »wenig Appe­tit« auf mühsame und zeitraubende Diskussions­prozesse über Ressortgrenzen hinweg.34 Unter ande­rem im Auswärtigen Amt schwang die Furcht mit, die Strategie könnte bei der Umsetzung scheitern. Je konkreter, ziel- und wirkungsorientierter ein solches Papier würde, so die Überlegung, desto mehr müssten sich die Ressorts an Ergebnissen und Misserfolgen messen lassen. Einige deutsche Akteure hielten einen präzisen Handlungsrahmen für unerwünscht, weil der volatile Kontext in Mali politische Flexibilität er­fordere, die eine konkrete Strategie gerade beeinträchtige. Hinzu kam, dass die Vermeidung strategischer Verbindlichkeit dabei half, Zielkonflikte aus­zuklammern. Ein Beispiel dafür war die Positionie­rung gegenüber Putschregimen, die seit 2021 die Sahel-Politik mitbestimmte. Sollte Berlin der franzö­sischen Linie folgen, nach der die neuen Machthaber international zu isolieren waren? Oder sollte man im Gegenteil Kooperationsangebote an die Sahel-Regie­rungen richten – auf die Gefahr hin, Friktionen mit Paris zu erzeugen? Darüber gab es in der Bundes­regierung und selbst innerhalb der Ressorts wenig Einigkeit, so dass auch das Ansinnen einer konkreten Strategie schwer umzusetzen war. Politische Vorga­ben wurden dem Vernehmen nach von den Leitungsebenen nicht formuliert. Das Bundeskanzleramt schaltete sich sporadisch in die Mali-Politik ein, über­ließ deren Gestaltung aber überwiegend »dem Spiel der Kräfte zwischen den Ressorts«.35

Insgesamt ergibt sich daraus ein widersprüchliches Bild deutscher Strategiefähigkeit. In den Ressorts fanden sich durchaus Stimmen, die für eine ambitionierte strategische Orientierung eintraten. Doch auch wegen fehlender politischer Steuerung überwogen Beharrungskräfte, die am bürokratischen Autopiloten festhielten, unter anderem deshalb, weil er unleug­bare Vorzüge hat. Er gewährleistet maximale Flexibi­lität in Anbetracht großer Unwägbarkeiten und un­gewisser Erfolgsaussichten, aber auch eine inter­ministerielle Zusammenarbeit, bei der allzu große Konflikte vermieden werden. Und schließlich bedeu­tete strategische Vagheit, dass Bundestag, Medien und Öffentlichkeit das Handeln der Ressorts nicht an konkreten Zielen und Ergebnissen messen konnten.

Utopie integrierter Ansatz?

Dass ein integrierter Ansatz notwendig ist, bei dem zivile und militärische Instrumente ineinandergreifen, wird von allen Mitarbeiter:innen der Bundes­regierung aus normativen wie funktionalen Gründen regelmäßig unterstrichen.36 Sosehr diese Idee also internalisiert ist, sosehr zeigt die Praxis aus Sicht zahlreicher Ressortvertreter:innen große Mängel bei der Umsetzung. Das hohe Maß wechselseitiger Ab­stimmungs- und Beteiligungsprozesse bricht Ressort­logiken nur in Ausnahmefällen auf. Dem steht ein Mangel an politischer Steuerung gegenüber, so dass weder die großen Linien noch deren Operationalisierung in Angriff genommen werden. In Mali hatte dies zur Folge, dass Krisenpolitik weitgehend reaktiv blieb oder, wie es ein deutscher Akteur formulierte, »es uns nie gelungen ist, auf die Welle, geschweige denn vor die Welle zu gelangen«.37 Die beharrliche Diskrepanz zwischen dem allgegenwärtigen Postulat der Inte­gration und der politischen Praxis dürfte schwer auf­zulösen sein. Ein immer wieder gemachter Vorschlag lautet im Grunde, ressortübergreifende Kooperation zu »erzwingen«. Zwang bedeutet in diesem Kontext, die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts durch bzw. im Rahmen gemeinsamer Institutionen – also Formate, Verfahren, Instrumente – zu forcieren.

Ein naheliegendes Instrument wären hier Länderstrategien.38 Dies setzt freilich einen Strategieprozess voraus, der mehr ist als eine bürokratische Routine, bei der ein Ministerium einen Aufschlag macht, den andere Ressorts dann im Umlauf ergänzen und von dem am Ende der kleinste gemeinsame Nenner bleibt. Wirkliche Länderstrategien könnten einen sinnvollen Rahmen bieten, um zwischen den Ressorts ein ge­meinsames Verständnis von Annahmen, Zielen und geplantem Handeln herbeizuführen. Dies sollte zu­mindest dort der Fall sein, wo ein Krisenland auf absehbare Zeit eine außen- und sicherheitspolitische Priorität werden könnte. Mali stellt dabei gegenüber Afghanistan einen Rückschritt dar. Für die Inter­vention am Hindukusch war relativ frühzeitig, näm­lich 2003 und damit zwei Jahre nach Einsatzbeginn, immerhin ein Konzept, wenn auch keine Länder­strategie erarbeitet worden.39 Der Bundestag sollte Länderstrategien fortan ebenso einfordern wie kon­krete Lage- und Fortschrittsberichte, wie es sie zu Afghanistan zumindest zeitweise (nämlich zwischen 2010 und 2014) gab.

Länderstrategien im Sinne eines verfassten Papiers haben allerdings »ohnehin nur eine begrenzte Aus­wirkung auf die politische Praxis« und werden von manchem Diplomaten als akademische Übung ab­getan.40 Klar ist: Strategien werden nicht handlungsleitend ohne Formate und Verfahren, mit denen sich die Umsetzung operationalisieren lässt. Ein ambitionierter Schritt könnten ressortgemeinsame, mehr­jährige Länderbudgets sein, über die weite Teile des deutschen Engagements in prioritären Krisenländern finanziert werden müssten. Ein solches Länderbudget wäre nicht nur ein Finanzierungsmechanismus, son­dern auch ein institutionelles Korsett, um die Ressorts in eine gemeinsame strategische Planung zu drängen. Als Orientierungspunkt könnte das Instrument der Ertüchtigung dienen, bei dem AA und BMVg zusam­men planen. Gleichzeitig wurde in Mali deutlich, dass gemeinsam bewirtschaftete Instrumente nicht auto­matisch zu ressortgemeinsamem Handeln führen. Auch das 2020 eingeführte Instrument »Gemeinsame Analyse und abgestimmte Planung« (GAAP) bleibt in seiner Wirkung begrenzt, zumal es bislang nur zwi­schen zwei Ressorts gilt, nämlich AA und BMZ.41 Zumindest im Zeitraum 2021–2023 wurde für Mali keine GAAP durchgeführt.

Im Falle Malis wurde der Handlungsbedarf schon darin deutlich, dass beim Lagebild immer wieder divergierende Einschätzungen zwischen den Ressorts auftraten. Im BMVg wurde wiederholt der Optimismus der AA-Diplomaten beklagt, der als beschönigend oder gar realitätsfern kritisiert wurde.42 Die Abweichungen beim Lagebild beruhten nicht auf unterschiedlichen Informationen, sondern auf der Bewertung. Dies reflektierte in Teilen die ungleichen Zeit- und Zielhorizonte der Ministerien.43 Das BMVg legt wegen seines sicherheitspolitischen Fokus und knapp bemessener Mandate von Auslandseinsätzen naturgemäß kürzere Zeithorizonte bei der Lagebewertung an als AA und BMZ, die mittelfristige (AA) bzw. lange Linien (BMZ) betrachten. Die GAAP müsste also zumindest auf das BMVg und gegebenenfalls noch weitere Ressorts ausgedehnt werden, je nach Land. Gleichzeitig wird eine erweiterte GAAP das Problem fehlender politischer Zielvorgaben nicht lösen. Erst wenn diese von den Leitungsebenen festgelegt wer­den, können sich die Arbeitsebenen an die Konzep­tion einer ressortgemeinsamen Operationalisierung setzen.

Es ist unstrittig, dass die Ressorts für Mali einen hohen Aufwand an Abstimmungs- und Mitzeichnungsprozessen betrieben haben. In Bamako selbst wurden Abstimmung und Planung im Rahmen eines institutionalisierten Formats (»Nord-Runde«) praktiziert. Mit dem Posten eines AA-finanzierten zivilen Beraters in Gao (Civilian Advisor, CIVAD), der Bundes­wehr-Kontingent und deutsche Botschaft beriet, wur­de zudem eine Schnittstelle geschaffen, die von allen Beteiligten als innovatives und sinnvolles Instrument zur Operationalisierung des integrierten Ansatzes be­schrieben wurde. Vor Ort konnte der CIVAD zu einem gemeinsamen Lagebild und der Steuerung des zivilen Engagements beitragen.

Gleichzeitig zeigte diese Innovation aber auch die Grenzen der Integration auf. Manche deutschen Akteure der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in Mali fürchteten etwa einen Autonomieverlust bzw. eine Vereinnahmung durch den CIVAD und eine zu große Nähe zum deutschen Militär.44 Zudem besteht ein offenkundiges Missverhältnis zwischen der von allen Seiten behaupteten Nützlichkeit des CIVAD als Scharnier des integrierten Ansatzes und der Tatsache, dass die Bundesregierung es bei einer einzigen CIVAD-Stelle in Gao beließ. Großbritannien, die Niederlande und selbst Frankreich hatten mehr Personal mit ähn­lichen Aufgabenprofilen in Gao. Phasenweise hatte London sogar drei CIVAD vor Ort. Hier spricht einiges dafür, bei Ländern mit einem vergleichbar hohen deutschen Engagement mehr Personal aus den je­weiligen ministeriellen Zentralen zu entsenden und dieses mit mehr Entscheidungskompetenz zu ver­sehen. Die Problematik der unzureichenden Personalausstattung an wichtigen Knotenpunkten trat auch bei der Ertüchtigung zutage.

In Berlin gab es zwischen den Ressorts ebenfalls ständige Abstimmungsprozesse. Auf Entscheidungsebene war Mali zeitweilig Gegenstand der Staats­sekretärsrunde, die sich ursprünglich nur Afghani­stan gewidmet hatte. Nach dem Abzug von dort 2021 wurde dieser Kreis nur noch kurze Zeit als Mali-Runde fortgeführt – ein Indiz dafür, dass das Land trotz des großen Bundeswehr-Einsatzes keinen mit Afghanistan vergleichbaren Stellenwert einnahm.

Sichtbarstes Format ressortübergreifender Koope­ration und institutioneller Innovation war der mit Vertreter:innen von AA, BMVg und BMZ besetzte Arbeits­stab Sahel (AS Sahel).45 Er wurde allerdings erst 2019 und damit zu einem späten Zeitpunkt ins Leben ge­rufen. Dies spiegelt den Rückstand wider, den die Konzeption der ressortübergreifenden Strategiepapiere ab 2020 hatte. Der AS Sahel konnte die Erwartungen nur in begrenztem Maße erfüllen. Zwar steuerte er in der täglichen Praxis Informationsaustausch und Abstimmungsprozesse auf der Arbeitsebene. Aber das von nahezu allen Gesprächspartner:innen identifizierte Problem bestand darin, dass der AS keine poli­tisch-strategische Funktion ausfüllen konnte, um die Mali-Politik ressortübergreifend zu operationalisieren, sie durchzusetzen und bei Bedarf strategische Im­pulse zu setzen.46

Die Gründe dafür lassen sich dahingehend zusam­menfassen, dass der AS nicht die nötige Autorität und Zuständigkeit erhalten hatte. Aus Sicht von BMZ- und BMVg-Vertreter:innen war er keine ressortgemeinsame Institution, sondern ein »Referat« des AA. Inner­halb des AA wiederum war der Arbeitsstab nur eine Stimme unter vielen, aber nicht »primus inter pares«. Dem AS Sahel fehlte das politische Gewicht, um ver­bindliche Linien gegenüber oder unter Beteiligung anderer Arbeitseinheiten und Abteilungen zu formu­lieren, die gleichfalls Einfluss auf die Mali-Politik für sich reklamierten (VN, EU & GSVP, Abteilung Stabili­sierung). Kurzum: Der AS Sahel als Arbeitseinheit im wörtlichen Sinne konnte den Mangel an politischer Steuerung nicht kompensieren. Auch nach seiner Gründung blieb die Mali-Politik, so die Sicht vieler Ressortvertreter:innen in Berlin und Bamako, poli­tisch untersteuert.47

Daraus wird deutlich, dass die Strategie- und Kohä­renzproblematik nicht auf ihre ressortübergreifende Dimension reduziert werden sollte. Auch die Kohä­renz innerhalb der einzelnen Ministerien kann nicht vorausgesetzt werden. Die inhaltlich-organisa­torische Spezialisierung und Ausdifferenzierung der Ministerialbürokratien bedeutet, dass zahlreiche Arbeits­einheiten ein und desselben Ressorts einen Platz am Tisch einnehmen. So musste sich der Arbeitsstab Sahel AA-intern mit der Afrika-Abteilung, VN, GSVP und mehreren Referaten der Abteilung Stabilisierung abstimmen, die über mehr politisches Gewicht in der hausinternen Hierarchie (VN, EU) bzw. über mehr Ressourcen (Abteilung Stabilisierung) verfügen. Inner­halb des BMVg ist die Komplexität kaum geringer (Länderreferat, Ertüchtigung, Strategie und Einsatz, Mandatierung, GSVP).48 Die unterschiedlichen Zustän­digkeiten, Logiken und Ressourcen der Arbeitseinheiten innerhalb der Häuser erschweren die Entwicklung und Operationalisierung von Strategie. Der AS Sahel etwa sollte die Sahel-Politik steuern, aber wie andere Länderreferate hatte er keine eigenen Mittel, um diese Politik mit Ressourcen zu unterlegen. Dies ver­deutlicht, dass die zunehmende Ausdifferenzierung von Institutionen und Instrumenten einen Preis hat, nämlich eine größere Komplexität von Abstimmung, Koordinierung und Steuerung, die erforderlich sind, um das Leitbild von Integration mit Substanz zu fül­len. Je mehr Referate, Abteilungen und Ministerien beteiligt sind, desto mehr Abstimmungsaufwand muss betrieben werden, ohne dass dies notwendigerweise zu strategischen Linien führt. Vielmehr dürfte in vielen Fällen der kleinste gemeinsame Nenner das Ergebnis sein.

Ein Arbeitsstab wie der AS Sahel ist sinnvoll, wenn er mehr ist als ein weiterer Akteur im Abstimmungskonzert, also unter der Voraussetzung klarer ressort­übergreifender Zuständigkeit. Da die Schaffung einer solchen Einheit eine Region oder ein Land zumindest zeitweilig als prioritär ausweist, sollte dies auch mit einer hinreichenden personellen Ausstattung und einer hochrangigen Besetzung an der Spitze einhergehen. Nur so gewinnt der AS das nötige Gewicht, um politische Steuerung innerhalb des Auswärtigen Amts und zwischen den Ressorts durchsetzen zu können. Darüber hinaus sollten Arbeitsstäbe nicht nur Länder­expertise aus verschiedenen Häusern integrieren, son­dern auch Wissen aus den Fachreferaten, die für den Einsatz von Instrumenten und Mitteln zuständig sind.

Ein weiteres Problem, das im Fall Mali sichtbar wurde, ist die Gefahr überhöhter Erwartungen. Dem integrierten Ansatz wird im deutschen Diskurs eine Wirksamkeit zugeschrieben, die in jeder Hinsicht überzogen ist. Er ist ein Leitbild. Selbst wenn es ge­länge, ihn nahezu perfekt umzusetzen, würde er zumindest in einem Flächenstaat wie Mali nie überall effektive Anwendung finden können. In Gao kam es rund um den Bundeswehr-Standort de facto zu einer Ballung deutscher Aktivitäten, die zumindest teil­weise verzahnt waren. Dies scheint aber nicht das Ergebnis einer strategischen Diskussion darüber ge­wesen zu sein, ob und zu welchem Zweck die Bun­desregierung Gao und Umgebung priorisieren sollte und welche Konsequenzen dies haben könnte. Grund­sätzlich dürfte es daher mit Blick auf die Wirksamkeit des integrierten Ansatzes sinnvoll sein, räumliche Prioritäten und damit auch Grenzen zu setzen, die gegenüber nationalen und internationalen Partnern kommuniziert werden müssen. Insgesamt kommt man zu dem Schluss, dass Deutschland auf dem Weg zu einem integrierten, ressortkohärenten Ansatz noch ein ganzes Stück Weg zurückzulegen hat.

Ertüchtigung: Viel Luft nach oben

Das Engagement im Bereich Ertüchtigung offenbart Stärken und Schwächen des deutschen Krisenmanagements. Ein erheblicher Mittelansatz, eine beacht­liche Instrumentenvielfalt und eine starke Orientierung am Bedarf von Partnerstaaten kontrastieren mit einer strategischen Ausrichtung, die verbesserungs­fähig ist. In Mali blieb unterbestimmt, was Deutschland mit der Ertüchtigung erreichen wollte, wie sie mit dem übergeordneten deutschen Engagement ver­bunden war und wie sich die einzelnen Ertüchtigungsprojekte in dieses Gesamtbild einfügten. Besser gelingen müsste es auch, Projekte aus der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung (EIBReg) mit bila­teralen Maßnahmen der Ertüchtigung im weiteren Sinne und, wo vorhanden, mit GSVP-Missionen zu verknüpfen. Positiv hervorzuheben ist, dass diese Ver­knüpfung immerhin – wenn auch erst ab 2021 und damit zu einem späten Zeitpunkt – geplant und teil­weise ins Werk gesetzt wurde.

Maßnahmen zur Befähigung von Sicherheits- und Streitkräften sind international wie national eine Wachstumsbranche. Sicherheitspolitische Hilfe zur Selbsthilfe lautet das Schlagwort. Nahezu alle GSVP-Missionen der EU seit 2006 hatten Ertüchtigung zum Ziel, darunter gleich zwei in Mali (EUTM Mali, EUCAP Sahel Mali).49 Deutschland hat 2016 mit der EIBReg ein eigenes Instrument geschaffen, um »den Sicherheitssektor der Partnerländer nachhaltig [zu] unter­stützen und so auch Deutschland und Europa siche­rer [zu] machen«.50 Neben Beratung, Ausbildung, Aus­stattung und Infrastrukturmaßnahmen stehen Aus­rüstungshilfen im Mittelpunkt, die im Gegensatz zur traditionellen Ausstattungshilfe auch Rüstungsgüter umfassen können. Mit Maßnahmen zugunsten von Militär und zivilen Sicherheitskräften folgt die EIBReg ausdrücklich dem Leitbild der integrierten Sicherheit, nach dem Akteure, Mittel und Instrumente zusammenwirken sollen. Institutionell abgebildet wird dies durch die gemeinsame EIBReg-Zuständigkeit von AA und BMVg, die sich bei Projektvorhaben abstimmen und gemeinsam Budgetverantwortung tragen.

Deutschland führte in Mali auf dem Feld der Er­tüchtigung bei weitem nicht nur EIBReg-Projekte durch. Abgesehen von der Beteiligung an EUTM und – deutlich geringer – EUCAP Sahel Mali implementierte Berlin neben den eigentlichen EIBReg-Vorhaben weitere sicherheits- und verteidigungspolitische Maß­nahmen. Am weitesten zurück reicht die Bundeswehr-Beratergruppe, die gemäß dem bundesdeutschen Ausstattungshilfeprogramm (AHP) schon seit den 1970er Jahren in Bamako Kapazitätsaufbau im Bereich Logistik versucht.51 Im Rahmen dieses Pro­gramms waren im relevanten Zeitraum 2013–2023 fünf Bundeswehr-Angehörige vor Ort. Zur Befähigung der malischen Armee sollte außerdem ein umfang­reiches Ausbildungs- und Weiterbildungsangebot bei­tragen. 2021 umfasste es mehr als 30 Plätze für mali­sche Offiziere, die in Deutschland an kurzen oder mehrmonatigen bis mehrjährigen Offizierslehrgängen, Fachausbildungen und Studiengängen teilnahmen. Außerdem wurde 2016 ein deutscher Offizier als Berater an die regionale École de Maintien de la Paix (EMP) in Bamako entsandt, der später im mali­schen Verteidigungsministerium angesiedelt wurde.52

Einen öffentlich zugänglichen Überblick über Zahl und Umfang der EIBReg-Projekte gibt es nicht. Seit 2016 summiert sich das Engagement zu einem weit­gefassten Spektrum überwiegend militärischer Pro­jekte (ca. 80 Prozent der Ausgaben). Dieses reicht von Maßnahmen zur Stärkung der biologischen Gefahren­abwehr (im Rahmen der Regionalorganisation G5 Sahel), Grenzmanagement und -sicherung sowie der persönlichen Ausstattung von Soldaten (Stiefel, Helme, Schutzwesten) über die Unterstützung der Militärjustiz bis hin zum Bau von Munitionsbunkern sowie Lagersicherheit und -verwaltung im Bereich Kleinwaffen- und Munitionskontrolle.53 Den finan­ziell größten Anteil hatte die Finanzierung und Be­reitstellung von mindestens 40 gepanzerten Casspir- bzw. Puma-Truppentransportern aus südafrikanischer Herstellung, die der malischen Armee übergeben wurden.54 Der Stückpreis für diese Fahrzeuge lag im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich.

Über die Wirksamkeit und Erfolge einzelner Pro­jekte lassen sich nur begrenzte Aussagen treffen, zu­mal die Intransparenz der Bundesregierung Einblicke erschwert. Das deutsche Engagement wurde bislang lediglich punktuell evaluiert, und die Ergebnisse sind öffentlich nicht zugänglich.55 Aus Gesprächen ergibt sich je nach Vorhaben ein gemischtes Bild beim Er­reichen von Projektzielen. Fest steht, dass Deutschland in Mali einen erheblichen Ansatz und Aufwuchs an Mitteln realisiert hat – an Quantität hat es sicher­lich nicht gefehlt. Das EIBReg-Volumen für Mali er­reichte 2021 und 2022 ca. 30 Millionen Euro pro Jahr.56 Das entsprach 13 Prozent des deutschen Er­tüchti­gungshaushalts (der bei 225 Millionen Euro liegt, ohne Ukraine).57 Wahrscheinlich war Deutschland in den letzten Jahren der mit Abstand wichtigste Partner Malis im Bereich der Ertüchtigung.

Bei der Ertüchtigung verhält es sich wie mit anderen Handlungsfeldern, etwa der Stabilisierung. Ein umfängliches und vielfältiges Engagement kann eine Stärke sein. Die Herausforderungen bleiben Kohärenz und strategische Orientierung. Ein einzelnes Projekt kann sehr erfolgreich sein, ohne zu übergeordneten strategischen Zielen beizutragen oder auch nur kohä­rent mit dem Gesamtansatz zu sein. So ist beispielsweise nicht auszuschließen, dass Kurse zur Lagerung und Nachweisführung von Munition den malischen Streitkräften weitergeholfen haben. Ob und auf wel­che Weise es einen »wesentlichen Beitrag für den Friedensprozess und zur Stabilisierung des Landes«58 bedeutete, ist zumindest nicht offensichtlich. Um dies zu beurteilen, müssten die genauen Ziele, Wirkungsannahmen und Ergebnisse zugänglich sein.

Ressortdenken, Distributions- und Projektlogiken wurden in Mali nicht genügend aufgebrochen.

Hier wird eine Problematik deutlich, die den Ge­samtansatz deutscher Krisenpolitik in Mali gekennzeichnet hat, nämlich die Lücke zwischen allgemein gefassten Oberzielen (Stabilität, Frieden) auf der einen Seite und einzelnen Maßnahmen auf der anderen. Zwar kann man argumentieren, dass Ertüchtigungsprojekte in irgendeiner Weise zur Befähigung der malischen Sicherheitskräfte beitragen. Aber ein wir­kungsorientierter und vor allem strategischer Ansatz lässt sich den Einzelmaßnahmen oder deren Gesamt­heit damit nicht zwingend entnehmen. Es bedürfte einer Theorie des Wandels, die Annahmen, Maßnah­men und Ressourcen in einen plausiblen Wirkungszusammenhang setzt und auf die zu erreichenden Ziele hin ausrichtet.

Dass hier Nachholbedarf besteht, wird auch von manchen Ressortvertreter:innen zugestanden. Sie räumen nicht nur die unzureichende strategische Ausrichtung der Ertüchtigung ein, sondern auch einen Überhang an Projektlogiken. Bürokratische Rationalitäten sorgen dafür, dass die jeweiligen Zyk­len eines Projekts (Beginn, Durchführung, Abwicklung), Mittelabfluss und Durchführbarkeit im Vorder­grund stehen, nicht immer jedoch strategische Ziele und Wirksamkeit. Diesen Problemen sollte die Er­tüchtigung angesichts einer gemeinsamen Verantwor­tung von AA und BMVg eigentlich entkommen. Indes blieben die Effekte des Instruments hinter dem hohen Anspruch zurück, zu einer gemeinsamen strategischen Konzeption und Operationalisierung zu gelan­gen. Zumindest im Fall Mali war die EIBReg weniger ein wirklich ressortgemeinsames Instrument, sondern eher ein Finanzierungstopf, den man, mit den Wor­ten eines Ressortvertreters, »aus zwei Rich­tungen lee­ren kann«.59

Sicherlich verhindern Abstimmungsroutinen Dup­likationen, aber letztlich scheinen die Häuser »ihre« Projekte in erster Linie als eigenständige Vorhaben zu betrachten, die eher nebeneinander laufen als mit­einander verschränkt werden. Deutlich wird das bei den jährlich zur Diskussion stehenden Vorhaben, die dem Vernehmen nach eher lose Projektlisten sind, als dass sie einer Logik folgen würden, bei der einzelne Maßnahmen ineinandergreifen und auf strategische Ziele einzahlen. Da die Verknüpfung der Projekte untereinander nicht klar hervortritt, gilt dieser Be­fund vermutlich nicht allein für die Einzelmaßnahmen. In Mali führten die faktisch fortbestehende Ressorttrennung sowie ein Mangel an strategischer Planung und Steuerung dazu, dass thematisch be­nachbarte Ertüchtigungsprojekte »nichts miteinander zu tun hatten« und – schlimmer noch – in mindes­tens einem Fall nichts voneinander wussten.60

Ressortdenken, Distributions- und Projektlogiken wurden also nicht genügend aufgebrochen. Der integrierte, ressortübergreifende Ansatz blieb damit hinter seinem politischen Anspruch zurück. Die Probleme blieben auch den malischen Partnern nicht verborgen, die fehlende Transparenz sowie widersprüchliche Ziele und Vereinbarungen auf deutscher Seite feststellten.61 Dies schadete der politischen Glaubwürdigkeit des deutschen Auftritts und Ange­bots.

Das Erfordernis einer kohärenten und strategischen Verknüpfung der EIBReg-Projekte untereinander sollte weitergedacht werden, denn Ertüchtigung erschöpfte sich wie erwähnt nicht in der EIBReg. Der Einsatz multipler Instrumente (EIBReg, Ausstattungshilfe, Beteiligung an GSVP-Missionen) und der be­trächtliche deutsche Mitteleinsatz sind nur dann ein Pfund, wenn Maßnahmen stärker in strategischen und operativen Zusammenhängen geplant werden. Hier sollte an geeigneter Stelle politische Steuerung »von oben« die starken Projektlogiken und Pfadabhängigkeiten durchbrechen, sofern dies nicht »von unten« initiiert wird. Als Auswahlkriterium für bilate­rale Maßnahmen wäre zu erwägen, dass sie zumindest partiell miteinander verschränkt werden, falls vorhanden auch mit GSVP-Missionen. Immerhin wur­den entsprechende Ansätze in Mali – wenn auch spät – entwickelt, etwa indem die Ausbildung zum Führen der EIBReg-finanzierten Truppentransporter teilweise durch EUTM erfolgte.

Vernetzung und Synchronisierung sind nicht nur mit Blick auf Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit deutscher Ertüchtigung wichtig. Sie sind ebenso vonnöten, um die lokale Eigenverantwortung zu befördern. Wenn schon allein Deutschland mit einer Vielzahl von Instrumenten und Angeboten in Erschei­nung trat, kann es nicht verwundern, dass die mali­sche Regierung schnell damit überfordert war, zahl­reiche weitere internationale Unterstützer zu koordi­nieren und zu steuern, also der lokalen Eigenverant­wortung nachzukommen, wie sie von deutscher und anderer Seite eingefordert wurde. Ein Beispiel: Im Jahr 2017 implementierten externe Partner nicht weniger als 70 Projekte zur Unterstützung des Sicher­heitssektors (Justiz, Verteidigung und innere Sicher­heit), die untereinander weitgehend unverbunden waren. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass für dieses bloße Sachstandswissen eigens eine Studie in Auftrag gegeben werden musste – sie sollte nach­vollziehen, welche Geber in welchen Bereichen der Ertüchtigung aktiv waren.62 Ein weiteres Beispiel für die internationale Ertüchtigungsflut war die EU, die sich mit zwei separaten Missionen (EUCAP Sahel Mali, EUTM Mali), mehreren millionenschweren Groß­projekten (darunter PARSEC, GAR-SI Sahel) und einer Vielzahl weiterer Vorhaben engagierte, mit ungewissem Erfolg für das Ziel strategischer Kohärenz.63 Der immer wieder betonte integrierte Ansatz wurde teilweise zum Selbstzweck – und Mali zu dessen »Labor«.64 Das undurchschaubare Dickicht von deut­schen und anderen internationalen Partnern und deren Aktivitäten – keineswegs nur im Bereich der Ertüchtigung – beeinträchtigt nicht nur Effektivität und Effizienz, es ist auch politisch problematisch. Auf Seiten der Regierung in Bamako führte es zum Ein­druck von Bevormundung und zur Sorge vor »Kon­trollverlust«.65

Eine weitere Lehre aus Mali ist, dass geklärt werden muss, in welchem Verhältnis der theoretisch-kon­zeptionelle Rahmen von Ertüchtigung zum Thema Sicherheitssektorreform (SSR) steht. Nach überwiegendem Verständnis soll Ertüchtigung mehr leisten als die bloße Stärkung von Partnerkapazitäten.66 In­des scheint in der Praxis aller internationalen Partner – auch Deutschlands – der Fokus auf operativem Kapazitätsaufbau zu liegen und die Governance-Dimension des Sicherheitssektors nur eine nachrangige Rolle zu spielen. Diese Einschätzung wird auch von deutschen Akteuren geteilt. Doch selbst wenn es gelungen wäre, in Mali einen perfekten militärischen Apparat aufzubauen, hätte dies mittelfristig nicht die grundlegenden Schwierigkeiten des Sicherheitssektors gelöst, der nicht isoliert vom Rest des politischen Systems betrachtet werden kann. Ein Problem war, dass die Governance-Dimension bei wichtigen mali­schen Akteuren auf wenig bis kein Interesse stieß – nicht bei Regierungseliten, weil die politische Öko­nomie des Machterhalts einer tatsächlichen SSR ent­gegenstand, und nicht bei Offizieren, weil für sie operative Fähigkeiten und Kapazitäten prioritär waren. Das Werben internationaler Akteure für Re­formen prallte an der harten Realität ab. Mit ganz wenigen Ausnahmen, darunter Militärjustiz, schien auf deutscher Seite die Schlussfolgerung zu lauten, erst gar keine Reformambitionen zu vertreten, son­dern Ertüchtigung im Wesentlichen als Kapazitätsaufbau zu begreifen, der entweder einen tatsächlichen Bedarf deckte (etwa bei den Casspir-Fahrzeugen) oder zumindest politisch unbedenklich war (so die Kleinwaffenkontrolle).

Befunde aus Mali und anderen Ländern zeigen aber, dass Ertüchtigung ohne Governance-Reformen weder effektiv noch nachhaltig ist.67 Die wohlfeile Ankündigung, künftig die Zivilgesellschaft stärker einbeziehen zu wollen, stellt noch keinen Ansatz dar.68 Den unbequemen und zweifellos schwierigen Fragen zum Verhältnis zwischen militärischem Kapa­zitätsaufbau und politischen Reformen wird sich die EIBReg in Zukunft noch stärker stellen müssen, um nachhaltige Wirkung erzielen zu können. Gleich­zeitig werden Reformfragen einen schweren Stand haben, wenn Regierungsvertreter der Ertüchtigung zunehmend die Funktion des politischen Türöffners zuschreiben und »Pragmatismus« im Umgang mit afrikanischen Regierungen anmahnen, um im inter­nationalen strategischen Wettbewerb bestehen zu können.

Aus der Ertüchtigung in Mali lassen sich vier Leh­ren ziehen. Erstens ist die ressortgemeinsame Bewirt­schaftung von Ertüchtigung verbesserungsfähig, will man von bloßen Abstimmungsprozessen zu einer weitaus ambitionierteren gemeinsamen Strategie-Planung kommen. Die EIBReg ist längst kein Nischen­instrument mehr (siehe Ukraine) und verdient auch von Seiten des Bundestags mehr Aufmerksamkeit, damit der Anspruch ressortgemeinsamen und wirk­samen Handelns eingelöst werden kann. Nachvollziehbare strategische Ziele, plausible Wirkungsketten und generell mehr Transparenz sind vonnöten. Auf diese Weise sind noch keine Erfolge garantiert, aber zumindest Voraussetzungen dafür geschaffen, dass »Projekte zu Lösungen werden können«.69

Eine zweite Herausforderung für strategisches Handeln sind Pfadabhängigkeiten und Projektlogiken. Diese treten auf, wenn Budgets und Haushaltsmittel beträchtlich sind, die Personalkapazitäten (insbesondere vor Ort) hingegen niedrig und die Gelder jährlich vergeben werden müssen. Folge ist ein Handlungsdruck, vorhandene Mittel zu verausgaben. Die so in Gang gesetzte Spirale an Aktivitäten steht in einem Missverhältnis zu der Sensibilität des Handlungs­feldes, der Komplexität des Kontexts und den be­grenzten Kapazitäten der Partner wie auch der deut­schen Akteure vor Ort. Das problematische Ergebnis ist, dass kurzfristige Projektlogiken Vorrang erhalten und die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Maßnahmen in den Hintergrund drängen.

Drittens sollten bei einem politisch so riskanten Instrument wie Ertüchtigung und einem so hohen Mittelansatz wie im Fall Mali die deutschen Personalkapazitäten im Partnerland erhöht werden. Ein Groß­teil der militärischen EIBReg-Projekte lastete auf den Schultern eines einzigen Militärberaters. Dies galt auch dann noch, als der Mittelaufwuchs längst zwei­stellige Millionenbeträge erreicht hatte. Unangemessen war die Schieflage zwischen Personal und Projekt­mitteln nicht zuletzt wegen der anspruchsvollen Auf­gaben, die bewältigt werden mussten. Dazu zählten die Identifikation lokaler Bedarfe, Aushandlungs­prozesse mit Partnern und Berliner Zentrale sowie das Management der Projektabläufe. Hinzu kamen un­erlässliche Aufgaben, die in Mali nur unzureichend wahrgenommen werden konnten, namentlich ein enges Monitoring von Projektergebnissen sowie ihren Folgen und Wirkungen. Die politischen Risiken von Ertüchtigung und die Erfassung von Wirkungen er­fordern adäquate Personalressourcen vor Ort, die Steuerung und Analyse leisten sowie Berichts- und Sorgfaltspflichten erfüllen können.

Viertens verlangt die Sensibilität von Ertüchtigung auch eine sehr viel genauere Beobachtung lokaler Dynamiken und – darauf aufbauend – politische Planspiele, die denkbare Brüche wie die Putsche in Mali antizipieren und einen Anhalt bieten, welche Reaktionen und Konsequenzen sie von deutscher Seite haben sollten. Vom Umsturz im August 2020 wurde Berlin (wie Paris) überrascht. Es gab zunächst keinen Plan dafür, welche kurz- und mittelfristigen Folgen der Putsch für die Kooperation mit dem mali­schen Militär haben sollte. Die Notwendigkeit, mög­liche nachteilige Entwicklungen in die politische Planung einzubeziehen, betrifft freilich nicht nur die Ertüchtigung, sondern Deutschlands Krisenpolitik als Ganzes.70

Die MINUSMA-Beteiligung: Teilerfolg im Misserfolg

MINUSMA bedeutete die erste substantielle Beteiligung Deutschlands an einer VN-Friedensmission seit Somalia (1993/94) und Bosnien (1995).71 Sie war – zu Recht oder zu Unrecht – auch der sichtbarste Ausdruck deutschen Engagements in Mali, weil der Einsatz der Bundeswehr, wie eigentlich immer, die Aufmerksamkeit für alle anderen Formen deutschen Handelns drastisch minimierte.72

Lehren aus der MINUSMA-Beteiligung lassen sich schwerlich ziehen, ohne die Mission selbst zu be­trachten. Wie vergleichbare VN-Stabilisierungsmissio­nen sah sich auch jene in Mali großen Herausforderungen gegenüber. Dazu gehörten Friedenssicherung bzw. Stabilisierung ohne Friedensabkommen; der Wandel von Konfliktformen, der eine traditionelle Beilegung erschwert; ein Umfeld, in dem Blauhelme selbst Zielscheibe von Konfliktparteien wurden; und schließlich Auseinandersetzungen zwischen den Mit­gliedern des VN-Sicherheitsrats, wie sie Autorität und Legitimität einer solchen Mission gegenüber Gastlän­dern und Konfliktparteien fatal schwächen. Es gibt be­gründete Zweifel, ob VN-Missionen mit tradierten Prämissen und Ansätzen in einem Kontext wie Mali viel bewirken können. Gleichzeitig hat es ein nicht lernfähiger Sicherheitsrat versäumt, MINUSMA an die schwierigen Rahmenbedingungen anzupassen.

Gemessen an ihrem Ziel ist MINUSMA politisch gescheitert, weil sie keinen entscheidenden Beitrag zur Konfliktlösung in Mali leisten konnte. Die in ihrem Mandat niedergelegte strategische Priorität, das malische Friedensabkommen von 2015 umzusetzen, hat sie verfehlt. Allerdings – und das wird oft über­sehen – hat sie dieses Abkommen zumindest vor dem vorzeitigen Scheitern bewahrt. Es zerbrach erst, nachdem die Mission das Land verlassen hatte.

Auf der Habenseite stehen weitere Teilerträge.73 MINUSMA hat indirekt dazu beigetragen, dass die Ge­walt in den ländlichen Gebieten nicht die größeren urbanen Zentren erreichte. Sie hat die Lieferung humanitärer Hilfe erleichtert und geholfen, Zivilisten zu schützen, allerdings nur in einem kleinen Teil Malis. Sie wurde darin beeinträchtigt durch Blockaden der Regierung in Bamako, mangelnde Fähigkeiten und geringe Mobilität sowie ein feindliches Um­feld. Anstatt ihre Ressourcen zur Umsetzung des Man­dats nutzen zu können, musste die Mission 60 bis 70 Prozent davon in den Selbstschutz – Camps und Konvois betreffend – investieren. Sie tat dies, um die eigenen Opferzahlen zu senken und so die Unterstützung truppenstellender Länder nicht zu verlieren. Umgekehrt war der malische Rückhalt für die Mission von Anfang an gering. Regierung und Bevölkerung erwarteten einen militärischen Partner, der bewaffnete Gruppen bekämpfen würde, und dieses »Missverständnis« wurde nie aufgelöst. Es hat sogar Gerüchten Vorschub geleistet, die Mission unterstütze stattdessen die »Terroristen«.74 Nur in dem kleinen Teil Malis, in dem MINUSMA qua Präsenz – wie in Gao-Stadt – die Sicherheit vor Ort verbesserte und wirtschaftliche Impulse setzte, war lokaler Rückhalt vorhanden.

Welche Lehren kann die deutsche Seite aus dem Einsatz ziehen? Außenpolitisch wird man resümieren können, dass Deutschland seine Ziele erreicht hat. Durch seine Beteiligung punktete Berlin sowohl bündnispolitisch gegenüber Frankreich als auch VN-politisch. Letzteres geschah erstens, um sich kurz- und langfristig zugunsten eines deutschen Sitzes im Sicherheitsrat zu profilieren, und zweitens, um die schwächelnden VN als multilaterale Institution zu stärken. Afrikapolitisch war der Beitrag ebenfalls relevant, denn er bedeutete eine Lastenteilung mit den afrikanischen Staaten, die als betroffene Nach­barn und wichtigste MINUSMA-Truppensteller (mit einem Anteil von rund zwei Dritteln) die Hauptlast der Mali-Krise und der Risiken bei dieser Mission trugen.75 Qualität und Dauer des deutschen Engagements waren zudem ein Alleinstellungsmerkmal, das außenpolitisches Ansehen generierte.

Graphik 2

Graphik 2: Deutsche MINUSMA-Beteiligung

Auf politisch-strategischer Ebene spiegelte die MINUSMA-Beteiligung – wenig überraschend – die Stärken und Schwächen des deutschen Gesamtansatzes wider. Der eigentliche, Mali-ferne Zweck stand in einem unklaren Verhältnis zu den Zielen im Land selbst. Zwar wurde der krisennahe Diskurs im Laufe der Intervention zunehmend mit Handeln unterlegt, aber diese Verschiebung wurde unzureichend be­gründet und konkretisiert. Jenseits abstrakter Allge­meinplätze fehlte eine übergeordnete strategische Erzählung, die schlüssig das Warum und Wie der deutschen MINUSMA-Beteiligung vermittelt hätte. Greifbar wurde dies darin, dass bei vielen Bundeswehr-Angehörigen eine Unsicherheit über Ziel und Zweck ihres Einsatzes bestand, obwohl das Aufgabenspektrum präzise umschrieben war. Hier mangelte es vor allem an politischer Einbettung, das heißt einer Antwort darauf, wie MINUSMA zur Stabilität beitra­gen konnte und welchen Anteil daran wiederum die Bundeswehr als ein Zahnrad im Getriebe haben sollte.

Zu dieser Unsicherheit hat wesentlich beigetragen, dass Regierungsvertreter:innen die politische Sinn­gebung des Einsatzes immer wieder aus Zielen ab­leiteten, die vor Ort in keinem direkten Zusammenhang mit MINUSMA und auch nicht den Aufgaben der Bundeswehr standen. Migrationsabwehr und Terrorismusbekämpfung waren ausdrücklich nicht vom MINUSMA-Mandat gedeckt.76 Auf taktischer Ebene wurden der Bundeswehr durch die nationalen Einsatzregeln ohnehin enge Grenzen gesetzt. So war robustes Vorgehen nur zur Selbstverteidigung mög­lich, nicht jedoch um etwa mutmaßliche Angehörige jihadistischer Gruppen zu kontrollieren oder gar an­zugreifen. Ähnliche Inkohärenzen zwischen prokla­mierten Zielen und den tatsächlichen Aufgaben soll­ten künftig vermieden werden. Ein glaubwürdiges Narrativ muss allen involvierten deutschen Akteuren – einschließlich Soldaten und Bundestagsabgeordneten – Klarheit darüber verschaffen, warum Deutschland sich an einer Mission beteiligt und welche Ziele dabei erreicht werden sollen (und können).77

Eine weitere Lehre betrifft die Frage der Exit-Strate­gie. Zum Zeitpunkt des Einstiegs 2013 war nicht ab­sehbar, dass Mali einmal der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr werden würde, der er dann ab 2017 war.78 Ebenso wenig war seine Dauer vorhersehbar, denn dazu hatte die Bundesregierung belastbare Aus­sagen vermieden.

Auch wenn regelmäßig das Ideal einer vorab fest­gelegten Exit-Strategie beschworen wird, dürfte eine solche bei multinationalen Auslandseinsätzen Wunschdenken bleiben. Berlin hat wenig Einfluss auf Variablen wie die Entwicklungen im Konfliktland oder die Entscheidungen internationaler Partner. Multinationale Konstellationen schaffen einen Rah­men für Krisenmanagement, aber sie generieren zu­gleich Abhängigkeiten. Für Berlin war es politisch ausschlaggebend, dass sich auch andere europäische Staaten in MINUSMA engagierten. Umgekehrt moti­vierte erst die deutsche Beteiligung kleinere europäische Staaten dazu, Truppen für die Mission zu stellen. Für sie fungierte Deutschland teilweise als »Anlehn­nation«. Soldaten unter anderem aus Belgien, Estland, Irland und den Niederlanden waren in das deutsche Kontingent integriert und profitierten von Camp-Sicherheit, Logistik und Sanitätswesen. Daraus er­wuchs deutsche Verantwortung gegenüber diesen Partnern. Interdependenzen entstanden zudem aus der Art der deutschen Beiträge. Von Berlin wurden rare Hochwertfähigkeiten eingebracht, für die sich von VN-Seite nicht ohne weiteres adäquater Ersatz bei anderen Mitgliedstaaten finden ließ. Mit Blick auf ihre internationale Verantwortung und Zuverlässigkeit konnte die Bundesregierung hier nicht völlig selbstbestimmt (Teil-)Abzugspläne konzipieren.

Sinnvoll wäre, beim Einstieg in eine Mission ein prinzipiell mehrjähriges, aber zeitlich begrenztes Engagement in Aussicht zu stellen.

Auch innen-, außen- und sicherheitspolitische Abwägungen erschwerten eine durchdachte Exit-Strate­gie. Dazu zählten Aushandlungsprozesse zwi­schen den Parteien der Regierungskoalition ebenso wie zwischen Außen- und Verteidigungsressort. Be­sonders sichtbar wurde dies nach dem zweiten Putsch von Mai 2021, als zwischen und innerhalb von AA und BMVg – mit allseits guten Argumenten – um einen Abzug bzw. Verbleib des deutschen MINUSMA-Kontingents gerungen wurde. Die salomonische Ent­scheidung des Bundeskanzleramts bestand 2023 darin, den Einsatz letztmalig zu verlängern und den Abzug für das Jahr darauf anzukündigen.79 Diese For­mel stellte einen klugen Kompromiss dar, der einen geplanten und vorhersehbaren Abzug unter schwie­rigen Bedingungen ermöglichte. Gegenüber dem Fall Afghanistan war dies zweifellos ein großer Fort­schritt.

Dass die Bundeswehr eine Mission wieder verlässt, sollte Teil einer Gesamtstrategie sein, die – sehr theoretisch – von Einstieg bis Ausstieg einem ideal­typischen Prozess entlang robuster Kriterien folgt. Aus dieser Perspektive wäre es vermessen, den Ver­lauf der deutschen MINUSMA-Beteiligung ex post als kohärent und vorausschauend zu bezeichnen. Das war er allenfalls in der zweiten Hälfte des Interven­tionszeitraums, und selbst da nur ansatzweise. Dabei zeigten sich aber auch Züge eines »mission creep«, sprich einer schleichenden Ausweitung des Bundeswehr-Einsatzes. Erkennbar wurde dies an seinen wachsenden finanziellen Kosten, dem zunehmenden Rückgriff auf Fähigkeiten und dem Ausbau von Infra­struktur an den Standorten Gao und Niamey.

Tatsächlich war die deutsche MINUSMA-Beteili­gung oftmals reaktiv und tastend.80 Im Zeitraum von 2016 bis 2018 machte sie einen kurzzeitigen Quan­tensprung. Damals wurden eine Heron‑1-Aufklä­rungsdrohne, eine gemischte Aufklärungskompanie, vier NH90-Transporthubschrauber sowie vier Tiger-Kampfhubschrauber nach Mali verlegt, und in Niamey entstand ein Luftwaffenstützpunkt. Die Entsendung der NH90-Helikopter ab 2017 war dabei keineswegs von langer Hand geplant.81 Gleichzeitig gab es offen­bar einen »Abschmelzplan« mit dem Zielhorizont 2018, der indes nicht verwirklicht wurde. Allein die Hubschrauber wurden in dem Jahr abgezogen, aller­dings nur vorübergehend und ohne adäquaten Ersatz seitens anderer VN-Mitgliedstaaten. Die Drohnen blieben bzw. weitere stießen hinzu (es gab zwei ab 2020, vier ab 2021), und die Truppenstärke behielt ein relativ hohes Niveau (ca. 850 Soldat:innen vor Ort, 2019–2021). Schließlich kam es ab 2022 zu einem erneuten Aufwuchs durch die Entsendung von fünf CH-53-Transporthubschraubern.

Vor diesem Hintergrund einer nicht immer grad­linigen Politik kann man über die Dauer der deut­schen MINUSMA-Beteiligung geteilter Meinung sein. Deutlich wird, dass die außen- und sicherheitspoli­tischen Entscheidungsprozesse verbesserungsfähig sind. Mit Blick auf die eigenen verteidigungspolitischen Planungen wäre es wünschenswert, wenn die Bundesregierung beim Einstieg in eine Mission ein prinzipiell mehrjähriges, aber zeitlich begrenztes Engagement (etwa von drei Jahren) in Aussicht stellte. Für die VN wäre eine bessere Planbarkeit gegeben, vor allem wenn Hochwertfähigkeiten im deutschen Ange­botspaket enthalten sind. Die Transaktions­kosten wären für die VN und Deutschland geringer. Aus deutscher Sicht würde ein mehrjähriger Zeitraum innen- wie außenpolitische Vorhersehbarkeit und Be­rechenbarkeit vergrößern. Ein Denken und Handeln in längeren Fristen würde zudem die strategische Orientierung bei Planung und Bewertung einer Mis­sion stärken. Der Rückblick auf einen mehrjährigen Zeitraum wäre geeignet, den politisch-bürokratischen Autopiloten zurückzudrängen, der zu Kettenmandaten führen kann, d. h. einer Aneinanderreihung jähr­licher Mandate, die Einschnitte und Anpassungen erschwert und somit mechanische Verlängerungen begünstigt.82

Und nicht zuletzt würden mehrjährige Beteiligungen die deutschen Handlungsspielräume gegenüber den VN vergrößern. Ist der Einstieg in eine Mission erst einmal vollzogen, entstehen schnell Pfadabhängigkeiten, unter anderem wenn die VN nicht dazu in der Lage sind, Fähigkeiten zu ersetzen. Diese Muster können durch mehrjährige Beiträge ein Stück weit durchbrochen werden. Sie nehmen die VN frühzeitig in die Verantwortung, gegebenenfalls Ersatz für deut­sche Beiträge zu beschaffen. Dies macht die deutsche Seite flexibler, sollte der Rückzug aus dem Einsatz erwogen werden. Ein solches Vorgehen stellt nicht die jährliche Befassung des Bundestags in Frage. Auf­grund des Parlamentsvorbehalts kann die Bundes­regierung gegenüber Partnern und VN lediglich eine politische Absichtserklärung abgeben. Verlässliche und strategisch orientierte Außen- und Sicherheits­politik lässt sich indes nicht nach dem Jährlichkeitsprinzip gestalten. Das ist bei Auslandseinsätzen in der Regel ohnehin nicht der Fall, weil Deutschland hier häufig einen langen Atem und Durchhaltefähigkeit zeigt. Daher gibt es auch keinen guten Grund, nicht im eigenen Interesse und dem der multilateralen Part­ner die faktische Politik vorhersehbarer zu machen.

Aus operativer Sicht lassen sich die nachfolgenden Lehren ziehen.

Eine Mission in der Mission: Für Deutschland war die Teilnahme an einer VN-Stabilisierungsmission opera­tives Neuland. Berlin steuerte Hochwertfähigkeiten bei, gleichzeitig sollten die Bundeswehr-Angehörigen minimalen Risiken ausgesetzt werden. Die zur Ver­fügung gestellten Transport- und Kampfhubschrauber, Drohnen und Aufklärungsmittel erfüllten einen großen Bedarf. Im Gegenzug akzeptierten die Ver­einten Nationen deutsche Konditionen und Sonder­wünsche. Denn Sicherheit und Versorgung nach VN-Standards galten als unzureichend für die deutschen Bedürfnisse. Berlin bestand auf einem Modell, das weitgehende deutsche Autonomie gewährleistete, was Camp-Sicherheit, medizinische Versorgung und Eva­kuierung sowie Caveats für den Einsatz betraf. Die Bundeswehr bildete so eine »Mission in der Mission«. Sie war in einem separaten Feldlager mit eigenen Sicherheitsvorschriften – dem Camp Castor – unter­gebracht und damit auch physisch vom restlichen Unternehmen getrennt. Andere MINUSMA-Angehö­rige hatten nicht ohne weiteres Zugang zum deut­schen Lager.

Politische Vorgaben aus Berlin und Einsatzrestriktionen bewirkten, dass das deutsche Kontingent sein Potential nicht ausschöpfen konnte.

Weitere Besonderheiten waren der massive Aus­bau des Camps nach deutschen Standards und der Aufbau eines eigenen Luftwaffenstützpunkts in Nia­mey (Kosten: ca. 130 Millionen Euro). Zugleich betrieb die Bundeswehr ein aufwendiges Rotationssystem, das am Ende bis zu 200 Flüge pro Jahr (!) erforderlich machte, verbunden mit erheblichem organisatorischen Aufwand für die MINUSMA-Bürokratie und hohen finanziellen Kosten für Deutschland.83 Hinzu kam der erhebliche Umfang nationaler Unterstützungselemente, d. h. Bundeswehreinheiten, die dem deutschen MINUSMA-Kontingent zuarbeiteten, aber offiziell nicht zur Mission zählten. Im Jahr 2023 umfassten Letztere bis zu 40 Prozent des deutschen Gesamtkontingents, d. h. das Verhältnis zwischen den offiziell gemeldeten deutschen MINUSMA-Angehöri­gen und den Unterstützungselementen lag bei nahe­zu drei zu zwei.84

Die politischen und operativen Folgen dieses Zwei-Klassen-Systems innerhalb von MINUSMA wären einer genaueren Untersuchung wert. Zweifellos be­grenzte es die Integration des deutschen Kontingents in die Mission. Tatsächlich sah man sich seitens der Bundeswehr häufig nicht als Teil davon. Der Informa­tionsaustausch mit anderen MINUSMA-Angehörigen wurde durch die physische Trennung der Lager er­schwert. Unwägbarkeiten gab es, wenn deutsche Fähigkeiten wie Helikopter und Drohnen eingesetzt wurden. Insgesamt aber waren diese Mittel weitgehend in die Mission und deren Befehlsstrukturen integriert, schützten Konvois, Patrouillen und Stand­orte und wurden dabei von der MINUSMA-Führung ebenso wie von anderen Kontingenten als wertvolle Unterstützung betrachtet. Gleichwohl litt die Verfüg­barkeit der deutschen Assets bisweilen unter nationa­len Prärogativen – wie Restriktionen, Geheimhaltung, separaten Einschätzungen der Sicherheitslage oder Priorisierung des deutschen Kontingents.85

Bedingt durch die politischen Vorgaben aus Berlin und die Einsatzrestriktionen konnte das deutsche Kontingent sein Potential nicht ausschöpfen. Der Fokus lag auf Aufklärung und Selbstschutz. Weitere – etwa auch indirekte – Beiträge zu den Zielen von MINUSMA wurden nicht geleistet. Der größere politi­sche Zweck der Mission geriet dabei teilweise aus den Augen. Deutsche Aufklärung war vor allem feindzentriert (mit Jihadisten als möglichen Angreifern) und damit am militärischen Bedarf orientiert. Eine Aufklärungsarbeit, die den Schutz der Zivilbevölke­rung stärker berücksichtigt und ein breiteres Lage­bild ermöglicht hätte, wäre zumindest aus Sicht des MINUSMA-Mandats wünschenswert gewesen.

Einsatzerfahrung: Über den Zeitraum von zehn Jah­ren dienten bei MINUSMA insgesamt 27.000 deutsche Soldat:innen.86 Dies bedeutet Einsatzerfahrung und Ertüchtigung, die nach dem Abzug aus Afghanistan und angesichts gestiegener Erfordernisse an Landes- und Bündnisverteidigung im Zeichen der Zeiten­wende einen hohen Wert haben. Gelten dürfte das insbesondere für die Aufklärungskomponenten und Helikopterstaffeln. Der multinationale Kontext er­möglichte Kooperation mit europäischen und Nato-Partnern sowie das Einüben von Interoperabilität (im kleinen Maßstab), zumal Deutschland als Anlehn­nation in Gao mit europäischen Kontingenten zusam­menarbeitete.

Die Erfahrungen im VN-Zusammenhang waren für die an Nato-Kultur (bei Standards, Verfahren, Zielen) ausgerichtete Bundeswehr gewöhnungsbedürftig und oft ernüchternd. Aber mit Blick auf mögliche künf­tige Einsätze hat Mali Erkenntnisse generiert, die ver­arbeitet und erhalten werden sollten. Vergleichbare VN-geführte Stabilisierungsmissionen dürften zwar kaum eine Zukunft haben, Friedensmissionen mit eher klassischen Aufgaben wie der Überwachung von Waffenstillstandsabkommen und Friedensverträgen hingegen schon.87

Einsatzrisiken: Bei jedem deutschen Auslandseinsatz ist die Risikofrage aus innenpolitischen Gründen die zentrale Variable. Aus dieser Perspektive verlief das Engagement in Mali positiv. Die Bundeswehr hatte einige Schwerverletzte zu beklagen, aber keine Todes­opfer durch Feindeinwirkung.

Diese Bilanz wurde durch ein hohes Maß an Risiko­minderung, durch restriktive Einsatzregeln, Aus­stat­tung, Rettungsketten und Camp-Sicherung ge­währ­leistet. Die Risikoaversion hatte aber auch den Preis, dass der operative Nutzen des deutschen Kontingents für MINUSMA in der Fläche mitunter begrenzt war. Eine Ausnahme bildete die Aufklärungseinheit (Intel­ligence Surveillance Reconnaissance Task Force, ISR TF). Sie bewegte sich teilweise weit entfernt vom Feldlager Gao, was von der Bundesregierung aller­dings kaum kommuniziert wurde. Letzteres mag auch Folge des Bemühens gewesen sein, möglichst wenig über die potentiellen Risiken des Einsatzes an Bun­destag und Öffentlichkeit dringen zu lassen.88 Mit einer solchen Herangehensweise können jedoch weder Bundeswehr noch Regierung politischen und gesellschaftlichen Rückhalt für einen Einsatz gene­rieren oder Überzeugungsarbeit zu dessen Sinn­haf­tigkeit und Verhältnismäßigkeit leisten.

Lernen in Mali?

Lern- und Anpassungsprozesse sollen die Wirksamkeit, Effizienz und Effektivität von Krisenmanagement verbessern, aber auch vermeidbare Kosten redu­zieren. Deutsche Krisenpolitik hat dabei in den ver­gangenen Jahren Fortschritte erzielt, wie unschwer erkennbar wird an neueren Konzepten (integrierter Ansatz, Leit­linien zur Krisenprävention, Stabilisierung etc.), Insti­tutionen (etwa Abteilung Stabilisierung im AA) und Instrumenten (darunter Ertüchtigung). In Mali hat dieses Lernen in Teilen seinen Niederschlag gefunden, wenngleich die Umsetzung allenfalls varia­bel war und die Resultate – als Teil einer internationalen Intervention – eher ernüchternd ausfielen. Die Be­funde aus Mali spiegeln auch einige der Zwischen­ergebnisse der Enquête-Kommission zu Afghanistan wider.89

Im Folgenden richtet sich der Blick vor allem auf die Lernfähigkeit deutscher Krisenpolitik während eines laufenden Engagements, also Mali. Die zehn Jahre dauernde Intervention sollte ausreichend Zeit für Lern- und Anpassungsprozesse geboten haben. Aus ihnen hätten sich in diesem Sinne politische, strategische oder operative Anpassungen ergeben.

Abgesehen von einigen institutionellen Neuerungen wie dem Arbeitsstab Sahel und CIVAD, die Lern­prozesse nahelegen, war die deutsche Krisenpolitik in Mali vor allem durch große Kontinuität gekennzeichnet. Angesichts der Tatsache, dass sich die politische und sicherheitspolitische Lage im Land spätestens ab 2018 stetig verschlechterte und erkennbare Reaktionen auf diese Entwicklungen ausblieben, wird man zunächst von einer fehlenden Lern- und Anpassungsfähigkeit sprechen müssen.90

Jene Änderungen, die vorgenommen wurden, be­trafen im Wesentlichen die taktisch-operative Ebene. Sie waren nicht gekoppelt an politisch-strategische Umsteuerungsversuche und hatten insofern kaum Effekte auf das Gesamtbild. Beispielsweise wurde der deutsche Beitrag zu MINUSMA im Zeitverlauf – durch Patrouillen und den Einsatz von Kampfhubschraubern – etwas robuster. Auch bei EUTM Mali gab es Justierungen zugunsten eines stärker an der Praxis orientierten, dezentralisierten Ansatzes, wenn­gleich Berlin hier aus Risikoaversion eher eine brem­sende Rolle einnahm. Teils wurden neue Instrumente eingesetzt (Ertüchtigung), und die externen Partner investierten mehr in die internationale Koordinierung (so durch die Sahel-Allianz und die Koalition für den Sahel). Aber all diese Maßnahmen summierten sich noch nicht zu einer strategischen Anpassung an eine zusehends verfahrene Lage. Eine partielle Aus­nahme der deutschen Seite bestand darin, dass sie gegen Ende des Interventionszeitraums erkennbar versuchte, sich ein Stück weit vom französisch be­stimmten Kurs zu emanzipieren.

Insgesamt setzte Deutschland aber auf Kontinuität. Die Bereitschaft war gering, die Grundannahmen des internationalen – und damit auch deutschen – Vorgehens in Mali zu hinterfragen.91 Terrorismus­bekämpfung wurde in Berlin wie andernorts für prio­ritär erklärt, obwohl sie strategisch keinen Effekt hatte und die Bundesregierung ohnehin nicht bereit war, dafür eigene militärische Beiträge zu leisten. Ebenso übernahm sie die Sichtweise, dass Verhandlungen mit jihadistischen Gruppen politisch nicht akzeptabel seien.92 An dem Algier-Friedensvertrag von 2015 hielt Berlin als politischem Lösungsansatz fest, obwohl sich dieses Abkommen zunehmend als hoff­nungslos erwies. Jedes noch so kleine Indiz wurde von Diplomaten als Zeichen des Fortschritts gewertet. Als Mitglied des VN-Sicherheitsrats 2019/20 hat die Bundesrepublik ihren etwas größeren Einfluss auch nicht genutzt, um Akzente zu setzen. Fragwürdige Entscheidungen trug sie mit – wie die, das Mandat von MINUSMA ohne Anhebung der Personalstärke auf Zentralmali auszuweiten, oder jene, die aussichtslose »Gemeinsame Truppe« der G5-Sahelstaaten zu unterstützen. Diese Truppe, auf die alle Partner setz­ten, ist ein anschauliches Beispiel für Wunschdenken in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ab 2017 parti­zipierte die Bundesregierung an der G5 und sah da­rin eine Art Lösung der Mali-Krise, obwohl es für die Tragfähigkeit dieses politischen Konstrukts keine anderen Anhaltspunkte gab als dessen finanzielle Förderung durch westliche Geber.

Ein hoher Mittelansatz und eine Vielzahl von Projekten bieten noch keine Gewähr für Wirkung.

Statt umzusteuern, flüchteten sich Berlin und andere Partner in einen kontrafaktisch argumentierenden Rechtfertigungsdiskurs.93 Regelmäßig wurde behauptet, ohne das internationale Engagement wäre die Lage in Mali noch schlimmer. Dies war plausibel, jedoch nicht unbedingt überzeugend. Wenn das externe Krisenmanagement den Sinkflug des Landes bestenfalls verlangsamte, aber nicht aufhielt, dann waren ceteris paribus Misserfolg und Scheitern letzt­lich unausweichlich und damit absehbar. Dabei wurde die fehlende Lernfähigkeit Deutschlands wie seiner Partner noch durch einen weiteren Aspekt unterstrichen: Je schwieriger die Lage wurde, desto mehr weiteten sie ihr Engagement aus – ohne dass argumentiert worden wäre, der unzureichende Mittel­ansatz sei das grundlegende Problem. Mehr Mittel waren schlicht die Antwort auf ausbleibende Wir­kung.

Zweifellos fehlten kreative Ideen für eine Kurs­korrektur, nicht nur in Ministerialbürokratie und Bundestag, sondern auch auf Seiten von Thinktanks und Zivilgesellschaft, wo überwiegend »politische Lösungen« postuliert wurden, ohne dass es dafür kon­krete und umsetzbare Vorschläge gab.94 Ideen wie die Verstärkung des zivilen Engagements verpufften wirkungslos angesichts der Sicherheitslage vor Ort. Gleichzeitig war der Druck offenbar hoch, den einge­schlagenen Kurs durchzuhalten – trotz wachsender Zweifel, die es auch in Berlin gab. Zu den Pfadabhängigkeiten trug bei, dass durch die einmal beschlossene Priorisierung Malis und die damit einhergehende Allokation von Ressourcen eine Eigendynamik ent­stand, die den Fokus auf Output und Projekte legte. Dies galt insbesondere für die zivile Seite (AA, BMZ). Dass Deutschlands Krisenpolitik erhebliche finanzielle Spielräume hatte, schuf zwar neue Handlungs­möglichkeiten für deutsche Akteure in Berlin und in Bamako, befeuerte aber zugleich die unablässige Suche nach Betätigungsfeldern und Projektideen.95 Handlungsdruck bedeutete auch Druck zum Mittel­abfluss. Es galt den Anspruch aktiver Krisenpolitik mit Maßnahmen und Ausgaben zu unterlegen, ins­besondere im zivilen Bereich (etwa durch Stabilisierung), legt doch der Bundestag Wert auf eine gewisse Ausgewogenheit zwischen militärischen und zivilen Mitteln.

Doch bietet ein hoher Mittelumsatz, verbunden mit einer Vielzahl an Projekten, noch keine Gewähr für die erwünschte Wirkung: »Mit Geld alleine lassen sich keine Probleme lösen, und mehr Geld bedeutet nicht bessere Lösungen.«96 Diese Einsicht wird zwar weithin geteilt. Aber Handlungsdruck kann dazu füh­ren, dass Fragen nach Strategie und Wirkung nicht an erster Stelle stehen. Der Druck von Seiten verschiedener Ressortabteilungen und anderer Akteu­re in Berlin wiederum führt dazu, dass die deutsche Botschaft nicht immer in der Lage ist, die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen ausreichend zu prüfen und gegebenenfalls auch zu verneinen. Sie bräuchte mehr Entscheidungs- und Koordinationsbefugnisse, um deutsche Maßnahmen im Sinne des lokalen Bedarfs und eige­ner Kohärenz effektiv zu kanalisieren. Es liegt daher nahe, dass deutsche Krisenpolitik stärker dezentralisiert werden sollte, was den Transfer von Personal aus der Hauptstadt in den Krisenkontext vor Ort not­wendig machen würde.97

Fehlende Anpassungen deuten darauf hin, dass die internen Voraussetzungen für eine lernfähige deut­sche Krisenpolitik nicht in ausreichendem Maße gegeben sind. Dies beginnt mit der Frage des ressort­gemeinsamen Planens und Handelns, das in Mali ähnlich ungenügend blieb wie in Afghanistan.98 Permanente wechselseitige und zweifellos zeitintensive Informations-, Abstimmungs- und Mitzeichnungs­prozesse haben offenbar nicht zum Erfolg ge­führt. Außenpolitische Unbedenklichkeit und entwicklungs­politische Anschlussfähigkeit bedeuten noch keine gemeinsame Zielsetzung, auf die alle Akteure und Maßnahmen hinarbeiten. Auch wenn sich nahe­zu alle Ressortvertreter:innen zum ministeriumsübergreifenden Arbeiten bekennen: Aus Sicht manch eines Fatalisten hat es den Anschein, wegen starker Ressortlogiken seien die Grenzen des Machbaren im Bereich der Integration erreicht.99 Oftmals ist zu hören, dass Kooperationsbereitschaft zwischen den Ressorts äußerst personenabhängig sei – damit wäre sie idiosynkratisch und eben nicht institutionalisiert. Über formalisierte und ritualisierte Austauschrunden hinaus, so heißt es, sei der Anreiz für persönliches Engagement zugunsten der Ressortkooperation ge­ring. Aus Vorgesetztenperspektive produziere der persönliche Einsatz für eine ressortgemeinsame Zu­sammenarbeit keine unmittelbar sichtbaren Ergeb­nisse und werde daher in Personalbewertungen nicht honoriert.100 Hinzu komme, dass die Kenntnis der jeweils anderen Ministerien begrenzt sei, wenngleich dies auf Regionalreferate weniger zutreffe als auf thematische Fachreferate. Der Personalaustausch zwischen den Häusern nehme eher ab, auch weil er nicht als karriereförderlich empfunden werde.101

Jenseits dieser interministeriellen Hindernisse gibt es eine Reihe von Problemen, die in fast allen Häu­sern anzutreffen sind. Einige Ressortvertreter:innen (insbesondere aus AA und BMVg) beklagen, das eige­ne Haus sei fürs Lernen schlecht aufgestellt. Häufige Personalwechsel erschwerten es, vertiefte Sachkenntnis zu entwickeln, ein institutionelles Gedächtnis aufzubauen und Erfahrungen fruchtbar zu machen. Dies bezieht sich in der Krisenpolitik nicht nur auf die Komplexität lokaler Dynamiken im Interventionsland, sondern auch auf Verfahren und Akteurskon­stellationen innerhalb und zwischen den Ressorts, von der internationalen Einbindung ganz zu schweigen.

Im Fall Mali hat zudem ein Mangel an personeller Ausstattung die Lern- und Anpassungsfähigkeit des Apparats beeinträchtigt. Lernfortschritte hängen auch von angemessenen Kapazitäten ab. Die deutsche Bot­schaft in Bamako aber war über weite Teile des Inter­ventionszeitraums unzureichend besetzt. Kontra­produktiv war vor allem ein Sparen an falscher Stelle, das sich in der Diskrepanz zwischen den Personal­kapazitäten in Berlin und vor Ort manifestierte. Wenn Regierungsvertreter:innen neue Instrumente bzw. Innovationen wie EIBReg und CIVAD zu Recht als Ausweis von Lernfortschritten betrachten, dann ist unverständlich, dass diese Schnittstellen und Schlüs­selpositionen (jeweils nur eine Person) nicht mit mehr Personalkapazitäten unterlegt wurden. Anpassungen im Personal- und Stellenplan werden, wenn überhaupt, allenfalls mit großer Zeitverzögerung vollzo­gen. Hier benötigen die Ministerien größere Flexibilität, um Personal in einem Umfang entsenden zu kön­nen, welcher der Priorisierung des jeweiligen Landes aus deutscher Sicht entspricht. Generell gilt: Ein Auf­wuchs des deutschen Engagements auf der Ebene von Ressourcen und Projekten lässt sich nicht effektiv ge­stalten, ohne dass auch die Personalkapazitäten vor Ort gestärkt werden.102

Ein weiteres Lernhindernis war in Mali (ebenso wie in Afghanistan), dass es während der Intervention nur wenige Wirkungsanalysen und unabhängige Evaluie­rungen gab, die als Zwischenbefunde zur Überprüfung der eigenen Maßnahmen und Ansätze dienen konnten. In Mali wurden zwar für zumindest ein Handlungsfeld mehrere Projekte evaluiert, nicht aber das ganze Portfolio und die Gesamtstrategie. Evidenz­basiertes Handeln war so kaum möglich. Die Frage, ob und wie Projekte zu (politischen) Lösungen führ­ten, konnte und kann niemand seriös beantworten. Den Elan zur Durchführung einzelner Vorhaben und die Verausgabung von Mitteln hat dies aber keineswegs gebremst, wie manche Regierungsvertreter:in­nen selbstkritisch feststellen.

Zum Thema institutionelles Lernen gibt es zwar auf individueller Ebene durchaus ein Problem­bewusstsein, innerhalb des Apparats aber offenbar noch keine ausreichende Kultur und Infrastruktur.103 Posi­tiv ist, dass im Auswärtigen Amt ein Evaluierungs­referat geschaffen wurde. Für die Akzeptanz und Durchschlagskraft entsprechender Bewertungen wäre es aber sinnvoll, diese Arbeitseinheit organisatorisch eigenständig außerhalb der Abteilung Stabilisierung zu verankern.104 Noch besser wäre es, wenn wie in den Niederlanden eine unabhängige Evaluierungsabteilung für alle Maßnahmen der Außenbeziehungen zuständig wäre, einschließlich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Bislang bleibt die Bundesregierung hinter ihren Ankündigungen, ressort­gemeinsame Evaluierungen durchführen zu wollen, zurück.105 Dass ausgerechnet Mali als ergiebiges Fall­beispiel deutscher Krisenpolitik kaum Gegenstand von Evaluierungen war (geschweige denn solchen ressortübergreifender Art), ist verwunderlich ange­sichts des tiefen Fußabdrucks, den Deutschland dort während eines Jahrzehnts hinterlassen hat.

Es bedarf einer »Fehler­kultur«, damit nicht nur aus Erfolgen, sondern auch aus Misserfolgen und Rückschlägen gelernt wird.

Insbesondere die außen- und sicherheitspolitische Lernkultur steckt noch in den Anfängen.106 Von den wenigen Evaluierungen, die für Projekte in den Be­reichen Stabilisierung und Ertüchtigung in Mali durchgeführt wurden, ist keine einzige öffentlich zu­gänglich.107 Aber auch aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, die eine deutlich stärkere Evaluierungskultur hat als die Außen- und Sicherheitspolitik, liegen kaum entsprechende Berichte zu Mali vor. Das Evaluierungsinstitut des BMZ, DEval, wurde seit 2013 mit einer einzigen Evaluierung zu diesem Land beauftragt.108 Dies ist nach Kenntnis des Autors zugleich die einzige Evaluierung deutschen Regierungshandelns in Mali, die für den Zeitraum 2013–2023 öffentlich einsehbar ist.

Zudem ist nicht gewährleistet, dass einzelne Arbeitseinheiten ihre Evaluierungsberichte haus­intern oder mit anderen Ressorts teilen. Wenn Ergeb­nisse und Empfehlungen überhaupt nur einer klei­nen Zahl von Mitarbeiter:innen zugänglich sind, kann das Instrument nur begrenzte Effekte generieren. Evaluierungen sind der Anfang eines Lernprozesses, nicht ihr Endpunkt. Sie sind dann zielführend, wenn sie auch absorbiert werden können. Dazu be­darf es einer personellen und institutionellen Infra­struktur. Zudem scheint es erforderlich, eine »Fehler­kultur« zu etablieren und damit die Bereitschaft zu stärken, dass nicht nur aus Erfolgen, sondern auch aus Misserfolgen und Rückschlägen gelernt wird.109 In diesem Zusammenhang betonen Ressortmitarbeiter:innen immer wieder, dass die ministeriellen Orga­nisationskulturen mit Informationsfiltern arbeiten, die genau dies erschweren.110 Warnungen und nega­tive Nachrichten seien in der Regel nicht willkommen.111

In der Pflicht ist aber auch der Bundestag, der von den Ministerien mehr Rechenschaftslegung einfordern sollte.112 Er müsste auf regelmäßige Evaluierungen drängen, und zwar ressortübergreifend und nicht bloß auf der Ebene von Ministerien und schon gar nicht allein auf Einzelprojekte bezogen. Ein zentrales Problem der Krisenpolitik ist bislang, dass die Auf­merksamkeit der Fraktionen fast ausschließlich Ein­sätzen der Bundeswehr gilt, während das Handeln von AA und BMZ kaum beachtet wird. Der militärische Fokus im politischen Berlin und in den Medien »marginalisiert« die anderen Akteure und Instrumente und enthebt sie mithin der Verantwortung. Diese Mechanismen unterhöhlen den integrierten Ansatz und bremsen insgesamt die Weiterentwicklung einer strategischen Kultur. Es ist in diesem Zusammenhang bedauerlich, dass die Parteien der Regierungskoali­tion sich 2021 lediglich auf eine Evaluierung der Aus­landseinsätze der Bundeswehr verständigt haben, während das deutsche Gesamtengagement in den be­treffenden Krisenländern nicht in den Blick genommen wird.113 Sowohl für ein integriertes Vorgehen als auch für ressortgemeinsames Lernen kommt dem Bundestag daher eine Schlüsselrolle zu. Abhilfe schaf­fen könnte die immer wieder vorgebrachte Idee, die Mandate des Parlaments beim Krisenmanagement nicht auf die Bundeswehr zu beschränken, sondern auf zivile Maßnahmen auszuweiten.114 Krisen­manage­ment wie in Mali würde dann nicht mehr nur am Auslandseinsatz der Bundeswehr festgemacht werden.

Debattenkultur: Mehr Ehrlichkeit wagen!

Wie in anderen Politik- und Handlungsfeldern wer­den Entscheidungsprozesse auch beim Krisen­manage­ment von stark ritualisierten Diskussionen und Proze­duren strukturiert. Die Protagonisten dieser Pro­zesse sind die Spitzen der Bundesregierung bzw. der rele­vanten Ressorts, die Arbeitsebenen der Ministe­rial­bürokratie und die Abgeordneten des Bundestags. Insbesondere im Zusammenhang mit einem Bundes­wehr-Einsatz sind die Interaktionen zwischen den drei Akteursgruppen von routinierten Rollen- und Argumentationsmustern geprägt (Begründen, Recht­fertigen, Zustimmen und Hinterfragen). Strategische und inhaltliche Untiefen sollen dabei oft vermieden werden.

Bezogen auf Mali zeigte sich eine Dimension dieses Musters in den Begründungen der wechselnden Bun­desregierungen. Über lange Zeit gab es eine Diskrepanz zwischen den dominierenden Motiven VN- und Bündnispolitik und den offiziell deklarierten Zielen, bei denen es um Stabilisierung ging. Beides war nicht unvereinbar, und die eigentlichen, sprich Mali-fernen Zwecke wurden auch nicht verschwiegen, doch waren sie in der Argumentation der Bundesregierung eben kaum vernehmbar.

Wie sind diese Paralleldiskurse zu erklären? Welche politischen Effekte hatten sie für das deutsche Engagement in Mali und für die Versuche, vor Ort die angestrebte Stabilisierung zu erreichen? Elemente wie Bündnissolidarität, Multilateralismus und die Über­nahme internationaler Verantwortung genießen zwar im außenpolitischen Vokabular Deutschlands einen hohen Stellenwert, doch für sich genommen werden sie offenbar als unzureichend erachtet, um operatives Handeln innenpolitisch zu legitimieren. Dies ist zu­mindest dann der Fall, wenn 1) der Einsatz der Bun­deswehr begründet werden soll und es 2) um ein Ein­satzland geht, das – wie Mali – traditionell nicht zu den Prioritäten Deutschlands zählt. Auch Afgha­nistan machte davon keine Ausnahme. Zwar sollte der An­griff auf die USA am 11. September 2001 hinreichend gewesen sein, um politisch wie institutionell Bünd­nissolidarität auszulösen. Doch offenbar war er dies nicht, sonst wäre das Diktum, die Sicherheit Deutschlands werde auch am Hindukusch verteidigt, kaum vonnöten gewesen. Gleichzeitig erlangte der Satz gerade deshalb Berühmtheit, weil er inhaltlich um­stritten war. Im deutschen Diskurs erscheinen Be­gründungen eines Bundeswehr-Einsatzes möglicherweise als normativ unvollständig, wenn es dabei nur um mittelbare Effekte wie Bündnissolidarität geht.115 Als rationaler und damit überzeugender gelten Be­gründungen dann, wenn der Einsatz eigener Streit­kräfte mit einem unmittelbaren Zweck verbunden wird. Gleichzeitig soll dies nach herrschender politi­scher Kultur nicht so weit gehen, dass hohe Risiken für Leib und Leben von Soldat:innen bestehen.

Das Problem des Paralleldiskurses ist nicht sosehr, dass mehrere Zielsetzungen nebeneinanderstehen, sondern dass sie nicht transparent gemacht werden, möglicherweise aus Furcht, dies könnte von Bundestag, Medien und Öffentlichkeit als illegitim, unstatthaft und politisch beliebig kritisiert werden. Ob es wirklich nicht zumutbar ist, die eigenen Interessen­lagen offenzulegen, erscheint jedoch sehr fraglich. Zumindest die Fachpolitiker:innen im Bundestag wissen sehr genau um die Komplexität außenpolitischer Entscheidungsprozesse. Bei Mali waren die Argu­mente von Abgeordneten der jeweiligen Regie­rungs­koalition nuancierter als jene, die von den Spitzen der Ressorts vorgetragen wurden. In jedem Fall aber set­zen sich Regierungsvertreter:innen dem Vorwurf fehlender Aufrichtigkeit aus. Dieser wiede­rum zieht ein weiteres Problem nach sich. Indem die Bundes­regierung immer wieder Mali-nahe Ziele auf­rief, musste sie sich letztlich an Erfolgs­krite­rien mes­sen lassen, die sie nur zum Teil selbst ver­innerlicht hatte.

Die Kommunikation an der politischen Spitze hatte Konsequenzen auf der Arbeitsebene der Minis­te­rialbürokratien. Letztere mussten gemäß den offi­ziell benannten Zielen die bestmöglichen Resultate errei­chen – und dies, obwohl die große Mehrheit der Res­sortmitarbeitenden ganz offensichtlich der Über­zeu­gung war, das proklamierte Ziel, Mali zu stabilisieren, sei nicht die eigentliche, übergeordnete Prio­rität. Diese unausgesprochen gebliebenen Diskrepanzen dürften die Anreize für strategisches Denken und Handeln auf Seiten der Ministerialbürokratien nicht gerade befördert haben. Auch die für Krisenpolitik wichtige Bereitschaft, Risiken in Kauf zu nehmen, wurde so konterkariert.116

Aus diesen letztlich innenpolitisch getriebenen Widersprüchen resultierte eine Kommunikation über deutsche Mali-Politik, die nicht ausreichend problemorientiert war. Im Verlauf der Intervention zeigte sich dies neben zwar ambitionierten, aber letztlich vagen Zielen vor allem in dem, was manche Ressortmitarbeiter:innen als »parlamentsadäquate Berichterstattung« bezeichnen.117 Damit ist gemeint, dass die von den Ministerien an den Bundestag gerichteten Infor­mationen über Ziele und Wirkungen des deutschen Engagements in Mali relativ unspezifisch und wenig belastbar waren, zugleich aber ausreichend optimistisch gehalten, um die Unterstützung des Parlaments nicht zu gefährden. Auch der starke Akzent der Berichterstattung auf der Output-Seite des Handelns (»Wir tun viel!«) erfüllte diese Funktion. Die Frage nach den Wirkungen des eigenen Vorgehens blieb weitgehend außen vor.

Manche Ministerialbeamt:innen betrachten diese Routinen und Automatismen des außenpolitischen Betriebs und die eigene Rolle darin durchaus selbst­kritisch. Sie verweisen aber auch darauf, dass aus der Mitte des Bundestags nicht in ausreichendem Maße kritische Nachfragen kämen, um die Ministerien zu einer problemorientierten Berichterstattung und vor allem zu strategischerem Denken und Handeln anzu­treiben.118 Im Fall Mali riefen erst die immer schärfere Sicherheitskrise, Frankreichs absehbarer Abzug und dessen Implikationen für die Bundeswehr die Abge­ordneten auf den Plan, die eine konkrete und glaub­würdige Bewertung der Lage von den Ressorts ein­forderten.119

Die Kommunikation gegenüber dem Bundestag ist aber nicht nur Beschönigung, mit der Entscheidungsträger:innen sich oder ihr Ressort aus der parlamentarischen Schusslinie bringen. Um die Verlängerung eines Mandats billigen zu können, brauchen Abgeord­nete Erfolgsaussichten und »idealisierte Zielbilder«, mit denen sich die Zustimmung zum Auslandseinsatz gegenüber Wähler:innen rechtfertigen lässt.120 Ähnli­ches gilt bereits beim Einstieg in eine Mission. Wenn die Bundesregierung bescheidene Ziele mit ungewissen Chancen vortrüge, würde dies auf Seiten der Ab­geordneten nachvollziehbare Zweifel an der Sinn­haftigkeit des Mandats wecken. Vergleichbare Logi­ken bestimmen auch die allfälligen Diskussionen über Exit-Strategien, die laut Lehrbuch schon vor dem Einstieg vorliegen sollten.

Der Bundestag sollte erfahren, was er wissen muss, und nicht nur, was er hören will.

In den meisten Demokratien wird die außen- und sicherheitspolitische Strategiefähigkeit stark durch das innenpolitische Kalkül beeinträchtigt, Risiken zu vermeiden und etwaigen Rechtfertigungsdruck zu mindern. Dies gilt für den politischen Raum ebenso wie für den ministerialbürokratischen Apparat. Je vager Ziele und Strategien, desto weniger Angriffs­fläche bieten die Ressorts gegenüber Bundestag, Medien und Öffentlichkeit. Gleichzeitig haben die Fraktionen, die die amtierende Koalition stellen, wenig Interesse daran, den Kurs der eigenen Regierung allzu kritisch zu hinterfragen. Solche Mechanis­men sind nachvollziehbar, lassen aber unter dem Strich die strategische Debatte verkümmern. Sicher­lich wäre mehr Mut bei allen Beteiligten wünschenswert. Ebenso bedürfte es mehr Transparenz auf Seiten der Regierung, was Erfolgschancen ebenso wie Motive und Ziele eines Auslandseinsatzes betrifft.

Fehlende Transparenz deutscher Krisenpolitik

Öffentlich zugängliche Informationen über das konkrete Han­deln deutscher Krisenpolitik in Mali sind Mangelware. Selbst bloße Fakten über Ressortaktivitäten oder Handlungsfelder werden nicht erkennbar vorgehalten bzw. sind nicht frei ver­fügbar. Innerhalb der Bundesregierung gibt es kein modernes digitales Informationssystem, in dem Daten und Details über deutsche Vorhaben und Projekte in Drittstaaten gebündelt würden.

Während die Entwicklungszusammenarbeit aufgrund des öffentlichen Rechtfertigungsdrucks noch relativ transparent ist, trifft dies auf andere Politik- und Handlungsfelder sehr viel weniger zu. Besonders augenfällig ist dabei, dass gerade Stabi­lisierung und Ertüchtigung – also die vermeintlichen Aus­hängeschilder deutscher Krisenpolitik – weitgehend undurch­sichtig sind. Die Abteilung Stabilisierung des Auswärtigen Amts hat zwar seit ihrer Gründung zahlreiche Konzeptpapiere ver­öffentlicht. Doch Informationen darüber, wie diese Konzepte in konkretes Handeln, in Vorhaben und Projekte übersetzt werden und welche Wirkungen sie entfalten, sind rar und liefern bes­tenfalls output-orientierte Zahlen ohne große Aussagekraft.121 Über Datenbanken lassen sich immerhin AA-finanzierte Pro­jekte ermitteln, allerdings ohne aussagefähige Basisdaten oder inhaltliche Ziele, Eckpunkte und Ergebnisse.122 Zum Bereich Ertüchtigung gibt es keinerlei öffentlich zugängliche Infor­mationen, nicht einmal darüber, welche Projekte überhaupt

durchgeführt werden. Auffindbar sind allenfalls partielle, PR-artige Informationen, die von Durchführungsorganisationen wie auch der Bundeswehr veröffentlicht werden.123

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass substantielle und weitergehende Informationen über die Wir­kungen und Konsequenzen von Programmen und Projekten – etwa in Form von Fortschrittsberichten oder Evaluierungen – ausgesprochen selten sind. Für den zehnjährigen Unter­suchungszeitraum in Mali (2013–2023) waren nur drei öffent­lich zugängliche Evaluierungsberichte zu finden, zwei davon aus dem Bereich der EZ.124 Zweifellos werden insbesondere bei der EZ mehr Evaluierungen durchgeführt als veröffentlicht. Für die Schlüsselbereiche der Krisenpolitik (Stabilisierung, Ertüch­tigung) deutet indes alles darauf hin, dass bislang nur sehr wenige Wirkungsanalysen erstellt wurden. Dies ist bedauerlich, weil transparentes Regierungshandeln in bzw. von Drittstaaten ein prominentes Ziel deutscher Politik ist, das auch im Falle des eigenen Vorgehens eingelöst werden sollte – zumal die Bun­desregierung sich in den »Leitlinien Zivile Krisenprävention« zu einer besseren Kommunikation im Bereich der Krisenpolitik verpflichtet hat.125 Fehlende Transparenz steht auch in einem Missverhältnis zu den erheblichen Ressourcen, die in die militä­rischen und zivilen Bereiche deutscher Krisenpolitik investiert werden.

Auch wenn nicht optimale Kriterien erfüllt sind (krisennahe Motive, ambitionierte Ziele, niedrige Risiken, hohe Erfolgsaussichten), mag es gute Gründe für Deutschland geben, sich in einem Krisenland zu engagieren und das Risiko des Scheiterns in Kauf zu nehmen, etwa mit Blick auf Bündnispolitik oder die Konsequenzen eines Nichthandelns. Doch im Fall Mali wurden diese Gründe – und hier liegt das Prob­lem – oftmals nicht oder nur wenig überzeugend dargelegt. Die Ressorts vermittelten nicht, was sie tatsächlich für erreichbar hielten, sondern riefen un­spezifische Oberziele und bestmögliche Endzustände aus, um die Abgeordneten zur Zustimmung zu be­wegen.

Das Niveau der strategischen Debatte lässt sich nur heben, wenn das Parlament erfährt, was es wissen muss – und nicht, was es hören will.126 Größere Transparenz zu Problemen, Dilemmata und Zielkonflikten könnte bewirken, dass der Bundestag in einem Handlungsfeld, in dem Erfolg nicht der Normalfall ist, realistischere Erwartungen formuliert. Nur wenn sich alle Beteiligten ehrlicher machen, gibt es Hoffnung auf mehr Strategiefähigkeit.

Offen bleibt, welche Mechanismen dies befördern könnten. Durch längere Mandatszeiträume ließen sich Anreize für strategisches Denken und Handeln setzen. Denkbar wären auch gemeinsame Sitzungen der betroffenen Fachausschüsse des Bundestags127 oder die Schaffung eines integrierten Ausschusses (für integriertes bzw. vernetztes Krisenmanagement). Die Ballung von Fachkompetenz in einem solchen Ausschuss dürfte das Niveau der strategischen Diskus­sion heben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum von den Ministerien ressortgemeinsames Handeln ver­langt wird, diese Perspektive aber im Bundestag und seinen Ausschüssen nicht abgebildet wird. Gäbe es hier Abhilfe, würde zudem die bundeswehr-zentrierte Diskussion beim Krisenmanagement zurückgedrängt. Vor allem aber würde die größere und breitere Fach­kompetenz eines integrierten Ausschusses das Parla­ment eher in die Lage versetzen, von der Bundesregie­rung strategisches Handeln einzufordern.

Schlussfolgerungen

Ziel dieser Studie war es, Schlussfolgerungen aus dem Fall Mali für die künftige deutsche Außen- und Sicherheitspolitik zu ziehen. Daher lag der Fokus auf politischen, institutionellen und prozessualen Dimen­sionen und Aspekten, die prägend sind für Deutschlands Krisenpolitik, und nicht auf den Besonder­heiten des malischen Konflikts. Die wesentlichen Schlüsse in politischer und institutioneller Hinsicht werden nachfolgend umrissen.

Mit Blick auf die deutsche Strategiefähigkeit besteht sehr viel Luft nach oben. Erforderlich sind eine präzisere Konzeption, worin die eigenen Interessen und Ziele in einem Krisenland bestehen, sowie Ent­scheidungen darüber, mit welchen Mitteln und Maß­nahmen sie erreicht werden sollen. Wenn, wie in den ersten Jahren des Mali-Engagements, die vornehm­lichen Ziele krisenfern und trotzdem gut vertretbar sind (VN-Politik, Bündnissolidarität), sollte die Regie­rung auch den Mut haben, Ross und Reiter zu nen­nen. Dies ist wichtig für die Legitimität des Einsatzes nach innen und die Einordnung seiner erwartbaren oder erreichten Ergebnisse.

Nachholbedarf besteht auch hinsichtlich der poli­tischen Steuerung einer einmal festgelegten Strategie durch die Bundesregierung. Ohne eine kontinuier­liche Überprüfung von ressortgemeinsamer Zielorientierung, Wirksamkeit und Kohärenz droht die beste Konzeption zu scheitern. Das Fehlen einer angemessenen strategischen Zielsetzung und Operationalisierung bedeutet zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass die umfangreichen Ressourcen, die von deutscher Seite für Mali zur Verfügung standen, weniger effektiv und effizient eingesetzt wurden, als dies möglich gewesen wäre.

Diese aus dem malischen Fall generierten Einsichten über Strategie- und Steuerungsdefizite sind nicht kontrovers, sondern werden von vielen Akteuren innerhalb des Apparats geteilt. Strittig bleibt indes, welche Konsequenzen und Verbesserungen nötig wären. Das Beispiel Mali deutet darauf hin, dass es bislang keine qualitativ ausreichende Wirkung ent­faltet, an vielen kleinen Stellschrauben zu drehen. Be­stehende Gremien, Formate und Schnittstellen (wie Staatssekretärsrunden, der AS Sahel, wöchentliche Jours fixes etc.) genügen offenbar nicht, um bei der Bildung, Steuerung und Umsetzung strategischer Linien voranzukommen. Das hat sehr viel mit dem Ressortprinzip und daraus resultierenden Widerständen zu tun, aber eben nicht nur. Die vielgliedrige Struktur und Ausdifferenzierung einzelner Ministerien kann zwar Spezialisierung und Professionalisierung dienen. Aber die – aus guten Gründen beste­hende – institutionelle Kultur von Mitzeichnungs- und Aushandlungsprozessen erschwert es schon innerhalb eines Hauses, verbindliche übergeordnete Ziele zu formulieren, auf die alle Arbeitseinheiten dann einzahlen, etwa durch Länderstrategien, die den strategischen Rahmen fixieren. Letzteres ist umso wichtiger, als regelmäßige Personalwechsel den Ministerialapparat in puncto Lernfähigkeit und insti­tutionelles Gedächtnis herausfordern.

Wenn der Status quo keinen Ort der strategischen Debatten und Entscheidungen bereithält, dann ist die naheliegende Frage, ob ein Nationaler Sicherheitsrat – über dessen Schaffung viel diskutiert wurde – geeignet wäre, die Probleme zu beheben. Dazu liegen zahlreiche gute Vorschläge auf dem Tisch, wie es andererseits nachvollziehbare Bedenken gibt, die auf wirkmächtige Ressortprinzipien und Koalitions­logiken verweisen.128 Ob eine neue Institution die altbekannten Probleme lösen oder sie nur verlagern würde, lässt sich ebenso diskutieren wie die konkrete Ausgestaltung eines Sicherheitsrats. Wenn aber un­klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten bei Strategiebildung wie politischer Steuerung eines der Hauptprobleme deutscher Krisenpolitik sind, würde ein solches Gremium zwar gewiss keinen Quantensprung, aber möglicherweise doch einen Fortschritt bedeuten. Erforderlich wäre dafür keine langfristig wirksame Grundsatzentscheidung. Vor der nächsten Bundestagswahl könnten sich die demokratischen Parteien im Parlament für die kommende Legislatur darauf verständigen, einen »Sicherheitsrat light« zu gründen, dessen Performanz und Eignung am Ende der Wahlperiode zu überprüfen wäre. Auch ein sol­ches ergebnisoffenes Experimentieren könnte dazu beitragen, Lernfähigkeit und Effektivität deutscher Außen- und Sicherheitspolitik zu verbessern.

Abkürzungsverzeichnis

AA Auswärtiges Amt

AFISMA African-led International Support Mission in Mali

AS Sahel Arbeitsstab Sahel

BMVg Bundesministerium der Verteidigung

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

CIVAD Civil Advisor

EIBReg Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung

EU Europäische Union

EUCAP Sahel Mali EU Capacity Building Mission in Mali

EUTM Mali European Union Training Mission Mali

EZ Entwicklungszusammenarbeit

GAAP Gemeinsame Analyse und abgestimmte Planung

GAR-SI Groupes d’Action Rapide – Surveillance et Intervention au Sahel

GSVP Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik

MANTIS Modular, Automatic and Network capable Targeting and Interception System

MINUSMA United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali

PARSEC Programme d’Appui au Renforcement de la Sécurité dans la Région de Mopti et à la Gestion des Zones Frontalières

SSR Sicherheitssektorreform

UNDP United Nations Development Programme

UNITAR United Nations Institute for Training and Research

VN Vereinte Nationen

VNSR Sicherheitsrat der Vereinten Nationen

Endnoten

1

 Viele in dieser Studie enthaltene Einsichten gehen auf Gespräche mit deutschen Ressortvertreter:innen (aus AA, BMVg, BMZ) in Berlin und Bamako seit 2016 zurück, insbesondere auf 24 Interviews, die 2023/24 vom Autor für diese Studie durchgeführt wurden. Die Quellen sind anonymisiert, weil mit den Gesprächspartner:innen Vertraulichkeit verein­bart wurde. Ihnen gilt ebenso Dank wie Aljoscha Albrecht, Barbara Heckl und Andrea Sperk.

2

 Maßstab sind hier die Aussagen von Minister:innen und Staatssekretär:innen des AA und des BMVg anlässlich der jährlichen Mandatsdebatten im Bundestag (2013–2023).

3

 Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), »Deutschland strebt erneute Kandidatur für den UN‑Sicherheitsrat an«, 24.3.2016, <https://dgvn.de/meldung/ deutschland-strebt-erneute-kandidatur-fuer-den-un-sicherheitsrat-an> (alle in den Fußnoten angegebenen Webseiten wurden zuletzt am 13.9.2024 aufgerufen).

4

Nina Werkhäuser, »German Army Support for France«, Deutsche Welle (DW), 17.11.2015 <https://www.dw.com/en/ german-military-could-support-france-in-anti-terror-efforts/a-18856741>.

5

 Von Abgeordneten des Bundestags hingegen wurde das Argument mehrmals vorgebracht.

6

 Dies bestätigt die Befunde früherer Arbeiten. Christian Patz, »Peacekeeping Labor Mali: Deutschland und der MINUSMA Einsatz«, in: Sirius – Zeitschrift für Strategische Analysen, 3 (2019) 4, S. 339–361; Wolfram Lacher, Unser schwieriger Partner. Deutschlands und Frankreichs erfolgloses Enga­gement in Libyen und Mali, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Februar 2021 (SWP-Studie 3/2021); Markus Kaim, Die deutsche Politik im VN-Peacekeeping. Eine Dienerin vieler Herren, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2021 (SWP-Studie 7/2021).

7

 Denis M. Tull, Ad-hoc-Koalitionen in Europa. Der Sahel als Katalysator europäischer Sicherheitspolitik?, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juni 2022 (SWP-Studie 8/2022).

8

 Arthur Boutellis/Michael Beary, Sharing the Burden: Lessons from the European Return to Multidimensional Peacekeeping, New York: International Peace Institute, 2020, S. 2, <https:// www.ipinst.org/wp-content/uploads/2020/01/European-Canadian_Final.pdf>.

9

 Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands, A Mission within a Mission. The Contribution of the Netherlands to the UN Multidimensional Integrated Stabilisation Mission in Mali (MINUSMA) 2014–2019, Den Haag: Policy and Operations Evaluation Department (IOB), S. 12, <https://www.iob-evaluatie.nl/binaries/iob-evaluatie/documenten/rapporten/ 2022/09/30/evaluatie-nederlandse-bijdrage-minusma/ ENG+Summary+%E2%80%93+A+mission+within+a+mission.pdf>.

10

 Vgl. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian in: Anne Bauer, »Défense: Paris et Berlin créent une base aérienne commune à Evreux«, in: Les Echos, 10.4.2017; Patz, »Peace­keeping Labor« [wie Fn. 6], S. 357.

11

 Anders hingegen Kaim, Die deutsche Politik im VN-Peace­keeping [wie Fn. 6], S. 27.

12

 »Krisenpolitik« wird im Text als weniger technischer Begriff seinem Synonym »Krisenmanagement« vorgezogen.

13

 »Merkel: ›Afrika ist das zentrale Problem‹«, in: Süddeutsche Zeitung, 22.6.2016; Stephan Detjen, »Merkel in Afrika: ›Wohl Afrikas liegt im deutschen Interesse‹«, Deutschlandfunk, 9.10.2016.

14

 Interview mit MdB, 24.1.2024 (Zitat); Interview mit Ressortvertreterin, 11.1.2024.

15

 Der »integrierte Ansatz« ist mit dem »vernetzten Ansatz« inhaltlich identisch.

16

 Deutscher Bundestag, Das deutsche Engagement in Mali, Drucksache 20/867, 27.2.2022, S. 4, <https://dserver.bundes tag.de/btd/20/008/2000867.pdf>, aktualisiert um Zahlen aus: Deutscher Bundestag, Schriftliche Fragen, Drucksache 20/9004, S. 63, <https://dserver.bundestag.de/btd/20/090/2009004.pdf>.

17

 »Afghanistan-Einsatz kostete mehr als 17,3 Milliarden Euro«, in: Zeit Online, 5.10.2021.

18

 Zum »Autopiloten« vgl. Sarah Brockmeier/Philipp Rotmann, Krieg vor der Haustür. Die Gewalt in Europas Nachbarschaft und was wir dagegen tun können, Bonn 2019.

19

 Interview mit Ressortvertreterin, 12.12.2023.

20

 Gleich mehrere Bundestagsfraktionen legten in schneller Folge Mali- bzw. Sahel-Papiere vor: CDU/CSU im Mai 2020, Bündnis 90/Die Grünen im November 2020, die SPD im Februar 2021 sowie die FDP im März 2021.

21

 Deutscher Bundestag, Bericht der Bundesregierung zur Lage und zum deutschen Engagement in Mali/Sahel. Aktuelle Lage, Ziele und Handlungsfelder des deutschen Engagements, Drucksache 19/18080, 25.3.2020, <https://dserver.bundestag.de/btd/19/ 180/1918080.pdf>.

22

 Ebd., S. 6f (Zitat 6); Christian Klatt, »Eruption der Gewalt in Mali«, in: Internationale Politik und Gesellschaft, 6.7.2020, <https://www.ipg-journal.de/regionen/afrika/artikel/eruption-der-gewalt-in-mali-4511/>.

23

 Strategische Ausrichtung des Sahel-Engagements, Berlin, 2021; Neubestimmung und Anpassung des Sahel-Engagements der Bundesregierung, Berlin 2023. Beide Papiere sind unveröffentlicht. Vgl. Deutscher Bundestag, »Bundesregierung will Engagement in Mali fortsetzen«, Pressemitteilung, 13.9.2023, <https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-967116>.

24

 Neubestimmung und Anpassung des Sahel-Engagements [wie Fn. 23], S. 2.

25

 Ebd.

26

 Zu diesen frühen Errungenschaften gehörten unter anderem die schnellen Erfolge der französischen Operation Serval, die politische Annäherung zwischen den Bürgerkriegsparteien mit dem Vertrag von Ouagadougou, die Durchführung von Wahlen (alles 2013) und schließlich das Friedensabkommen von Algier im Jahr 2015.

27

 Die deutschen Beiträge zur europäischen Polizeimission EUCAP Sahel Mali waren gering (2022: 10 Polizisten). Deut­scher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Ali Al-Dailami, Żaklin Nastić und der Fraktion Die Linke, Drucksache 20/4957, S. 1, <https://dserver.bundestag.de/btd/20/049/2004957.pdf>.

28

 Lacher, Unser schwieriger Partner [wie Fn. 6].

29

 Interview mit Ressortvertreter, 1.11.2023.

30

 Vgl. Philipp Rotmann, »Schluss mit dem Autopiloten! Gute Krisenpolitik fährt nicht von allein«, 49security, 2.3.2023, <https://fourninesecurity.de/2023/03/02/schluss-mit-dem-autopiloten-gute-krisenpolitik-faehrt-nicht-von-allein>.

31

 Lacher, Unser schwieriger Partner [wie Fn. 6].

32

 Interview mit MdB, 24.1.2024 (Zitate); Interview mit Ressortvertreter, 2.10.2023.

33

 Eigenständige Positionen und Ideen wurden letztlich erst relativ spät (etwa ab 2020) artikuliert und sichtbar gemacht, als die Zweifel am Kurs bei vielen Partnern manifest waren und Frankreich in seinen Beziehungen zu den Sahel-Staaten in schwieriges Fahrwasser geriet.

34

 Interview mit Ressortvertreterin, 26.9.2023.

35

 Interviews mit Ressortvertreter:innen, 17.12.2021, 22.8.2023.

36

 Siehe auch Simone Schnabel/Antonia Witt, Friedenspolitische Kohärenz im deutschen Regierungshandeln. Lehren aus Mali und Niger, Beirat der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung, 2022 (Studie 5), S. 11.

37

 Interview mit Akteur der Entwicklungszusammen­arbeit, 2.2.2024.

38

 Schnabel/Witt, Friedenspolitische Kohärenz [wie Fn. 36], S. 12; Julian Bergmann, »Kohärenz stärken: wie ein integrierter Ansatz in der deutschen Afrikapolitik gelingen kann«, Joint Futures Blog, 13.12.2023, <https://www.megatrends-afrika.de/publikation/mta-joint-futures-34-ein-integrierter-ansatz-fuer-die-deutsche-afrikapolitik>.

39

 Winfried Nachtwei, »Lehren aus deutschen Krisenengagements gibt es reichlich – aber auch Lernfortschritte?«, in: Sirius, 3 (2019) 4, S. 362–377 (369).

40

 Interviews mit Ressortvertreter:innen, 11.1.2024, 22.8.2023.

41

 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Humanitäre Hilfe und Übergangshilfe einschließlich der Schnittstellen Krisen­prävention, Krisenreaktion, Stabilisierung und Entwicklungszusammenarbeit, Potsdam 2020, S. 14.

42

 Interviews mit Ressortvertreter:innen, 26.9.2023, 12.10.2023.

43

 Gerrit Kurtz, »Mehr als eine bürokratische Pflichtübung: Ressortgemeinsamkeit in der zivilen Konfliktbearbeitung«, PeaceLab, 28.4.2021, <https://peacelab.blog/2021/04/mehr-als-eine-buerokratische-pflichtuebung-ressortgemeinsamkeit-in-der-zivilen-konfliktbearbeitung>.

44

 Interview mit Ressortvertreter, 3.4.2024.

45

 Präzedenzfälle waren die Arbeitsstäbe »Afghani­stan/Pakistan« und »Ebola« (Westafrika).

46

 So bereits Schnabel/Witt, Friedenspolitische Kohärenz [wie Fn. 36].

47

 Interview mit Ressortvertreterin, 12.12.2023; Interview mit Ressortvertreter, 23.8.2023.

48

 Dies bezieht sich auf die Verhältnisse bis 2023. Im Früh­jahr 2024 wurde innerhalb des BMVg eine Organisations­reform durchgeführt.

49

 Ausführlich zu den Problemen von EUTM Mali: Denis M. Tull, The European Union Training Mission and the Struggle for a New Model Army in Mali, Paris: Institut de Recherche Straté­gique de l’École Militaire (IRSEM), Februar 2020 (Research Paper Nr. 89). <https://www.irsem.fr/data/files/ irsem/documents/document/file/3233/RP_IRSEM_89.pdf>.

50

 BMVg, Fragen und Antworten zur Ertüchtigung, <https:// www.bmvg.de/de/themen/dossiers/engagement-in-afrika/das-engagement/ertuechtigung-in-afrika/faq-ertuechtigung>.

51

 Dies umfasst die Lieferung von Material und die fach­liche Ausbildung am Gerät, vornehmlich in den Bereichen Pionierdienst, Sanitätswesen, Logistik und Instandsetzung.

52

 An der deutschen Botschaft in Bamako wurde 2016/17 der Posten eines Verteidigungsattachés eingerichtet.

53

 BMVg, »Ausbildung zur Munitionskontrolle in Mali«, 8.1.2019, <https://www.bmvg.de/de/aktuelles/ausbildung-zur-munitionskontrolle-in-mali-29990>.

54

 Gerhard Heiming, »Deutschland unterstützt Mali mit geschützten Fahrzeugen«, in: Europäische Sicherheit und Technik, 24.7.2019, <https://esut.de/2019/07/meldungen/international/ 14096/deutschland-unterstuetzt-mali-mit-geschuetzten-fahrzeugen>; »Germany Gives Malian Army New OTT Tech­nologies Armoured Vehicles«, in: Africa Intelligence, 10.5.2021.

55

 Siehe auch Philipp Rotmann, »Von Deutschland ler­nen?«, in: Welt-Sichten, 9.8.2020, <https://gppi.net/2020/08/09/ von-deutschland-lernen>.

56

 Interviews mit BMVg-Vertretern, 25.11.2021, 17.11.2022, 11.10.2023.

57

 Bundesrechnungshof, Bericht nach § 88 Absatz 2 BHO an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages – Information über die Entwicklung des Einzelplans 60 (Allgemeine Finanzverwaltung) für die Beratungen zum Bundeshaushalt 2022, 12.5.2022, S. 10, <https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Berichte/2022/entwicklung-einzelplan-60-bundeshaushalt-2022-ergaenzung-volltext.pdf?__blob= publicationFile&v=1>.

58

 BMVg, »Ausbildung zur Munitionskontrolle in Mali« [wie Fn. 53].

59

 Interview mit Ressortvertreter, 2.10.2023.

60

 Interview mit Ressortvertreter, 11.10.2023.

61

 Ebd.

62

 International Security Sector Advisory Team (ISSAT)/ Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces (DCAF), Cartographie du soutien de la communauté internationale en matière de sécurité et de justice au Mali. Rapport final, Genf, Februar 2017, <https://pasas-minka.fr/fr/resources/download/ 114>.

63

 Katherine Pye, A Means to an End or an End in Itself? The EU Integrated Approach to Conflict in Mali, Brügge: College of Europe, 2019 (EU Diplomacy Paper 05/2019), <https://www. coleurope.eu/sites/default/files/research-paper/edp-5-2019_ pye_0.pdf>; Andrew Lebovich, Halting Ambition: EU Migration and Security Policy in the Sahel, London: European Council on Foreign Relations (ECFR), 25.9.2018 (ECFR Policy Brief).

64

 Interview mit EU-Funktionär, Bamako, 10.6.2017.

65

 Interview mit Ressortvertreter, 22.8.2023 (Zitat); siehe auch Denis M. Tull, »Rebuilding Mali’s Army: The Dissonant Relationship between Mali and Its International Partners«, in: International Affairs, 95 (2019) 2, S. 405–422.

66

 Auswärtiges Amt, Ressortgemeinsame Strategie zur Unterstützung der Sicherheitssektorreform (SSR), Berlin, Juli 2019, <https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2247420/222c695ee 476e6ec1eaa350989c08f41/190917-sicherheitssektorreform-data.pdf>.

67

 Rotmann, »Von Deutschland lernen?« [wie Fn. 55].

68

 Auswärtiges Amt, Ressortgemeinsame Strategie [wie Fn. 66], S. 24.

69

 Interview mit Ressortvertreterin, 1.11.2023.

70

 Markus Kaim, »Afghanistan, Mali, Niger: Warum deutsche Außenpolitik so oft an der Wirklichkeit scheitert«, in: Spiegel, 8.8.2023.

71

 Ausgenommen ist die Beteiligung der deutschen Marine an der UN Interim Force in Lebanon (UNIFIL).

72

 Torsten Konopka, »Mali: Rückzug oder mehr Risiko?«, in: Vereinte Nationen, (2022) 1, S. 9–14.

73

 Henrik Maihack, »Eine neue Mission für Mali«, in: Internationale Politik und Gesellschaft, 22.9.2022.

74

 Fabien Offner, »A Dozen Shades of Khaki: Counter-Insurgency Operations in the Sahel«, in: The New Humani­tarian, 11.1.2018.

75

 Maihack, »Eine neue Mission für Mali« [wie Fn. 73].

76

 Vgl. exemplarisch die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer: »Alles, was wir in dieser Re­gion tun, jeder Terroranschlag, den wir durch unseren Ein­satz verhindern, […] ist es wert, dass wir uns dort einsetzen; denn es macht das Leben der Menschen vor Ort lebenswerter, schwächt den Terrorismus und macht damit auch unsere Region hier sicherer.« Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 159. Sitzung, Berlin, 13.5.2020, S. 19754, <https:// dserver.bundestag.de/btp/19/19159.pdf#page=70>.

77

 Ähnlich dazu Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands, A Mission within a Mission [wie Fn. 9], S. 5.

78

 Konopka, »Mali: Rückzug oder mehr Risiko?« [wie Fn. 72], S. 10.

79

 Deutscher Bundestag, »Mali-Einsatz der Bundeswehr letztmalig verlängert«, <https://www.bundestag.de/doku mente/textarchiv/2023/kw21-de-bundeswehr-minusma-947962>.

80

 Vgl. Konopka, »Mali: Rückzug oder mehr Risiko?« [wie Fn. 72], S. 12.

81

 Thomas Wiegold, »Hubschraubermangel in Mali: Deutsche Helikopter ›nicht auszuschließen‹«, Augen geradeaus! (Blog), 11.7.2016, <https://augengeradeaus.net/2016/07/ hubschraubermangel-in-mali-deutsche-helikopter-nicht-auszuschliessen/>.

82

 Thorsten Gromes, Ausstieg verpasst? Der Bundestag und die UN-Mission in Mali, Frankfurt am Main: Peace Research Institute Frankfurt (PRIF), 2024 (PRIF-Report 2/2024).

83

 Interview mit MINUSMA-Mitarbeiterin, 10.5.2024.

84

 2023 befanden sich 1.100 Bundeswehr-Angehörige im Rahmen des MINUSMA-Einsatzes in Mali und Niger. Davon waren lediglich 664 offiziell bei der MINUSMA gemeldet (Stand: 23.5.2023). Vgl. Conseil de sécurité, Situation au Mali. Rapport du Secrétaire général, 1.6.2023, <https://minusma. unmissions.org/sites/default/files/230601_mandate_renewal_ report_fr.pdf>.

85

 Boutellis/Beary, Sharing the Burden [wie Fn. 8], S. 20f.

86

 Bis zum 4. April 2023 waren 6.599 Soldatinnen und Soldaten bei EUTM Mali und 25.308 Soldatinnen und Solda­ten sowie 90 Polizistinnen und Polizisten bei MINUSMA eingesetzt worden (Daten zur polizeilichen Beteiligung liegen nur für den Zeitraum seit dem Jahr 2016 vor). Bei EUCAP Sahel Mali waren bislang drei deutsche Polizistinnen und Polizisten beteiligt. Vgl. Deutscher Bundestag, Schriftliche Fragen, Drucksache 20/6495, 21.4.2023, <https://dserver. bundestag.de/btd/20/064/2006495.pdf>; Peter Carstens, »Letzte deutsche Soldaten kehren zurück«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), 15.12.2023, <https://www.faz.net/ aktuell/politik/inland/letzte-soldaten-von-mali-einsatz-zurueckgekehrt-19388055.html>.

87

 Katharina P. Coleman/Paul D. Williams, »Peace Operations Are What States Make of Them: Why Future Evolution Is More Likely Than Extinction«, in: Contemporary Security Policy, 42 (2021) 2, S. 241–255.

88

 Vorbildhaft hingegen war die Kommunikation der britischen Armee während ihres MINUSMA-Einsatzes.

89

 Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission »Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands«, <https://www.bundestag.de/ausschuesse/weitere_ gremien/enquete_afghanistan>.

90

 Cyril Benisom/Jean-Pierre Stroobants, »L’UE inquiète face à la forte dégradation sécuritaire au Sahel«, in: Le Monde, 15.5.2019.

91

 Dies deckt sich mit dem Verhalten im Fall Afghanistan. Vgl. Christoph Zürcher, Stellungnahme – Öffentliche Anhörung zum Thema »Internationale Evaluierungen des Afghanistan-Einsat­zes: Ergebnisse, Lehren und erfolgte Maßnahmen«, Deutscher Bundestag, Kommissionsdrucksache 20(28)34, 18.9.2023, <https://www.bundestag.de/resource/blob/966018/ 600d811fe06722e530fa656e92530195/KOM-Drs-20-28-34_Stellungnahme-Zuercher.pdf>.

92

 »Merkel will trotz Putsch an Bundeswehreinsatz in Mali festhalten«, in: Der Spiegel, 31.5.2021.

93

 Der Begriff stammt von Winfried Nachtwei, der beklagt, in Afghanistan sei der Wirksamkeitsdiskurs zu kurz gekom­men. Vgl. Nachtwei, »Lehren aus deutschen Krisenengage­ments« [wie Fn. 39], S. 370.

94

 Denis M. Tull, Deutsches und internationales Krisenmanagement im Sahel. Warum sich die Diskussion über die Sahelpolitik im Kreis dreht, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juni 2020 (SWP-Aktuell 43/2020).

95

 Interview mit Ressortvertreter, 22.8.2023.

96

 Interview mit Ressortvertreter, 26.1.2024.

97

 Interview mit Ressortvertreter, 8.2.2024.

98

 Deutscher Bundestag, Zwischenbericht der Enquete-Kommission Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands, Drucksache 20/10400, Berlin, 19.2.2024, <https://dserver.bundestag.de/btd/20/104/ 2010400.pdf>.

99

 Interview mit Ressortvertreter, 6.2.2024.

100

 Interview mit Ressortvertreterin, 1.11.2023.

101

 Interview mit Ressortvertreter, 12.10.2023.

102

 Gerrit Kurtz, »Diplomaten an die Front! Krisenprävention braucht das richtige Personal«, PeaceLab (Blog), 8.9.2016, <https://peacelab.blog/2016/09/diplomaten-an-die-front-krisenpraevention-braucht-das-richtige-personal>.

103

 Deutscher Bundestag, Zwischenbericht der Enquete-Kommission [wie Fn. 98], S. 23.

104

 Interview mit Ressortvertreterin, 12.12.2023.

105

 Auswärtiges Amt, Praxisleitfaden Ressortgemeinsamer Ansatz zur Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedens­förderung, Berlin 2019, S. 22f, <https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2285522/968495447acfa63ee9b50e829e9f326e/ 191206-praxisleitfaden-data.pdf>.

106

 Anzuerkennen ist, dass AA und BMZ gemeinsam das deutsche Engagement im Irak (mit positivem Ergebnis) evaluierten. Auswärtiges Amt, »Externe Gutachter beschei­nigen AA und BMZ erfolgreiches Irak-Engagement«, Berlin, 31.3.2022, <https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/ laender/irak-node/evaluierung-irak-aa-bmz/2520178>.

107

 Unklar ist, wie viele Evaluierungen es in diesen Bereichen überhaupt gab.

108

 Ariel Ben Yishay u. a., Does Irrigation Strengthen Climate Resilience? A Geospatial Impact Evaluation of Interventions in Mali, Bonn: German Institute for Development Evaluation (DEval), Mai 2013 (DEval Discussion Paper 1/2023), <https://www. deval.org/fileadmin/Redaktion/PDF/05-Publikationen/Discus sion_Paper/2023_Klima/2023_DEval_Discussion_Paper_1_ Irrigation_Climate_Mali.pdf>.

109

 Sarah Brockmeier, »›Review 2024‹? Für eine Zeitenwende im Auswärtigen Amt«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 17 (2023) 73, S. 40–45.

110

 Interviews mit Ressortvetreter:innen, 12.12.2023, 1.11.2023, 20.9.2023.

111

 Kaim, »Afghanistan, Mali, Niger« [wie Fn. 70].

112

 Deutscher Bundestag, Zwischenbericht der Enquete-Kommission [wie Fn. 98], S. 22.

113

 Mali (MINUSMA, EUTM) wurde nicht berücksichtigt, obwohl »laufende« Einsätze bis einschließlich 2023 betrachtet werden sollten. BMVg/Auswärtiges Amt, Bericht der Bun­desregierung zu einer Evaluierung der laufenden, mandatierten Auslandseinsätze der Bundeswehr (Zusammenfassung), Berlin 2024, <https://www.bmvg.de/resource/blob/5809072/be282977d1 daae9f27ec9a70058a158a/evaluierungsbericht-auslands einsaetze-data.pdf>.

114

 Ekkehard Brose, »Vernetzte Sicherheit, vernetztes Regieren, vernetzte Mandate«, in: angeBAKS*t, (17.6.2021) 1, <https://www.baks.bund.de/sites/baks010/files/angebakst_21-1.pdf>; Nachtwei, »Lehren aus deutschen Krisenengagements« [wie Fn. 39], S. 370; eher ablehnend dazu Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch die Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr, Drucksache 18/5000, 16.6.2015, S. 7, <https://dserver.bundestag.de/btd/18/050/ 1805000.pdf>.

115

 Ähnlich argumentiert Nachtwei, »Lehren aus deutschen Krisenengagements« [wie Fn. 39], S. 369.

116

 Rotmann, »Schluss mit dem Autopiloten!« [wie Fn. 30].

117

 Interview mit Ressortvertreterin, 14.9.2023.

118

 Vgl. Werner Distler/Miriam Tekath, Robuste Mandate, Robustes Wissen? Mali-Mandate im Bundestag (2013–2021), Marburg: Center for Conflict Studies (CCS), Philipps-Univer­sität Marburg, 2021 (CCS Policy Paper No. 6), <https://www. uni-marburg.de/de/konfliktforschung/dateien/publikationen/ policy-paper_finale-version_test.pdf>.

119

 Auch die meist fernab vom Geschehen produzierte Berichterstattung deutscher Medien war nicht dazu angetan, die Entwicklungen in Mali kritisch zu beleuchten. Vgl. Lutz Mükke, Mediale Routinen und Ignoranz? Die Sahel-Einsätze der Bundeswehr im öffentlichen Diskurs, Frankfurt am Main: Otto-Brenner-Stiftung, 2023.

120

Interview mit Ressortvertreter, 6.2.2024.

121

Siehe etwa United Nations Development Programme (UNDP), The UNDP Regional Stabilization Facility for the Lake Chad Basin and Liptako-Gourma Regions, <https://www.undp.org/ africa/waca/undp-regional-stabilization-facility-lake-chad-basin-and-liptako-gourma-regions>.

122

 Vgl. beispielsweise d-portal.org, <https://d-portal.org/ ctrack.html#view=search>.

123

 Bundeswehr, »Ertüchtigung zum Umgang mit Muni­tion bei EUTM Mali«, 6.12.2019, <https://www.bundeswehr. de/de/einsaetze-bundeswehr/abgeschlossene-einsaetze-der-bundeswehr/mali-europaeische-trainingsmission-/eutm-bundeswehr-eu-einsatz-mali/ertuechtigung-zum-umgang-mit-munition-bei-eutm-mali-161938>.

124

United Nations Institute for Training and Research (UNITAR), Independent Evaluation of the Sustaining Peace in Mali and the Sahel Region through Strengthening Peacekeeping Training Capacities Project (Phase II), Genf 2019; KfW Entwicklungsbank, Ex Post Evaluation Small-Scale Irrigation – Mali, Frankfurt am Main 2020; Ben Yishay u. a., Does Irrigation Strengthen Climate Resilience? [wie Fn. 108].

125

 Bundesregierung, Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern. Leitlinien der Bundesregierung, Berlin 2017, <https://www.auswaertiges-amt.de/blob/1213498/d98437ca 3ba49c0ec6a461570f56211f/krisen-verhindern-data.pdf>.

126

Frei nach Lakhdar Brahimi. Vgl. United Nations, Report of the Panel on United Nations Peace Operations (Brahimi Report), A/55/305 – S/2000/809, New York, 21.8.2000, S. X.

127

 Dies betrifft in erster Linie die Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Nach Bedarf und Relevanz könnten weitere hinzukommen (etwa Inneres).

128

 Vgl. zu diesem Thema zahlreiche Beiträge der letzten Jahre in der Zeitschrift »Internationale Politik«, <https:// internationalepolitik.de/>, und auf dem Blog 49security, <https://fourninesecurity.de>.

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