Derzeit verschärft sich der Wettbewerb um die CO2-Abscheidung und ‑Speicherung sowie ‑Nutzung (CCS/CCU). Bislang (noch) von Nordamerika dominiert, sind es nun insbesondere Akteure im Großraum Asien – von Saudi-Arabien bis Japan –, die diese Technologien vorantreiben. In deren sich abzeichnender Geopolitik geht es (für Energie-Geopolitik untypisch) weniger um Rohstoffe, sondern eher um Technologie, Geologie und vor allem Industrieführerschaft. Einerseits erfordern die Entwicklungen, dass Deutschland und Europa ihr klimaaußenpolitisches Verständnis wie auch ihre Instrumente pragmatisch anpassen. Andererseits sollte mit der Technologie proaktiv umgegangen werden, um in Technologie und Industrie nicht den Anschluss zu verlieren.
Spätestens mit der Ankündigung einer deutschen Carbon-Management-Strategie ist die Abscheidung und Speicherung bzw. Nutzung von CO2 – kurz CC(U)S (Carbon Capture (Utilisation) and Storage) – auch hierzulande Thema geworden. Dabei geht es um verschiedene Verfahren, bei denen CO2-Emissionen aus Verbrennungsprozessen – etwa in Kraftwerken oder in der Schwerindustrie – aufgefangen, genutzt und/oder dauerhaft gespeichert werden. CSS ist ebenfalls eng verbunden mit Negativ-Emissionstechnologien wie Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS, häufig auch DAC), mit denen sich emittiertes CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernen lässt. Gleichzeitig eröffnet CCS einen Weg zur Dekarbonisierung der konventionellen Produktion von Wasserstoff, dem sogenannten blauen Wasserstoff.
Deutschland hatte sich mit dieser Technologie bisher nur zaghaft befasst, als globale Vorreiter gelten noch immer die USA und Kanada. Mittlerweile ist es jedoch vor allem auch ein Netz von Akteuren im Großraum Asien – vorrangig die arabischen Golfstaaten, Australien, Japan, Korea, Indonesien, Malaysia und China –, die die Technologie vorantreiben und zusehends als Motor von Innovation und (gemeinschaftlichen) Projekten fungieren.
Der Großraum ist geopolitisch und ökonomisch heterogen; und die Länder haben unterschiedliche geostrategische Motive, CCS zu entwickeln. China und die Golfstaaten etwa nutzen CCS, um ihren Bevölkerungen mittels Innovation und Errichtung von Infrastruktur ihren globalen Einfluss und ihre Stärke zu demonstrieren (technopolitics). Gleichzeitig möchte China andere Länder technologisch von sich abhängig machen, während CCS in den Golfstaaten auch deren Petroleumexportwirtschaft unterstützt: Abgeschiedenes CO2 dient der tertiären Ölgewinnung, ehemalige Petroleumreservoirs eignen sich als CO2-Lagerstätten; eigene Märkte für fossile Brennstoffe lassen sich langfristig sichern. Andere Öl- und Gasproduzenten der Region haben ähnliche Motive, etwa Malaysia, Indonesien und Australien. Letztere wiederum sitzen mit China, Korea und Japan im selben Boot und sichern ihre Industrie gegen die Eventualität strikterer globaler Klimapolitik ab. Nicht zuletzt handelt es sich bei CCS auch um eine mögliche Schlüsseltechnologie für dieses Jahrhundert, Technologieführerschaft könnte sich daher ökonomisch wie geostrategisch auszahlen.
Trotz dieser heterogenen Motive konvergiert im Großraum Asien das Interesse an CCS; die Technologie könnte auch zu einer neuen Machtwährung werden. Die »neue Energiewelt« hat eine eigene Geopolitik – die Wechselwirkung zwischen Geographie und zwischenstaatlicher Macht –, was etwa im Kontext von Wasserstoff und Strom bereits deutlich wird. In dieser Welt spielen, neben Technologie, vor allem (kritische) Rohstoffe, Komponenten und Infrastruktur essenzielle Rollen, aber auch Industrie (samt damit einhergehenden Abhängigkeiten) und die Fähigkeit, Standards zu setzen. Gleichzeitig werden CO2-Speicherkapazitäten und damit für CCS günstige geologische Bedingungen neue Machtfaktoren, Grundlagen einer möglichen Geopolitik des CCS –, und die finden sich zusehends in Asien.
Angesichts der techno- und geopolitischen Folgen stellt sich für Deutschland und Europa die Frage, wie auf innen- und außenpolitischer Ebene mit der Technologie umzugehen ist.
Technologiewettbewerb und der Aufstieg Asiens
Im Falle von CCS sind keine kritischen Rohstoffe oder Komponenten nötig, sondern hauptsächlich kohlenstoffbasierte Materialien, metallorganische Gerüststrukturen, Zeolithe, Silica und Metalloxide. Mit signifikanten Abhängigkeiten ist daher nicht zu rechnen. Allerdings behindern momentan hohe Kapitalkosten bzw. großer Energiebedarf, je nach Technologie, den Hochlauf. Das CO2 wird vor, während oder nach der Verbrennung abgetrennt. Das am meisten verbreitete Post-Combustion-Verfahren, das CO2 aus Rauchgas in einem energieintensiven Prozess mittels einer aminhaltigen Lösung bindet, wird in der Chemie-, Zement- und Düngemittelindustrie genutzt. Bei der Pre-Combustion wiederum werden Kohle oder Gas in ein synthetisches Gas umgewandelt, aus dem CO2 abgeschieden wird. Dieses Verfahren wird in Kraftwerken und zur Herstellung von blauem Wasserstoff genutzt, bedarf aber größerer Investitionen. Das Oxyfuel-Verfahren, bei dem in reinem Sauerstoff verbrannt wird, findet Anwendung in der Glas- und Stahlindustrie und hat Potential für die Zementindustrie. Auch hier entstehen hohe Energiekosten.
In puncto Technologieführerschaft spielt der Großraum Asien als globales Gravitationszentrum für CCS eine immer wichtigere Rolle (siehe Grafik). Unter den Top-15-Anmeldern relevanter Patente zwischen 2010 und 2019 waren lediglich vier westliche Unternehmen; inzwischen haben asiatische Konkurrenten sie jedoch allesamt aus ihrer anfänglich führenden Position verdrängt. Die übrigen elf Top-Anmelder sind japanische Technologiekonglomerate, Einrichtungen verschiedener Sektoren aus Korea und China sowie Saudi-Arabiens staatlicher Ölkonzern Aramco – ein Mix aus privaten und öffentlichen, aus gewinn- und forschungsorientierten Organisationen. Auch bei den aufstrebenden Innovatoren hat sich der Schwerpunkt nach Asien verschoben. Auch wenn die Innovationsrate westlicher etablierter Organisationen im genannten Zeitraum abgenommen hat, bleiben ihre Patente stark. Gemessen an der Patentstärke (definiert als Distinktheit, Verbreitung und Einfluss der Patente) dominieren Toshiba, Aramco und Mitsubishi in dieser Zeit, jedoch dicht gefolgt von General Electric und Alstom. Unter den aufkommenden Innovatoren belegen westliche Akteure die ersten fünf Plätze, auf den nächsten zwei findet sich eine saudische und eine chinesische Universität. Korea und China fallen durch die Menge der Anmeldungen auf, nicht aber durch Patentstärke.
Auch bei den Innovationsschwerpunkten lassen sich gewisse Unterschiede erkennen. In Asien ist die Innovationsrate in Pre-Combustion-Prozessen höher. Im Großraum Asien zeichnen sich China und Japan vor allem durch thematisch breit gestreute Patentanmeldungen aus, während Korea und Saudi-Arabien (im Verhältnis zur Zahl ihrer Patente) in Nischen vordringen: Koreas Anmeldungen betreffen etwa Pre-Combustion- und Oxyfuel-Verfahren, jene Saudi-Arabiens neben der Pre-Combustion etwa die Methanolherstellung. Chinas und Japans breiter Fokus zeugt von einem holistischen Interesse an der Technologie und ihrer Anwendung, leitend für Korea und Saudi-Arabien ist dagegen vermutlich das Interesse an der Dekarbonisierung des Stromsektors und an der Entwicklung der (bereits starken) petrochemischen Industrie sowie an der Herstellung sauberer Brennstoffe. Diese Beobachtungen deuten auf eine Ambivalenz zwischen Wettbewerb und Spezialisierung in der Großregion Asien hin.
Zusammenwachsende Räume: Projekte und CCS-Hubs
Die Ausdehnung des Netzwerks an Innovatoren spiegelt sich auch auf Projektebene wider (siehe Karte). In Japan, China und den arabischen Golfstaaten existieren schon funktionsfähige Anlagen. Australien, Indonesien und Malaysia sind weitere Planungsschwerpunkte. Diese Länder haben außerdem bereits staatliche Regulierungen zur Vergabe von CO2-Speicherkapazitäten an Dritte erlassen oder bereiten solche vor. Ebenso wie die Golfstaaten stützen sie sich auf ihre Erfahrungen im Öl- und Gassektor und nutzen die tertiäre Ölförderung. Japan und Korea treten vor allem als forschungsstarke Regionen auf, denen CCS im Klimaschutz als unabdingbar gilt – doch sind koreanische Anlagen erst in Planung.
Bei der simultanen Betrachtung bestehender Industriecluster und möglicher CO2-Speicherstätten lassen sich eine Reihe potentieller »CCS-Hubs« (siehe Karte) ausmachen, bei denen CCS aufgrund von Skaleneffekten tendenziell ökonomisch tragfähig ist. Zunächst fallen die Golfstaaten auf, die großes Potential haben, vorhandene Industriecluster zu dekarbonisieren und die Produktion von blauem (neben grünem) Wasserstoff voranzutreiben. Abgesehen von den ASEAN-Staaten, in denen eine Vielzahl von Standorten für CCS-Hubs in Frage kommt, sticht auch Indien hervor: Zwar existieren dort momentan nur drei Anlagen, jedoch birgt das Land eines der größten Potentiale für CCS-Hubs. Die indischen Bestrebungen haben zuletzt an Fahrt gewonnen, bleiben allerdings isoliert vom regionalen Kontext.
Ähnliches gilt für Russland und Zentralasien, wo zudem die Zahl der Projekte recht überschaubar ist. Vor dem Ukraine-Krieg hatten Gazprom und Mitsui (Japan) eine Absichtserklärung zu CCS-Projekten in Russland vereinbart; ob sie jedoch umgesetzt wird, ist unklar.
Dagegen findet sich in China bereits eine Vielfalt an Projekten, die insbesondere Initiativen in der inländischen Chemie-, Eisen-, Stahl- und Wärmeindustrie umfassen. Noch fehlen indes ausreichend Regulatorien, zudem agiert auch China weitgehend autark, losgelöst von anderen asiatischen Staaten.
Im Gegensatz dazu sind andere zentrale Akteure in ein enges Netz aus Verbindungen eingespannt (Karte). Japan etwa hat ein panasiatisches CC(U)S-Netzwerk für Wissenstransfer und gemeinsame Projekte ins Leben gerufen. Dabei sind die Verbindungen von nationalen Interessen motiviert, aber auch geprägt von der Ambivalenz zwischen Kooperation und Wettbewerb. Japan, Korea und die Golfstaaten sind über blauen Wasserstoff wie auch durch LNG-Lieferverträge verbunden, zusätzlich zu gemeinsamer Innovation. Ähnliche Abkommen bestehen mit Australien. Japan und Korea, die industriell miteinander konkurrieren, unterhalten kaum Projektverbindungen. Als zentrale Hubs stechen Singapur, Indonesien und Malaysia hervor; bei der lokalen Nutzung, aber auch weil sie die Möglichkeit bieten, CO2 aus Übersee – insbesondere Japan, das im Inland nur unzureichende Speicherkapazitäten hat – abzunehmen und zu speichern.
Globaler Industriewettbewerb
Ähnlich wie bei Wasserstoff hat die Förderung von CCS-Technologien das Ziel, heimische Industrie auch in Zeiten strikterer Klimapolitik zu erhalten. Da Industrieführerschaft eine der Kerngrößen der (neuen) Energie-Geopolitik ist, ist nicht nur die Bereitstellung von CCS, sondern auch deren Einsatz geopolitisch relevant. Aus Sicht Europas könnte sich CCS global als zweischneidiges Schwert erweisen – es eröffnet zwar die Möglichkeit, Industrie in Europa zu halten, allerdings könnten, ceteris paribus, Märkte, in denen für CCS günstigere Standortbedingungen herrschen, europäische Unternehmen auch zum Abwandern verleiten. Gerade an den Verflechtungen im Großraum Asien lässt sich der potentielle Wettbewerb um Industrieerhalt und (Re-)Allokation erkennen. Für eine Verlagerung von Industrien spielen indes verschiedene Faktoren eine Rolle.
Globaler Klimaschutz
Eine Grundvoraussetzung für die industrielle Anwendung von CCS sind deutliche Anreize zur Emissionsminderung, etwa ausreichend strenge CO2-Steuern oder ‑Zertifikatsysteme. Denn erst solche Maßnahmen veranlassen Unternehmen dazu, Emissionen zu vermeiden und die Kosten ihrer Vermeidung in ihr Kalkül einzubeziehen.
Überdies könnte bei rein unilateralem Klimaschutz die Industrie ihre Produktion an Orte verlagern, in denen ein weniger striktes Klimaschutzregime herrscht (sogenanntes Carbon Leakage) – ganz unabhängig von CCS. Für den Standortwettbewerb relevant wären also nur homogene Anreize zur CO2-Vermeidung über Landesgrenzen hinweg oder Grenzausgleichsmechanismen (siehe EU-Beschluss).
Transportmöglichkeiten
Bei gegebenen Klimaschutzanreizen entscheidet die Möglichkeit, CO2 zu transportieren, darüber, ob Industrie verlagert wird. Prinzipiell präferieren Pläne wie auch bestehende Projekte Pipelines aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Umweltverträglichkeit. Je geringer allerdings die zu transportierenden Volumina und je größer die Distanz, desto eher lohnt es sich, Schiffe statt Unterseepipelines zu nutzen.
Es gibt Pilotprojekte, und auch technisch ist der maritime CO2-Transport möglich. Allerdings hängt dessen wirtschaftliche Machbarkeit von mehreren Faktoren ab: außerordentlichen Anreizen zur CO2-Vermeidung, der drastischen Senkung der Transportkosten, einer nachdrücklichen politischen Koordinierung und regulatorische Entwicklungen. So erlaubt etwa eine Änderung des internationalen Seerechts mit dazugehöriger Resolution von 2019 den transmaritimen CO2-Transport, doch die getroffenen Vereinbarungen sind bis dato nicht vollständig ratifiziert.
Würde es keinen Transport abgeschiedener Emissionen geben, könnte CCS dazu führen, dass sich die Industrie primär an Orten mit hohen und günstig zugänglichen Speicherkapazitäten (und niedrigeren Energiepreisen) ansiedelt.
Sollte sich CO2 problemlos über Grenzen verbringen lassen, könnte ein interregionaler Markt für CO2 als Abfallstoff entstehen. Geplante Kooperationen wie jene zwischen Japan und Malaysia oder auch Deutschlands Vorhaben, abgeschiedenes CO2 nach Norwegen zu schicken, sind Beispiele – die EU plant bereits einen Binnenmarkt. Prinzipiell wäre neben bilateralen Verbindungen sogar ein multilateraler Markt mit einem Netzwerk aus Emittenten und CO2-Speicherern möglich. Bestünde ein solcher internationaler Markt, könnte die Industrie an ihrem Ursprungsort gehalten werden, zum Preis des Transports und der Einlagerung von CO2 im Ausland – ein Modell, das konzeptionell dem Wasserstoffimport ähnelt. Deutschland und Europa haben grundsätzlich Interesse an handelbarem CO2, da Speichermöglichkeiten vorhanden, jedoch meist teuer und teils politisch umstritten sind.
Ähnliche Kalküle finden sich auch in Ländern Asiens: Industrienationen mit begrenztem oder teurem Speicherpotential wie insbesondere Japan haben ein starkes Interesse am CO2-Transport. Standorte mit großem Speicherpotential wiederum könnten in beiden Fällen profitieren: Denn ohne CO2-Transport gibt es Anreize, Industrie anzusiedeln; findet aber CO2-Transport statt, bietet sich die Speicherung von ausländischem CO2 als neues Geschäftsmodell an.
Das Konzept ist jedoch auf politische und soziale Akzeptanz angewiesen, die nicht unbedingt unterstellt werden sollte. In Oman etwa wird die Option einer Speicherung von ausländischem CO2 eher abgelehnt, da dies den Eindruck einer »globalen Abfallentsorgung« vermittelt.
Speichermöglichkeiten
Den Löwenanteil möglicher Speicher machen erschöpfte Öl- und Gasreservoirs oder salzwasserführende Gesteine aus, wie etwa Olivin-, Serpentin- und Basaltformationen, die CO2 gut aufnehmen und bei denen, je nach Einspritz- und Versiegelungsverfahren, nur ein geringes Entweichrisiko besteht.
Goldstandard ist dabei die Mineralisierung, bei der das CO2 nach dem Einspritzen mit dem Gestein chemisch reagiert und sich verfestigt – ein späteres Entweichen oder Umweltrisiken sind also ausgeschlossen. Das Verfahren steht insbesondere im Kontext von DACCS, stellt aber auch im Rahmen von CCS eine langfristige und skalierbare Einlagerungsmethode dar, die sich positiv auf die Umwelt auswirkt. Doch funktioniert sie nur in bestimmten geologischen Umgebungen: nötig sind mafische Gesteine, die etwa in Indien, Australien und Russland vorhanden sind; bevorzugt werden aber ultramafische Gesteine, die außer in den USA und Neukaledonien in Oman vorkommen, wo bereits erste Pilotprojekte entstehen.
Abgesehen von natürlichen Vorkommen – das geschätzte weltweite Speicherpotential liegt im Bereich von Teratonnen und übersteigt damit den möglichen Bedarf deutlich – geht es hier jedoch auch um eine (umwelt-)regulatorische Frage: Welche Umweltrisiken werden für CCS in Kauf genommen? Je mehr Risiken vermieden werden sollen, desto stärker verringern sich die verfügbaren Flächen. Dabei geht es etwa um die Distanz zu Siedlungen oder die Risiken des Entweichens, die von der Art der Speicherung beeinflusst werden.
Mit dem Grad der Laxheit der Regulierungen steigt die Zahl der potentiellen CCS-Standorte; gelten strengere Regulierungen, würde dies die möglichen Einsatzorte stärker eingrenzen, während die Preise für CO2-Speicherung steigen würden. Diese Knappheit würde den Wettbewerb um mögliche CO2-Senken verschärfen und damit deren Preis nach oben treiben: Besitzer erhalten eine zusätzliche Knappheitsrente, gleichzeitig wird der globale Einsatz abnehmen. Das würde wiederum einerseits die Verlagerung von Industrie eindämmen, andererseits jedoch auch Staaten mit günstigen geologischen Bedingungen bevorteilen. Letzteres würde bedeuten, dass selbst Staaten mit großem Interesse an der CCS-Technologie striktere Regulatorien anstreben könnten, so etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman oder auch Australien.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Im Zuge des Aufkommens erster (transnationaler) Verbindungen, insbesondere im Großraum Asien, zeichnen sich bereits die Konturen einer möglichen Geopolitik des CCS ab. Im Mittelpunkt dieser Politik stehen im Gegensatz zu erneuerbaren Energien und ihren kritischen Rohstoffen vor allem Technologie und Geologie. Öl- und Gasproduzenten ermöglicht dies, ihren Einfluss durch die Sicherstellung von Absatz, aber auch von Speichern zu festigen. Während einzelne Querschnittstechnologien absehbar umkämpft sein werden, findet daneben viel Spezialisierung statt. Dies lässt einen Sektor erwarten, der von Kooperativität gekennzeichnet ist. Doch zugleich bahnt sich Konkurrenz insbesondere zwischen großen emittierenden Industriehubs an. Inwieweit sich Ersteres bewahrheiten wird, ist allerdings noch offen und könnte vom Grad der allgemeinen politischen Konvergenz in der Region abhängen.
Denn obwohl der Klimaschutz für die meisten Länder im Großraum Asien durchaus eine Rolle spielt, überwiegen (sozio-) ökonomische Motive für CCS. Dieser klimapolitische Pragmatismus könnte jedoch unter bestimmten Voraussetzungen dazu führen, das europäische Industrie abwandert. Als Folge könnten für Europa und Deutschland je nach Technologiepfad neue Abhängigkeiten bei industriellen Wertschöpfungs- und Lieferketten entstehen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die europäische und deutsche Klima(‑außen)- und Industriepolitik sowohl Risiken als auch Gestaltungspotentiale.
Pragmatische Klimaaußenpolitik
Nachdem CCS Eingang in staatliche Strategien und industrielle Wertschöpfungsketten gefunden hat, folgt nun die Klimaaußenpolitik. Eine Verlängerung der Grundsatzdebatte ist daher nicht hilfreich. Zwar bleiben Einsatzbereich und ‑umfang von CCS unsicher, so dass Vorsicht geboten ist, die hiesige Debatte ist jedoch eher dogmatisch als antizipatorisch: Obwohl Dekarbonisierung in ihr als Leitbegriff dient, liegt ihr Fokus häufig nicht auf der pragmatischen Emissionssenkung, sondern gibt die vollständige Eliminierung fossiler Brennstoffe als primäres Ziel vor. Einerseits wird diese Agenda Europas von Ländern des Globalen Südens (ebenso von den USA) kaum geteilt, sondern zusehends als egoistisch und paternalistisch wahrgenommen. Andererseits setzen Energielangfristszenarien, die mit dem Pariser Abkommen kompatibel sind, CCS oder DACCS häufig stillschweigend voraus.
Das signifikante Engagement der Akteure im Großraum Asien zugunsten von CCS zeigt, dass sich die Region auf eine pragmatische Dekarbonisierung einstellt, die eine Nutzung fossiler Brennstoffe nicht ausschließt; die auf der 28. Weltklimakonferenz beschlossene »Abkehr von fossilen Brennstoffen« muss insofern nuanciert verstanden werden. Auch weil Klimaschutz politisch, technologisch und epistemologisch bislang in einem meist unidirektionalen Transfer vom Globalen Norden in den Süden bestand, könnte sich CCS zu einem wegweisenden Gegenbeispiel entwickeln. Pragmatische Klimaaußenpolitik bietet Deutschland und Europa die Chance, diese Entwicklungen mitzugestalten und gleichzeitig klimapolitische Handlungsmacht (Agency) außerhalb Europas zu fördern.
Konkret sollten auch Energie- und Klimapartnerschaften um eine »Technologiepartnerschaft« ergänzt werden. Diverse Motive der Partnerländer und deren Gegebenheiten sollten außerdem respektiert werden, anstatt sie nach eigenen Wertvorstellungen ändern zu wollen. Auch sollte es um Zielkonvergenz gehen. Unidirektionale Kapazitätsausbildung wäre zu ersetzen durch Technologietransfer oder gemeinsame Vorhaben. Entsprechend der CCS-Landschaft sollten Partnerschaften zunehmend mini- oder multilateral ausgerichtet werden, um Prozesse beeinflussen zu können. Regionalwissenschaftliche und außenpolitische Expertise wäre verstärkt für die Planung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen zu nutzen.
Proaktiver Industrieerhalt und mutige Technologiepolitik
Hauptmotiv für eine mögliche Abwanderung von Industrie sind aktuell hohe Energiepreise. Nötig ist insofern eine Entspannung der europäischen Energiekrise; das gilt auch für energieintensives CCS – andernfalls müssten Abscheidungskosten direkt subventioniert werden.
Unter gewissen Bedingungen kann jedoch auch CCS eine Abwanderung von Industrie verursachen. Diese ist meist irreversibel, belastet komplexe Lieferkettennetzwerke und gefährdet Europas Rolle in globalen Lieferketten – und damit auch Europas geopolitische Autonomie.
Der Ausbau von CCS-Kapazitäten kann helfen, Industrie im Land zu halten und blauen Wasserstoff sowie DACCS zu ermöglichen. Deutschlands bedachtsam-konservatives Interesse ist im Prinzip ein richtiger Ansatz, seine eher reaktive Haltung in internationalen Foren verbaut aber die Chance, die globale Entwicklung des Sektors zu prägen und auf diesem Wege eigene Interessen langfristig geltend zu machen. Europas Ansätze zur Wasserstoffregulierung etwa haben sich denn auch, aller Kritik zum Trotz, weitgehend durchgesetzt und können seinen Einfluss langfristig ausbauen. Durch eine proaktive Teilnahme am internationalen Diskurs könnten Grundlagen für die Setzung entsprechender CCS-Standards geschaffen werden, die etwa die geologischen Voraussetzungen für die Zertifizierung von Anwendungen betreffen. Inhaltlich könnten, nach einem simplen Kalkül, striktere (globale) Standards für Europa durchaus hilfreich sein. Denn sie würden das faktische globale Speicherungspotential verringern und damit auch die Anreize zur Industrieverlagerung. Dies wäre allerdings in gleichem Maße riskant: denn Einschränkungen nutzbarer Speicherkapazitäten würden auch deren Konzentration bedeuten und insofern schädliche Abhängigkeiten und Marktmacht fördern. Laxere Regulatorien wären demnach vorzuziehen.
Europa sollte anerkennen, dass CCS-Technologiezentren mehr und mehr im Ausland liegen. Das Feld vollständig anderen zu überlassen würde wiederum jedoch Technologieabhängigkeit und Projektkosten erhöhen. Bestehende Forschungs- und Entwicklungsprojekte sollten fortgesetzt werden, werden aber nicht ausreichen, um aufzuholen. Ein global erprobter, wenngleich für Europa gewagter Ansatz wäre es – ähnlich wie das China oder Saudi-Arabien bei anderen Schlüsseltechnologien praktiziert haben –, strategisch in entsprechende Unternehmen zu investieren und mit ihnen Partnerschaften einzugehen. Auf diese Weise ließe sich Schlüsselwissen entlang der CCS-Technologiekette importieren. Gleichzeitig würden mit der Energiewende verbundene ökonomische und politische Risiken diversifiziert und strategische Klimapolitik ermöglicht.
Dieser Ansatz würde jedoch für Europa eine bislang seltene Breite und Tiefe staatlicher (außen-)wirtschaftlicher Beteiligung erfordern. Die Gründung eines führenden europäischen Unternehmens (Champion) wäre denkbar und sollte trotz Vorbehalten in Erwägung gezogen werden. Der Aufstieg Asiens bei CCS-, aber auch bei anderen Technologien ist zu großen Teilen Ergebnis gezielter Industriepolitik. Hier besteht das sogenannte Gefangenendilemma, da mit Marktmechanismen alleine nicht derselbe Grad an Koordinierung zu erreichen ist wie mit Industriepolitik; Europa hat also zurzeit ein Handicap beim Ringen um jene Technologien. Abgesehen von der Einsicht, dass Fortschritt in kohlenstoffarmen Technologien auch abseits von Europa stattfindet, braucht es daher mutige, neue Ansätze.
Dr. Dawud Ansari und Dr. Jacopo Maria Pepe sind Wissenschaftler, Rosa Melissa Gehrung ist Forschungsassistentin in der Forschungsgruppe Globale Fragen. Dieses SWP-Aktuell entstand im Rahmen des Projekts »Geopolitik der Energietransformation im Großraum Asien (GET GA)«, das vom Auswärtigen Amt finanziert wird.
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ISSN (Online) 2747-5018
DOI: 10.18449/2024A41