Das Bundesverteidigungsministerium hat 35 amerikanische Kampfflugzeuge als Nachfolger für die veralteten Tornado-Kampfjets bestellt. Damit wird die Fortsetzung der nuklearen Teilhabe gesichert. Gleichzeitig werden dem Eurofighter neue Aufgaben im elektronischen Kampf übertragen. Die Einführung der F-35 droht das anvisierte »Future Combat Air System« zu verdrängen, das Deutschland, Frankreich und Spanien gerade gemeinsam entwickeln. Den Konflikt, der mit der Integration der Systeme verbunden ist, kann Deutschland nur im Austausch mit seinen Partnern lösen.
Ab 2026 erhält die deutsche Luftwaffe die ersten Kampfflugzeuge des Typs F-35A Lightning II. Für rund 10 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen hat das Bundesverteidigungsministerium ein Gesamtpaket erworben, das 35 Flugzeuge, Ersatzteile, Wartungsmaßnahmen und ein umfangreiches Sortiment an Waffen umfasst. 8,3 Milliarden Euro hat der Haushaltsausschuss bereits bewilligt. Für die restlichen rund 1,7 Milliarden Euro wird ein weiterer Beschluss benötigt, sobald das US-Angebot vorliegt. Erstmals wurde ein Flugzeug mit einem vollständigen Servicepaket gekauft. Dies soll eine reibungslose Einführung des neuen Systems ermöglichen. Die deutschen Piloten und Techniker müssen an den Maschinen ausgebildet, die Infrastruktur am Standort Büchel umgebaut werden. Das Luftfahrtamt der Bundeswehr hat sicherzustellen, dass die Zulassung für die Teilnahme am Luftverkehr fristgerecht erfolgt.
Mit der Entscheidung für den Kauf von F‑35 wurde gleichzeitig beschlossen, 15 Eurofighter mit der Befähigung zur elektronischen Kampfführung zu beschaffen. Diese sollen elektronische Aufklärung leisten, Schutz- und Gegenmaßnahmen gegen elektromagnetische Angriffe durchführen und feindliche Systeme stören.
Der Eurofighter, der seit Anfang der 2000er Jahre in der Bundeswehr eingesetzt wird, ist ein Mehrzweckkampfflugzeug, das feindliche Flugzeuge und Bodenziele bekämpfen kann. Derzeit verfügt die Bundeswehr über 138 Maschinen. Die geplante Weiterentwicklung des Eurofighters soll nun erfolgen, die weiterentwickelten Systeme müssen ihre militärische Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Bis zum Jahr 2030 müssen die Eurofighter und die F-35 die bisherigen Aufgaben des Tornados übernehmen. Obwohl das Laufzeitende des Tornados bekannt ist, wurde die Entscheidung, ein Nachfolgesystem zu bestellen, aus politischen Gründen lange Zeit aufgeschoben. Zunächst traf die große Koalition keine Entscheidung, und nachdem die Bundesregierung sie getroffen hatte, bemühte sie sich darum, die Beziehungen zu Paris, mit dem das »Next Generation Weapon System« (NGWS) entwickelt wird, so wenig wie möglich zu belasten.
Die Einführung der F-35 sorgt für eine zeitnahe Modernisierung der Luftwaffe. Die Entscheidung, den Eurofighter weiterzuentwickeln, bietet die Chance, Fähigkeiten der elektronischen Kampfführung in Europa verfügbar zu machen und Schlüsseltechnologien für die Zukunft vorzuhalten. Die Risiken eines teuren Misserfolgs – der etwa darin bestehen könnte, militärische Fähigkeiten zu erwerben, die unzureichend sind – müssen durch ein hohes Maß an Kontrolle bei den Entwicklungsschritten und Systemanpassungen minimiert werden, die durch Expertise in der Luftwaffe gewährleistet werden könnten.
Fähigkeitstransfer
Nach dem Ende der Laufzeit des Tornados müssen F-35 und Eurofighter vier wesentliche Aufgaben übernehmen.
1) Die F-35 wird die Fortsetzung der nuklearen Teilhabe sicherstellen. Dazu bedarf es einer Zertifizierung der Luftfahrzeuge durch die US-Behörden, die Anfang 2024 erfolgen soll. Mit der F-35 wird Deutschland neben Belgien, Italien und den Niederlanden, die in die nukleare Teilhabe eingebunden sind, über den gleichen Flugzeugtyp verfügen.
2) Die Wahrnehmung der Aufgaben Luftkampf und Unterdrückung feindlicher, bodengebundener Luftverteidigung werden sich die Eurofighter und die F-35 teilen. Für die F-35 wurde zu diesem Zweck eigens ein großes Sortiment an Lenkflugkörpern bestellt. Der Eurofighter muss weiterentwickelt werden, um bodengebundene Luftverteidigungsmittel effektiver bekämpfen zu können. Dabei geht es für die Kampfflugzeuge darum, die gegnerischen Systeme zu lokalisieren und zu zerstören bzw. von deren Einsatz abzuhalten. Dies ist in einem Konflikt insofern besonders wichtig, als dadurch überhaupt erst ermöglicht wird, dass die eigenen Flugzeuge den Feind effektiv bekämpfen und über Feindgebiet agieren können.
3) Die Aufgabe der optischen und Infrarot-Aufklärung hat der Eurofighter bereits erfolgreich übernommen. Die mit seiner Hilfe generierten Aufklärungsergebnisse sind Grundlage für den Einsatz weiterer militärischer Mittel.
4) Als neue und zusätzliche Aufgabe ist für den Eurofighter das »Escort-Jamming« vorgesehen. Dabei soll er sich selbst wie auch von ihm begleitete Luftfahrzeuge befreundeter Streitkräfte vor elektromagnetischen Bedrohungen schützen. Bislang besitzt kein Flugzeug der deutschen Luftwaffe diese Fähigkeit im gewünschten Maße. Diese Aufgabe wird jedoch in Zukunft für die Durchführung militärischer Luftoperationen an Bedeutung gewinnen.
Standardflieger
Mit über 500 bestellten Maschinen hat sich die F-35 zu einem »Standardflieger« der europäischen Luftstreitkräfte entwickelt. Großbritannien und Italien haben sich früh für die Einführung der F-35 entschieden. Italien verfügt als enger Kooperationspartner der USA sogar über eine eigene Produktionsstätte. Hier können bis zu 15 Maschinen jährlich gebaut werden. Damit ist Italien neben Japan einer von nur zwei Produktionsstandorten außerhalb der USA, an denen die Gesamtfertigung erfolgt.
Die zehn europäischen Nutzer der F-35 (siehe Schaubild) werden ein Netzwerk bilden, das sich in vielfacher Hinsicht positiv auf den Einsatz der Maschinen auswirken wird.
Das Waffensystem ist dafür konzipiert, Informationen und Daten während des Fluges zu sammeln und auszutauschen. Diese Fähigkeit ist insofern neu, als die F-35 nicht nur wie ältere Flugzeugmodelle Informationen von anderen Systemen aufnimmt und dem Piloten anzeigt, sie kann diese Informationen auch in einem Verbund mit anderen Maschinen verarbeiten und zu einem Gesamtlagebild zusammenfügen. Dieser technische Vorteil wird zusehends ausgeprägter, weil immer mehr Maschinen in der Nato und in Europa eingesetzt werden. Die daraus resultierende Informationsüberlegenheit führt zu einer Wirkungsüberlegenheit auf dem Gefechtsfeld. Die aufbereiteten Informationen kann die F-35 auch älteren Kampfjets wie dem Eurofighter zur Verfügung stellen und damit deren Einsatzwert steigern.
Das gemeinsame Training mit den Maschinen wird darüber hinaus die Fähigkeiten der europäischen Luftwaffen verbessern. Zu diesem Zweck bietet Italien über eine Operational Training Infrastructure den Nutzern die Möglichkeit, ihre Verfahren und den Umgang mit den Maschinen zu optimieren.
Ein logistisches Konzept des Herstellers soll sicherstellen, dass sich die europäischen Nutzer auf eine hohe Einsatzbereitschaft des Systems verlassen können.
Die Entscheidung, die F-35 in der deutschen Luftwaffe zu nutzen, ist militärisch sinnvoll, weil die Fähigkeiten dieses Systems derzeit konkurrenzlos sind. Neuartig sind die Tarnkappeneigenschaft und die Möglichkeit, Daten zu transferieren und zu verarbeiten. In der Folge wird sich die Art und Weise verändern, wie Luftoperationen durchgeführt werden. Würden die F‑35 nicht eingeführt, könnten Aufgaben, die im Bedrohungsspektrum höchste Anforderungen stellen, militärisch nicht oder nur mit erhöhter Gefahr von Verlusten erfüllt werden. Die Beschaffung sorgt nicht zuletzt dafür, dass durch die Nutzung der F-35 der Anschluss an den fortgeschrittensten Stand der Fähigkeiten im Nato-Bündnis hergestellt wird.
Herausforderungen der Zukunft
F-35
Durch den Kauf der Flugzeuge werden die bilateralen Beziehungen Deutschlands mit den USA gestärkt. Indem sie das gleiche System nutzen, werden die beiden Luftwaffen enger zusammenarbeiten.
In Europa wird die Auswahlentscheidung für die F-35 mit gewissen Erwartungen zur Kenntnis genommen. Paris möchte eindeutige Zusagen, dass die Beschaffung der F-35 das gemeinsame Projekt »Future Combat Air System« (FCAS) und die darin enthaltenen fliegenden Plattformen NGWS nicht gefährdet. Sollte die gemeinsame Entwicklung eines Kampfflugzeugs der 6. Generation hinter den Erwartungen zurückbleiben, hätte die deutsche Luftwaffe mit der F‑35 eine Rückfalloption. Paris und Madrid, mit denen gemeinsam entwickelt wird, hätten dann ein ernsthaftes Problem. Sie müssten den Ausfall in sehr kurzer Zeit und gegen industriepolitische Widerstände im eigenen Land wettmachen. Hier gilt es, an der klaren deutschen Position festzuhalten, dass die Anschaffung der F-35 keine Auswirkungen auf die europäische Kampfjetentwicklung hat. Diese Auswirkungen werden aber nur dann zu vermeiden sein, wenn langfristig ausreichend Finanzmittel und Personal für die Planungsaufgaben verfügbar sind.
Vollständig voneinander trennen lassen sich der Kauf des US-Flugzeugs und die europäische Entwicklung des FCAS jedoch nicht. So ist denn auch die Frage zu klären, wie die F‑35 in den Systemverbund des FCAS integriert werden soll. Um diese Integration zu ermöglichen, werden viele sensible Daten des US-Kampfjets benötigt, welche die US-Seite aktuell aber nicht teilt. Nur mit einer ausführlichen und detaillierten Dokumentation dieser Daten lässt sich gewährleisten, dass eine vollständige Integration hergestellt werden kann.
Sollte dies nicht gelingen, könnten die deutschen Partner die Gleichung umdrehen und fordern, FCAS mit seinem NGWS in die Weiterentwicklung der Combat-Cloud der F-35 zu integrieren. Das könnte vermutlich von US-Seite über eine Nato-Standardisierung initiiert werden, denn die US-Industrie arbeitet gemeinsam mit den amerikanischen Streitkräften intensiv an der Entwicklung von Waffensystemen der Zukunft. Gleichzeitig erforschen diese, wie die für das Gefechtsfeld relevanten Systeme und Informationen in einem Verbund ähnlich wie bei FCAS zusammengeschlossen werden könnten.
Eurofighter
Im Zuge der Weiterentwicklung muss der seit Jahren in der Luftwaffe geflogene Eurofighter um zwei wesentliche Fähigkeiten bereichert werden. Erstens muss er für die Unterdrückung der bodengebundenen Luftverteidigung mit besserer Sensorik zur Erfassung der feindlichen Stellungen und mit einem geeigneten Lenkflugkörper ausgestattet werden. Zweitens muss er befähigt werden, feindliche Kräfte im elektromagnetischen Spektrum (»Jamming«) zu stören. Dazu braucht er Störsysteme, die es ermöglichen, Radargeräte und Kommunikations-systeme feindlicher Kräfte in unterschiedlichen Frequenzbereichen zu beeinträchtigen.
Auf diese Weise ließen sich Schlüsseltechnologien und wichtige Weiterentwicklungen im Bereich der elektronischen Kampfführung in Europa etablieren. Darauf könnte in weiterführenden Entwicklungen wie dem NGWS zurückgegriffen werden.
Gleichzeitig sind mit diesen Entwicklungsmaßnahmen Risiken verbunden. Die Integration geeigneter Systeme in ein vorhandenes Flugzeug ist technisch sehr aufwendig und dauert aufgrund der notwendigen Zertifizierung längere Zeit. Zu berücksichtigen ist dabei nicht nur der Einbau und die Anbringung am Luftfahrzeug, sondern auch die vollständige Softwarearchitektur des Systems.
Der Eurofighter wird mit internationalen Partnern betrieben. Ein deutscher Alleingang bei der eben beschriebenen Weiterentwicklung ist insofern nicht zielführend. Mit welchen Anreizen die Einbindung der anderen Nutzer ermöglicht werden könnte, bleibt noch zu ermitteln.
Die Industrie ist nun in Zusammenarbeit mit der Luftwaffe gefordert, Lösungen zu erarbeiten, die auf dem neuesten Stand der Technik, umsetzbar und militärisch sinnvoll sind. Umfassende Erfahrungen, an die angeknüpft werden könnte, gibt es nicht. Sollten die Entwicklungen nicht erfolgreich sein, wird sich die Frage stellen, warum nicht auf ein etabliertes System aus den USA zurückgegriffen wurde. Ein solches wäre mit der EA-18G Growler, die auf dem bewährten Mehrzweckkampfflugzeug F-18 beruht, im Markt verfügbar gewesen.
Fazit
Mit der Kombination aus F-35-Kampfflugzeugen und Eurofightern ist die deutsche Luftwaffe gut für die Zukunft aufgestellt. Die Beschaffung der amerikanischen Mehrzweckkampfflugzeuge ist mehr als nur ein sichtbares Zeichen an die Verbündeten, denn die Entscheidung für den Kauf der F-35, inklusive eines umfangreichen Waffenpakets, sorgt für den Ausbau der bisherigen Fähigkeiten. Das Vorhaben, 15 Eurofighter für den elektronischen Kampf weiterzuentwickeln, ist im Kontext des angestrebten Systemverbunds eine herausfordernde Aufgabe für Industrie und Luftwaffe. Sie bietet Chancen, ist aber auch mit Risiken behaftet.
Bei der gemeinsamen Entwicklung des FCAS kann die deutsche Luftwaffe als einziger der drei Partner künftig Erfahrungen aus der Nutzung eines Kampfjets der neuesten Generation einbringen. Gleichzeitig gilt es zu verhindern, dass durch den Kauf der F-35-Flugzeuge die Gefahren eines Scheiterns von FCAS vergrößert werden. Eine frühzeitige Abstimmung mit den USA und den europäischen Verbündeten über Möglichkeiten der Integration der unterschiedlichen Systeme ist eine herausfordernde Aufgabe, die aber in Angriff genommen werden muss.
Die Entscheidung zum Kauf der F-35 hat mittelfristig Folgen für die Finanzierung der Bundeswehr. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen muss der Verteidigungshaushalt deutliche Steigerungen erfahren, damit der Betrieb der aufwendigen Systeme ebenso sichergestellt werden kann wie das Training des Personals. Sonst droht ein Konflikt zwischen dem Betrieb der F-35 und der FCAS-Entwicklung, die nach aktuellen Berechnungen insgesamt 100 Milliarden Euro kosten soll.
In Zukunft muss Deutschland eigene Interessen klarer benennen, damit weitreichende Entscheidungen besser vorbereitet werden können.
Die von Bundeskanzler Olaf Scholz benannte Zeitenwende bietet die Möglichkeit, sicherheitspolitisch selbstbewusster zu denken und zu handeln als bisher.
Oberstleutnant i. G. Torben Arnold ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik.
© Stiftung Wissenschaft und Politik, 2023
Alle Rechte vorbehalten
Das Aktuell gibt die Auffassung des Autors wieder.
SWP-Aktuells werden intern einem Begutachtungsverfahren, einem Faktencheck und einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP-Website unter https://www. swp-berlin.org/ueber-uns/ qualitaetssicherung/
SWP
Stiftung Wissenschaft und Politik
Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit
Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0
Fax +49 30 880 07-100
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org
ISSN (Print) 1611-6364
ISSN (Online) 2747-5018
DOI: 10.18449/2023A23