Direkt zum Seiteninhalt springen

Diplomatie und Künstliche Intelligenz

Überlegungen zur praktischen Hilfestellung für diplomatische Verhandlungen

SWP-Studie 2021/S 18, 21.10.2021, 33 Seiten

doi:10.18449/2021S18

Forschungsgebiete
  • Künstliche Intelligenz (KI) birgt das Versprechen, große Datenmengen schneller und zuverlässiger zu analysieren, als Menschen dies können. Ist es also auch möglich, mit KI-Systemen die für diplomatische Verhandlungen relevanten Informationen so auszuwerten, dass dadurch ein signifikanter strategischer Mehrwert entsteht?

  • Wir gehen dieser Frage zunächst anhand von zwei explorativen Fallstudien nach. Die erste dreht sich um die Verhandlungen für eine deutsch-österreichische Zollunion in den Jahren 1930/31. Hier zeigen wir, wie KI-Systeme genutzt werden könnten, um für Zwecke der Strategiebildung automatisiert ein Spektrum möglicher Szenarien zu entwickeln.

  • In der zweiten Fallstudie geht es um die Verhandlungen um die sogenannte Cybercrime-Resolution im Rahmen der Vereinten Nationen (VN). In Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt wurde für die Studie untersucht, ob und in welcher Form KI-Systeme geeignet sind, das Verhalten von Staaten in der VN-Generalversammlung zu prognostizieren.

  • Ausgehend von den beiden Fallstudien nehmen wir in einer systematischen Zusammenschau weitere Möglichkeiten in den Blick, KI als Instrument für die Diplomatie zu nutzen, zum Beispiel beim automatisierten Monitoring öffentlicher Medien rund um einen Verhandlungsprozess.

  • KI ist heute noch oft fehleranfällig und wird absehbar nicht die Urteilskraft erfahrener Diplomaten ersetzen können. Als unterstützendes Instrument jedoch hat KI das Potenzial, einen möglicherweise unverzichtbaren Beitrag zur Vorbereitung und Durchführung diplomatischer Verhandlungen zu leisten.

  • Die deutsche Außenpolitik sollte die Voraussetzungen dafür schaffen, die Einsatzmöglichkeiten von KI und anderen Methoden der Datenanalyse für die Zwecke der Verhandlungsdiplomatie weiter zu explorieren; außer­dem sollte sie eine »außenpolitische Datenstrategie« entwickeln und nor­mative Leitlinien für die Nutzung von KI im Kontext der Diplomatie einziehen.

Danksagung: Die Verfasser haben für die Studie die zugängliche Literatur geprüft und Gespräche mit mehreren Außenministerien sowie Unternehmen im Bereich der Entwicklung und Anwendung von KI geführt. Wir danken all unseren Gesprächspartnern für ihr Vertrauen und viele wichtige inhaltliche Hin­weise. Da es sich hierbei um vertrauliche Gespräche handelte, stützt sich die Darstellung in der Studie nur auf öffentlich zugängliche Quellen. Für intensiven Austausch und die Arbeit an einem gemeinsamen Pilotprojekt (siehe hierzu S. 23) gilt unser besonderer Dank dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und hier insbesondere dem Referat S05-09/PREVIEW – Krisenfrüherkennung, Analyse und Informationsmanagement. Für die gute Zusammenarbeit möchten wir hier besonders Hans-Christian Mangelsdorf und Kathrin Weny danken. Seitens der SWP hat Luisa Boll hat von Anfang an das Projekt mit großem Engagement als studentische Hilfskraft unter­stützt, Paul Bochtler und Rebecca Majewski waren unverzichtbar für die Durchführung der Daten­analysen im Rahmen des Pilotprojekts.

Problemstellung und Empfehlungen

Kann Künstliche Intelligenz (KI) der Praxis der Diplo­matie neue Wege erschließen? Durch die Geschichte hindurch meint »Diplomatie« das Bemühen menschlicher Gemeinschaften, ihre Interessen friedlich mit­einander auszugleichen, jeweils vor oder nach dem Versuch, sie gewaltsam durchzusetzen. Für die Ana­lyse von Verhandlungen lassen sich, ausgehend von der politikwissenschaftlichen Forschung, hinsichtlich des Umfelds von Verhandlungen vor allem drei zen­trale Aspekte in den Blick nehmen: die Machtressourcen der beteiligten Staaten, ihre Strategie sowie die Persönlichkeit der beteiligten Individuen.

KI birgt das Versprechen, große Datenmengen schneller und zuverlässiger auszuwerten, als dies Menschen möglich ist. KI-Anwendungen werden heute bereits in vielen Bereichen von Verwaltung und Wirtschaft genutzt – und die Corona-Pandemie war Anlass, solche Anwendungen erheblich auszuweiten. Es gibt auch Versuche, KI oder andere Formen der Datenanalyse in dafür geeigneten Bereichen einzusetzen, etwa in der Verwaltung von Außenministerien, im Konsularwesen oder für Zwecke der teilautoma­tisierten public diplomacy. In dieser Studie aber geht es explizit um den Kern der diplomatischen Praxis: Verhandlungen.

Unsere Leitfrage lautet: Ist es möglich, mit KI-Sys­temen die für eine Verhandlung relevanten Informationen so auszuwerten, dass dadurch ein signifikanter Mehrwert gegenüber den traditionellen Methoden der Datenanalyse zur Vorbereitung und Durchführung einer Verhandlung entsteht? Der Mehrwert bemisst sich dabei einerseits an einem formalen Kriterium von Effizienz: Lässt sich mithilfe von KI der Ressour­cenaufwand bei der Auswertung reduzieren, so dass man zum Beispiel schneller zu Ergebnissen kommt und dadurch einen wesentlichen Informations­vorsprung gegenüber anderen Akteuren gewinnt? Andererseits ist aber letztlich die Güte der Analyse entscheidend: Gewährt sie strategische Einsichten, durch die sich die Erfolgsaussichten von Verhandlern entscheidend verbessern? Da die Bestimmung des »Ergebnisses« von Verhandlungen durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, lässt sich der Mehrwert von KI nur im Verlauf der Verhandlungen bemessen. Die Erwartung ist aber natürlich, dass die Verbesserung von Erfolgsaussichten durch KI-Analysen tat­säch­lich dem diplomatischen Erfolg zugutekommt.

Im Prinzip lassen sich konkrete KI-Anwendungen anhand dieses zweifachen Maßstabes bewerten. Da es bislang keine belastbaren Hinweise gibt, dass KI irgendwo bereits systematisch für Zwecke diplomatischer Verhandlungen eingesetzt wird, ist es für eine solch konkrete Prüfung allerdings noch zu früh. Das Ziel dieser Studie lautet stattdessen, durch ein explo­ratives Vorgehen das Potenzial von KI für diesen Bereich auszuloten und daraus Empfehlungen für die deutsche Außenpolitik zu entwickeln.

Den Ausgangspunkt bilden dabei zwei Fallstudien. Die erste Fallstudie befasst sich mit den Verhandlungen über eine deutsch-österreichische Zollunion in den Jahren 1930/31 und insofern mit einem Fall, der in vielerlei Hinsicht typisch für bilaterale Verhandlungen ist. Deutlich zeigt sich hier, wie schnell und oft schwer vorhersehbar sich die Dynamik von Verhandlungen verändert. Die explorativen Annäherungen zeigen aber auch, dass gerade in solchen Fällen KI-Systeme geeignet sein können, automatisiert ein Spektrum möglicher Szenarien zu entwickeln, aus dem sich verwendbare Hinweise für die Strategiebildung der Verhandler ableiten lassen.

In der zweiten Fallstudie geht es mit den Verhandlungen über die sogenannte Cybercrime-Resolution im Rahmen der Vereinten Nationen (VN) um einen aktuellen Fall multilateraler Verhandlungen. Eine besondere Herausforderung besteht hier darin, eine Viel­zahl an Informationen zu Zielen und strategischen Erwägungen einer Vielzahl von Akteuren aus­zuwerten. Im Rahmen eines Pilotprojektes in Zusam­menarbeit mit dem Auswärtigen Amt (AA) wurde für die Studie untersucht, ob und in welcher Form KI-Systeme eine Prognose dazu erlauben, wie sich Staa­ten in der VN-Generalversammlung verhalten wer­den. Noch sind die Ergebnisse zu unscharf, doch zeichnet sich auch hier ein verwertbares Potenzial von KI ab.

Ausgehend von der vertieften Diskussion der zwei Fallstudien wird im letzten Teil der Studie systematisch zusammengefasst, welche Ansätze im Bereich von KI für welche Aspekte diplomatischer Verhandlungen geeignet sein könnten. Einige solcher Aspekte werden sich wohl niemals in einer Weise objektiv und quantitativ erfassen lassen, wie es für KI-basierte Analysen notwendig wäre. Doch gibt es über die Fall­studien hinaus Beispiele für den möglichen Mehrwert von KI als Instrument für die Diplomatie, etwa beim automatisierten Monitoring öffentlicher Medien rund um einen Verhandlungsprozess.

Am Ende der Studie steht mithin die Schlussfolgerung, dass Künstliche Intelligenz das Potenzial hat, nach aktuellem Stand vor allem mittels der Lieferung von Szenarien und Prognosen zu einem wichtigen, möglicherweise unverzichtbaren Instrument für die Vorbereitung und Durchführung diplomatischer Ver­handlungen zu werden. Daraus ergeben sich drei Empfehlungen:

Erstens sollte die deutsche Außenpolitik die Voraussetzungen dafür schaffen, das Potenzial von KI und anderen Methoden der Datenanalyse für die Zwecke der Verhandlungsdiplomatie weiter zu explorieren.

Zweitens empfehlen wir eine »außenpolitische Da­tenstrategie«. Die Möglichkeiten von Datenanalysen für Zwecke der Diplomatie hängen davon ab, welche Daten zur Verfügung stehen. Vorausschauend wäre es daher sinnvoll, gezielt und strukturiert Daten aus der diplomatischen Praxis zu sammeln und aufzubereiten. Dafür sollten die Datenanalyse-Einheiten in allen beteiligten Ressorts der Regierung – wie auch im Parlament – dem Bedarf entsprechend ausgerüstet werden.

Drittens schließlich gilt es, von Anfang an norma­tive Leitlinien für die Nutzung von KI im Kontext der Diplomatie einzuziehen. Dies betrifft Fragen der Sys­temsicherheit, des Datenschutzes sowie vor allem der menschlichen Kontrolle und Verantwortung. Denn es wäre ein Fehler, politische Werturteile an ein KI-System zu delegieren.

Diplomatische Verhandlungen

Der Charakter diplomatischer Kommunikation und Interaktion

Für die diplomatische Interessenvertretung durch Kom­munikation und Interaktion hat sich in der Pra­xis eine Vielzahl von Instrumenten und Institutionen herausgebildet. Zu diesen zählen: fest etablierte oder ad hoc geschaffene bi- oder multilaterale Gesprächs­plattformen; Gesprächskanäle in Gestalt diploma­tischer Vertretungen; technische Kommunikations­einrichtungen (zum Beispiel »rote Telefone«); gere­gelter mündlicher oder schriftlicher Austausch sowie indirekte Kommunikation über Medien, Öffentlich­keiten und andere Zwischenträger.

Diplomatische Verhandlungen sind der Kern von Diplomatie.

Diplomatische Verhandlungen sind der Kern von Diplomatie. Sie können zu einem neuen oder bestä­tigten Status in den Beziehungen zwischen den betei­ligten Staaten führen, zu gemeinsamen oder unilate­ralen Maßnahmen, sie können aber auch scheitern oder in einen anderen zeitlichen, geographischen oder institutionellen Rahmen verlagert werden. Enden die Verhandlungen, ist zunächst auch die Arbeit der Diplomatie erledigt.

Die Konsequenz eines Scheiterns von Verhandlungen wiederum kann der Einsatz von militärischen oder nichtmilitärischen Zwangsmitteln sein. Die Lösung von Konflikten ohne den Rückgriff auf Zwangsmittel ist also – im Sinne von Kapitel VI der VN-Charta – grundsätzlich Ziel diplomatischer Verhandlungen.1 Der Abstand zwischen friedlichen, konsensorientierten Gesprächen und dem Griff zu Instrumenten zur Durchsetzung eigener Wünsche scheint auf den ers­ten Blick weit zu sein. Dennoch zeigen etwa schon die Geschehnisse der Jahre 2020/21, wie schnell selbst Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) Schen­gen-Regelungen und Erfordernisse der Konsultation innerhalb der EU beiseiteschieben, um die Grenzen mit Waffengewalt gegen das Eindringen des Corona-Virus zu schützen. Immer steht daher bei Verhandlungen – mit unterschiedlicher Deutlichkeit, jedoch unübersehbar – im Raum, was in der Geschichte der Normalfall war: der Einsatz von Zwangsmitteln. Da­bei werden neben militärischen Maßnahmen immer häufiger wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen ergrif­fen – die Wirtschaft als eigenes »Schlachtfeld«.2

Selbst nach dem Einsatz von Zwangsmitteln gilt jedoch ein Grundprinzip diplomatischer Verhandlungen weiterhin: Sie enden nie. Richelieus Begriff »négo­ciation continuelle« spiegelt die Erkenntnis wider, dass die Veränderung der Grundbedingungen von Verhandlungsergebnissen diese rasch wieder in toto hinfällig machen können – mit der Konsequenz, dass man sich am Verhandlungstisch oder auf dem Schlachtfeld neu gegenübertritt.3

Raster für die Beurteilung der Erfolgsaussichten von Verhandlungen

Um die Erfolgsaussichten von Verhandlungen im Voraus einschätzen oder den Verhandlungsverlauf rückwirkend analysieren zu können, bedarf es eines analytischen Rasters. Ausgehend von der politikwissenschaftlichen Forschung nehmen wir dabei vor­rangig drei Aspekte in den Blick: die Machtressourcen der Staaten, ihre Strategie sowie die Persönlichkeit der beteiligten Individuen.

(a) Die grundsätzlichen Überlegungen zum Verhält­nis von Verhandlungen auf der einen und Gewalt­einsatz auf der anderen Seite verweisen auf das wich­tigste Kriterium für Verlauf und Ausgang von Verhand­lungen: die Machtressourcen eines Staates, die er in den Verhandlungen oder direkt zur Geltung bringen kann.

In ihrer heutigen Form sind die Staaten an die Normen des Völkerrechts gebunden. Es gibt jedoch, trotz des in Artikel 2 der VN-Charta festgeschriebenen allgemeinen Gewaltverbots, keine globale Instanz, die mit ausreichend Zwangsmitteln ausgestattet wäre, um Normverletzungen zu ahnden.

Die Durchsetzungsfähigkeit eines Staates ist dabei nicht gleichbedeutend mit seiner militärischen oder wirtschaftlichen Stärke.4 Sie ergibt sich aus materiellen Mitteln, technischem Know-how, institutionellen diplomatischen Kapazitäten und Fähigkeiten, dem internationalen und nationalen Umfeld sowie der Möglichkeit auch plötzlicher Veränderungen.5 Folg­lich wird mit Blick auf die verhandelnden Parteien die Bewertung der ihnen zur Verfügung stehenden Machtressourcen zum ersten Kriterium, um den Ver­lauf eines Verhandlungsprozesses einzuschätzen.

Genauso wenig allerdings, wie sich der Ausgang bewaffneter Konflikte durch Gegenrechnung von Truppenstärken und Panzerzahlen vorhersagen lässt, erlaubt die Gesamtheit der Mittel eines Staates zum Einsatz von Zwangsmaßnahmen zuverlässige Progno­sen über das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses. Schon die verschiedenen Abkommen, die während des Kalten Krieges zwischen Ost und West zustande kamen, zeigen, dass weitgehende Symmetrie der Machtmittel nicht zum Verhandlungspatt führen muss, sondern der Kompromissbereitschaft förderlich sein kann.6

(b) Ein weiterer Faktor, der Aufschluss über den zu erwartenden Verlauf von Verhandlungen geben kann, ist die Strategie der beteiligten Akteure. Im Kern geht es hier um die Definition von Zielen und die Auswahl geeigneter diplomatischer Instrumente. Dazu kann auch gehören, die Parameter der Verhandlungen zum eigenen Vorteil zu verschieben: indem man etwa den Kontext einer konkreten Verhandlung durch die Verbindung mit anderen Auseinander­setzungen verändert oder einen neuen institutionellen Rahmen wählt, den Akteurskreis erweitert, neue For­derungen und Bedingungen aufbringt oder durch Beeinflussung der Öffentlichkeiten und ihrer media­len Plattformen neue Ausgangsbedingungen schafft.

(c) Diplomatische Verhandlungen finden in einer spezifischen sozialen Sphäre statt, in der eigene Regeln für die Kommunikation und Interaktion unter den Beteiligten gelten – beginnend bei den Normen des Völker­rechts. Zugleich können Faktoren Einfluss auf die Verhandlungen nehmen, die von den Verhand­lern im Vorhinein nicht ausreichend wahrgenommen wurden und sie mit nicht erwarteten Momenten kon­frontieren, so etwa immer öfter »uneingeladene Verhandler«7 wie die elektronischen und traditionellen Medien. Gerade deshalb ist als ein weiterer Faktor die Persönlichkeit der Individuen, die verhandeln, nicht zu unterschätzen. Sie ist ein wesentliches Ele­ment von Verhandlungen, bei denen es immer wie­der darum geht, gegenseitig die Positionen der Betei­ligten abzutasten. Das bedeutet, dass Eigenheiten zwischenmenschlicher Kommunikation wie Freude, Ärger, Verlegenheit, Überraschung, Lüge, Offenheit und vieles andere mehr eine oft auch unerwartete wesentliche Rolle für Verlauf und Ergebnis von Ver­handlungen spielen können – und wegen eben die­ses Charakters eine systematische Analyse erschweren.8

Künstliche Intelligenz

In den letzten Jahren hat das Thema »Künstliche Intel­ligenz« erheblich an Aufmerksamkeit gewonnen. So überzogen der öffentliche Hype bisweilen ist, stehen dahinter doch genuine technologische Fort­schritte: Die Leistungsfähigkeit von Computer-Pro­zes­soren nimmt jedes Jahr zu, hinzu kommen Fortschritte in der Speichertechnik und in der Forschung zu KI-Algorithmen. In der Summe ist es heute möglich, mehr Daten schneller als je zuvor zu ver­arbeiten – mit Konsequenzen, die bereits im Alltag sichtbar sind, denkt man an Gesichts- und Spracherkennung.

Der Begriff der künstlichen Intelligenz wird oft so verstanden, als gehe es darum, mithilfe von Maschi­nen Aufgaben zu erfüllen, für die zuvor menschliche Intelligenz als notwendig galt. Das Problem aber ist, dass sich diese Marke mit dem Fortschritt der Technik immer weiter verschiebt – und damit auch die Vorstellung davon, was KI ist. Einem Taschenrechner würde man wohl kaum künstliche Intelligenz zu­schreiben, auch wenn er Aufgaben erfüllt, für die man zuvor menschliche Intelligenz für unerlässlich hielt. Nicht zufällig lösen die Entwicklungen im Bereich von KI schon seit Jahrzehnten lebhafte Debat­ten über das Wesen menschlicher Intelligenz aus.9

KI wird hier als Chiffre für Methoden maschinellen Lernens (ML) verstanden.

Unseren Überlegungen liegt im Folgenden ein enges Verständnis von KI zugrunde, das KI als Chiffre für Methoden maschinellen Lernens (ML) versteht. Diese Methoden zeichnen sich dadurch aus, dass die entsprechenden Algorithmen – also die Regeln, nach denen ein Programm eine Aufgabe bearbeitet – so ausgelegt sind, dass sie sich innerhalb bestimmter Para­meter eigenständig weiterentwickeln können. In diesem begrenzten technischen Sinne handelt es sich um lernende Maschinen.

Die Logik maschinellen Lernens

Im Kern sind heutige ML-Verfahren besonders dafür geeignet, in großen Datenmengen Muster zu erken­nen. Sie brechen solche Datenmengen dazu in eine Vielzahl einzelner Datenpunkte auf, die anschließend mit statis­tischen Methoden verarbeitet werden kön­nen. Bei der Analyse von Sprache etwa wird der Audio-Input digital erfasst und dann mit enormer Geschwin­digkeit immer feingliedriger analysiert: Enthalten die Daten menschliche Sprechakte? Welche Klänge hän­gen zusammen und bilden Worte? Welcher Sprache ent­stammen diese Worte? Welche Worte bilden einen Satz? Was ist der Inhalt dieses Satzes? Auf diese Weise lassen sich unterschiedlichste Daten-Inputs analysieren: zum Beispiel Text, Bild/Video, Ton, Wet­terdaten, Ereignisdaten, Metadaten.

Grundlage dafür ist, dass das System zunächst mit einem Satz von »Trainingsdaten« vorbereitet wird. Für Zwecke der Bilderkennung enthalten solche Trai­ningsdaten zum Beispiel Hinweise dazu, was auf einem Foto oder einer Abbildung dargestellt ist. ML-Algorithmen nutzen diese Trainingsdaten, indem sie analysieren, welche visuellen Eigenschaften Rückschlüsse darauf erlauben, um welche Art von Objekt es sich handelt.

Ist ein System mit einem Trainingsdatensatz ein­gerichtet worden, kann es weitere, neue Daten ana­lysieren. Je nach Konfiguration ist ein System von diesem Punkt an entweder statisch einsatzfähig oder in der Lage, sich durch neue Datenpunkte aus der praktischen Anwendung weiterzuentwickeln. Such­maschinen etwa »lernen« aus dem Klickverhalten der Nutzer, ob ein angezeigtes Suchergebnis »passend« war.

Die heutigen KI-Methoden sind (noch) nicht geeignet, kausale Zusammenhänge aufzudecken.

So beeindruckend die Analyse-Möglichkeiten von KI sind, bleibt zu beachten, dass die heutigen Metho­den von ML weit entfernt sind von der Leistungs­fähig­keit menschlicher Intelligenz. Menschen etwa ver­stehen das Konzept »Hund«, auch ohne Millionen von Hundefotos analysiert zu haben. Zudem verfügen wir als Menschen über eine Form von Intelligenz, die Lernprozesse und gedankliche Verknüpfungen zwischen verschiedenen, teils weit entfernten Sach­gebieten ermöglicht. Auch ist zu betonen, dass die heutigen Formen von ML (zumindest bisher) nicht ge­eignet sind, kausale Zusammenhänge aufzudecken.10 Neuronale Netzwerke arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten, um Muster zu erkennen; sie können aber diese Muster nicht auf Kausalitäten hin überprüfen. Sollen kausale Effekte analysiert werden, ist daher weiterhin eine »klassische« wissenschaftliche Unter­suchung notwendig.

Der Vorteil von KI-Systemen ist hingegen, dass sie wie jeder Computer in der Regel besser als Menschen darin sind, große Datenmengen zu durchforschen, ohne zu ermüden, nachlässig zu werden oder sich schlicht fürchterlich zu langweilen. Für einen Menschen wäre es eine Zumutung, das Geburtsregister einer Stadt manuell daraufhin durchzusehen, welche Trends sich bei der Namensgebung in den letzten Jahrzehnten abzeichnen. KI-Systeme sind hingegen gerade für solche »Fleißarbeiten« geeignet.

Analysen und Prognosen

Zu den prominentesten Beispielen für KI-basierte Analysen gehören die Spracherkennung sowie die Erkennung von Objekten verschiedener Art in Bild­material. Diese Analysen sind mittlerweile so weit gediehen, dass es sogar möglich ist, Sprache und äuße­res Erscheinen von Menschen zu simulieren. Seit nun schon einigen Jahren arbeitet zum Beispiel die Organisation OpenAI an einem System (Genera­tive Pretrained Transformer, GPT), das es erlaubt, auf Grundlage weniger Hinweise Texte zu generieren, die von Menschen geschrieben zu sein scheinen.

Eng hiermit verbunden ist die Analyse von Ein­stellungen gegenüber Personen, Institutionen und Pro­dukten (sentiment analysis). Dabei werden zumeist Zeitungsberichte und Darstellungen in öffentlich zugänglichen Social-Media-Profilen ausgewertet. Es braucht keine KI-Systeme, um die Häufigkeit bestimm­ter Begriffe in Texten zu erfassen. Was KI aber einer solchen Textanalyse hinzufügen kann, das ist eine eigenständig durchgeführte Identifikation zen­traler Inhalte und der damit verknüpften Emo­tionen.

Auf Basis der Analyse vergangener Ereignisse wer­den KI-Systeme auch eingesetzt, um Prognosen für zu­künftige Entwicklungen zu erstellen. Jede KI-Pro­gnose fußt also auf einer Analyse; aber nicht jede KI-basierte Analyse muss für Zwecke der Prognose genutzt werden.

Das wohl bekannteste Beispiel sind Empfehlungssysteme, wie sie zum Beispiel für zielgruppengenaue Werbung (targeted advertising) genutzt werden. Aus­gehend von der Analyse des bisherigen Kundenverhal­tens werden Prognosen über zukünftige Präferenzen der Person angestellt. Auch dienen solche Empfeh­lungssysteme vielen Social-Media-Anbietern dazu, ihren Nutzern jene Informationen anzuzeigen, die für sie wahrscheinlich am interessanten sind.

Ein politisch besonders kontroverses Beispiel sind Prognosen im Rahmen der Polizeiarbeit (predictive policing). Dahinter steht die Vorstellung, jene Orte aus­machen zu können, an denen mit großer Wahrschein­lichkeit in naher Zukunft gegen Gesetze verstoßen werden wird – und dies durch die Entsendung von Polizeikräften zu verhindern. Ein ungelöstes Problem hierbei ist, dass predictive policing selbst die Daten ver­ändern kann, die Grundlage für zukünftige Prognose sind: Womöglich hat das Erscheinen der Polizei einen abschreckenden Effekt, so dass es nicht zu einem Gesetzesverstoß kommt. Oder es ergibt sich eine Ver­zerrung dadurch, dass Polizisten eher Gesetzes­verstöße feststellen werden, wenn sie vor Ort sind. Die Prognose würde so zu einer selffulfilling prophecy führen: Weil Polizisten auf Basis einer Prognose an einen Ort entsandt werden, stellen sie dort Gesetzesverstöße fest, wodurch sich die Statistik für den Ort weiter verschlechtert, was wiederum Anlass gibt, Poli­zisten dorthin zu entsenden.11

Eine weitere Form der Prognose besteht darin, Sze­narien bis hin zu konkreten Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Bei Spielen wie Schach und Go etwa sind KI-Systeme mittlerweile menschlichen Spie­lern überlegen. Sie können auf enorme Datenmengen zurückgreifen und diese schneller verarbeiten, als es ihrem menschlichen Gegenüber möglich ist. Inter­essanterweise haben die KI-Systeme dabei zum Teil Stra­tegien entdeckt, auf die Menschen bisher nicht gekom­men waren.

Zwei Fallstudien

Im Folgenden sollen zwei historische Verhandlungs­situationen betrachtet werden. Ausgehend von einer Darstellung des tatsächlichen Verlaufs soll dabei am konkreten Beispiel kontrafaktisch ausgelotet werden, ob es für die Beteiligten einen strategischen Vorteil bedeutet hätte, wenn sie auf KI-Analysen hätten zurückgreifen können. Die beiden Fälle sind wegen ihrer Unterschiedlichkeit ausgewählt worden. Der erste aus den Jahren 1930/31 ist typisch für bilaterale Verhandlungen. Der zweite ist ein aktuelles Beispiel für multilaterale Verhandlungen im Rahmen der VN. Das Ziel ist nicht ein strukturierter Vergleich dieser Fälle, sondern eine explorative Untersuchung des Ein­satzes von KI in unterschiedlichen Verhandlungs­situationen.

Fallstudie 1: Die deutsch‑österreichische Zollunion

Die Fallstudie befasst sich mit einem deutsch-öster­reichischen Vorhaben der Jahre 1930/31, eine bilate­rale Zollunion zu gründen. Die Verhandlungen ver­liefen bilateral, bis dritte Parteien intervenierten; eine davon brachte das Zollunion-Projekt schließlich zu Fall. Dieses Ergebnis hatten die beiden Hauptparteien von Anfang an befürchtet, konnten es letztlich aber nicht verhindern.

Nun entstehen Erfolg oder Misserfolg nicht aus sich heraus, sondern sind immer Ergebnis der Ver­handlungen. Unsere Frage lautet daher, ob KI-Ana­lysen den deutschen Diplomaten hätten Hinweise liefern können, mit denen sich die Chance auf einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen erhöht hätte. Die zeitliche Distanz hat dabei einen wohl­tuenden Verfremdungseffekt: Sie verschafft auch Distanz zum Inhalt und erlaubt so einen unvorein­genommenen Blick auf die Probleme, mit denen die Verhandler zu kämpfen hatten.

Der gesamte Verhandlungsprozess ist in seinen wesentlichen Zügen in den Akten zur Deutschen Aus­wärtigen Politik12 dokumentiert. Bewusst folgt die Dar­stellung diesen – auf die deutschen Akten beschränk­ten – Aufzeichnungen, nimmt damit also die Per­spektive und den Wissensstand eines der beteiligten Akteure zum Ausgangspunkt.

Hintergrund

Der Versailler Vertrag, der im Jahr 1919 den Ersten Weltkrieg rechtlich beendete, beschnitt die Territo­rien Deutschlands und Österreichs erheblich; Öster­reich, der ehemals – nach Russland – zweitgrößte Staat Europas, verfügte nur noch über eine Fläche, die etwa der des heutigen Österreichs entspricht. Das Genfer Protokoll von 1922 verbot zudem explizit einen deutsch-österreichischen Zusammenschluss. Der Völkerbund überwachte die Einhaltung aller Nachkriegsabkommen, einschließlich des Genfer Protokolls. Wirtschaftsangelegenheiten wurden von der durch den Briand-Plan von 1929/30 im Rahmen des Völkerbundes ins Leben gerufenen »Studienkommission für die europäische Union« behandelt.

Deutschland erholte sich zunächst wirtschaftlich rasch vom Krieg, und die Außenpolitik der Weimarer Republik nahm bald revisionistische Züge an. 1925 beschloss das Kabinett die Schaffung eines Landes, das alle beitrittswilligen ethnischen Gruppen um­fassen sollte. Wirtschaftsminister Julius Curtius – später, zum Zeitpunkt der Verhandlungen über das Zollunion-Projekt, Außenminister – betrachtete den Handel mit Österreich als Instrument, um beide Län­der zur politischen Vereinigung hinzuführen.

In Österreich, das den größten Teil des ehemaligen Habsburgerreiches eingebüßt hatte, verschlechterte sich die Wirtschaftslage von 1925 an. Große Teile der österreichischen Wirtschaft kooperierten in der Folge enger mit der deutschen und veranlassten die Regierung in Wien, rechtliche, konsularische und verkehrsrechtliche Bestimmungen den deutschen anzugleichen. 1930 gelangte Bundeskanzler Johann Schober – in einer anderen Koalition im Jahr 1931 Außenminister – zu der Ansicht, dass Österreich wirtschaftlich und finanzpolitisch nur würde über­leben können, sofern es sich mit einem größeren Wirtschaftsraum zusammenschlösse. Er dachte dabei an Deutschland, während andere, insbesondere faschistische, Grup­pierungen im Land einen öster­reichisch-ungarisch-italienischen Block anstrebten.

Ein wichtiges Element der Außenpolitik Frankreichs war das Ziel, jede Stärkung Deutschlands zu verhindern. Frankreich hatte deshalb im Jahr 1924 ein Bündnis mit der Tschechoslowakei geschlossen, das beide Länder verpflichtete, sich gemeinsam gegen Verletzungen der Nachkriegsverträge zu stellen. Im Jahr 1929 stellte Außenminister Aristide Briand dem Völkerbund ein »Memorandum zur Schaffung einer europäischen Union« vor – in den Augen von Teilen der deutschen Öffentlichkeit hätte solch eine Union allerdings die Nachkriegsgrenzen festgeschrieben. Konkret kam es zunächst nur zur Einsetzung der bereits erwähnten Studienkommission für die euro­päische Union.

Die Tschechoslowakei, erst nach dem Weltkrieg als souveräner Staat geschaffen, hing wirtschaftlich von Deutschland und Österreich ab. Eine Vereinigung dieser beiden hätte Prag politisch erheblich geschwächt. So erklärte Außenminister Edvard Beneš im Jahr 1924, ein deutsch-österreichischer Zusammenschluss werde Krieg bedeuten.

Die Verhandlungen13

Der Verhandlungsprozess lässt sich in vier Phasen unterteilen. Von Phase zu Phase dringlicher stellte sich die Frage, wie mit dem teils antizipierten, teils für die beiden Protagonisten Deutschland und Öster­reich aber auch überraschenden und vor allem über­raschend wachsenden Widerstand anderer – ent­scheidender – Staaten umzugehen sei. Erschwerend kam dabei in der ersten Hälfte des Jahres 1931 infolge der Weltwirtschaftskrise eine unvorhergesehen dras­tische Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Österreichs hinzu.

Phase 1: Deutsch-österreichische Einigung auf das Zollunion-Projekt

Einem Bericht des deutschen Botschafters in Öster­reich an Außenminister (AM) Curtius vom 25. Dezem­ber 1929 zufolge wünschte die österreichische Indus­trie eine deutsch-österreichische Zoll- und Wirtschaftsunion. Eine auf dieses Ziel gerichtete Politik könne als basierend auf »internationalen oder pan-europäischen Prinzipien« dargestellt werden. Darauf erging am 4. Februar 1930 eine Weisung des deutschen Staatssekretärs (StS) Carl von Schubert an den Bot­schafter in Wien, dieser möge der österreichischen Seite mitteilen, dass eine Zollunion ein Fortschritt in den beiderseitigen Beziehungen wäre, die Sieger­mächte sie aber als Verletzung des Vereinigungs­verbots betrachten könnten. Am 23./24. Februar 1930 fanden Konsultationen der beiden Bundeskanzler (BK) in Berlin statt. In einer Aufzeichnung hielt StS von Schubert dazu fest, es sei entschieden worden, eine Zollunion vorzubereiten und dazu vorab die Pro­bleme der (schwachen) österreichischen Textil- und Holzindustrien zu lösen sowie sich auf möglichen Widerstand der Tschechoslowakei vorzubereiten. Der österreichische BK Johann Schober habe gesagt, »dass, wenn wir die Zollunion machten, wir dadurch den ganzen Balkan bekämen«.

In dieser ersten Phase vermuteten beide Seiten, dass es in der Tschechoslowakei und unter den Sieger­mächten Widerstand gegen das Projekt geben könnte. Zudem rechnete man damit, dass nach Errichtung der Zollunion für Teile der österreichischen Wirtschaft Probleme auftreten könnten. Zum Umgang mit diesen Schwierigkeiten teilte das Auswärtige Amt am 4. Juni 1930 den Botschaften in Bern, Brüssel, Buda­pest, Bukarest, London, Paris, Prag und Rom zu den deutsch-österreichischen Konsultationen vom 23./24. Feb­ruar auf BK-Ebene mit, die innere Lage Österreichs verlange gemeinsame Anstrengungen für die wirt­schaftliche Erholung. Eine geschwächte öster­reichische Volkswirtschaft drohe das Land stärker von Frankreich und Italien abhängig machen. Die poli­tische Konstellation in Europa mache gegenwärtig eine politische Vereinigung beider Staaten allerdings unmöglich. Damit wurde die Ausgangslage für die Zoll­union-Verhandlungen bestimmt. Darüber hinaus hielt das AA am 26. Juni 1930 fest, der Entwurf eines deutsch-österreichischen Handelsvertrags enthalte eine Meistbegünstigungsklausel und sehe vor, deut­sche Zölle auf Produkte schwacher österreichischer Industrien zu senken.

Phase 2: Beginn der Verhandlungen

Der deutsche AM hielt am 7. Juli 1930 schriftlich fest, die Vereinigung mit Österreich sei die wichtigste außenpolitische Aufgabe, um den Südwesten Europas im deutschen Interesse zu steuern. Darauf wurden die ersten Verhandlungen aufgenommen. Über diese hielt der deutsche Sonderbeauftragte Karl Ritter am 7. Januar 1931 fest, der österreichische Sonderbeauftragte Richard Schüller werde seiner Regierung die Annahme des deutschen Vertragsentwurfs empfehlen. Er habe auch die Notwendigkeit verstanden, zu belegen, dass keine Seite die Nachkriegsordnung in Europa zu ändern beabsichtige. Am 16. Januar 1931 wies der deutsche AM StS Bernhard von Bülow für dessen Gespräche mit dem österreichischen AM in Genf an, das Projekt sei »vollständig geheim« zu hal­ten, bis die Regierungen für den Gang an die Öffent­lichkeit vorbereitet seien. Die diplomatische Initiative dazu müsse von Österreich ausgehen, um den Ein­druck zu vermeiden, Deutschland bereite die Vereini­gung vor. Am 20. Januar 1931 teilte StS von Bülow dem deutschen Botschafter in den USA mit, die Ab­sicht sei, »das Projekt in ein pan-europäisches Mäntel­chen zu hüllen«. Schließlich unterrichtete der deut­sche AM am 28. Januar und am 28. Februar 1931 – ohne das Zollunion-Projekt zu benennen – das Kabi­nett, er werde im März in Wien »pan-europäische und damit verbundene wirtschaftliche Angelegenheiten« erörtern.

Unterdessen ließ das AA im eigenen Haus die völkerrechtlichen Aspekte des Projektes prüfen und gelangte im Februar 1931 zu dem Schluss, dass die Beteiligung des Völkerbundes sowie des Internatio­nalen Gerichtshofes vermieden werden müsse. Das Projekt solle als ein rein wirtschaftliches betrachtet und nur der Studienkommission für die europäische Union vorgelegt werden.

Phase 3: Man kümmert sich um Frankreich

Am 6. März 1931 berichtete der deutsche Botschafter in Paris, Leopold von Hösch, an den deutschen AM, Deutschland habe sechs Probleme: Österreich, die Reparationen, die Ostgrenze, Abrüstung, die Saar­land­frage, die Kolonien. Keines dieser Probleme könne ohne Frankreich gelöst werden. Der deutsche AM kommentierte dies mit der Anmerkung, Deutschland müsse das Zollunion-Projekt weiterverfolgen, ohne einen Kompromiss mit Frankreich zu suchen, der ohnehin nicht zu erreichen sein werde. Anschließend erging am 9. März 1931 eine »streng geheime« Weisung von StS von Bülow an den deutschen Bot­schafter in Frankreich, mit Österreich sei weitreichen­der Konsens erzielt worden. Auf Nachfrage könne der Botschafter der französischen Seite gegenüber die Vermutung äußern, die deutsch-österreichischen Gespräche befassten sich mit der europäischen Wirt­schaftskrise und mit Bemühungen um eine stärkere Verknüpfung der Volkswirtschaften beider Länder. Dem ließ der StS am 17. März 1931 eine weitere Wei­sung an den deutschen Botschafter in Paris folgen, auf französische Frage nach der Zollunion solle der Botschafter »nicht eine Spur eines schlechten Gewis­sens« zeigen. Es sei unbestreitbares deutsches Recht, zuerst eigene Interessen sowie die Österreichs in Betracht zu ziehen.

Allerdings: Am gleichen Tag berichtete die Wiener Freie Presse über das Projekt der Zollunion. Damit stellte sich nun beiden Seiten vorrangig die Aufgabe, den bereits mit großer Besorgnis erwarteten französischen Widerstand zu neutralisieren. Zu diesem Zweck erging am 18. März 1931 eine Weisung des deutschen AM an die deutschen Botschafter in London, Paris und Rom, diese möchten ihre Gastregierungen ge­meinsam mit dem österreichischen Kollegen über die erzielte Übereinstimmung unterrichten, über den Abschluss einer Zollunion zu verhandeln, die dem Beitritt anderer Staaten offen gegenüberstehen werde.

Phase 4: Das Ende des Zollunion-Projektes

Der Himmel verdüsterte sich allen Bemühungen zum Trotz. So berichtete am 21. März 1931 der deutsche Botschafter in Paris über die weisungsgemäß gemein­sam mit dem österreichischen Botschafter durchgeführte Demarche, der französische AM habe »Betrübt­heit« ausgedrückt. Paris habe keine juristischen Ein­wände gegen Deutschlands Vorgehen, Österreich dagegen verletze das Genfer Protokoll. Frankreich, Großbritannien, Italien und die Tschechoslowakei würden gemeinsam in Wien demarchieren. Am 26. März 1931 folgte die deutsche Botschaft in Paris mit einem Bericht, wonach die französischen Medien ihre Tonlage zum Negativen änderten. Am 29. März 1931 berichtete der deutsche Botschafter in Bern, seit die Angelegenheit auf der Sitzung der Studienkommission für die europäische Union in Paris behandelt worden sei, gewinne die Meinung an Zustimmung, dass eine Zollunion das Genfer Protokoll von 1922 verletzen würde. Und am 4. April 1931 hatte der deut­sche Botschafter in Prag über sein Gespräch mit Präsi­dent Edvard Beneš zu berichten, der tschechoslowa­kische Präsident habe mit »Krieg« oder einem »Zoll­gebührenkrieg« gedroht.

Entscheidend für den weiteren Verlauf der Dinge war jedoch ein unerwartetes, von außen hereinbrechendes Ereignis: die Weltwirtschaftskrise. In deren Folge geriet ab April 1931 das österreichische Banken­wesen in existenzbedrohende Schwierigkeiten. Dar­auf­hin unternahm der deutsche AM noch einen Ret­tungsversuch und schrieb am 16. April 1931 an den Vorsitzenden des Direktorats der Reichsbank, ob es möglich sei, ein umfangreiches Konto bei der gefähr­deten Österreichischen Kreditbank einzurichten. Dies war – wiewohl hierzu keine Dokumente vorliegen – offenkundig nicht möglich. Frankreich erkannte die Lage jedoch genau: Am 17. Juni 1931 berichtete der deutsche Botschafter in Paris seinem AM, AM Briand habe mehrere Male nachgefragt, ob er nicht zu erklä­ren wünsche, dass Deutschland seine Zollunion-Pläne nicht weiterverfolgen werde, um es Frankreich da­durch zu ermöglichen, den österreichischen Wunsch nach einem französischen Kredit zu erfüllen. Die Bot­schaft in Paris berichtete am selben Tag, am 16. März sei der österreichische Botschafter in Frankreich vom französischen AM unterrichtet worden, französische Banken seien nur dann in der Lage, österreichischen Banken zu helfen, wenn die österreichische Regierung förmlich erkläre, von jeglicher Initiative zur Ver­änderung des internationalen Status Österreichs abzulassen. Damit blieb nur noch ein Weg: Am 3. Sep­tember 1931 gaben die deutschen und österreichischen Außenminister beim Europaausschuss in Genf eine Erklärung ab, dass ihre Länder das Projekt einer Zoll­union nicht weiterzuverfolgen beabsichtigten.

Die Problematik

In jeder der dargelegten vier Verhandlungsphasen stellt sich die Frage, ob die von den deutschen und österreichischen Verhandlungspartnern gewählte »Lösung« mithilfe des Einsatzes von KI anders und/oder besser hätte ausfallen können.

Analysiert man den Ablauf anhand des »Rasters für die Beurteilung der Erfolgsaussichten von Verhandlungen« im gleichnamigen Abschnitt (oben, S. 8), zeigt sich zunächst hinsichtlich der Machtressourcen, dass beide Hauptakteure Deutschland als die stär­kere Seite betrachteten. Deutschland nahm schritt­weise das Heft in die Hand, und Österreich zog auf dem Weg mit, der letztlich zur auch politischen Ver­einigung führen sollte. Bald jedoch wurde ein Macht­gefälle deutlich, mit Deutschland/Österreich auf der einen – schwächeren – Seite und den alliierten Mächten (die bis zum 30. Juni 1930 noch links- und rechtsrheinische Gebiete besetzt gehalten hatten) auf der anderen. Die zentrale Rolle nahm dabei Frankreich ein, das zudem auf die Unterstützung inter­nationaler Institutionen zählen konnte. Selbst die militärisch schwache Tschechoslowakei besaß durch ihr Bündnis mit Frankreich und Frankreichs Inter­essenlage durchaus erheblichen Einfluss und damit eigene Machtressourcen. Das Tableau der Macht­ressourcen änderte sich mit der Weltwirtschaftskrise nochmals entscheidend: Nun besaßen weder Deutsch­land noch Österreich die Mittel, um der wirtschaft­lichen Notlage ohne Hilfe von außen zu entkommen. Diese Lage erkannte Frankreich rasch – am Ende blieb den beiden Initiatoren des Zollunion-Projekts nur die Kapitulation.

Blicken wir auf die Strategie der beiden Initiatoren, so stimmten sie offenkundig darin überein, sich zunächst der einfacheren Probleme anzunehmen: des Ausgleichs der wirtschaftlichen Schwäche Österreichs und der mäßigenden Einwirkung auf die öffentliche Meinung in beiden Ländern. Differenziertere Über­legungen zum Umgang mit dem befürchteten Wider­stand dritter Staaten und zu seinen nächsten Zügen entwickelte Deutschland erst, nachdem die Verhandlungen auf gutem Weg waren. Dazu sollte das Projekt seiner weiterreichenden politischen Zielrichtung gänzlich entkleidet und daher nur dem für Wirtschaftsfragen zuständigen internationalen Gremium in Genf vorgelegt werden. Dabei hielten beide Ver­handlungspartner eine offensive Strategie für sinn­voll, um durch Bestehen auf dem Recht zur Errichtung einer rein wirtschaftlich orientierten Union auch in den internationalen Gremien ihre Pläne (die längerfristig sehr wohl über die Zollunion hinausreichten) selbst gegen Frankreich durchzusetzen. Am Ende blieb als »Strategie« nur, angesichts der diplo­matischen Niederlage gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Vielleicht ließe sich durch genauere Kenntnis der Persönlichkeit der Verhandler noch Näheres zu ihren taktischen Abwägungen erfahren, das uns Auf­schluss hinsichtlich eines möglichen Ansatzes für die Nutzung von KI-Instrumenten geben könnte. Den AA-Dokumenten ist hierzu – ihrem Charakter gemäß – jedoch nichts zu entnehmen; dazu müssten andere Quellen herangezogen werden.

KI als Antwort?

Um den Verlauf zusammenzufassen: Zunächst kon­zentrierten sich Deutschland und Österreich darauf, die Sachfragen zu klären. Im Binnenverhältnis der zwei Akteure erscheint dies als rational und durchdacht. Im Nachhinein ist allerdings offenkundig, dass das Problem des Widerstands anderer Parteien frühe­rer Maßnahmen bedurft hätte. Im weiteren Verlauf zeigt sich zwar in der bewussten Täuschungsabsicht der deutschen Verhandlungsseite gegenüber den internationalen Partnern und selbst gegenüber Teilen des eigenen Kabinetts ein Bewusstsein für mögliche Widerstände. Dennoch fehlt es aus heutiger Sicht an einer Matrix zum differenzierten Umgang mit den verschiedenen Parteien und an entsprechend an­gelegten diplomatischen Maßnahmen. In den letzten Phasen der Verhandlungen lässt Deutschlands Stra­tegie nicht erkennen, wie das Zollunion-Projekt gegen Frankreichs Widerstand zum Erfolg hätte geführt werden können. Im Scheitern des Projekts zeigt sich damit, dass Deutschland und Österreich nicht die Machtmittel zur Verfügung standen, welche die Durchsetzung der eigenen Interessen gegen ernst­haften Widerstand erlaubt hätten.

Es wäre nun im Nachhinein zu prüfen, ob eine andere Strategie aussichtsreicher hätte verfolgt werden können. Das heißt: Hätte es Wege gegeben, prophylaktisch mit dem zu erwartenden Widerstand in einer Weise umzugehen, die dem Projekt auch zum Erfolg hätte verhelfen können, als die Machtgewichte sich verschoben? Und: Hätten KI-Instrumente helfen kön­nen, solch eine Strategie zu entwickeln?

Die Fallstudie enthüllt, wie vielfältig die Faktoren sind, die den Verlauf selbst von scheinbar überschaubaren Verhandlungen beeinflussen. Im Nachhinein, und mit umfangreichem Einblick in die entsprechenden Dokumente, lassen sich diese verschiedenen Fak­toren analysieren, und aus ihrem Zusammenspiel lässt sich die Dynamik der Verhandlungen erklären.

Nach heutigem Stand aber ist schwer vorstellbar, dass KI-Systeme konkrete strategische Empfehlungen für einen solchen Verhandlungsfall entwickeln. Es scheint jedoch ein »bescheidenerer« Weg gangbar zu sein, nämlich der, KI-Systeme zur automatisierten Entwicklung von Szenarien zu nutzen, die wiederum Hinweise für die strategischen Überlegungen der Ver­handler geben können.

Das Denken in Szenarien ist für Verhandler nicht neu. Tatsächlich findet sich auch in diesem Fall ein entsprechendes Beispiel. Eine Vorlage des Politischen Abteilungsleiters Gerhard Köpke für den Besuch von AM Curtius in Wien am 23. Februar 1931 enthält eine umfassende und vorausschauende Analyse mit dem Ergebnis, dass eine Anpassung der verfolgten Stra­tegie notwendig sei. Als zentral wird hier – im Rück­blick zutreffend – der Widerstand der Tschecho­slowakei und ihres Bündnispartners Frankreich be­schrieben. Das französische und tschechoslowakische Misstrauen ließe sich, so der Vorschlag Köpkes, »viel­leicht« (sic!) beheben, wenn Deutschland »zweifelsfrei seine Bereitschaft« erklärte, »Frankreich und die Tsche­choslowakei in den Wirtschaftsblock als gleich­berechtigte Partner aufzunehmen und dadurch unter Verzicht auf machtpolitische Tendenzen den Frieden Mitteleuropas endgültig zu sichern«. Da sich andere Versuche, die Wirtschaftslage Europas zu verbessern, als nicht durchführbar erwiesen hätten, würde dies »dem Widerstand unserer Gegner (sic!) zum mindesten jede moralische Basis nehmen«. Warum diese Anregungen Köpkes nicht aufgegriffen wurden, ist (von uns) nicht festzustellen. Das Papier zeigt aber, welchen Wert es haben kann, in zugespitzten Situa­tionen out of the box zu denken.

Die Frage ist mithin, ob es hierfür erfahrener Diplo­maten bedarf – oder aber, ob sich zumindest in Teilen KI-Systeme zu diesem Zweck einsetzen lassen. Einen Ansatzpunkt bieten jene KI-Systeme, die gigan­tische Mengen menschlichen Wissens durchsuchbar machen. Eines der ambitioniertesten Projekte dieser Art ist der bereits erwähnte Generative Pretrained Transformer von OpenAI. Ein vergleichbares Produkt bietet IBM mit Watson, einem System, das öffentlichkeitswirksam schon 2011 beim Quiz-Spiel »Jeopardy« gegen Menschen angetreten ist.14 In Deutschland arbei­tet die Firma Aleph-Alpha am Aufbau eines ähn­lichen Systems.15

Die Grundlage für diese Systeme sind Datenbanken aus riesigen Mengen von Texten. Es ist wahrscheinlich nur eine geringfügige Übertreibung, wenn die Entwickler dieser Systeme behaupten, das (verschriftlichte) »Wissen der Welt« zu verarbeiten. In einem ersten Schritt werden diese gigantischen Daten­mengen auf semantische Muster durchsucht. Die Sys­teme »lernen« so etwa, dass bestimmte Informationen zum selben Themenkomplex gehören, dass bestimmte Worte Personen benennen, andere Orte – oder aber, dass bestimmte Verwendungen von Worten und Redewendungen oft miteinander verbunden werden. Im zweiten Schritt ist es dann möglich, diese Daten­bank zu befragen, letztlich nicht unähnlich wie eine klassische Internetsuchmaschine. Die Aufbereitung der Daten entlang semantischer Muster erlaubt dabei allerdings sehr viel umfangreichere Antworten: So gibt es etwa Berichte darüber, wie GPT ausgehend von einem Satz ein ganzes Buch »geschrieben« hat. Die Informationen des Ausgangssatzes geben dabei den Startpunkt vor; je nachdem, wie präzise die darin enthaltenen Hinweise sind, orientiert sich der Text von GPT dabei mehr oder weniger eng an diesem Ausgangspunkt.16

Solche Systeme lassen sich auch nutzen, um Szena­rien für zukünftige Entwicklungen zu entwickeln.17 Denkbar wäre etwa, das System zusätzlich zu dem allgemeinen Wissensbestand mit spezifischen Infor­mationen zu »füttern«, also etwa Zeitungsberichten zum Thema oder Entwürfen von Verhandlungs­texten. Mittels Kombination des allgemeinen Wissens­bestandes mit diesen spezifischen Informationen könnte das System automatisiert und quasi auf Knopfdruck eine Reihe von Szenarien entwickeln.

Etablierte gedankliche Kategorien durchbrechen.

Der Anspruch wäre dabei nicht, die wahrschein­liche Entwicklung zu prognostizieren. Das Ziel lautete vielmehr, ein Spektrum möglicher Entwicklungen aufzuzeigen und mithilfe der automatisiert generierten Szenarien etablierte gedankliche Kategorien zu durchbrechen. Die Beurteilung der Szenarien müsste dabei weiterhin von Menschen vorgenommen wer­den. Einige Szenarien oder Aspekte von Szenarien wären aus Sicht erfahrener Diplomaten wahrscheinlich schlicht unplausibel, andere politisch nicht erstre­benswert.

Um einen Eindruck von der praktischen Funk­tionsweise eines solchen Systems in einem Fall wie dem unseren zu gewinnen, haben wir die Firma Aleph-Alpha gebeten, mithilfe ihres KI-Systems Sze­narien zu der zentralen Frage von Fallstudie 1 zu ent­wickeln. Der Input für das System bestand dabei in folgender knapper Zusammenfassung der oben ge­nannten Weisung Staatssekretärs von Bülow an den deutschen Botschafter in Frankreich vom 17. März 1931 durch Aleph-Alpha: »Sollte die französische Seite Sie auf die Zollunion ansprechen oder sollten die Medien das Thema aufgreifen, zeigen Sie ›nicht eine Spur eines schlechten Gewissens‹. Was wir unternehmen, stimmt mit der pan-europäischen Idee überein. Es ist unser unbestreitbares Recht, zuerst unsere eige­nen Interessen sowie die Österreichs in Betracht zu zie­hen. Artikel 80 des Vertrags von Versailles ist unmoralisch, weil er Österreich das Recht auf Selbst­bestimmung nimmt.«

Ausgehend allein von diesem Textstück präsentierte uns Aleph-Alpha fünf automatisch generierte Kurz-Szenarien in Form von möglichen Fortführungen der von Bülowschen Weisung. Einige der so entstandenen Hinweise waren offenkundig wenig hilfreich, etwa der, man solle den Eindruck vermeiden, Deutschland wolle Österreich aus der Zollunion ausschließen. Durch­aus interessant ist aber der Hinweis, Deutschland solle sich um eine Einbindung der Tschecho­slowakei bemühen – bedenkenswert insbesondere deshalb, weil diese Überlegung den Akten des Aus­wärtigen Amtes zufolge bei den tatsächlichen stra­tegischen Überlegungen keine größere Rolle gespielt hat. Hätte ein KI-System solche Szenarien im Jahr 1930 vorgelegt, wäre es die Aufgabe der Diplomaten gewesen, unter diesen verschiedenen »Vorschlägen« diejenigen Hinweise auszumachen, die sie in ihren Überlegungen bis dorthin übersehen hatten.

Ein einzelnes Beispiel wie dieses erlaubt keine generelle Aussage über die Leistungsfähigkeit von KI‑Systemen im Kontext bilateraler Beziehungen. Erschwerend kommt hinzu, dass es bei kommerziellen Dienstleistungen wie der von Aleph-Alpha unter normalen Umständen keine Möglichkeit gibt, die Funktionsweise der Systeme im Detail zu prüfen – also auf Ebene der Algorithmen, Modelle und konkre­ten Datenbasis.

Dennoch bekräftigt unser kleines exploratives Experiment die allgemeinen Überlegungen zur Leis­tungsfähigkeit dieser Art von KI-Systemen. Ihre Stärke liegt darin, semantische Muster aufzudecken und dabei die vielen impliziten Vorannahmen außen vor zu lassen, die jede und jeder von uns mit sich trägt. Diese »unvoreingenommene« Herangehensweise ist zugleich aber auch die Schwäche dieser Systeme, weil ihnen zumindest zum jetzigen Stand oft noch das nötige Kontextwissen fehlt. Die Folge sind Vorschläge, die für uns als menschliche Beobachter offensichtlich widersinnig sind.

Die Entwicklung von Szenarien mithilfe von KI-Systemen kann auf Knopfdruck erfolgen.

Können solche Systeme zur KI-basierten Erstellung von Szenarien einen Mehrwert für diplomatische Ver­handlungen bieten? Mit Blick auf unsere Leitfrage neigen wir zu einer positiven Antwort. Die Entwicklung von Szenarien mithilfe von KI-Systemen kann auf Knopfdruck erfolgen und ist damit deutlich schneller und günstiger als ein aufwändiger, grup­pen­basierter Prozess des strategic foresight.18 Ob die Güte der so entwickelten Szenarien ausreicht, um einen strategischen Vorteil zu generieren, lässt sich aktuell noch schwer beurteilen. Ein klarer Vorzug besteht wie beschrieben darin, dass diese Systeme mit weniger Vorannahmen an Themen herangehen, als Menschen dies tun, wodurch sich die Chance auf Anregungen out of the box erhöht. Die entscheidende Frage ist wohl, ob es gelingen kann, ein solches Sys­tem noch präziser als bisher auf die spezifischen Be­dürfnisse diplomatischer Verhandlungen auszurich­ten, um so die Anzahl widersinniger Vorschläge zu reduzieren und stattdessen den Anteil relevanter Hinweise auszubauen. Dies lohnt es systematisch zu prüfen.

Fallstudie 2: Die Cybercrime-Resolution der VN-Generalversammlung

In der zweiten Fallstudie wird mit einer Resolution in der VN-Generalversammlung der Kontext multilateraler Verhandlungen betrachtet. Das Beispiel ist für die Zwecke dieser Studie besonders reizvoll, weil es sich im Kontrast zum vorhergehend untersuchten Fall um eine stark formalisierte Verhandlungssituation han­delt und weil zum Verhalten der Staaten in diesem Kontext eine vergleichsweise große Menge historischer Daten vorliegt. Anders als in Fallstudie 1 stützt sich die Analyse hier nicht auf Einblicke in die strate­gischen Überlegungen der beteiligten Akteure. Der Fokus liegt vielmehr darauf, welche Signale die Staa­ten bei Abstimmungen und sonstigen formalen Verfahren im Rahmen der VN öffentlich aussenden. Diese Signale bilden »Datenspuren«, die im Prinzip einer automatisierten Datenverarbeitung zugänglich gemacht werden können.

Zur 74. Sitzung der VN-Generalversammlung im Jahr 2019 brachte eine Gruppe von Staaten unter Führung Russlands eine Resolution mit dem Titel »Countering the Use of Information and Communications Technologies for Criminal Purposes« (A/RES/74/ 247) ein. Ziel dieser Resolution war es, die Arbeit an einer neuen Konvention zum Umgang mit dem Thema »Cybercrime« einzuleiten.

Für die beteiligten Akteure war klar, dass eine solche neue Konvention in Konkurrenz zu der soge­nannten Budapest-Konvention des Europarates stehen würde, die 2004 in Kraft getreten ist und ebenfalls den Umgang mit Cybercrime regeln soll. Die Budapest-Konvention wurde bisher von 65 Staaten ratifiziert, Russland ist das einzige Europaratsmitglied, das die Resolution nicht unterzeichnet und entsprechend auch nicht ratifiziert hat.19

Forderungen, diese an neue Gegebenheiten anzupassen, haben in den letzten Jahren auch die Unter­stützer der Konvention erhoben. Seit deren ursprüng­licher Konzipierung hat sich das Verständnis dessen, was als »Cybercrime« zu gelten hat, deutlich erweitert. Das Thema hat nicht zuletzt deshalb erheblich an Bedeutung gewonnen, weil die gesellschaftliche Abhängigkeit von digitalen Technologien weiter zugenommen hat und es gleichzeitig immer häufiger zu schweren Cyber-Angriffen kommt.

In der Diskussion über den Resolutionsentwurf Russlands brachten die Unterzeichner der Budapest-Konvention – allen voran die USA – jedoch ihre Sorge zum Ausdruck, dass mit der von Russland gefor­derten neuen Konvention die in der Budapest-Konvention verankerten Mechanismen zum Schutz von Grund- bzw. Menschenrechten ausgehöhlt werden könnten. Die Diskussion wurde als grundsätzliche Konfrontation zwischen liberalen und autori­tären Vorstellungen von der normativen Ordnung des digitalen Raums aufgefasst.

Hintergrund

Die jüngere Geschichte der Verhandlungen um die Cybercrime-Resolution beginnt ein Jahr zuvor, als ein Vorläufer der Resolution in die Generalversammlung eingebracht wurde. Am 2. November 2018 wurde der Entwurf der Resolution »Countering the Use of Infor­mation and Communications Technologies for Crimi­nal Purposes« (A/C.3/73/L.9/Rev.1) öffentlich gemacht. In praktischer Hinsicht enthält der Entwurf den Auf­trag an den VN-Generalsekretär, einen Bericht mit den Sichtweisen der Mitgliedstaaten zum Thema zu erstellen.

Entsprechend den Verfahren der VN-General­versammlung wurde der Resolutionsentwurf zunächst im zuständigen 3. Komitee diskutiert, das auch dar­über abstimmte, ob er der Generalversammlung zur Annahme zu empfehlen sei.

Am 17. Dezember 2018 kam die Resolution dann in der Generalversammlung zur Abstimmung (A/RES/ 73/187). Im Wesentlichen entsprach das Ergebnis hier der Abstimmung im 3. Komitee: 94 Staaten stimmten für die Resolution, 59 dagegen, 33 enthielten sich, sie­ben nahmen nicht teil. Gemessen an den Gepflogen­heiten in der Generalversammlung war dies ein höchst kontroverses Ergebnis.

Mit Blick auf die oben aufgeführten Kriterien für den Verlauf diplomatischer Verhandlungen sind für diese ersten Abstimmungen über die Cybercrime-Reso­lution in Sitzung 73 zwei Punkte von besonderer Bedeutung:

Bezüglich der Machtressourcen zeigt sich eine gewisse Ambivalenz. Wie den Abstimmungsergebnissen zu entnehmen ist, war es Russland möglich, die notwendigen Mehrheiten zu organisieren. Es gelang, breite Zustimmung in der afrikanischen sowie – wahr­scheinlich mithilfe der Volksrepublik China – in der asiatischen Regionalgruppe zu finden, nicht aber in der osteuropäischen (die noch die Zugehörigkeit zum Sowjetblock der Zeit des Kalten Krieges wider­spiegelt, während ihr heute tatsächlich auch Staaten angehören, die Mitglied der EU sind oder ihr nahestehen). Die EU scheint sich in diesem Fall intern klar koordiniert und außerdem mit verbündeten Staaten wie den USA, Kanada oder Japan abgestimmt zu haben.

Ohne Einsicht in die Überlegungen der beteiligten Akteure sind Rückschlüsse auf das zugrunde liegende strategische Kalkül nur eingeschränkt möglich. Einige Beobachtungen lassen sich jedoch anstellen: Russland scheint bewusst das Forum der VN-Gene­ral­versammlung gewählt und hier insbesondere auto­ritäre Staaten angesprochen zu haben. Dies lässt sich als Versuch verstehen, das in der Budapest-Konven­tion erzielte Verhandlungsergebnis durch neue Ver­handlungen in einem anderen Forum zu revidieren. Zu Recht konnte Russland dabei davon ausgehen, unter den Mitgliedstaaten der VN mehr Zuspruch für eine solche Initiative zu finden als im Europarat. Die Resolution lässt sich zudem als eine Art »Testballon« werten, mit dem das Thema gesetzt und ein Überblick über die Positionen der Staaten gewonnen werden sollte. Tatsächlich handelt es sich hierbei um ein in den VN typisches Vorgehen, das auch andere Akteure, etwa die USA, praktizieren.20 Nicht zuletzt dient der konkrete Arbeitsauftrag an den VN-Generalsekretär dazu, genauer zu erfahren, welche Präferenzen die einzelnen Mitgliedstaaten haben. Möglicherweise hat Russland auch darauf gesetzt, dass die Gegenseite einer Resolution mit solch begrenzten praktischen, aber durchaus signifikanten symbolischen Folgen weniger Widerstand entgegensetzen würde.

Tatsächlich entwickelte sich die Auseinander­setzung um die Resolution zu einem Konflikt der Großmächte, in dem schließlich eine vergleichsweise große Anzahl von Staaten versucht zu haben scheint, sich einer Positionierung durch Enthaltung oder Nicht-Teilnahme an der Abstimmung zu entziehen. Über die Motive für die Nicht-Teilnahme lässt sich jedoch nur spekulieren. In der Literatur zum Thema finden sich bisweilen Hinweise darauf, dass Staaten die Nicht-Teilnahme wie eine Enthaltung nut­zen, um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen.21 Zum Teil scheint eine Nicht-Teilnahme aber auch Ausdruck begrenzter diplomatischer Kapazitäten zu sein, und bisweilen mag dahinter schlicht Gleichgültigkeit stehen. In jedem Fall dürfte sich in zumindest einigen Fällen diplomatischer Einsatz von Staaten gelohnt haben, welche die Annahme der Resolution verhindern wollten.

VN-Generalversammlung, Sitzung 74

Mit der Verabschiedung von Resolution A/RES/73/187 war der VN-Generalsekretär beauftragt worden, Stel­lungnahmen der Mitgliedstaaten zum Thema Cyber­crime einzusammeln. Der entsprechende Bericht wurde am 30. Juli 2019 veröffentlicht (A/74/130). 61 Staaten hatten eine Stellungnahme abgegeben.

Von September 2019 an wurde das Thema mehrfach im 3. Komitee diskutiert. Der Entwurf für eine neue Resolution wurde am 5. November 2019 ver­öffentlicht (A/C.3/74/L.11/Rev.1) und bereits am 7. No­vember von Russland in das Komitee eingebracht (A/C.3/74/SR.44). Dieser neue Entwurf ging in entschei­dender Hinsicht über die Resolution aus dem Vorjahr hinaus: Paragraph 2 mandatiert den Prozess, eine neue Konvention zum Thema Cybercrime zu erarbeiten.

Neben Russland gehörten weitere 26 Staaten zu den Autoren des Resolutionsentwurfs; hiervon wie­derum waren 18 auch bereits Autoren der Resolution des Vorjahres. Weitere 28 Staaten erklärten sich vor der Abstimmung im 3. Komitee zu Unterstützern (sponsors) des Resolutionsentwurfs (A/74/401).

Am 18. November 2019 wurde der Resolutionsentwurf im 3. Komitee angenommen. 88 Staaten stimmten dafür, 58 dagegen, 34 enthielten sich (wor­aus sich auch ergibt, dass sich 13 Staaten nicht an der Abstimmung beteiligten).

Am 27. Dezember 2019 folgte die Annahme der Reso­lution in der Generalversammlung (A/RES/74/ 247). Hier stimmten 79 Staaten für die Resolution, 60 dagegen, 33 enthielten sich, und 21 nahmen nicht an der Abstimmung teil. Einige Aspekte sind dabei her­vor­zuheben:

  • Zehn Staaten, die im 3. Komitee für die Resolution gestimmt hatten, enthielten sich bei der Abstimmung in der Generalversammlung oder nahmen nicht daran teil.

  • Die damals noch 28 EU-Mitgliedstaaten stimmten geschlossen gegen die Resolution.

  • Aus der Gruppe der afrikanischen Staaten mit 54 Mitgliedern stimmten 31 für die Resolution, acht enthielten sich, 14 nahmen nicht teil, ein Staat stimmte dagegen (Kapverden).

Das Ergebnis ist aus Sicht Deutschlands und seiner Verbündeten eine Niederlage. Anders als im Vorjahr war bei diesem Resolutionsentwurf mit der Veröffentlichung am 5. November 2019 klar, dass er handfeste Folgen haben würde. Es galt daher sicherzustellen, dass die Resolution nicht angenommen wird. Nach den Erfahrungen des Vorjahres war damit zu rech­nen, dass die Entscheidung erneut knapp ausfallen würde.

Mit Blick auf die oben genannten Kriterien blieb die Lage bezüglich der Machtverhältnisse in der Sitzungsperiode 74 uneindeutig. Zwar war es Russ­land und seinen Verbündeten möglich, die Resolu­tion gegen den weithin geschlossenen Widerstand der westlichen Staaten durchzusetzen. Aber die Zustimmungsrate in der Generalversammlung war im Ver­gleich zum Vorjahr gesunken: Mit 79 Staaten stimm­ten nur 41 Prozent der Mitgliedstaaten für die Reso­lution.

Mit Blick auf die Strategie ist wie im Vorjahr die vergleichsweise hohe Anzahl von Staaten bemer­kenswert, die sich weder klar für noch gegen die Resolution aussprachen. Es ist davon auszugehen, dass Befürworter wie Kritiker der Resolution versucht haben, bei Staaten für ihre Position zu werben. Den­noch verloren die Befürworter 15 Stimmen, während die Gegner nur eine Stimme hinzugewinnen konn­ten. Entsprechend war die Anzahl von Staaten, die sich einer klaren Positionierung durch eine Ent­hal­tung entzogen, mit 33 hoch. Die Zahl der Staaten, die nicht an der Abstimmung teilnahmen, liegt mit 21 wie schon im Vorjahr über dem Schnitt der letzten zehn Jahre; dieser beträgt für die Nicht-Beteiligung an kontroversen Abstimmungen 13,8.

Das Problem

Nach dem »Testballon« der ersten Cybercrime-Reso­lution 2018 hatte sich gezeigt, dass es bei diesem Thema eine zugespitzte Konfrontation zweier poli­tischer Lager geben würde: Die Befürworter der Resolution wurden von Russland angeführt und konnten sich der Unterstützung Chinas sicher sein, wie Russland ständiges Mitglied des VN-Sicherheits­rates. Die Gegner der Resolution sammelten sich hinter den USA und hatten die EU – und damit die verbleibenden ständigen Sicherheitsratsmitglieder Frankreich und Großbritannien – auf ihrer Seite.

Schon 2018 war erkennbar, dass die Befürworter der ursprünglichen Resolution das Thema weiter vorantreiben würden. Die Herausforderung für die Resolutionsgegner bestand also darin, bis zur Ab­stimmung über die neue Fassung im 3. Komitee und gegebenenfalls in der Generalversammlung eine Mehr­heit gegen die Resolution zustande zu bringen.

Als erste Annäherung lässt sich dabei in den Blick nehmen, welche Staaten sich klar einer der beiden Seiten zuordnen lassen:

  • 23 Staaten traten in Sitzung 73 als Autoren des Resolutionsentwurfes auf, weitere sechs erklärten sich in der entsprechenden Sitzung des 3. Komitees zu Unterstützern (sponsors) der Resolution. Diese öffentlichen Signale von insgesamt 29 Staaten sind als starkes commitment zu verstehen. Insofern war davon auszugehen, dass diese Staaten auch eine ent­sprechende Resolution in Sitzung 74 unter­stützen würden. (Tatsächlich stimmten letztlich 26 Staaten in der Generalversammlung für die Resolution, zwei enthielten sich, einer nahm nicht teil.)

  • Wie den Sitzungsprotokollen des 3. Komitees im Vorlauf der Abstimmung 2019 zu entnehmen ist, haben sich Australien, die USA und Japan bereits hier klar gegen die Resolution ausgesprochen. Zudem brachte Österreich die Ablehnung der EU zum Ausdruck. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich 31 Staaten klar als Gegner der Resolution zu erkennen gegeben. (Tatsächlich stimmten sie alle bei der Abstimmung in Sitzung 74 gegen die Resolution.)

  • Diesen 60 klar positionierten Staaten standen mit­hin 133 Staaten gegenüber, deren zukünftiges Abstimmungsverhalten noch zu einem gewissen Grad offen war. Zwar ließen sich dem Abstimmungsverhalten dieser Staaten in Sitzung 73 Hin­weise zum wahrscheinlichen Verhalten in der Zukunft entnehmen. Zugleich wäre es jedoch vor­schnell gewesen, schlicht davon auszugehen, dass sie sich im Folgejahr genauso verhalten würden.

KI als Antwort?

Die Frage an dieser Stelle lautet also, ob es Möglichkeiten gibt, in Fällen wie diesem mithilfe von KI-Analysen Informationen über die Präferenzen der Staaten und ihr wahrscheinliches Abstimmungs­verhalten zu gewinnen. Hätte KI es den Gegnern der Resolution erlaubt, auf Basis der verfügbaren Infor­ma­tionen jene Staaten zu identifizieren, die am ehesten bereit gewesen wären, ihre Position zu ver­ändern – und so über gezielte Gespräche eine Ableh­nung der Resolution zu bewirken?

Ein wichtiger Unterschied zur ersten Fallstudie besteht darin, dass es hier um eine vergleichsweise große Anzahl von Staaten geht. Im Prinzip wäre es zwar auch denkbar, im Rahmen individueller Konsul­tationen mit allen 133 Staaten zu versuchen, ein möglichst präzises Bild zu erlangen. Dies allerdings würde einen erheblichen Personalaufwand bedeuten, zumal wenn entsprechende Konsultationen zeitnah vor jeder Abstimmung über eine kontroverse Reso­lution durchgeführt werden müssten. Zugleich sind, wie in der Darstellung des Fallbeispiels schon an­gedeutet, eine Reihe von »Signalen« als Daten verfüg­bar: zum früheren Abstimmungsverhalten beispiels­weise, zur Autorenschaft von Resolutionen oder zur Mitgliedschaft in regionalen Gruppen und internatio­nalen Organisationen. Somit stellt sich an dieser Stelle zugespitzt die Frage, ob es möglich ist, diese Informationen mithilfe von KI gewinnbringend aus­zuwerten. Hierbei ergeben sich Fragen der Daten­erhebung wie auch der Datenanalyse.

Datenerhebung

Die Daten zum Abstimmungsverhalten der VN-Mit­gliedstaaten bei Resolutionen in der Generalversamm­lung sind für alle Abstimmungen seit Gründung der VN verfügbar (siehe Box 1, S. 21). Zu betonen ist dabei allerdings, dass in den letzten Jahrzehnten pro Jahr im Schnitt nur 23 Prozent aller Resolutionen von der Generalversammlung als so kontrovers wahrgenommen wurden, dass eine formale Abstimmung über­haupt notwendig wurde. Die übrigen Resolutionen wurden einstimmig und ohne Abstimmung an­genommen.

Als Besonderheit kommt hinzu, dass es in der VN-Generalversammlung üblich ist, Resolutionen zum gleichen Gegenstand in leicht veränderter Form jedes Jahr oder im Zweijahres-Rhythmus einzubringen. Diese wiederkehrenden Resolutionen bieten oftmals über viele Jahre hinweg die Möglichkeit, das Abstim­mungsverhalten der Staaten zu untersuchen.

Es hat sich seit Jahrzehnten ein Strang politik­wissenschaftlicher Forschung herausgebildet, der sich explizit mit dem Abstimmungsverhalten der Staaten in der Generalversammlung befasst.22 Dieser For­schung lassen sich Informationen dazu entnehmen, welche Faktoren relevant sein könnten, um das wahr­scheinliche Verhalten der Staaten zu einer Resolution zu identifizieren. Hierzu zählen etwa Daten zum Regime-Typ, zu Regierungswechseln, zur wirtschaft­lichen Leistungsfähigkeit von Staaten sowie zur Mitgliedschaft in den Regionalgruppen der VN und weiteren internationalen Organisationen.

Box 1

Ein neuer Datensatz zum Abstimmungs­verhalten in der VN-Generalversammlung

Im Mai 2021 hat die SWP einen neuen Datensatz zum Abstimmungsverhalten in der VN-Generalversammlung veröffentlicht. Der Datensatz bereitet die Informationen zum Abstimmungsverhalten in der Generalversammlung auf, wie sie von den VN über die Digital Library bereit­gestellt werden. Der Datensatz beginnt mit Sitzung 49 (1995/1996) und reicht derzeit bis Sitzung 74 (2019/2020). Für den Datensatz wurden die von den VN vergebenen inhaltlichen Schlagwörter genutzt, um die Resolutionen Themenfeldern zuzuordnen. Der Datensatz selbst und weitere Informationen sind über GESIS abrufbar: https://doi.org/10.7802/2297.

Ergänzend ist es im Prinzip möglich, im Sinne des bereits erwähnten media monitoring weitere Informa­tionen zu den Präferenzen der Staaten bezüglich einer konkreten Resolution zu gewinnen. Viele VN-Bot­schafter etwa sind heute auf verschiedenen Platt­formen vertreten, die sich automatisiert daraufhin aus­werten ließen, ob Stellungnahmen zu einem Thema oder gar einer konkreten Resolution auftauchen.

Mithilfe automatisierter Textanalyse-Tools (natural language processing, siehe S. 27) könnte man außerdem die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten in den zu­ständigen VN-Komitees auswerten. Im konkreten Fall der Cybercrime-Resolution kommt als Quelle dieser Art der Bericht des Generalsekretärs vom Juli 2019 (A/74/130) hinzu, in dem sich 61 Staaten zum Thema der Resolution äußern, darunter 29 der noch un­entschiedenen Staaten. Instruktiv sind etwa positive Verweise einer Reihe von Staaten auf den »Council of Europe« – die sich mindestens als Distanzierung von der Initiative Russlands verstehen lassen. Schon eine oberflächliche Suche zeigt, dass »Council of Europe« in diesem Dokument 115 Mal erscheint. Mit­hilfe von Tools für die sentiment analysis sollte es mög­lich sein, automatisch zu erkennen, ob der Bezug dabei positiv oder negativ ist. Während dies für große Datenmengen relevant ist, wäre es im konkreten Fall aber wahr­scheinlich noch einfacher, die 61 Stellungnahmen »von Hand« zu analysieren, um sie als Input für die weitere Datenanalyse zu nutzen.

Datenanalyse

Sind all die genannten Informationen zusammen­getragen, entsteht ein recht umfassender Datensatz – und dies schon für nur eine einzige Resolution. Sam­melt man ähnliche Informationen für alle Resolutionen im VN-Kontext, erreicht die Datenmenge ein erhebliches Ausmaß.

Im ersten Schritt erlaubt eine solche Datensammlung gezielte Abfragen zu vergangenen Ereignissen. Gemeint ist damit die Art von Informationen, wie sie auch für die Darstellung und Diskussion dieses Fall­beispiels herangezogen wurden, also etwa detaillierte Auswertungen von Abstimmungsergebnissen. Das U.S. Department of State etwa erstellt seit den 1980er Jahren jährliche Berichte an den Kongress, die das Abstimmungsverhalten der Staaten in den VN quanti­tativ aus­werten. Der Fokus liegt dabei darauf, welche Staaten wie häufig mit bzw. gegen die USA gestimmt haben.23

Angesichts der so entstehenden Datenmengen er­scheint es aber auch vielversprechend, diese mit den heute üblichen ML-Algorithmen zu untersuchen, etwa in Hinsicht auf Muster, die dem menschlichen Blick auf die Praxis bisher entgangen sind. Diese Mus­ter wiederum lassen sich – im Prinzip ähnlich wie bei anderen KI-Anwendungen – in Form von Pro­gnosen zuspitzen.

Im konkreten Fall ginge es also darum, das Verhalten der 133 Staaten zu prognostizieren, die bis dahin nicht eindeutig einem der beiden Lager zugeordnet waren. Dies würde es erlauben, gezielt jene Staaten auszumachen, die aller Wahrscheinlichkeit nach weitgehend unentschlossen sind, also auch noch für die eigene Sicht gewonnen werden können. Die Frage lautet, ob die öffentlich verfügbaren Signale der Staaten entsprechende Analysen zulassen.

Tabelle 1 Staaten, bei denen eine Veränderung des Abstimmungs­verhaltens in Sitzung 74 wahrscheinlich ist (sortiert nach dem Abstimmungsverhalten in Sitzung 73)

Ja in Sitzung 73

Nein in Sitzung 73

Enthaltung in Sitzung 73

Keine Teilnahme an Sitzung 73

Angola, Benin, Burkina Faso, Kongo – Brazzaville, Dominica, Guinea-Bissau, Somalia, Südsudan, São Tomé & Príncipe, Seychellen

Albanien, Chile, Domini­kanische Republik, Geor­gien, Honduras, Kanada, Kiribati, Mikronesien (Föderierte Staaten von), Südkorea, Marshallinseln, Panama, Salomonen, Tonga, Vereinigte Staaten, Vanuatu

Fidschi, Grenada,
Kongo – Kinshasa, Liberia, Samoa

Afghanistan, Eswatini, Komoren, Sierra Leone, Trinidad & Tobago, Tunesien, Zentralafrika­nische Republik

(10 Staaten)

(15 Staaten)

(5 Staaten)

(7 Staaten)

Im Rahmen eines praktischen Pilotprojekts sind wir dieser Frage weiter nachgegangen (siehe Box 2, S. 23). Dabei haben wir ein KI-Modell entwickelt, um das Verhalten der Staaten bei kontroversen Abstimmungen vorherzusagen. Das Modell ist dabei zu­nächst darauf beschränkt, Veränderungen im Abstim­mungsverhalten bei wiederkehrenden Resolutionen vorherzusagen. Die Datengrundlage besteht aus den Informationen zum historischen Abstimmungsverhal­ten sowie weiteren Informationen zu den Mitgliedstaaten der VN (Regime-Typ, Mitgliedschaft in inter­nationalen Organisationen und regionalen Gruppen, diplomatische Fähigkeiten und Wirtschaftsdaten).

Versetzen wir uns noch einmal in die Situation des 7. November 2019, als Russland erstmals den neuen Resolutionsentwurf eingebracht hatte. Hätte man in diesem Fall unser Modell eingesetzt, so hätte dieses in einer bestimmten Konfiguration eine Liste von 37 Staa­ten ausgegeben, bei denen eine Änderung des Abstimmungsverhaltens wahrscheinlich war.24 In Tabelle 1 sind diese 37 Staaten aufgelistet, geordnet danach, wie sie sich bei der letzten Abstimmung ver­halten hatten.

Betrachtet man diese Liste, so stechen drei Staaten als offenkundig unplausible Prognosen hervor: Bei Kenntnis des konkreten Falls war nicht damit zu rechnen, dass die USA und ihre engen Verbündeten Kanada und Südkorea an dieser Stelle ihre Position verändern würden. Somit blieb den Verhandlern eine Liste von 34 Staaten.

Auf Basis der KI-Analyse wäre es für Deutschland und seine Verbündeten ratsam gewesen, die eigenen diplomatischen Ressourcen auf diese Staaten zu kon­zentrieren. Zur Erinnerung: In Sitzung 73 stimmten 94 Staaten für die Resolution, 59 dagegen, 33 ent­hielten sich, und sieben nahmen nicht teil. Wäre es gelun­gen, die zehn Staaten der ersten Spalte dafür zu gewinnen, von ihrem Ja abzurücken, wäre eine Ab­lehnung der Resolution in Reichweite gewesen.

Im Nachhinein, mit dem Wissen um das tatsäch­liche Abstimmungsverhalten, ist es möglich, die Güte dieser KI-basierten Empfehlung in den Blick zu neh­men. Zwar erlaubt ein Einzelfall an sich keine Aus­sagen über die Leistungsfähigkeit eines Prognose­modells, tatsächlich sind in diesem Fall die Ergeb­nisse aber durchaus repräsentativ für die Ergebnisse des Pilotprojekts. Geht man von den 34 Staaten aus (also der um basales »Expertenwissen« korrigierten Pro­gnose von ursprünglich 37 Staaten), so war das Ergebnis:

  • 21 true positives, also richtig vorhergesagte Verän­derungen,

  • 13 false positives, also falsch vorhergesagte Veränderungen,

  • 140 true negatives, also richtig vorhergesagte Nicht-Veränderungen,

  • 19 false negatives, also nicht vorhergesagte Verän­derungen.

Dieses Ergebnis illustriert, dass Prognosen dieser Art häufig mit einer relativ hohen Fehlerquote ein­hergehen. Immerhin aber lag die Prognose in gut 60 Prozent der Fälle richtig und hätte so einen Beitrag dazu leisten können, die eigenen diplomatischen Res­sourcen zielgerichtet einzusetzen.

Der Einsatz von KI-Systemen ist mit dem praktischen Erfahrungswissen der Experten zu verbinden.

Box 2

Pilotprojekt zur Prognose des Abstimmungsverhaltens in der VN‑Generalversammlung

Um das Potenzial von KI für die Prognose des Abstimmungsverhaltens von Staaten in der VN-General­versamm­lung einschätzen zu können, haben wir im engen Austausch mit dem deutschen Auswärtigen Amt ein Pilotprojekt zur konkreten Anwendung von machine learning in diesem Kontext durchgeführt. Wie sich auch in Gesprächen mit anderen Außenministerien gezeigt hat, ist die Frage nach der möglichen Anwendung von KI im Bereich der Außenpolitik politisch sensibel. Umso mehr danken wir dem Auswärtigen Amt, und hier ins­besondere dem Referat S05-09 Instrumente und Prozesse in der Krisenfrüherkennung/PREVIEW, für den vertrau­ens­vollen Austausch im Rahmen dieses Pilotprojekts.

Als Datengrundlage diente der von der SWP neu erstellte Datensatz zum Abstimmungsverhalten in der VN-Generalversammlung. Daraus haben wir ein Subset von Resolutionen ausgewählt: wiederkehrende kon­tro­verse Resolutionen im Themenfeld Menschenrechte. Die Abstimmungsdaten für dieses Subset haben wir mit wei­teren Informationen zu den Staaten kombiniert (zum Beispiel Regime-Typ, Mitgliedschaft in Organisationen). Von dem so konstruierten Datensatz haben wir die VN-Sitzungen 49 bis 72 als Trainingsdaten genutzt, um zu prognostizieren, welche Staaten bei den wiederkehrenden Resolutionen in den folgenden Sitzungen 73 und 74 wahrscheinlich ihr Abstimmungsverhalten ändern wer­den. Da uns die realen Abstimmungsergebnisse aus die­sen zwei Sitzungen vorlagen, konnten wir die Genauig­keit der Prognose an dem tatsächlichen Abstimmungsverhalten messen.

Das Ergebnis dieses Pilotprojekts fiel ähnlich aus, wie in dem Fallbeispiel der Cybercrime-Resolution skizziert: Eine solche Prognose ist grundsätzlich möglich, allerdings ist die Güte der Prognose bisher noch nicht gänzlich zufrie­denstellend. Erfasst man einen Großteil der Ver­änderungen, bezahlt man dafür mit teils sehr vielen false positives. Auch scheint das Modell für unterschiedliche Staaten unterschiedlich gut zu funktionieren, wobei hier bis jetzt noch keine klare Begründung zu erkennen ist. Durch weitere Arbeit an dem Modell und gegebenenfalls Hinzufügen zusätzlicher Daten halten wir es aber für möglich, die Prognose noch zu verbessern. In jedem Fall ist es ratsam, ein solches System so zu gestalten, dass das Erfahrungswissen aus der diplomatischen Praxis inte­griert werden kann.

Weitere Informationen zu dem Pilotprojekt, insbesondere zu den vorläufigen Ergebnissen, können auf der Web­site der SWP abgerufen werden:

https://bit.ly/SWP21S18Anhg

Die kurzen Ausführungen zu diesem Beispiel zeigen zudem, dass es für den Einsatz solcher Systeme von besonderem Wert ist, sie mit dem praktischen Erfahrungswissen der Experten zu verbinden. Zwar ist keine besondere Expertise notwendig, um zu erken­nen, dass die USA als erklärte Gegnerin der Resolu­tion wohl nicht von ihrem Nein abrücken würden. In der Sache erfahrene Diplomaten wären beim Blick auf die Ergebnisse der KI-Analyse aber vielleicht noch andere Punkte aufgefallen, die zu einem besseren und dann auch hilfreicheren Ergebnis geführt hätten, etwa die Neigung eines Staates, sich im Einklang mit der jeweiligen Regionalgruppe zu verhalten. Für die Praxis vielversprechend wäre es außerdem, das Ergeb­nis der Prognose durch weitere Signale aus dem Ver­lauf des Prozesses anzureichern, zum Beispiel mit den Ergebnissen der Abstimmung im 3. Komitee.

Wie bei der vorherigen Fallstudie stellt sich auch hier die Frage, ob ein solches System einen strate­gischen Mehrwert bieten kann. Unstrittig scheint zu sein, dass die automatisierte Auswertung der ver­schie­denen Signale aller Mitgliedstaaten von einem KI-System schneller und im Zweifel auch mit gerin­gerer Fehlerquote durchgeführt werden kann als von Menschen. Allerdings gilt es für eine umfassende Betrachtung der Effizienz auch zu beachten, welcher Aufwand mit dem Aufbau eines solchen Systems ver­bunden ist. Entscheidend ist dann die Frage nach der Güte der Prognosen. Diese müssten wohl mindestens so gut sein wie Prognosen, die von den Diplomaten mit traditionellen Verfahren erstellt würden. Ein ech­ter Mehrwert entstünde dann, wenn die Prognosen besser als menschliche Prognosen wären und/oder schneller bzw. mit geringerem Ressourcenaufwand erstellt werden könnten. Eine abschließende Bewer­tung ist hier ohne umfangreichere praktische Erfah­rungen und eine begleitende Evaluation noch nicht möglich. Die Erfahrungen des Pilotprojekts wie auch mit KI-Analysen in anderen Bereichen sprechen jedoch dafür, diesen Pfad weiterzuverfolgen.

Interessant ist hier auch noch einmal der Vergleich der beiden vorgestellten Ansätze: Die in dieser Fall­studie präsentierten Möglichkeiten der KI-basierten Analyse zielen darauf, in großen Mengen historischer Daten Muster auszumachen. Die Annahme dabei ist, dass es politisch relevante Regelmäßigkeiten im Ver­halten der Staaten gibt, die der menschlichen Analyse bisher verborgen geblieben sind. Dieser methodische Zugriff ist allerdings nicht geeignet, auf mögliche »Brüche« hinzuweisen, also auf überraschende und eben nicht prognostizierbare Veränderungen im Ver­halten der Staaten. Gerade hierfür wiederum bietet die in Fallstudie 1 diskutierte KI-basierte Szenarien-Analyse einen aussichtsreichen Ansatzpunkt: näm­lich dann, wenn sie wie beschrieben dazu genutzt wird, vorgängige Denkkategorien aufzubrechen. Nicht zuletzt zeigt sich hier, dass es für die Praxis wichtig sein wird, sich der jeweiligen Funktion und auch der Grenzen der verschiedenen Ansätze bewusst zu sein und diese gegebenenfalls gezielt miteinander zu kombinieren.

KI als Instrument für diplomatische Verhandlungen

Können KI-Analysen Akteuren diplomatischer Ver­handlungen einen Mehrwert bieten? Wir sind dieser Frage anhand zweier Verhandlungssituationen nach­gegangen. Hierbei haben sich am konkreten Beispiel bereits Möglichkeiten, aber auch Grenzen des Ein­satzes von KI gezeigt. Diese Überlegungen wollen wir nun noch einmal systematisieren und danach fragen, für welche Aspekte diplomatischer Verhandlungen welche Ansätze von KI geeignet sein könnten.25

Machtressourcen

Die Frage nach den Machtressourcen der Akteure diplomatischer Verhandlungen wird im klassisch-realistischen Verständnis internationaler Politik teils mit Kategorien beantwortet, die einer quantitativen Auswertung zugänglich sind. Die militärischen Res­sourcen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes etwa lassen sich relativ gut in Zahlen erfassen und vergleichen. Auch Veränderungen kann man beispielsweise anhand wirtschaftlicher Kenn­zahlen abbilden. Während der Verhandlungen um eine deutsch-österreichische Zollunion 1930/31 etwa hat sich die Wirtschaftskrise in Österreich sehr rasch und in einem Maße verschärft, das sich negativ auf Öster­reichs Macht im Binnenverhältnis zu Deutschland und vor allem zu den anderen europäischen Mächten nieder­geschlagen und damit auch auf den Verhandlungsprozess ausgewirkt hat.

Nun ist für das Auswerten von Wirtschaftsdaten eines einzelnen Landes noch keine KI-Analyse not­wendig. Vorstellbar ist aber, dass mithilfe eines KI-Systems die vielen heute verfügbaren Indikatoren zur wirtschaftlichen Entwicklung, die für die Einschätzung der künftigen Machtressourcen eines Staates in einer spezifischen Verhandlungssituation relevant sein mögen, schneller und umfassender auf Muster hin ausgewertet werden könnten als mit den bis­herigen Methoden.

Automatisierte Nachrichtenanalyse lässt sich zur Erstellung von Lagebildern nutzen.

Als ein Ausgangspunkt hierfür bieten sich verschie­dene Varianten der Krisenfrüherkennung an. Transnationale Unternehmen etwa nutzen Methoden der automatisierten Analyse von Nachrichten, um möglichst frühzeitig informiert zu sein, wenn sich in den für sie interessanten Regionen der Welt Konflikte anbahnen, die ihre Aktivitäten beeinflussen könnten. Entscheidend ist hierbei, dass nicht nur allgemeine Trends ausgemacht, sondern gezielt jene Entwicklungen identifiziert werden, welche die Interessen eines bestimmten Unternehmens berühren. Auch wenn hierüber öffentlich weniger bekannt ist, kann davon ausgegangen werden, dass Nachrichtendienste,26 Mili­tärs27 und zunehmend auch Außenministerien28 ähnliche Methoden der automatisierten Nachrichtenanalyse verwenden, um Lagebilder zu erstellen.

Größere Schwierigkeiten werfen hingegen all jene Fälle auf, in denen die Macht eines Staates sich nicht aus Ressourcen speist, die ohne Weiteres quantifizier­bar sind. Hierzu können symbolische Ressourcen ge­hören, formale und informelle Allianzen oder Bünd­nisse und Modi der Kooperation, auch mit international einflussreichen nichtstaatlichen Akteuren wie transnationalen Unternehmen oder Nichtregierungsorganisationen. Kleine Inselstaaten etwa erfahren in den globalen Verhandlungen um Fragen des Klima­schut­zes Aufmerksamkeit, weil sie von einem Anstieg des Meeresspiegels unmittelbar in ihrer Existenz bedroht sind. Sie erlangen auf diese Weise Verhandlungs­macht, und zwar in weit höherem Maße, als anhand klassischer Kennzahlen militärischer und wirtschaftlicher Stärke zu erwarten wäre. Eine ent­scheidende Machtressource für Verhandlungen sind zudem die diplomatischen Kapazitäten eines Staates. Als grober Indikator hierfür lässt sich die Anzahl der Botschaften anführen, die ein Staat unterhält, oder deren Größe. Bisher jedoch werden diese Daten nicht für alle Staaten flächendeckend erhoben. Hinzu kommt die immer gegebene Möglichkeit, dass auch ein Staat mit vermeintlich geringen diplomatischen Kompeten­zen in einer konkreten Verhandlungs­situation durch besonders fähige Diplomaten ver­treten wird – oder umgekehrt. Für diese Art von »statistischen Abwei­chungen« wäre ein KI-System nach heutigem Stand allerdings blind.

Strategie

Die Frage nach der Strategie eines Staates lässt sich in verschiedenen Hinsichten ausdifferenzieren. In jedem Fall sind die Verhandlungsziele und das voraussichtliche Handeln im weiteren Verlauf der Verhandlungen zu berücksichtigen.

Tritt ein Staat in diplomatische Verhandlungen ein, so verfolgt er damit ein Ziel. Entscheidend für den Ausgang der Verhandlungen ist dabei, ob sich dieses Ziel zumindest teilweise mit den Zielen der anderen Beteiligten deckt: »Without common inter­est there is nothing to negotiate for, without conflict, nothing to negotiate about29 Wie in zwischenmenschlicher Kommunikation und Interaktion gene­rell, kann es in manchen Verhandlungssituationen allerdings aus Sicht aller beteiligten Seiten oder eini­ger von ihnen taktisch vorteilhaft erscheinen, die eigenen Ziele nicht vollständig transparent zu kom­munizieren oder irreführende Signale zu senden.30 Um das bestmögliche Verhandlungsergebnis zu errei­chen, versuchen Staaten bei diplomatischen Verhand­lungen, die Signale des Gegenübers daraufhin zu deuten, wie weit sie in ihren Forderungen gehen kön­nen, ohne die Einigung in Gänze zu riskieren.

Ein möglicher Beitrag KI-basierter Analysen könnte in diesem Zusammenhang darin bestehen, mehr Signale bezüglich der Strategie der beteiligten Staaten auszuwerten und miteinander in Beziehung zu setzen, als dies Menschen möglich ist. Im besten Fall würden solche Analysen den handelnden Akteuren dabei helfen, die eigenen Vorannahmen systematisch zu überprüfen und so gegebenenfalls blinde Flecken zu entdecken.31

Eine Reihe von Außenministerien hat bereits Ein­heiten für »strategische Kommunikation« eingerichtet, deren Aufgabe unter anderem darin besteht, syste­matisch das Geschehen in sozialen wie in tradi­tionellen Medien zu verfolgen.

Die Herausforderung bestünde hier darin, diese Systeme so zu konfigurieren bzw. weiterzuentwickeln, dass sie spezifische Analysen bezogen auf eine konkrete Verhandlung liefern. Denkbar wäre etwa, automatisiert und nahezu in Echtzeit alle öffentlich verfügbaren Nachrichtenquellen daraufhin zu ana­lysieren, ob hier Vertreter des Staates in einer Weise erscheinen, die Rückschlüsse auf die Verhandlungen erlaubt. Hierzu könnten öffentliche Erklärungen gehören, aber auch Reisen hochrangiger Diplomaten oder Berichte über Treffen mit einheimischen Inter­essengruppen. So ließen sich womöglich all jene außen- und innenpolitischen Entwicklungen identi­fizieren, die Einfluss auf eine Verhandlung nehmen, etwa wenn sich in den einheimischen Medien eine kritische Sicht auf die Verhandlungen durchsetzt oder es zu Streit innerhalb der Regierung kommt (siehe Fallstudie 1, S. 11ff). Eine weitere Quelle sind offizielle Signale des Staates in Form des Abstimmungs­verhaltens im Rahmen internationaler Organi­sationen wie den VN und ihren Sonderorganisationen (siehe Fallstudie 2, S. 17ff) oder in regionalen Orga­nisationen wie EU und Afrikanischer Union. Informa­tionen dieser Art werden auch heute schon gesammelt: Die Frage wäre, ob es mithilfe von KI-Systemen gelingen kann, mehr solcher Daten schneller und zuverlässiger auszuwerten. Dafür spricht die schiere Menge der heute schon auszuwertenden Informationen, zumal wenn man die öffentlich zugänglichen Hinweise mit den dem Regierungsapparat verfüg­baren Datensammlungen verbindet, also beispielsweise bestimmte Auskünfte von Nachrichtendiensten oder aus den über die Welt verteilten diplomatischen Vertretungen hinzuzieht. Die Kombination aus öffent­lichen Nachrichtenquellen, sozialen Medien und regierungseigenen Informationen würde wahr­scheinlich ein derart großes Informationsvolumen schaffen, dass die Analyse überhaupt nur noch auto­matisiert erfolgen kann.

Einige wenige Informationen auf der Website des US-Außenministeriums deuten darauf hin, dass es dort bereits entsprechende Überlegungen gibt. Im Rahmen der Arbeit an einer Instability Monitoring & Analysis Platform (IMAP) scheint es in diesem Minis­terium Versuche zu geben, das Verhalten von Staaten in Verhandlungssituationen zu prognostizieren:

»Negotiations Modeling: CSO [Bureau of Conflict and Stabilization Operations] informs political negotiations by identifying the interests and priorities of key actors, and forecasting negotiation outcomes. It updates information throughout the negotiations process to assess options and optimize U.S. policy outcomes.«32

Einen zweiten Ansatzpunkt bilden KI-basierte Text­analysen diplomatischer Dokumente (natural language processing). Das KI-basierte Medien-Monitoring würde im besten Fall nicht nur erfassen, dass sich ein staat­licher Vertreter zum Thema einer Verhandlung geäußert hat, sondern auch wie, also mit welcher inhaltlichen Stoßrichtung oder Dringlichkeit (vgl. die Ausführungen zu sentiment analysis auf S. 10).

Je umfangreicher die Menge der zu analysierenden Daten, desto höher der Mehrwert KI-basierter Analysen.

Für den spezifischen Kontext einer Verhandlungssituation böten sich solche KI-basierten Methoden der Textanalyse dann an, wenn es darum geht, im Rah­men komplexer Verhandlungen große Mengen an Dokumenten zu sichten. So könnte etwa zuverlässig und schnell überprüft werden, wie sich verschiedene Versionen eines Verhandlungsdokuments voneinan­der unterscheiden. In multilateralen Verhandlungen könnten diese Analyse-Methoden außerdem dazu dienen, festzustellen, ob verschiedene Akteure ähn­liche Änderungen vorschlagen. Auch diese Art von Analyse findet schon heute statt, ist aber oft aufwändig und langwierig. Je umfangreicher die Menge der zu analysierenden Daten ist, desto höher wäre der Mehrwert von KI-basierten Analysen. Dies spricht dafür, dieses Vorgehen vor allem für komplexe multi­laterale Verhandlungen zu wählen; vorstellbar ist aber auch die Anwendung solcher Methoden bei lang­wierigen bilateralen Verhandlungen, um den Über­blick über die verhandelten Dokumente zu behalten. Möglicherweise sind dabei bestimmte diplomatische Dokumente aufgrund der vergleichsweise stark for­malisierten Verwendung von Worten und Wendungen für maschinelle Analysen besonders geeignet: Es sollte hier im Prinzip einfacher sein, Strukturen und Abweichungen von Strukturen zu finden als etwa in der sehr viel freier verlaufenden Alltags­kommunikation.

Persönlichkeiten

Die Dynamik von Verhandlungen wird zumindest bis zu einem gewissen Grad auch durch die persönlichen Inter­aktionen der Beteiligten geprägt. Wissen über das Persönlichkeitsprofil des Gegenübers kann dabei von Vorteil sein. Diese Art von Wissen wird heute ge­wöhnlich informell unter Diplomaten ausgetauscht, bei besonders wichtigen Verhandlungen ist davon auszugehen, dass zumindest einige Staaten auch ihre Nachrichtendienste damit beauftragen, entsprechende Profile anzulegen.

Tabelle 2 Einheiten von Außenministerien zur »strategischen Kommunikation« bzw. zur systematischen Verfolgung des Geschehens in sozialen Medien

Staat bzw. Organisation

Organ

Umfang

Australien

Department of Foreign Affairs and Trade

Verfolgung von Online-Konversationen in Echtzeit; Web- und Social-Media-Reporting- sowie Analyse­tools, die einflussreiche Gruppen und Konversatio­nen identifizieren; Verfolgung der Stimmung gegen­über der australischen Politik; Messung der globalen sozialen Reichweite der Abteilung; Berichterstattung über den Fortschritt von Kampagnen

Dänemark

Interministerielle Task Force: Justizministerium, Verteidigungsministerium und Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten

Überwacht Einflusskampagnen (Desinformation); Fokus auf russischer Einflussnahme

Deutschland

Auswärtiges Amt, Bereich »Strategische Kommunikation«

Beobachtung von Narrativen und Trends in den sozia­len Medien, um Desinformation entgegen­zuwirken

Europäische
Union

East StratCom Task Force

Überwacht Desinformation; Fokus auf russischem Einfluss in der östlichen Nachbarschaft

Frankreich

Ministerium für Europa und Aus­wärtige Angelegenheiten, Centre d’analyse, de prévision et de stra­tégie (CAPS)

Überwacht Desinformationskampagnen, schädliche Narrative, Medienökosysteme, Bots und Trolle

Großbritannien und Nordirland

The Foreign and Commonwealth Office

Beobachtung der sozialen Medien, um wichtigste Einflussnehmer und Stimmen in den politischen Bereichen zu verfolgen; Messung der Wahrneh­mung wichtiger außenpolitischer Maßnahmen

Nato

NATO StratCom Center of Excellence, Lettland

Überwacht Automatisierung, Bots und Trolle

Schweden

Swedish Defence Research Agency

Überwacht Beeinflussungsmaßnahmen, die eine Bedrohung für demokratische Wahlen darstellen

Tschechische Republik

Innenministerium, Centre against Terrorism and Hybrid Threats

Überwacht Desinformation, ausländische Propa­ganda und terroristische Bedrohungen; Fokus auf russischem Einfluss

USA

Department of State, Office of Strategic Communications and Outreach

Entwicklung einer strategischen Kommunikations­planung für alle Bureau-Outreach-Aktivitäten

Quellen zu Tabelle 2:

Australien: Department of Foreign Affairs and Trade, Digital Media Strategy 2016–18, Barton 2016.

Dänemark: Ministry of Foreign Affairs of Denmark, »Strengthened Safeguards against Foreign Influence on Danish Elections and Democracy«, 7.9.2018, <https://perma.cc/WGH9-M2L3>

Deutschland: Auswärtiges Amt, »Außenpolitik strategisch kommunizieren – Werte und Interessen gezielter vermitteln«, Berlin, 25.5.2018, <https://www.auswaertiges-amt.de/ de/aussenpolitik/themen/-/2089138>

Europäische Union: European Council, Questions and Answers about the East StratCom Task Force, 28.4.2021, <https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/2116/-questions-and-answers-about-the-east-stratcom-task-force_en>

Frankreich: The Policy Planning Staff (reports to the Minister for Europe and Foreign Affairs), Information Manipulation. A Challenge for Our Democracies, 2018, <https://www.diplomatie.gouv.fr/IMG/pdf/information_manipulation_rvb_cle838736.pdf>

Großbritannien und Nordirland: The Foreign and Commonwealth Office, Digital Strategy, 2012, <https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/ file/39629/AB_12-11-14_Digital_strategy.pdf>

Nato: NATO, Strategic Communications Centre of Excellence, <https://www.stratcomcoe.org/>

Schweden: Swedish Defence Research Agency, »The Swedish Election and Bots on Twitter«, 12.9.2018, <https://www.foi.se/en/foi/news-and-pressroom/news/2018-09-12-the-swedish-election-and-bots-on-twitter.html>

Tschechische Republik: Tschechien, Innenministerium, Centre Against Terrorism and Hybrid Threats, 2018, <https://www.mvcr.cz/cthh/clanek/centre-against-terrorism-and-hybrid-threats.aspx>

USA: US Department of State, Key Topics – Office of Strategic Communications and Outreach, 2020,
<https://www.state.gov/key-topics-office-of-strategic-communications-and-outreach/>

Alle Links eingesehen am 14.9.2021

In dem Maße, in dem Verhandler medial in Erscheinung treten, hinterlassen sie »digitale Spuren«, ob in Form von Texten, Bildern, Videos oder Audio-Aufnahmen. Denkbar ist es, die Methoden des KI-basierten Profilings, wie es heute vielfach im Rahmen des targeted advertising für kommerzielle Zwecke ein­gesetzt wird, auch hier zu nutzen, um automatisiert Profile diplomatischer Akteure zu erstellen. Zu klären wäre dabei allerdings, ob diese umfassende Auswertung von Personendaten rechtlich wie moralisch zu­lässig ist – und ob hier eine Form diplomatischer Praxis entstehen könnte, die im Ergebnis politisch wünschenswert ist. Zudem stellt sich erneut die Frage nach der Belastbarkeit bzw. Güte der Analyse. Sehr allgemeine Kategorien wie »interessiert an klassischer Kultur« wären wahrscheinlich wenig hilfreich, prä­zisere Zuordnungen wie »neigt zu Wutausbrüchen« hingegen von größerem Wert, dafür aber womöglich unzulässige Generalisierungen auf Basis einer nicht repräsentativen Datengrundlage.

Das Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren

Die drei hier hervorgehobenen Aspekte – Macht­ressourcen, Strategien und Persönlichkeiten – gehö­ren zum Gesamtkontext all jener internen wie exter­nen Einflüsse, die den Verlauf von Verhandlungen prägen können. Im Fall der Verhandlungen um die Zollunion etwa wirkte sich die Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Lage erkennbar auf den Ver­handlungsverlauf aus.

Vorstellbar ist es, für eine konkrete Verhandlungssituation die Gesamtheit aller möglichen Einflüsse dieser Art zu beschreiben. Die Verbindung dieser In­formationen würde es erlauben, in der Gesamtdaten­menge nach Mustern zu suchen und so einerseits das wahrscheinliche Ergebnis zu »berechnen« und ande­rerseits den beteiligten Akteuren strategische Empfeh­lungen zu liefern.

Sind alle benötigten Informationen vorhanden, bedarf es dazu keiner vorgängigen theoretischen Annahmen zu den zu erwartenden Interaktionen. Notwendig ist lediglich eine »sparsame« Modellierung, die Auskunft über die relevanten Akteure und die ihnen offenstehenden Handlungsoptionen gibt. Auf dieser Grundlage lassen sich, wenigstens im Prin­zip, alle denkbaren Entwicklungen durchspielen, um zu den gewünschten Analyse-Ergebnissen zu gelan­gen. Dies ist, vereinfacht ausgedrückt, das Vorgehen, mit dem KI heute eingesetzt wird, um Spiele wie Schach oder Go zu meistern.

Das zentrale Problem besteht jedoch darin, dass es oftmals sehr aufwändig und vielfach unmöglich ist, alle möglicherweise relevanten Informationen zusam­menzutragen. Anders als beim Schachspiel geht es, erstens, bei diplomatischen Verhandlungen nicht um ein klar definiertes und begrenztes Spiel, sondern gewissermaßen um eine Abfolge von Spielen mit unter­schiedlichen Spielern und jederzeit aufkünd­baren Spielregeln. Zweitens überlappen sich diese Spiele: So vielschichtig Verhandlungen schon für sich genommen sind, kommt als weitere Komplikation hinzu, dass diplomatische Verhandlungen vielfach mit anderen Verhandlungen verknüpft sind. Drittens schließlich sind die Handlungsoptionen von Staaten in diplomatischen Verhandlungen ausgesprochen vielfältig. Zwar sind nahezu alle Verhandlungen durch bestimmte normative Erwartungen gerahmt, doch können diese schwach ausfallen: Anders als beim Schachspiel ist es den Akteuren vielfach mög­lich, sich über Regeln hinwegzusetzen, selbst neue Regeln zu setzen oder schlicht das Spielfeld einer konkreten Verhandlungssituation zu verlassen. Da­mit aber fällt es schwer, das Set möglicher Handlungs­optionen abschließend und vollständig zu benennen.

Das Problem ist mithin, dass wir es, selbst gemessen an den heutigen Möglichkeiten der maschinellen Datenverarbeitung, mit einer zu großen Anzahl an größtenteils unstrukturierten Informationen zu tun haben. Eine denkbare Alternative bestünde darin, die Komplexität einer Verhandlungssituation so weit zu reduzieren, dass sie in einem vergleichsweise ein­fachen Modell erfasst werden kann. Heutige spiel­theoretische Modelle würden allerdings ein Maß an Ver­einfachung verlangen, mit dem man höchst­wahrscheinlich Gefahr liefe, wesentliche Elemente der Verhandlungssituation außen vor zu lassen.

Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz eines in der Analyse der Zollunion-Verhandlungen abschließend genannten und von uns versuchsweise genutzten KI-Systems, das auf das »Wissen der Welt« zurückgreift. Die damit zu erzielenden Ergebnisse scheinen über die bisherigen Möglichkeiten von KI hinauszuführen. Dies wäre eine gewinnbringende, wenngleich noch etwas eingeschränkte Nutzung von KI: nicht als Sys­tem zur präzisen Prognose von Entwicklungen, son­dern als Instrument, um schnell eine Vielzahl von Szenarien zu entwickeln und so etablierte Denkstrukturen aufzubrechen.

Bisher, so scheint es, ist für unsere Art von Informationsproblemen menschliche Intelligenz der künst­lichen noch überlegen. Als Menschen können wir enorme Mengen an Informationen aufnehmen und verarbeiten. So entsteht, was salopp als »Bauchgefühl« ausgedrückt wird, sich mit Blick auf politische Fragen schöner und eleganter aber mit dem Be­griff der »politischen Urteilskraft« im Sinne Hannah Arendts fassen lässt: In komplexen Entscheidungs­situationen ist uns als Menschen selbst oft nicht bis ins Letzte transparent, warum wir zu einer bestimmten Einschätzung neigen. Womöglich steckt dahinter aber nichts anderes als eine beeindruckende »Rechen­leistung« unseres Gehirns – womit sich am Horizont auch deren maschinelle Ersetzbarkeit abzeichnen würde.

Empfehlungen für die deutsche Diplomatie

Am Ende unserer Studie steht die Schlussfolgerung, dass Künstliche Intelligenz das Potenzial hat, zu einem wichtigen, möglicherweise unverzichtbaren Instrument für die Vorbereitung und Durchführung diplomatischer Verhandlungen zu werden. Vieles spricht unserer Meinung nach dafür, dass in Zukunft diejenigen in Verhandlungen einen Vorteil haben werden, denen es am besten gelingt, sich die Mög­lich­keiten maschinellen Lernens zu eigen zu machen.

Die zwei Fallstudien der vorliegenden Studie zeigen anhand konkreter Beispiele, wie KI nach heu­tigem Stand für die Zwecke diplomatischer Verhandlungen eingesetzt werden kann. Im Fall der Zollunion haben wir KI exemplarisch dazu genutzt, qualitative Daten einer komplexen bilateralen Verhandlungs­situation daraufhin zuzuspitzen, wie mögliche ab­weichende Verhandlungsoptionen aussehen könnten. An dem zweiten Fall, den Verhandlungen um die Cybercrime-Resolution in den Vereinten Nationen, ließ sich demonstrieren, wie quantitative Daten ver­wendet werden können, um das Verhalten von Staa­ten in multilateralen Verhandlungen zu prognos­ti­zieren. Diese möglichen Anwendungsformen von KI sind nicht erschöpfend, helfen aber, die sonst oft sehr abstrakt geführte Diskussion über den denk­baren Nutzen von KI konkret auf die Praxis diplomatischer Verhandlungen zu fokussieren.

Gerade die Auseinandersetzung mit konkreten Fällen zeigt zudem: Die heutigen KI-Systeme sind noch recht fehleranfällig. Ein weiteres Problem ist, dass KI-Systeme nicht ersichtlich machen, warum und wie sie zu bestimmten Ergebnissen kommen. Zwar gibt es Ansätze zu explainable AI, doch wenn der Vor­teil von KI-Systemen darin besteht, mehr Informationen schneller auszuwerten, als dies Menschen mög­lich ist, so wird ein Preis für diese Leistungsfähigkeit wohl immer darin bestehen, dass Menschen eben kaum oder nur annäherungsweise nachvollziehen können, wie ein KI-System »tickt«.

Schließlich – und noch grundsätzlicher – gilt, dass KI nicht über das verfügt, was wir gemeinhin als »politische Urteilskraft« bezeichnen. KI-Systeme kön­nen im besten Fall bessere Informationen schneller bereitstellen als Menschen. Die Beurteilung der Güte dieser Informationen und die Verknüpfung mit dem weiteren Erfahrungswissen aus der beruflichen Praxis bleibt aber Aufgabe des Menschen.

Will die deutsche Außenpolitik sich mittel- bis lang­fristig strategisch darauf einstellen, das Potenzial von KI für ihre Zwecke zu nutzen, so empfehlen wir dafür auf der Grundlage der beiden Fallstudien und der daran anknüpfend angestellten Überlegungen die folgenden Ansätze, die angesichts der raschen Fort­schritte der KI-Entwicklung zeitnah verfolgt werden sollten.

Mut zu Experimenten und weiterer Exploration

1. Die heutigen KI-Systeme haben mit Blick auf die diplomatische Praxis Grenzen, aber auch Potenzial – die weitere praktische Exploration wäre daher loh­nend. KI-Modelle, die mithilfe großer Textmengen – tendenziell »allem Wissen der Welt« – trainiert werden, könnten neue Formen der automatisierten Szenarienbildung für Zwecke der Strategieentwicklung und damit konkrete Hinweise für die Führung von Verhandlungen liefern. Mit solchen Möglich­keiten sollte aktiv und umfassend experimentiert werden, und zwar in Kooperation mit Forschungs­einheiten, die bereits über die entsprechenden KI-Instrumente verfügen.

2. KI-basierte Analysen öffentlicher Quellen im Kontext von Verhandlungen stellen einen bescheideneren Ansatz dar als den eben genannten, sollten jedoch ebenfalls umfassend weiter ausgelotet werden. Durch die Untersuchung öffentlich zugänglicher Daten – von »Signalen« wie dem Abstimmungs­verhalten in internationalen Organisationen über Staats­besuche bis hin zu öffentlichen Statements in verschiedenen Medien – sollte es möglich sein, ver­handlungsrelevante Stimmungen und Meinungen aller direkt oder indirekt beteiligten Staaten in stra­tegischen »Landkarten« zu erfassen. Damit ließen sich Rückschlüsse auf Überlegungen der Verhandlungspartner ziehen, die deren Entscheidungsfindung in der Vorbereitung sowie im Verlauf der Verhandlungen beeinflussen mögen. Hier wäre eine enge Zusam­menarbeit mit Institutionen zu suchen, die bereits heute auf ähnliche Weise arbeiten, etwa im Rahmen von Krisenfrüherkennung.

3. Bei jedem dieser Experimente zur Nutzung von KI für diplomatische Verhandlungen gilt es, systematisch den Mehrwert dieser Systeme für den konkreten Anwendungsfall zu evaluieren. Wie zu Beginn dieser Studie beschrieben, bieten sich hierfür zwei Orien­tierungspunkte an: die Effizienz der Informations­verarbeitung und die Güte bzw. der strategische Wert der dadurch gewonnenen Einsichten.

Bausteine einer außenpolitischen Datenstrategie

4. Die Möglichkeiten der Nutzung von KI und ande­ren Methoden der Datenanalyse für Zwecke der Diplo­matie hängen ganz entscheidend davon ab, welche Daten zur Verfügung stehen. Sinnvoll und vorausschauend wäre es daher, im Sinne einer außen­politischen Datenstrategie gezielt und strukturiert Daten aus der diplomatischen Praxis zu sammeln und aufzubereiten, die sowohl in die nationale Zusammen­arbeit als auch in die strategische Kooperation mit internationalen Partnern, befreundeten Regierungen und den entsprechenden Arbeitseinheiten der VN eingebracht werden können.

5. Die entsprechenden Datenanalyse-Einheiten im AA und anderen Ministerien, die an internationalen Verhandlungen beteiligt sind, sollten dem Bedarf entsprechen. Um die Anschlussfähigkeit zwischen Exe­kutive und Legislative zu gewährleisten, gilt es außer­dem, auch in der Verwaltung des Bundestages ent­sprechende Expertise und Schnittstellen aufzubauen.

6. Das Feld, um das es hier geht, ist hochdynamisch, die Beteiligung an den Debatten in Wis­senschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft daher essen­ziell – etwa über das Knüpfen und die Insti­tution­alisierung entsprechender Netzwerke.33

Von Anfang an: Sicherheit, Datenschutz und menschliche Kontrolle

7. Je umfassender KI-Systeme in der Vorbereitung und Durchführung diplomatischer Verhandlungen ein­gesetzt werden, desto mehr gewinnt die Sicherheit dieser Systeme an Bedeutung. Sie ist daher von An­fang an mitzudenken (security by design), etwa wenn es um die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit von Dienstleistern aus der Privatwirtschaft geht. In jedem Fall gilt es zu vermeiden, dass hier problematische technologische Abhängigkeiten geschaffen werden.

8. Am 21. April 2021 hat die EU-Kommission ihre Vorschläge zur Regulierung der Nutzung von KI-Instrumenten veröffentlicht. Diese stehen im Rahmen der weltweit laufenden Erörterung ethischer Fragen des Einsatzes von KI. So sollen »unterschwellig« wir­kende Techniken zur Beeinflussung des mensch­lichen Verhaltens verboten, »Hochrisikotechniken« wie solche zur Gesichtserkennung strengen Trans­parenzgeboten unterworfen werden. Der – wirt­schaft­lich vermittelte – Einfluss der Europäischen Union bei der Setzung internationaler Normen und Standards ist so groß, dass sich die Regulierung der KI-Nutzung im EU-Raum auch global auswirken dürfte. Die Klärung von Aspekten der künftigen Brüs­seler Regelungen etwa zum Schutz von Persönlichkeitsrechten wird daher auch für Entscheidungen über den Einsatz von KI-Instrumenten in diplomatischen Verhandlungen relevant sein.

9. Politische Werturteile an ein KI-System zu dele­gieren wäre hingegen ein Fehler. Welche Ziele in einer Verhandlung zu verfolgen sind, welcher Preis für eine Einigung akzeptabel, welches Risiko vertret­bar ist – all dies sind Fragen, die gerade in demokratischen Gesellschaften von dafür legitimierten Per­sonen zu beantworten sind, nicht von einer Maschine. In diesem Sinne können KI-Systeme Diplomaten zwar nicht ersetzen – ihre Arbeit wohl aber in erheb­lichem Maße unterstützen.

Abkürzungsverzeichnis

AA

Auswärtiges Amt

AM

Außenminister

BK

Bundeskanzler

CAI

Comprehensive Agreement on Investment

CAPS

Centre d’analyse, de prévision et de stratégie

E3+3

Deutschland, Frankreich, Großbritannien + China, Russland, USA

EU

Europäische Union

GPT

Generative Pretrained Transformer

IMAP

Instability Monitoring & Analysis Platform

KI

Künstliche Intelligenz

ML

maschinelles Lernen

StS

Staatssekretär

VN

Vereinte Nationen

Lektürehinweise

Volker Stanzel (Hg.)

Die neue Wirklichkeit der Außenpolitik. Diplomatie im 21. Jahrhundert

Baden-Baden: Nomos, 2019

Volker Stanzel (ed.)

New Realities in Foreign Affairs:
Diplomacy in the 21st Century

Baden-Baden: Nomos, 2019

Endnoten

1

 Christer Jönsson/Martin Hall, Essence of Diplomacy, Basing­stoke: Palgrave Macmillan, 2005, S. 82; dies., »Communi­cation: An Essential Aspect of Diplomacy«, in: International Studies Perspectives, 4 (2003) 2, S. 195–210 (196). Andreas Wilhelm, »Diplomatie«, in: Carlo Masala/Frank Sauer/ Andreas Wilhelm (Hg.), Handbuch der Internationalen Politik, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010, S. 337–352.

2

 Sascha Lohmann, »Diplomaten und der Einsatz von Wirt­schaftssanktionen«, in: Volker Stanzel (Hg.), Die neue Wirklichkeit der Außenpolitik. Diplomatie im 21. Jahrhundert, Baden-Baden: Nomos, 2019, S. 23–33 (25).

3

 G. R. Berridge/Maurice Keens-Soper/T. G. Otte, Diplomatic Theory from Machiavelli to Kissinger, Basingstoke: Palgrave Mac­millan, 2001, S. 73ff. Hier eignen sich die Verhandlungen der E3+3 mit dem Iran als Beispiel: Die Verhandlungen begannen (zunächst nur zwischen den Europäern und dem Iran) im Schatten des Zweiten Golfkrieges; sie endeten vor­läufig durch das Eingreifen Präsident Barack Obamas, schei­terten dann vorläufig durch den Austritt der USA unter Prä­sident Donald Trump aus dem mit dem Iran ausgehandelten Abkommen und finden nun in einem erneut veränderten Umfeld wieder statt. Vgl. Brigid Starkey/Mark A. Boyer/ Jonathan Wilkenfeld, International Negotiation in a Complex World, Lanham, MD: Rowman & Littlefield, 2015 (New Millennium Books in International Studies), S. 27ff.

4

 Michael Barnett/Raymond Duvall, »Power in International Politics«, in: International Organization, 59 (2005) 1, S. 39–75.

5

 Marcel Merle, »International Negotiation: A Process Worthy of Reexamination«, in: Frances Mautner-Markhof (Hg.), Processes of International Negotiations, Boulder/San Francisco/London: Westview Press, 1989, S. 233–240 (235).

6

 Klaus Citron, »Experiences of a Negotiator at the Stock­holm Conference«, in: Mautner-Markhof (Hg.), Processes of International Negotiations [wie Fn. 5], S. 79–84. Vgl. auch Christer Jönsson, »Situation-Specific vs. Actor-Specific Approaches to International Bargaining«, in: European Journal of Political Research, 6 (1978) 4, S. 381–398; I. William Zart­man, The Negotiation Process, Beverly Hills/London: Sage, 1978.

7

 Starkey/Boyer/Wilkenfeld, International Negotiation in a Complex World [wie Fn. 3], S. 109; zur Rolle der Medien vgl. ebd., S. 108ff.

8

 Zur Bedeutung der »Reputation« von Verhandlern siehe Fred Charles Iklé, How Nations Negotiate, London: Harper & Row, 1964, Kap. 9.

9

 Yuval Noah Harari, Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen, 2. Aufl., München: C. H. Beck, 2018.

10

 Bernhard Schölkopf, »Causality for Machine Learning«, ArXiv.org (2019), <https://arxiv.org/abs/1911.10500> (ein­gesehen am 23.8.2021).

11

 Sarah Brayne, »Big Data Surveillance: The Case of Polic­ing«, in: American Sociological Review, 82 (2017) 5, S. 977–1008.

12

 Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918–1945, Serie B: 1925–1933, Bd. XIV–Bd. XVIII, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1980 (Bd. XV) und 1982 (Bde. XIV, XVI, XVII, XVIII).

13

 Die Darstellung folgt ausgewählten Akten, deren Inhalt knapp zusammengefasst wird. Die Bezugsdokumente sind anhand des jeweiligen Datums in der Fn. 12 genannten Aktensammlung auffindbar.

14

 »›Watson‹ weiß die Antwort«, in: Zeit Online, 17.2.2011, <https://www.zeit.de/digital/internet/supercomputer-watson-jeopardy> (eingesehen am 21.6.2021). Vgl. auch »AI Is Trans­forming the Coding of Computer Programs«, in: The Economist (online), 10.7.2021, <https://www.economist.com/science-and-technology/2021/07/07/ai-is-transforming-the-coding-of-computer-programs> (eingesehen am 21.6.2021).

15

 Christoph Kapalschinski, »KI-Texte: Ein deutsches Start-up will Open AI Konkurrenz machen«, in: Handelsblatt (on­line), 7.5.2021, <https://www.handelsblatt.com/unternehmen/ innovationweek/75-ideen/software-ki-texte-ein-deutsches-start-up-will-open-ai-konkurrenz-machen/27151832.html> (eingesehen am 21.6.2021).

16

 »Better Language Models and Their Implications«, OpenAI, 14.2.2019, <https://openai.com/blog/better-language-models/> (eingesehen am 21.6.2021).

17

 Zu den Möglichkeiten und methodischen Herausforde­rungen von KI-basierten Szenarien siehe auch Annegret Bendiek/Nadine Godehardt/David Schulze, Beyond hard science? Algorithmen und die SzenarioAnalyse digitaler geopolitischer Kon­flikte zwischen der EU und China. Thementagung der DVPW »Wie relevant ist die Politikwissenschaft?«, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Februar 2020 (Arbeitspapier Nr. 1 der SWP-Forschungsgruppe EU/Europa), <https://www.swp-berlin.org/publications/products/arbeitspapiere/AP_Bendiek_ Godehardt_Schulze_Beyond_hard_science.pdf> (eingesehen am 21.6.2021).

18

 Lars Brozus, »Vorausschau erleichtert die gezielte Vor­bereitung auf böse Überraschungen«, Berlin: Stiftung Wis­senschaft und Politik, 6.4.2020 (SWP Kurz gesagt), <https:// www.swp-berlin.org/en/publication/vorausschau-erleichtert-die-gezielte-vorbereitung-auf-boese-ueberraschungen> (ein­gesehen am 14.10.2021).

19

 Council of Europe, Convention on Cybercrime, 1.7.2004, <https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/ conventions/treaty/185> (eingesehen am 23.8.2021).

20

 Thomas Gehring/Christian Dorsch/Thomas Dörfler, »Precedent and Doctrine in Organisational Decision-making: The Power of Informal Institutional Rules in the United Nations Security Council’s Activities on Terrorism«, in: Jour­nal of International Relations and Development, 22 (2019) 1, S. 107–135.

21

 Samantha Power, The Education of an Idealist, London: William Collins, 2019, S. 416.

22

 Michael A. Bailey/Anton Strezhnev/Erik Voeten, »Estimating Dynamic State Preferences from United Nations Voting Data«, in: Journal of Conflict Resolution, 61 (2017) 2, S. 430–456; Samuel Brazys/Diana Panke, »Why Do States Change Positions in the United Nations General Assembly?«, in: International Political Science Review, 38 (2017) 1, S. 70–84.

23

 U.S. Department of State, »Voting Practices in the United Nations, 2019«, 21.5.2020, <https://www.state.gov/ voting-practices-in-the-united-nations-2019/> (eingesehen am 24.8.2021).

24

 Zum konkreten Vorgehen in diesem Fall siehe <https://bit.ly/SWP21S18Anhg>.

25

DiploFoundation, Mapping the Challenges and Opportunities of Artificial Intelligence for the Conduct of Diplomacy, Genf, 2019, <https://www.diplomacy.edu/sites/default/files/AI-diplo-report.pdf>; Corneliu Bjola, »Diplomacy in the Age of Arti­ficial Intelligence«, CSS Blog Network, 8.11.2019, <https:// isnblog.ethz.ch/technology/diplomacy-in-the-age-of-ai> (beide eingesehen am 18.11.2019).

26

 Ronja Kniep, »Another Layer of Opacity: How Spies Use AI and Why We Should Talk about It«, about:intel (online), 20.12.2019, <https://aboutintel.eu/how-spies-use-ai/> (ein­gesehen am 7.4.2020).

27

 Björn Müller, »Bundeswehr setzt auf Software: Die Krisen von Morgen erkennen«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), 4.7.2018, <http://www.faz.net/aktuell/ politik/inland/bundeswehr-die-krisen-von-morgen-erkennen-15670056.html> (eingesehen am 8.10.2018); Andrew Lohn, »What Chess Can Teach Us about the Future of AI and War«, War on the Rocks (online), 3.1.2020, <https://warontherocks. com/2020/01/what-chess-can-teach-us-about-the-future-of-ai-and-war/> (eingesehen am 4.2.2020); Mara Karlin, The Impli­cations of Artificial Intelligence for National Security Strategy (on­line), Washington, D.C.: Brookings Institution, 1.11.2018, <https://www.brookings.edu/research/the-implications-of-artificial-intelligence-for-national-security-strategy/> (ein­gesehen am 7.5.2019).

28

 Marco Seliger, »Vorher wissen, wo es knallt. Wie Deutschland versucht, sich besser für internationale Krisen zu wappnen«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), 15.2.2018, <https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ deutschland-wappnet-sich-fuer-krisenszenarien-15448882.html> (ein­gesehen am 13.10.2021).

29

 Iklé, How Nations Negotiate [wie Fn. 8], S. 2; vgl. auch Jönsson/Hall, Essence of Diplomacy [wie Fn. 1].

30

 Ira W. Zartman/Jeffrey Z. Rubin (Hg.), Power and Negotia­tion, Ann Arbor: University of Michigan Press, 2002, S. 13.

31

 Vgl. hierzu auch auch die Arbeiten von Bruce Bueno de Mesquita zur Verbindung von Spieltheorie und Daten­analyse für Zwecke der Prognose, zum Beispiel: Prediction. How to See and Shape the Future with Game Theory, London: Vintage Books, 2010.

32

 U.S. Department of State, »Instability Monitoring & Analysis Platform (IMAP). Bureau of Conflict and Stabilization Operations«, <https://www.state.gov/about-us-bureau-of-conflict-and-stabilization-operations/instability-monitoring-and-%20analysis-platform/> (eingesehen am 24.8.2021).

33

 Vgl. die Erfahrungen mit dem Beirat »Zivile Krisen­prävention und Friedensförderung«, <https://www. auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/krisen praevention/beirat-zivile-krisenpraevention-friedens foerderung/2163062> (eingesehen am 14.9.2021).

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus­zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet.

SWP-Studien unterliegen einem Verfahren der Begut­achtung durch Fachkolle­ginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review), sie werden zudem einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP-Website unter https:// www.swp-berlin.org/ueber-uns/qualitaetssicherung/.
SWP‑Studien geben die Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2021

SWP

Stiftung Wissenschaft und Politik

Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit

Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0
Fax +49 30 880 07-200
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org

ISSN (Print) 1611-6372

ISSN (Online) 2747-5115