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Russland und die Krise der nuklearen Rüstungskontrolle

Akteure, Interessen, Perspektiven

SWP-Studie 2020/S 12, 22.06.2020, 33 Seiten

doi:10.18449/2020S12

Forschungsgebiete

Dr. Moritz Pieper ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien.

  • Die amerikanisch-russische Rüstungskontrollarchitektur durchlebt eine schwere Krise. Allerdings hat die Erosion rüstungskontrollpolitischer Instrumente schon vor dem Ende des INF-Vertrags am 2. August 2019 eingesetzt.

  • New START, das letzte russisch-amerikanische Vertragswerk zur Redu­zierung strategischer Kernwaffen, droht am 5. Februar 2021 auszulaufen, wenn sich die Vertragspartner bis dahin nicht auf eine Verlängerung einigen. Fiele New START weg, stände einer neuen Welle nuklearer Auf­rüstung rechtlich nichts mehr im Wege.

  • Die russische Führung ist bestrebt, den New-START-Vertrag zu verlängern. Damit will sie eine strategische Balance zwischen den USA und Russland aufrechterhalten. Vor allem geht es ihr darum, den Fortbestand der russi­schen Zweitschlagkapazität zu sichern. Zugleich dienen Rüstungskontroll­gespräche als implizite Anerkennung eines russischen »Großmachtstatus«.

  • Die russische Selbstdarstellung als Bewahrer bestehender Rüstungs­kontrollverträge wird durch neue nichtstrategische Waffensysteme verkompliziert. Mit ihnen will Russland demonstrieren, dass es nach wie vor eine mögliche erweiterte US-Raketenabwehr überwinden kann.

  • Die Entfremdung zwischen Russland und westlichen Staaten hat sich seit 2014 beschleunigt und beeinträchtigt auch die Rüstungskontrolle. Eine Folge sind Ansätze rüstungstechnologischer Kooperation Russlands mit China.

  • Deutschland sollte sich weiterhin für die Verlängerung von New START und die Wiederaufnahme strategischer Gespräche mit Russland enga­gieren. Sie sind Voraussetzung für ein Folgeabkommen, das den Begriff »strategische Stabilität« erweitern und dabei sowohl nukleare Drittstaaten als auch neue technologische Möglichkeiten einbeziehen müsste.

Problemstellung und Empfehlungen

Nachdem der Vertrag über das Verbot landgestützter Mittelstreckenwaffen von 1987 (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty, INF) am 2. August 2019 endete, durchlebt die nukleare Rüstungskontrolle eine schwere Krise. Russland und die USA beschuldigen sich gegen­seitig des Vertragsbruchs, vermochten aber nicht, die Vorwürfe durch kooperative Verifikation zu entkräften. Zudem droht New START, das letzte russisch-amerikanische Vertragswerk zur Reduzierung strate­gischer Nuklearwaffen, am 5. Februar 2021 auszulaufen, wenn sich die Vertragspartner bis dahin nicht auf eine Verlängerung einigen. Fiele New START weg, stände nuklearer Aufrüstung rechtlich nichts mehr im Wege. Erschwerend kommt hinzu, dass beide Seiten Sprache und Annahmen außenpolitischer Dis­kurse verschärft und Schritte unternommen haben, um Atomwaffen einsetzbarer und zielgenauer zu machen. Darüber hinaus erfordern neue technologische Möglichkeiten zeitgemäße Definitionen »strate­gischer Stabilität« jenseits von Zählregeln für atomare Sprengköpfe.

In dieser Gemengelage hat Russland einige Vorschläge gemacht, mit denen es Auswege aus der Krise der nuklearen Rüstungskontrolle aufzeigen will. Das Ziel der vorliegenden Studie ist es, einen Beitrag zur besseren Einordnung dieser Vorschläge angesichts der russischen Rüstungskontrollpolitik zu leisten. Es lassen sich vier Triebkräfte für diese Politik identifizieren, welche die russischen Diskurse über Nuklearwaffen und die russischen Definitionen »strategischer Stabilität« wesentlich bestimmen.

Erstens möchte die russische Führung eine strategische Balance zwischen den USA und Russland auf­rechterhalten. Dies offenbart sich nicht zuletzt an dem seit Jahren schwelenden Streit über US-amerika­nische Raketenabwehrpläne als angebliche Bedrohung für die russische Zweitschlagkapazität. Rüstungs­kontrollverträge zwischen den beiden größten Atom­waffenstaaten legen der russischen Führung außer­dem recht­liche Zwänge und Verpflichtungen auf und werden deshalb von manchen verteidigungspolitischen Akteuren in Russland kritisch gesehen. Anderer­seits dienen sie als vertraglich gesicherter Anspruch auf eine wahrgenommene Ebenbürtigkeit mit den USA und somit als implizite Anerkennung eines russi­schen »Großmachtstatus«. Zweitens bewirken rüstungs­technologische und institutionelle Pfadabhängig­keiten, dass Nuklearwaffen strategisch aufgewertet werden, was sich neben einer umfassenden Modernisierung des Nuklearwaffenarsenals in der Entwicklung neuer Waffensysteme niederschlägt. Drittens hat der Kreml zugleich seine Bereitschaft geäußert, Rüs­tungskontrollgespräche zu führen, auch wenn Zweifel an der Ernsthaftigkeit mancher der russischen Forde­rungen und Angebote angebracht sind. Ein grundsätzlicher Dialog mit den USA dient jedoch nicht nur der An­erkennung eines politischen Status, sondern auch dem militärstrategischen Ziel, die russische Zweitschlagkapazität zu sichern. Viertens hat sich seit 2014 die Entfremdung zwischen Russland und west­lichen Re­gierungen beschleunigt und zieht auch die Rüstungskontrolle in Mitleidenschaft. Eine Folge davon war, dass Russland begann, rüstungstechnologisch mit China zu kooperieren. Damit will Moskau negative Auswirkungen einer potentiellen amerikanischen Nachrüstung im pazifisch-asiatischen Raum nach dem Ende des INF-Vertrags einhegen.

Festzuhalten ist, dass sich manche dieser Trieb­kräfte gegenseitig verstärken, während andere Teil­faktoren in Spannung zueinander stehen. Daraus erklärt sich die teils ambivalente Interessenlage Russ­lands, die hinter russischen Vorschlägen und Positio­nen in der derzeitigen Krise der nuklearen Rüstungskontrolle steht. Russlands Selbstdarstellung als Bewah­rer bestehender Rüstungskontrollverträge wird durch die Entwicklung neuer Waffensysteme verkompliziert, die nicht der »strategischen Triade« zugeordnet sind. Einerseits positioniert sich Russland hier für mögliche russisch-amerikanische Verhandlungen über die Einbeziehung neuer Technologien und könn­te hierfür einsetzbare Verhandlungsmasse aufbauen. Andererseits lässt die Entwicklung solcher Systeme bereits ahnen, wie schwierig sich eine Neudefinition »strategischer Stabilität« gestalten wird, falls New START wegbrechen sollte.

Auf globaler Ebene birgt ein solches politisches Patt in der russisch-amerikanischen Rüstungskontrolle die Gefahr, dass das Vertrauen in globale Rüstungs­kontroll- und Nichtverbreitungsregime verloren geht. Das wäre dann zu befürchten, wenn die zwei führen­den Nuklearmächte die im nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) angestrebte Abrüstung nach Arti­kel VI nicht mehr ernsthaft vorantreiben oder sogar Abrüstungsbemühungen aktiv untergraben. Das Ende des INF-Vertrags hat auch eine erneute Debatte über europäische Nachrüstung entfacht, desgleichen über die Notwendigkeit neuer Formate und Ansätze ver­trauensbildender Maßnahmen zwischen Russland und westlichen Regierungen bei der Rüstungskontrolle. Deutschland hat ein besonderes Interesse an nukle­arer Rüstungskontrolle, da nach wie vor amerikanische nichtstrategische Atomwaffen auf deutschem Boden gelagert werden, an deren Einsatzplanung Deutschland im Rahmen der nuklearen Teilhabe in der Nato mitwirkt. Deutschland und andere europäische Staaten sollten sich weiterhin dafür einsetzen, dass Russland und die USA den New-START-Vertrag verlängern. Hierdurch würde Zeit gewonnen, um in den nächsten fünf Jahren eine modifizierte Version oder einen Folgevertrag auszuhandeln. Deutschlands Rolle darf sich aber nicht darauf beschränken, die Fortsetzung von Gesprächen im russisch-amerikani­schen »Strategic Dialogue« einzufordern. Flankierende Initiativen wären darüber hinaus wichtig, um dem Eindruck einer deutschen Sprachlosigkeit angesichts sich verschiebender transatlantischer Beziehungen und des schwierigen Umgangs mit einem ambivalenten Russland entgegenzutreten.

Die Krise in der US-russischen Rüstungskontrollarchitektur als globale Herausforderung

Am 2. August 2019 lief die sechsmonatige Frist ab, welche die US-Regierung am 2. Februar 2019 für die Kündigung des Vertrags über das Verbot landgestützter Mittelstreckenwaffen (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty, INF) ausgerufen hatte. Damit endete ein Vertragswerk, das seit 1987 zwischen den USA und der Sowjetunion bestanden und den Einsatz landgestützter nuklearer Mittelstreckenwaffen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5 500 Kilometern verboten hatte. Seit 2014 hatte die US-Regierung Russ­land beschuldigt, den INF-Vertrag durch die Entwicklung und Testflüge eines nach Vertragsbestimmungen verbotenen Marschflugkörpers zu brechen. Diese Waffe könne sowohl konventionelle als auch nukle­are Sprengköpfe tragen und jedes EU-Mitgliedsland mit Ausnahme Portugals erreichen. Eine Befassung mit den Vorwürfen in der Special Verification Com­mis­sion (SVC) im November 2016, der im Vertrag vorgesehenen Streitschlichtungskommission, brachte keine Einigung.1 Ende 2017 konkretisierte die US-Regierung ihren Vorwurf, indem sie den Marschflugkörper (9M729 nach russischer, SSC-8 nach Nato-Klassifizierung) und den Hersteller (Novator) nann­te sowie präzisierte, dass die Waffe in Kapustin Jar (in der Oblast Astrachan) und in der Nähe von Jekate­rinburg stationiert sei. Auch eine erneute Befassung der SVC im Dezember 2017 half nicht, die Anschuldigung zu entkräften. In ihrem Kommuniqué vom Juli 2018 äußerte die Nato Zweifel an der russischen Dar­stellung, Moskau entwickle oder teste keine Waffensysteme, die den INF-Vertrag verletzten.2 Die Ein­schätzung, dass Russland Raketen erprobt und statio­niert habe, die nicht INF-konform seien, wurde dann auf dem Nato-Gipfel im Dezember 2018 schließlich offiziell von allen Mitgliedstaaten des Bündnisses mit­getragen.3

Russland zeigte sich zunächst wenig geneigt, die im Raum stehenden Vorhaltungen zu widerlegen, und gab die Existenz von 9M729 erst zu, nachdem die USA sie offengelegt hatten. Moskau wehrte sich aber gegen die Behauptung, der Marschflugkörper habe eine gemäß INF-Vertrag verbotene Reichweite. Die Glaubwürdigkeit der Verlautbarungen Russlands litt jedoch an dessen mangelnder Bereitschaft, eine öffent­lichkeitswirksame, evidenzbasierte Überprüfung zu ermöglichen. Moskau hatte seit 2014 seinerseits Vor­würfe gegenüber den USA erhoben. Kritisiert wurde, der Einsatz früherer ballistischer Mittelstreckenraketen zur Erprobung der US-Raketenabwehr sei nicht vertragskonform,4 amerikanische Drohnen fielen unter die Definition landgestützter Marschflugkörper5 und die USA hätten den INF-Vertrag gebrochen, indem sie eine landgestützte vertikale Abschussvorrichtung (Mk 41) verwendeten. Die Stationierung solcher Vor­richtungen in Rumänien und die Pläne für ein ähn­liches Raketenabwehrsystem in Polen seien vertragswidrig, denn diese Systeme seien auch zum Abschuss von Marschflugkörpern geeignet.6

Diese Ausgangslage verschärfte sich, nachdem Donald Trump Anfang 2017 sein Amt als Präsident der USA angetreten hatte. So vollzog die Trump-Administration im Oktober 2018 eine Kehrtwende und gab bekannt, dass die USA den INF-Vertrag auf­kündigen würden. Zuvor hatte sie noch erklärt, dass die Vertragsverletzungsvorwürfe in der Special Veri­fication Commission aufgearbeitet werden sollten.7 Zuletzt war aber keine Seite mehr bereit, nennenswertes politisches Kapital zur Rettung des INF-Ver­trags zu investieren.8

Moskau sieht die Schuld für diese Entwicklung bei Washington. Der obstruktive Diskurs Trumps und der US-amerikanische Rückzug aus anderen internatio­nalen Vereinbarungen wie dem Atomabkommen mit Iran (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) vom Juli 2015 geben dem russischen Narrativ, Moskau tue alles zur Rettung der globalen Rüstungskontrollarchitektur, starken Aufwind. Das Ausscheiden der US-Regierung aus dem Vertrag über den Offenen Himmel, das im Mai 2020 verkündet wurde, befeuert die Krise in der Rüstungskontrollpolitik zusätzlich. Dieser Ver­trag war 1992 ins Leben gerufen worden, um trans­parenzschaffende Überflugrechte im Luftraum aller 34 Vertragsstaaten zu kodifizieren.9 Zwar haben erst russische Einschränkungen der vertraglich zugesicherten Überflugrechte eine Debatte über Implementierungsmängel ausgelöst, aber ein Austritt der USA aus einem weiteren Rüstungskontrollvertrag passt in das von Moskau evozierte Bild einer destruktiven US-Politik.10 Washington zerstöre mutwillig die globale Rüstungskontrollarchitektur und ignoriere konstruktive russische Vorschläge, deren schleichende Erosion aufzuhalten, so der Tenor in Moskau.11 Mit fingierten Vorwürfen hätten die USA perspektivisch auf das Ende des INF-Vertrags hingearbeitet und eine Propa­gandakampagne gegen angebliche russische Verletzungen des Vertrags gestartet.12

Russlands Position als langjähriger Skeptiker des INF-Vertrags ist nun ins Gegenteil verkehrt.

In der Vergangenheit aber war es Russland, das angesichts des Aufbaus der US-Raketenabwehr in Europa bereits mit einem Ausstieg aus diesem Vertrag gedroht und ihn als unzureichend kritisiert hatte (siehe Abschnitt »Kehrtwende bei einer Multilateralisierung des INF-Vertrags«, S. 22). Russlands Position als langjähriger Skeptiker des INF-Vertrags ist nun ins Gegenteil verkehrt. Nach dem Rückzug der USA stellt sich Russland als Verfechter und Verteidiger bestehender Rüstungskontrollverträge dar.13 Das ist insofern als taktische Neupositionierung zu werten, als Moskaus außenpolitische Doktrin aus dem Jahr 2016 schon keine Referenzen zum INF-Vertrag mehr enthielt. In der Version aus dem Jahre 2013 hatte Russland in Absatz 32 c) noch seinen Willen bekräf­tigt, die Verpflichtungen aus dem zwischen den USA und der UdSSR geschlossenen INF-Vertrag zu univer­salisieren. Nun fordern die USA eine Multilateralisierung amerikanisch-russischer Rüstungskontrollverträge (gemeint ist vor allem die Einbeziehung Chinas), was Russland aber als vorerst nicht realistisch ablehnt.

Diese Kehrtwende wird im zweiten Teil der Studie näher beleuchtet. Die Krise der nuklearen Rüstungskontrolle beschränkt sich aber nicht auf gegenseitige Vorwürfe, Rüstungskontrollverträge zu unterminieren. Sie wird verschärft durch unterschiedliche Les­arten offiziell deklarierter Nukleareinsatzpolitiken. Besonders taktische Nuklearwaffen stehen im Fokus der russischen Abschreckungsstrategie.14 Zugleich offenbart dieser Terminus ein definitorisches Problem: Nato-Mitgliedstaaten und Russland haben sich nicht darauf festgelegt, dass Nuklearwaffen, die nicht auf Interkontinentalraketen, seegestützte Raketen (Sub­marine-Launched Ballistic Missile, SLBM) oder schwere Bomber montiert werden, als taktische Nuklearwaffen zu werten sind.15 Eine Reduzierung solcher Systeme dürfte für Russland angesichts der überlegenen ame­rikanischen konventionellen Kapazitäten nur dann eine Option sein, wenn gleichzeitig auch die Verrin­gerung konventioneller Rüstung vertraglich geregelt wird. Russland hält Nuklearsprengköpfe nicht nur zur Bestückung bodengestützter Kurzstreckenraketen und konventionell wie auch nuklear einsetzbarer Kampfflugzeuge (Dual Use Combat Aircraft, DCA) bereit, sondern ebenso zur Luft- und Seeverteidigung. Dies war für Russland eine Form, seine Unterlegenheit bei den konventionellen Streitkräften zu kom­pensieren.16

Zurückgewiesen wird in Russland allerdings die Lesart, dass Moskau als Kompensationsmechanismus und aufgrund des eigenen quantitativen Vorteils bei »nichtstrategischen« Nuklearwaffen einen potentiellen Nuklearwaffeneinsatz in seinen Sicherheitskonzepten aufwerte. Im Ausland ließ noch die Formulierung in der russischen Militärdoktrin aus dem Jahre 2000 aufhorchen, Russland behalte sich grundsätzlich den Einsatz von Nuklearwaffen vor, wenn die Situa­tion »kritisch« für die nationale Sicherheit der Russi­schen Föderation würde.17 Diese Formulierung wurde im Jahre 2010 dahingehend geändert, dass der Einsatz von Kernwaffen nur eine Option angesichts einer »bedrohlichen« Situation sei.18 In der überarbeiteten Militärdoktrin aus dem Jahre 2014 hingegen ist von »nichtnuklearer Abschreckung« die Rede, und der Einsatz von Nuklearwaffen wird nur noch in Betracht gezogen, wenn die Existenz des Staates als bedroht erachtet würde.19 Diese Sprache spiegelt auch ein erstarkendes Vertrauen in den konventionellen Rüs­tungsbereich wider, der vor 2014 als reformbedürftig galt.20 Russland verfolgt, ebenso wie die USA, eine Politik des Verzichts auf den nuklearen Erstschlag, denn beide Seiten besitzen überlebensfähige Nuklear­waffen (Triade), so dass sie auf einen Erstschlag mit einem ebenfalls vernichtenden Gegenschlag (Zweitschlag) antworten können.21 Anfang Juni 2020 machte der Kreml mit seinem »Dekret Nr. 355« zum ersten Mal die Grundlagen seiner nuklearen Abschreckungs­politik öffentlich.22 Darin unternimmt Moskau den Versuch, Transparenz zur nuklearen Einsatzplanung Russlands zu schaffen. In Absatz 17 unterstreicht die russische Führung die oben genannten Bedingungen für den Einsatz von Kernwaffen. In Absatz 19 wird eine Auflistung von Ereignissen hinzugefügt, die letz­teren rechtfertigen würden. Dazu zählen der Angriff auf russisches Territorium mit ballistischen Raketen oder auf Russlands nukleare Infrastruktur sowie nichtnukleare militärische Objekte und kritische (zivile) Infrastruktur. Der Einsatz strategischer Kern­waffen (taktische Nuklearwaffen werden nicht er­wähnt) wird grundsätzlich nicht nur als Reaktion auf einen nuklearen Erstschlag, sondern auch als Antwort auf konventionelle Angriffe erwogen.

Ein »escalate to de-escalate«-Ansatz lässt sich jedoch in Russlands Militärdoktrin und seiner nuklearen Einsatzpolitik nicht erkennen.23 Aus Sicht der US-Regierung verfolge Russland einen solchen Ansatz, mit dem es den möglichen Einsatz kleiner Nuklearsprengköpfe zur Abschreckung erwäge, um eine Eskalationsdominanz in regionalen Konflikten mit der Nato zu erzwingen.24 Die Schlussfolgerung, die Washington in der US Nuclear Posture Review aus dem Jahre 2018 zieht, lautet, dass die durch Moskaus Ansatz gefährdete Eskalationsdominanz wiederherzustellen sei: Die Trump-Administration beabsichtigt, das nukleare Dispositiv zu flexibilisieren, und erzeugt die Illusion, eine militärische Auseinandersetzung mit treffsicheren Nukleargefechtsköpfen geringer Sprengkraft (mini nukes) sei führbar.25 Allerdings erschwert es eine solche Annahme, zwischen strategi­schen und substrategischen Systemen zu unterscheiden, und könnte die »Nuklearschwelle« senken. Sie könnte also genau das bewirken, wessen die russische Führung bezichtigt wird.26

Wird New START nicht verlängert, bricht das letzte Vertragswerk zur Limitierung strategischer Kernwaffen weg.

Eine derartige Gefahrenwahrnehmung, die in Strategiepapieren festgeschrieben ist, engt politische Optionen ein und beeinträchtigt auch den rüstungskontrollpolitischen Dialog.27 Nach dem Ende des INF-Vertrags stellt sich daher die Frage, ob die USA und Russland in der Lage sind, angesichts aus ihrer Per­spektive gewachsener Bedrohungen politisches Kapi­tal in die Verlängerung des noch bestehenden Ver­trags zur Begrenzung strategischer Nuklearwaffen (New START) zu investieren.28 Dieser Vertrag begrenzt die Anzahl der auf strategischen Trägersystemen sta­tionierten Sprengköpfe sowie diejenige aktiver Inter­kontinentalraketen und strategischer Bomber. Die US-Administration hat erkennen lassen, dass sie den Vertrag auslaufen lassen werde, sollte er sich nicht um weitere nukleare Besitzstaaten, allen voran China, erweitern lassen.29 Wird New START nicht verlängert, bricht das letzte Vertragswerk zur Limitierung strate­gischer Nuklearwaffen weg.

Weitreichender noch als denkbare militärische sind jedoch die politischen Implikationen. Die schlei­chende Erosion der globalen rüstungskontrollpolitischen Architektur stellt die zehnte Konferenz zur Überprüfung des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (NVV), die aufgrund der Corona-Pandemie auf das Jahr 2021 verschoben wurde, unter schwierige Vorzeichen. Der Vorwurf seitens vieler Nichtkern­waffenstaaten, Kernwaffenstaaten kämen ihrer Ver­pflichtung zur nuklearen Abrüstung nach Artikel VI des NVV nicht mehr nach, führte bereits 2005 und zuletzt 2015 zum Misserfolg der Überprüfungskonferenz. Liefe New START noch vor der nächsten NVV-Überprüfungskonferenz aus, wäre diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt. Hinzu kommt, dass neue technologische Möglichkeiten entwickelt wurden, etwa in den Bereichen letale autonome Waffensysteme, Cyberkriegsführung und Militarisierung des Weltalls, und dass einige Systeme rechtlich bisher nicht erfasst wurden. Bei diesen handelt es sich um substrategische Nuklearwaffen, konventionelle Waffen mit strategischer Wirkung sowie see- und luftgestützte Mittelstreckenraketen. Aus diesen Gründen sind neue Ansätze in der Rüs­tungskontrolle dringlicher denn je, um zukünftige qualitative Rüstungswettläufe zu verhindern.

Triebkräfte der russischen Rüstungskontrollpolitik

Inwiefern außenpolitische Konzepte und Militär­doktrinen tatsächlich als Richtschnur für nuklear­politische Planung fungieren, muss im Kontext der strukturellen Triebkräfte der jeweiligen Rüstungs­kontrollpolitik bewertet werden. Das ist umso wich­tiger, als der Zugang zum Analysegegenstand durch militärpolitische Geheimhaltungsgrade und oft intransparente Entscheidungsfindungsprozesse er­schwert wird. Vor dem Hintergrund eines solchen Informationsmangels muss letztlich politisch bewertet werden, inwieweit sich verschiedene technische Vorschläge in der Rüstungskontrolle verwirklichen lassen. Hier wird daher der Versuch unternommen, mit Hilfe einer Darstellung des Kontextes russischer Diskurse zur Rüstungskontrolle die Handlungslogiken russischer Akteure nachvollziehbarer zu machen. Hierfür werden zunächst wesentliche Triebkräfte russischer Außenpolitik identifiziert. Sie bilden den Rahmen, der politische Gestaltungsräume kondi­tioniert.30

Bedrohungswahrnehmungen

Im Jahr 2007 hatte Präsident Putin vorgeschlagen, Russland solle gemeinsam mit der Nato ein Raketenabwehrsystem errichten.31 Damit stützte er sich auf Versuche der Nato seit 2002, ein Interoperabilitäts­potential mit Russland bei der Raketenabwehr aus­zuloten.32 Diese Absicht wurde aber von der politischen Realität eingeholt, nachdem die US-Regierung unter George W. Bush mit Planungen begonnen hatte, Raketenabwehrsysteme auf Grundlage bilateraler Absprachen in Polen und Tschechien zu stationieren.33 Im Jahr 2002 hatte Russland noch zurück­haltend auf den amerikanischen Ausstieg aus dem ABM-Vertrag reagiert, der eine umfassende territo­riale Raketenabwehr verboten hatte. Nun jedoch begann Moskau, deutlich seinen Unmut über die amerikanischen Stationierungspläne zu äußern.34 Eine »strategische« Raketenverteidigung war durch den ABM-Vertrag eng begrenzt worden, um die Zweit­schlagfähigkeit Russlands nicht zu unterminieren. Diese sah Moskau durch den geplanten Aufbau einer US-amerikanischen Raketenabwehr in Europa nun bedroht.35 Russland befürchtete, die USA könnten ihre strategische Erstschlagoption stärken, da der stra­tegische Gegenschlag durch eine erweiterte Raketenverteidigung möglicherweise abgewehrt werden könnte. Statt eines solchen Systems, so Putins Vor­schlag, könne das Radarsystem in Gabala in Aserbaidschan modernisiert und mit einem weiteren, geo­grafisch näher zu bestimmenden Radarsystem unter die Kontrolle des Nato-Russland-Rates gestellt und mit Frühwarnzentren in Moskau und Brüssel verbunden werden. So solle die Stationierung amerikanischer Raketenabwehrsysteme in Europa obsolet werden.36

Präsident Medwedew schlug hierauf aufbauend vor, ein integriertes europäisches Abwehrsystem mit einer gemeinsamen Kommandostruktur einzuführen. Außerdem könne, so eine weitere Idee, der euro-atlantische Raum in zwei Sektoren aufgeteilt werden, für den dann jeweils die Nato und Russland zuständig seien. Das hätte bedeutet, zwei nebeneinander ope­rierende Raketenabwehrsysteme unter einer gemein­samen Koordination zu schaffen. Innerhalb der Nato stieß dies auf keine Gegenliebe.37 Die Ablehnung vor allem durch die osteuropäischen Nato-Partner rührte daher, dass nach Moskaus Vorstellung Osteuropas Territorium durch die russische Raketenabwehr ge­schützt werden sollte.

Diese Vorschläge waren ein Versuch, die wahr­genommene Bedrohung mit Angeboten einer Ko­operation bei der Raketenabwehr zu reduzieren. Die Glaubwürdigkeit solcher russischer Ansinnen litt aber nicht zuletzt deshalb, weil Moskau Gegenmaßnahmen für den Fall in den Raum stellte, dass die US-Regierung die öffentlich geäußerten Bedenken nicht beachteten: So kündigte Präsident Dmitri Medwedew an, Kurzstreckenraketen vom Typ Iskander in der Oblast Kaliningrad zu stationieren. Dies war möglich, da Nuklearwaffen substrategischer Reichweite (also unter 500 Kilometer) im INF-Vertrag nicht berücksichtigt waren.38

Russland drohte gar mit einem Ausstieg aus dem INF-Abkommen.39 Dieser Streit konnte erst beigelegt werden, nachdem der amerikanische Verzicht auf die Pläne einer Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Polen und Tschechien mit einem Entgegenkommen Russlands in der Frage von Iransanktionen im VN-Sicherheitsrat verbunden wurde. Präsident Obama verwarf 2009 schließlich diesen Plan der Sta­tio­nierung auf Basis bilateraler Abkommen und machte sich dafür stark, ein mehrstufiges see- und land­gestütztes Raketenabwehrsystem für Europa zu ent­wickeln. Dieser European Phased Adaptive Approach (EPAA) wurde auf dem Nato-Gipfel 2010 in Lissabon offiziell angenommen.40 Auf dem Gipfel betonte die Allianz ihre Bereitschaft, gemeinsam mit Russland auszuloten, ob und inwieweit sich existierende und geplante Raketenabwehrsysteme der Nato mit denen Russlands verknüpfen ließen.41 Auch diese Entwicklung aber konnte die russischen Befürchtungen nicht entkräften, ein gegen russische Sicherheitsinteressen gerichtetes Offensivprogramm könne künftig unter dem Deckmantel eines Nato-Raketenabwehrsystems vorangetrieben werden. Die Stationierung von Mk-41-Startsystemen (Aegis ashore) in Rumänien (und geplant ab 2021 in Polen) stieß in Moskau daher auf deut­lichen Widerspruch.

Nach dem Ende des INF-Vertrags gibt es keine rechtliche Beschränkung mehr, welche die Stationierung von bodengestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörpern mit Reichweiten zwischen 500 und 5 500 Kilometern unterbinden könnte. Dass der Vertrag ausgelaufen ist, birgt damit Konfliktpotential über die US-russischen Rüstungskontrollkanäle hin­aus, denn es hat die Frage neu aufgeworfen, ob der Nato-Doppelbeschluss von 1979 reversibel ist. Eine massive Stationierung russischer Mittelstreckensyste­me in Europa hätte Auswirkungen auf den Nato-Konsens, keine neuen landgestützten nuklearen Mittel­streckenraketen in Europa dislozieren zu wollen.42 Damit ist nun eine neue Situation der Unsicherheit geschaffen, denn einer Abschreckungslogik folgend dienen russische taktische Nuklear­waffen nun erst recht als Instrument, um strategische Stabilität in einer Welt nach dem INF-Vertrag her­zustellen.

Russische Offizielle rechtfertigen die Entwicklung neuer substrategischer Nuklearwaffen darüber hinaus mit dem US-amerikanischen Prompt-Global-Strike-System, da es mit seiner Fähigkeit zu schnellen kon­ventionellen Schlägen globaler Reichweite die russi­sche Zweitschlagfähigkeit in Frage stelle.43 Hinzu kommt die quantitative Überlegenheit US-amerikani­scher Flugzeugträger und Marschflugkörper sowie die Entwicklung letaler autonomer Waffensysteme und von Raketenabwehrsystemen im Weltall.44 Die entstehende Asymmetrie wird als Ungleichgewicht interpretiert und erklärt Russlands Streben, eine »strategische Balance« zwischen den beiden Ländern aufrechtzuerhalten. Es durchdringt den russischen außenpolitischen Diskurs und ist eine wesentliche Triebkraft der Nuklearwaffenpolitik Russlands, die als Garant für dessen Ebenbürtigkeit mit den USA gesehen wird.

Rüstungstechnologische und institutionelle Pfadabhängigkeiten

Es ist davon auszugehen, dass die für 2020 erwartete neue russische Militärdoktrin ein verändertes Streit­kräftedispositiv berücksichtigen, dass aber die Rolle von Nuklearwaffen sich konzeptionell nicht wesentlich wandeln wird.45 Dafür spricht schon die Tat­sache, dass den Nuklearwaffen in Russlands Verteidigungsplanung bis 2025, dem auf zehn Jahre angelegten staatlichen Rüstungsprogramm (Gosprogramm wooruschenii, GPV), weiterhin hohe Priorität ein­geräumt wird und Russland sein Kernwaffenarsenal aus Sowjetzeiten derzeit umfassend modernisiert.46 Dies erfasst die gesamte nukleare Triade, aber vor allem die strategischen Raketenkräfte (RVSN) und nukleare Marinefähigkeiten: Neben einer umfassenden Modernisierung konventioneller technischer Ausrüstung werden die strategischen Raketentruppen mit dem neuen Awangard- und dem Yars-System aus­gestattet, die Marine mit nukleargetriebenen U-Booten der Borei-A-Klasse sowie Bulava-Interkontinental­raketen.47 Nicht nur werden veraltete Systeme moder­nisiert, die russische Rüstungsindustrie entwickelt auch neue wie die Sarmat-Interkontinentalrakete, die ab 2021 das ältere SS-18-Modell ersetzen soll,48 und den Hyperschall-Gleitflugkörper Awangard, der sowohl konventionelle als auch nukleare Spreng­köpfe tragen kann.

Awangard wie auch Sarmat wurden von Präsident Putin am 1. März 2018 bei seiner Rede vor der Föderal­versammlung vorgestellt und als »Garant für die Sicherheit Russlands auf mehrere Jahrzehnte hinaus« gepriesen.49 Im Dezember 2019 verkündete Verteidigungsminister Sergei Schoigu, dass die Awangard in der Oblast Orenburg in Betrieb genommen worden sei. Awangard und Sarmat sowie das neue nuklear­getriebene U-Boot der Borei-A-Klasse und eine Neu­auflage des Tu-160M2-Schwerbombers könnten 2021 in die Massenproduktion gehen und anschließend den Streitkräften zur Verfügung gestellt werden. Über diese strategischen Waffen hinaus entwickelt das russische Militär substrategische Kernwaffen wie den nukleargetriebenen Marschflugkörper Burewestnik und den ebenfalls nukleargetriebenen Langstreckentorpedo Poseidon.50

In Teilen mag sich diese Tendenz mit einer gewissen Pfadabhängigkeit der Verteidigungs- und Rüs­tungs­beschaffungsindustrie erklären lassen. Dort mag die Produktion eher auf der Grundlage materieller Fähig­keiten gerechtfertigt statt mit strategischen Ziel­setzungen begründet werden.51 2018 belief sich der russische Verteidigungshaushalt laut Angaben des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) auf 61,4 Milliarden US-Dollar.52 Allerdings ergeben sich aus Rechenmethoden auf der Basis von Kaufkraftparität weitaus höhere Schätzungen von etwa 150 Milliarden US-Dollar.53 Operative Aspekte der Instandhaltung und Modernisierung nuklearer Sprengköpfe obliegen dem 12. Hauptdirektorat des russischen Verteidigungsministeriums, das mit Betreiberfirmen kooperiert und für die Planung der Bedarfe verantwortlich zeichnet.54 Hier mögen kom­merzielle Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Zudem bestehen Überschneidungen zwischen Vorständen von Rüstungskonzernen, der Präsidialadministration und den Sicherheitsorganen, was die Einfluss­möglichkeiten militärisch-industrieller Partikular­interessen steigert.55

Russlands neue Nuklearwaffen, vorgestellt im März 2018a

Awangard: Hyperschallgleitflugkörper, der auf eine SS-19-Interkontinental­rakete montiert werden kann, selbst aber keiner ballistischen Flugbahn nach Wiedereintritt in die Atmosphäre folgt und dadurch vermutlich Raketenabwehrsysteme umgehen kann. Fällt laut russischen An­gaben unter New-START-Klassifizierung als strategisches Offensivsystem. Wurde im Dezember 2019 in Dienst gestellt.

Sarmat (SS-29, RS-28): Interkontinentalrakete, welche die SS-18 ersetzen und 2021 in Dienst gestellt werden soll. Flugtests sollen 2020 beginnen. Fällt laut russischen Angaben unter New-START-Klassifizierung als strategisches Offensivsystem.

Burewestnik (SSC-X-9 Skyfall, 9M730): Nukleargetriebener Marschflugkörper, der seit 2016 getestet wird, mit bis­her mangelhaften Ergebnissen. Ein gescheiterter Test im August 2019 führte vermutlich zu einer Explosion und dem Tod von fünf Wissenschaftlern und zwei Soldaten bei Nenoksa in Nordwestrussland.

Kinshal (Kh-47M2): Luftgestützte Langstreckenrakete mit einer angegebenen Reichweite von 2 000 bis 3 000 Kilo­metern. Vermutlich im südlichen Militärdistrikt seit Dezember 2017 getestet, während einer Flugschau im August 2019 das erste Mal öffentlich zur Schau gestellt.

Poseidon (Status-6): Nukleargetriebener Langstrecken­torpedo, der aus großer Tiefe (1 000 Meter) zum Angriff auf Hafenstädte und Küstengebiete eingesetzt werden könnte. Noch in der Entwicklungsphase, Test­phase könn­te 2020 beginnen, Mehrwert und Produktions­zweck unklar.

a Kristensen/Korda, »Russian Nuclear Forces, 2019« [wie Fn. 48].

Dennoch ist die strategische Ausrichtung der Außenpolitik in Russland weitgehend Prärogative des Präsidenten und der ihm zur Verfügung stehenden Präsidialadministration. Die Vorstellung, Außen­politik sei das Ergebnis von Aushandlungsprozessen verschiedener bürokratischer Akteure mit eigenen strategischen Subkulturen,56 wird im russischen

Neue Varianz im innerrussischen Diskurs

Über die Zukunft nuklearer Rüstungskontrolle ist neben den Positionierungen der höchsten politischen Ebene ein Richtungs­streit in der innerrussischen Expertencommunity entbrannt.

»Traditionalisten« wie die langjährigen Rüstungskontroll­experten Alexei Arbatow und Sergei Rogow befürworten es, bestehende Rüstungskontrollverträge zu bewahren. Sie argu­mentieren, aus Gründen der strategischen Stabilität müsse Russland alles daransetzen, den New-START-Vertrag zu ver­längern und zu erhalten.a

Arbatow, ehemaliger Delegationsteilnehmer bei den START-Ver­handlungen, hält es für möglich, China in zukünftige tri­laterale Rüstungskontrollverträge einzubeziehen. Allerdings müsse die russisch-amerikanische Rüstungskontrolle als Grund­lage fortgeschrieben werden. Erst dann sei ein neues Vertragswerk denkbar, das einen Mix aus ehemals INF-erfassten Träger­systemen, strategischen Nuklearwaffen und neuen Waffen­systemen erlaube (»integrierter INF-START-Vertrag«).b Rogow schlägt vor, China könne neben der US-russischen Rüstungskontrollebene parallele nukleare Rüstungskontrollverträge mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich aushandeln. Dies soll bestehende Asymmetrien in den Nukleardispositiven widerspiegeln.c

Sergei Karaganow und Dmitri Suslow vertreten dem gegenüber eine »revisionistische« Sichtweise: Die bestehende Rüs­tungskontrollarchitektur sei inadäquat, Arbatow und Rogow hingen einer überholten Rüstungskontrolllogik der 1960er Jahre an.d In ihrem Bericht vom September 2019 fordern Kara­ganow und Suslow daher einen neuen Ansatz, eine »multi­laterale strategische Stabilität«. Diese schlösse neue techno­logische Fähigkeiten in nichtnuklearen Bereichen der Kriegs­führung ein, besonders kosmische Raketenabwehr, Laser- und Cyberwaffen, und berücksichtige nukleare Drittstaaten, vor allem China. Weiter argumentieren sie, die Inbetriebnahme neuester Waffen erlaube es Russland, an einem neuen Wett­rüsten nicht teilnehmen und keine Mittel zum Erhalt einer quantitativen Parität mit den USA mehr bereitstellen zu müssen.e Der Bericht stieß auf ein breites internationales Echo, auch da er mit Unterstützung des russischen Außenministe­riums und des Ausschusses für internationale Angelegenheiten der russischen Staatsduma veröffentlicht wurde.

Die wirklich wichtigen Fragen seien nicht mehr jene der Raketenträgertechnologie und der numerischen Parität, betont

auch Andrei Kortunow, Direktor des Russian International Affairs Council. Die Welt stehe an der Schwelle eines sehr langen Prozesses der Entwicklung neuer Ansätze in der Rüs­tungskontrolle, die nichtnukleare strategische Offensivwaffen mitdenken müsse.f

Skeptiker gegenüber der Rüstungskontrolle finden sich vor allem im russischen Verteidigungsministerium. Doch auch einige staatsnahe Akademiker vertreten die Auffassung, nukle­are Rüstungskontrolle mit intrusiven Vor-Ort-Inspektionen, Verifikationsregimen und vertraglichen Abrüstungsbestimmun­gen gefährde die russische Sicherheit eher, statt sie zu fördern.

a Sergey Rogov, »Can the U.S. and Russia Find a Path Forward on Arms Control?«, in: Foreign Affairs (online), 22.5.2018, <https://www.foreignaffairs.com/articles/russian-federation/2018-05-22/can-us-and-russia-find-path-forward-arms-control> (Zugriff am 24.2.2020); Alexey Arbatov, A New Era of Arms Control: Myths, Realities and Options, Moskau: Carnegie Moscow Center, 24.10.2019.

b Arbatov, »Trilateral Nuclear Arms Control« [wie Fn. 8], S. 58–61.

c Sergei Rogov im Interview mit Jurij Solomonov, »›Holod­naja vojna 2.0‹ uzhe idet« [Der Kalte Krieg 2.0 ist bereits im Gange], in: Nesavissimaja Gaseta (online), 21.10.2019, <http:// www.ng.ru/stsenarii/2019-10-21/9_7707_coldwar.html> (Zugriff am 10.3.2020).

dAutoreninterview mit Dmitri Suslow, Moskau, 13.2.2020.

e Sergei Karaganov/Dmitrii Suslov, »Novoe ponimanie i puti ukreplenija mnogostoronnej strategičeskoj stabil’nosti« [Neues Verständnis und Möglichkeiten zur Stärkung der multilateralen strategischen Stabilität], Moskau: Council for Foreign and Defence Policy (SVOP), September 2019, <http:// svop.ru/wp-content/uploads/2019/09/REPORT_Rus_1.pdf> (Zugriff am 26.2.2020); siehe auch die Kurzversion »Sderži­vanie v novuju epochu« [Abschreckung in einer neuen Epoche], in: Russia in Global Affairs (online), 12.9.2019, <https://globalaffairs.ru/number/Sderzhivanie-v-novuyu-epokhu-20174> (Zugriff am 5.12.2019).

f Autoreninterview mit Andrei Kortunow, Moskau, 12.2.2020.

Kontext durch stark zentralisierte und personalisierte Entscheidungsprozesse relativiert.57 Das formelle institutionelle Gefüge der Russischen Föderation kann dabei nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass strategische Entscheidungen von einer kleinen Elite in der Präsidialadministration getroffen werden, nicht im Außenministerium. Leitende Konzepte und Strategien, welche die nationale Sicherheit betreffen, werden im Sicherheitsrat beschlossen, in dem zwar auch Außenminister Lawrow und Verteidigungs­minister Schoigu sitzen, dessen Apparat aber den Status eines Direktorats in der Präsidialadministration hat.58 Nukleare Abschreckungspolitik in Russland ist in Teilen das Resultat einer wenig ergebnisoffenen Sze­narienbildung innerhalb der russischen Führungs­elite.59 Die Entscheidung über den Einsatz von Kern­waffen liegt beim Präsidenten.60 Auch das Militär spielt nur eine geringe Rolle bei der Gestaltung von Außenpolitik. Der russische Generalstab zeigt sich traditionell loyal gegenüber dem Präsidenten und der zivilen Verwaltung.

Nichts unterstreicht einen wahr­genommenen Großmachtstatus auf Augenhöhe mit den USA so klar wie der Besitz von Nuklearwaffen.

Zwischen diesen für die Außenpolitik entscheidenden Gruppierungen besteht ein breiter Konsens darüber, dass Russland international ein Status als Großmacht zusteht. Impliziert wird die Handlungs­fähigkeit eines »starken Staates«, der möglichst wenig durch internationale Verpflichtungen eingeschränkt werden soll, und die damit einhergehende Ebenbürtigkeit mit anderen »Großmächten«, allen voran den Vereinigten Staaten.61 Aus diesen beiden Faktoren folgt die wahrgenommene Unterscheidbarkeit zwi­schen »Großmächten« und kleineren Staaten mit ein­geschränkter Souveränität, da diese in eine Einflusssphäre einer der »Großmächte« fallen.62 Nichts unter­streicht einen solchen wahrgenommenen Großmacht­status auf Augenhöhe mit den USA so deutlich wie der Besitz von Nuklearwaffen. Die USA und Russland verfügen nach wie vor über etwa 90 Prozent aller knapp 14 000 Atomwaffen weltweit.63 Solange Kern­waffen einen solch hohen Stellenwert in der Selbst­wahrnehmung russischer Außenpolitik einnehmen, besteht eine rüstungstechnologische Pfadabhängigkeit. Darin verschränken sich die Bedrohungswahrnehmungen als Erklärungsfaktor der russischen Nuklearpolitik mit institutionell verkürzten Entschei­dungsprozessen und verstärken sich gegenseitig. Dieser Befund erleichtert es, russische Vorschläge zur Rüstungskontrolle einzuordnen (siehe Abschnitt »Russische Lösungsansätze und ihre Einordnung« in dieser Studie).

Innenpolitische Determinanten

Zugleich durchläuft Russland strukturell tiefgreifende innenpolitische Transformationsprozesse mit außen­politischen Implikationen. So lassen die Verfassungsänderungen, die Präsident Putin im Januar 2020 an­kündigte, Weichenstellungen für das innerstaat­liche Kompetenzgefüge und die Machtverteilung nach den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2024 erkennen. Schon jetzt zeichnet sich eine Machtkonzentration in einer institutionell nur wenig eingehegten Präsidialadministration ab. Die innen- und außenpolitische Richtlinienkompetenz bleibt eine präsidiale. Außen­politische Ziele Russlands mögen sich im Zuge des »Machttransfers 2024« wandeln, doch die Verfassungsreformen vom März 2020 lassen keine institutionellen oder personellen Veränderungen erahnen, die den Beginn eines grundsätzlichen Elitenwandels vorzeich­nen würden. Sie würden es im Gegenteil wahrscheinlicher machen, dass die politische Elite ihre Macht konsolidiert.64 Besonders die »Annullierung« der bis­herigen Amtszeiten Putins bestätigt diese Tendenz: Der 2024 gewählte Präsident wäre nach der neuen Zählweise der erste Präsident unter der neuen Verfas­sung. Dies würde es Amtsinhaber Putin ermöglichen, bis 2036 weiterzuregieren.

Hinzu kommt aber seit mindestens zwei Jahren eine Dynamik in der Sozial- und Innenpolitik, die für den Kreml riskant ist und den außenpolitischen Handlungsspielraum zumindest indirekt einschränkt. Die Unzufriedenheit in der russischen Bevölkerung über die stagnierende Lebensqualität und sinkende Realeinkommen ist durch eine äußerst unpopuläre Rentenreform im Juli 2018 zusätzlich befeuert worden. In diesem Zusammenhang ist die Regierungsumbildung vom Januar 2020 auch als Ablösung des un­beliebten Premierministers Dmitri Medwedew zu ver­stehen, der in seiner Funktion als »Blitzableiter« die Legitimität des »Systems Putin« aufrechterhalten hatte. Als der neue Premierminister Michail Mischustin öffentlichkeitswirksam in sein Amt eingeführt wurde, sollte dies auch den Eindruck erwecken, dass sich der Präsident um Effizienz bemüht. Außerdem ist es als Maßnahme sozialpolitischen Risikomanage­ments zu verstehen.

Neben wachsenden demografischen Herausforderungen wird der russische Staatshaushalt auch durch die Volatilität des Ölpreises an den internationalen Märkten und eine kaum diversifizierte Wirtschaft belastet.65 Finanzielle Zwänge haben bereits bewirkt, dass sich die Entwicklung von Waffensystemen ver­zögert, und erschweren es, Produktionsniveaus auf­rechtzuerhalten.66

Vor diesem Hintergrund und falls bestehende Rüstungskontrollverträge nicht verlängert werden sollten, dürfte die Präsidialadministration einen kost­spieligen Rüstungswettlauf mit jenen Rüstungsgütern eher vermeiden wollen, bei denen Russland quanti­tativ (konventionelle Kapazitäten) und qualitativ (autonome Waffensysteme, Satellitentechnologie) unterlegen ist.

Die Vorführung neuer, »unbesiegbarer« Waffensysteme dient vor allem der Öffentlichkeitsarbeit.

Als Präsident Putin in seiner Rede zur Lage der Nation am 1. März 2018 die Awangard und Sarmat als neue Wunderwaffen präsentierte, hatte dies also vor allem innenpolitische Signalwirkung. Schließlich ging es in der Rede überwiegend darum, dass die Lebensqualität der russischen Bevölkerung zu steigern und in diesem Kontext mehr in die Sozialsysteme zu investieren sei. Ein Zielkonflikt mit verteidigungs­politischen Ausgaben liege nicht vor, so die an ein heimisches Publikum gerichtete Nachricht, denn das Ziel der Unverwundbarkeit sei nun erreicht. Putin hat schon früher angekündigt, dass die Ausgaben für Rüstungsanschaffungen sinken würden, sobald die Modernisierung der Streitkräfte abgeschlossen sei.67 Tatsächlich aber fallen Sparmaßnahmen in der Rüs­tungsanschaffung nominal oft weniger einschneidend aus als angekündigt, wenn staatlich garantierte Kre­dite für die Rüstung verwendet werden.68 Angesichts dessen dient die Vorführung neuer, »unbesiegbarer« Waffensysteme vor allem der Öffentlichkeitsarbeit. Nach außen wollte Putin damit signalisieren, dass die neuen Systeme die Aufrüstung der Nato an der Grenze zu Russland und US-Raketen­abwehrsysteme nutzlos machen. Deshalb könne der sozialpolitischen Konsolidierung nun Vorrang eingeräumt werden, lautete des Präsidenten innenpolitische Botschaft. Dieser Befund schreibt den Trend fort, dass die der­zeitige russische Elite die Außenpolitik als Mittel innenpolitischen Erwartungs- und Risikomanagements nutzt.69

Rüstungs- und ordnungspolitische Konzeptionen

Entscheidender noch für Russlands außenpolitische Schwerpunktlegung sind Orientierungsprozesse, durch die sich russische Eliten immer mehr in Abgrenzung zum »Westen« wahrnehmen und definieren. Präsi­dent Medwedew hatte Außenpolitik und Partnerschaften mit westlichen Regierungen noch als Moder­nisierungsressource aufgefasst. So ermöglichte es eine kooperative Phase US-russischer Beziehungen im Kontext der US-amerikanischen »Reset«-Politik mit Russland, dass New START als START-I-Folgeabkom­men ratifiziert werden konnte. Russland machte außerdem Vorschläge, wie sich die von der OSZE postulierte Sicherheitskooperation im euro-atlanti­schen Sicherheitsraum umsetzen ließe. Putins Rück­kehr in das Amt des Präsidenten im März 2012 war der erste Schritt hin zu der Zäsur, die spätestens mit der Zuspitzung der Ukraine-Krise 2014 eine neue konfrontative Phase einläutete, in der russische Außenpolitik zunehmend in scharfer Abgrenzung zum »Westen« formuliert wurde. Der »Westen« wird wieder als Terminus im außenpolitischen Vokabular geführt. Gemeint ist damit die Vermengung US-ame­rikanischer Positionen und die ihrer »Verbündeten« (also auch europäischer Regierungen), die angeblich für Russland nachteilige oder sogar gegen Russland gerichtete Politiken verfolgten.70

Russlands Annexion der Krim im März 2014 und die Krise um die Ostukraine haben die Entfremdung entscheidend beschleunigt. Durch die Annexion erlitt auch der NVV einen schweren Schlag: Die Ukraine als Nichtkernwaffenstaat war dem Vertrag 1992 beigetre­ten, nachdem sie im Gegenzug für russische Sicherheitsgarantien freiwillig die auf ihrem Territorium stationierten Kernwaffen an Russland abgegeben hatte (»Budapester Memorandum« von 1994). Mit der Annexion beschädigte Russland daher nicht zuletzt seine eigene Glaubwürdigkeit bei Absprachen mit »negativen Sicherheitsgarantien«. Zudem nährte Präsi­dent Putin Zweifel an Moskaus offiziell deklarierter Doktrin zum Einsatz von Nuklearwaffen. Rück­blickend behauptete er, erwogen zu haben, zur Ver­teidigung der Krim die russischen Atomstreitkräfte in erhöhten Alarmzustand zu versetzen, falls west­liche Länder eine Militärintervention ins Auge gefasst hätten.71

Seit 2014 ist daher der Spielraum für russisch-west­liche Interessenkonvergenzen deutlich geschrumpft. Das Konzept eines »Großeurasien« (bolschaja Evrazija) wird in der Sprachregelung des Kreml spätestens seit 2015 als überregionale ordnungspolitische Vision an­geführt. Deshalb hat es Hoffnungen auf ein gemeinsam mit Europa definiertes »Größeres Europa« auf absehbare Zeit zerschlagen.72 In Russlands nationaler Sicherheitsstrategie aus dem Jahre 2015 gilt das US-amerikanische Streben nach politischer, ökonomischer, militärischer und informationeller Dominanz sowie die Nato-Erweiterung als Bedrohung (ugrosa) für die nationale Sicherheit Russlands.73 Auf der Münch­ner Sicherheitskonferenz 2017 sprach der russische Außenminister Lawrow von einer kommenden »post­westlichen Welt« als Ausdruck der Transformation und Gewichtsverschiebungen in den internationalen Beziehungen.74 Richtungweisend für ordnungspolitische Auswirkungen einer solchen Welt war Präsident Putins Ankündigung auf dem Valdai-Diskussions­forum Anfang Oktober 2019, Russland werde China dabei helfen, ein Frühwarnsystem zur Raketen­erkennung aufzubauen.75 Eine chinesisch-russische Ko­opera­tion bei der Entwicklung von Radarsystemen könn­te es ermöglichen, Daten und Informationen zu teilen. Wenn Peking und Moskau auch bei den Früh­warn­systemen zusammenarbeiten, könnte Russland seine oben beschriebene Vulnerabilität in der Raketen­abwehr beseitigen.

Putins Ankündigung setzt damit einen Trend fort, der schon seit 2014 zu beobachten ist, nämlich dass sich die russisch-chinesische militärische Zusammenarbeit vertieft. 2017 hatte Verteidigungsminister Sergei Schoigu eine auf drei Jahre angelegte »Roadmap« für die militärische Kooperation mit China in Auftrag gegeben. Einer Regierungsvereinbarung vom Juli 2019 zufolge sollen die Verteidigungsministerien der beiden Länder diese Kooperation ausarbeiten.76 Die oft beschworene russische Hinwendung nach China ist vielschichtig, und aus wirtschaftlicher Per­spektive ist die Zusammenarbeit zwischen russischen und chinesischen Akteuren jenseits der offiziellen Rhetorik einer »strategischen Partnerschaft« als ambi­valent zu bezeichnen.77 Daher lässt sich die Ankündigung, mit China in der Hochtechnologie zu kooperieren, als bewusste Entscheidung lesen, mit der Russ­land Risiken in Kauf nimmt. Noch ist die sicherheits­politische Hinwendung nach China nicht unumkehr­bar. Beobachter werteten die öffentlichkeitswirksamen »integrierten« gemeinsamen Militärmanöver wie etwa Wostok im Jahre 2018 als medial inszenierte Choreo­grafie eines Nebeneinanders nationaler Kontingente.78 Schon die Übung Tsentr im Jahr 2019 hatte jedoch Fortschritte bei der Interoperabilität erkennen lassen.79

Nach wie vor hegen russische Militärs aber eine Grundskepsis gegenüber Chinas militärischen Absich­ten und sind bestrebt, eine »latente Abschreckung« Richtung China zu bewahren.80 Moskaus öffentliches Bekenntnis zu enger sicherheitspolitischer Zusammenarbeit mit Peking offenbart sich zugleich als Chiffre für seine militärstrategische Ausrichtung in einem sich verändernden internationalen Umfeld, in dem die Systemkonkurrenz zwischen den USA und China immer spürbarer zutage tritt.81 Hier schält sich aller­dings auch ein identitätspolitischer Zielkonflikt heraus: Einerseits sind Nuklearwaffen für Russland weiterhin Garant für die wahrgenommene Ebenbürtigkeit mit den USA. Andererseits birgt die Hinwendung nach China zugleich die Gefahr, dass Russland in zukünftigen eurasischen Ordnungskonstellationen zum »Juniorpartner« Chinas degradiert wird.

Russische Lösungsansätze und ihre Einordnung

Mit Hilfe der hier identifizierten Triebkräfte russischer Nuklearwaffenpolitik lassen sich russische Ansätze nuklearer Rüstungskontrolle nach den Kriterien Moti­vation und Publikumswirksamkeit einordnen. Manche der oben dargestellten Triebkräfte verstärken sich gegenseitig, während andere Teilfaktoren in Spannung zueinander stehen. Dieses Spannungsverhältnis, zusammen mit der beschriebenen Gewichtung exter­ner Akteure in der Wahrnehmung russischer Eliten, hilft dabei, mögliche Ambivalenzen bei russi­schen Verhandlungsangeboten und Lösungsvorschlägen zu verstehen. Auf beides wird im Folgenden näher ein­gegangen.

Kehrtwende bei einer Multilateralisierung des INF-Vertrags

Russland verlangt schon seit Mitte der 2000er Jahre, den INF-Vertrag zu multilateralisieren.82 Als Grund dafür hebt die russische Führung besonders hervor, dass Russland an seinen südlichen und östlichen Grenzen Proliferationsrisiken stärker ausgesetzt sei als etwa die USA, die durch zwei Ozeane geschützt seien. Ein Verbot der Aufrüstung im Mittelstreckenbereich nur für Russland und die USA spiegele daher nicht die sich verändernde Realität wider, da auch anderen Staaten erlaubt sei, landgestützte Mittel­streckenraketen zu entwickeln und zu stationieren.83 Russische Politiker und Militärs wiesen vor allem auf Pakistan und Iran hin, die aufgrund ihrer Mittel­streckenwaffen eine Bedrohung in der Nachbarschaft Russlands darstellten.84

2007 schlossen sich die USA der russischen Forderung an, so dass die beiden Staaten im Oktober desselben Jahres im Ersten Ausschuss der VN-General­versammlung eine gemeinsame Initiative zur Multi­lateralisierung des INF-Vertrags verabschieden konn­ten.85 Allerdings geschah anschließend wenig, um konkrete Initiativen folgen zu lassen. Nachdem die Kaspische Flottille mit dem seegestützten Marsch­flugkörper Kalibr ausgestattet worden war, hielt die russische Seite einen Ausstieg aus dem INF-Vertrag operativ nicht mehr für zwingend.86 Nun war Russ­land nämlich in der Lage, trotz der INF-Beschränkun­gen seine südliche Peripherie vollständig abzudecken. Deshalb genoss die Multilateralisierung keinen Vor­rang mehr.

Seit Oktober 2018 vertritt die US-Regierung unter Präsident Trump die Position, der Vertrag sei unaus­geglichen, weshalb China als Vertragspartner ein­gebunden werden müsse. Peking hingegen lehnt es ab, sich an trilateralen Rüstungskontrollgesprächen zu beteiligen, da China nur wenig Nuklearspreng­köpfe besitze (vermutlich weniger als 300) und über 90 Prozent seiner landgestützten Raketen Mittel­streckenwaffen in der INF-relevanten Reichweite seien.87 Russische Beobachter vermuten allerdings, die US-Administration habe Russlands angeblich nicht vertragskonforme Stationierung von Mittel­streckenraketen lediglich als Vorwand benutzt, um den INF-Vertrag aufzukündigen; der eigentliche Grund aber sei China gewesen.88

Moskau sperrt sich nicht grundsätzlich dagegen, Peking in künftige Rüstungskontrollverträge einzubeziehen.

Russische Offizielle betonen, dass Moskau sich nicht grundsätzlich dagegen sperre, Peking in künf­tige Rüstungskontrollverträge einzubeziehen. Sie bekunden aber auch, dass Russland die chinesische Position nachvollziehen könne und nicht als Vermitt­ler zwischen den USA und China auftreten werde.89 Sollte China in neue Abrüstungsformate eingebunden werden, so die russische Führung, müsse das auch für Frankreich und das Vereinigte Königreich gelten. Allerdings müssten russische Verteidigungspolitiker auch ein Eigeninteresse daran haben, dass China sich an zukünftigen Rüstungskontrollbemühungen betei­ligt, auch wenn Moskau öffentlich auf die sich ver­­tiefende strategische Zusammenarbeit mit Peking verweist. Denn China hat in den vergangenen Jahren massiv in landgestützte Raketen zur sogenannten Bereichsverweigerung (Anti-Access/Area Denial) investiert.90

Andererseits argumentieren russische Experten, Russlands Kooperation mit China falle in die Bereiche strategische Raketenabwehr sowie Luft- und Marineübungen. Moskau sei an einer verstärkten Koopera­tion besonders auf diesen Feldern interessiert, da sie sich gegen das Militärdispositiv der USA richteten.91 Das wiederum würde Russlands ambivalente Position zur Einbeziehung Chinas in Rüstungskontrollgespräche erklären. Dann nämlich hätte Moskau eine genu­ine Motivation, eine sino-russische Interessenkonvergenz zu forcieren, und zwar für den Fall, dass die bislang bestehende amerikanisch-russische Rüstungskontrolle vollständig wegbricht. Vor diesem Hintergrund wäre die angekündigte russisch-chinesische Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr ein deut­liches Zeichen an den Westen. Russland könnte Zu­gang zu chinesischen Früherkennungsdaten etwa zum Südchinesischen Meer erhalten, China im Gegen­zug russische Daten zur Erkennung stationierter weit­reichender Mittelstreckenraketen der USA in Alaska.92 Eine solche Kooperation in der Hochtechnologie wäre Ausdruck einer strategischen Gewichtsverschiebung, denn sie würde Russlands schleichende Abwendung vom Westen auf technischer Ebene festigen und es politisch erschweren, diese Entwicklung wieder um­zukehren.

Moratorium für Mittelstreckenraketen

Darüber hinaus hat Russland die Idee eines Moratoriums der Stationierung von Mittelstreckenraketen vor­getragen, um nach dem Ende des INF-Vertrags eine Nachrüstung in diesem Bereich zu unterbinden. Die­ser Vorschlag geht zurück auf ein Treffen zwischen Präsident Putin, Außenminister Lawrow und Vertei­digungsminister Schoigu am 2. Februar 2019, jenem Tag, an dem die USA ihre Mitgliedschaft im INF-Ver­trag suspendierten. Bei der Zusammenkunft brachte Präsident Putin die russische Haltung auf die Formel, Russland werde keine Mittelstreckenraketen in Europa oder anderswo stationieren, solange die USA ebenfalls auf die Stationierung solcher Waffen in entsprechenden Regionen verzichten.93 Doch die Formulierung bleibt vage, und ihr folgten auch keine weiteren Definitionen von »entsprechenden Regionen«.94

Im September 2019 versuchte die russische Führung, größere internationale Zustimmung für einen vorläufigen Verzicht auf Stationierungen im Mittel­streckenbereich zu gewinnen. In einem Brief an über 50 Regierungen bekräftigte Präsident Putin die russi­sche Verzichtserklärung und warb für reziproke Moratorien unter den Nato-Mitgliedern einschließlich gegenseitiger Verifikation.95 Das russische Außen­ministerium hebt hervor, dass der Moratoriumsvorschlag auch Mechanismen gegenseitiger Verifikation vorsehe.96 Sollten Nato-Mitglied­staaten grundsätz­liches Interesse an der Moratoriumsidee bekunden, so die Rüstungskontrollabteilung des Außenministeriums, könnten Details der Verifikationsmechanismen weiter diskutiert werden.97

Unter den Nato-Staaten stieß die Moratoriumsidee aber weitgehend auf Ablehnung, da Russland nach Nato-Erkenntnissen bereits mindestens 64 Marschflugkörper des Typs SSC-8 (9M729) stationiert hatte. Es entbehre jeder Glaubwürdigkeit, als Ersatz für einen effektiven Verbotsvertrag ein Moratorium für ausgerechnet jene Raketenreichweite zu fordern, in der Russland mit einer Stationierung über mehrere Jahre hinweg genau diesen Vertrag gebrochen habe, kritisierte Nato-Generalsekretär Stoltenberg.98 Seit 2010 hatte die Nato eine mögliche Reduzierung eigener substrategischer Bestände davon abhängig gemacht, dass Russland seine taktischen Kernwaffen aus der geografischen Reichweite zu europäischen Nato-Verbündeten zurückzieht und sie stattdessen etwa hinter dem Ural disloziert.99 Doch die russische Regierung sperrt sich seit Jahren gegen eine vertrag­liche Begrenzung ihrer taktischen Atomwaffen.

Der Moratoriumsvorschlag klammert folglich den Streit über die Gründe für das Ende des INF-Vertrags aus und brächte aus Nato-Sicht allein Russland einen militärischen Vorteil, das über ein umfangreiches taktisches Atomwaffenarsenal verfügt. Der Nato hin­gegen verschlössen sich Optionen der Nachrüstung, mit denen die Allianz auf die vertragswidrige Statio­nierung russischer Mittelstreckenraketen reagieren könnte. Einzig Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich vor dem »Leaders’ meeting« der Nato in London Anfang Dezember 2019 für den russischen Vorschlag offen und regte an, ihn gründ­lich zu prüfen.100

Bestenfalls kann ein Moratorium den Akteuren eine Atempause verschaffen, die eine schnelle Nach­rüstung im Mittelstreckenbereich nach dem Ende des INF-Vertrags verhindert. Zumindest ein Rückzug russischer SSC-8-Systeme hinter den Ural, verifizierbar zum Beispiel durch Open-Skies-Flüge und Satelli­tenaufklärung, könnte eine mögliche Bedrohung für Westeuropa entschärfen. Vorerst ausgeklammert werden müssten die russischen Vorhaltungen bezüg­lich der amerikanischen Mk-41-Abschussvorrichtung und der Nato-Vorwurf des russischen Vertragsbruchs durch Testflüge und Stationierung der 9M729. Lang­fristig aber werden Russland und die USA nicht um eine Debatte herumkommen, wie man den Streit über die Vertragsverletzungen beilegen kann. Die Frage der Verifikation und der Vor-Ort-Inspektionen wird sich weiterhin stellen.

Der Moratoriumsvorschlag war aus russischer Sicht auch ein Versuch, neue Rüstungswettläufe in Europa oder Asien einzuhegen. Die Testflüge amerikanischer Marschflugkörper einer nach INF-Regeln verbotenen Reichweite über dem Pazifik, nur 16 Tage nach Aus­laufen des Vertrags und erneut am 12. Dezember 2019, wertete das Außenministerium in Moskau als Beweis dafür, dass die USA seit einiger Zeit diese Ent­wicklung vorangetrieben und auf ein Vertrags­ende hingearbeitet hätten.101 Laut dem russischen Beauf­tragten für die arktische Kooperation, Nikolai Kort­schunow, birgt das Ende des INF-Vertrags die Gefahr, dass die USA auch in nördlichen Breitengraden Mittelstreckenraketen stationieren. Kortschunow hat daher Militär-zu-Militär-Gespräche als vertrauens­bildende Maßnahme angeregt.102

Fraglich ist, ob russische und amerikanische Militärs das Ende des INF-Vertrags wirklich als nachteilig betrachten.

Fraglich ist jedoch, ob russische und amerikanische Militärs das Ende des INF-Vertrags wirklich als nach­teilig betrachten. Schließlich haben beide Staaten inzwischen zahlreiche luft- und seegestützte Mittel­streckenraketen entwickelt, die parallel zu den vom INF-Vertrag erfassten landgestützten Varianten legal in Dienst gestellt werden konnten. Russland zum Beispiel hat im Zuge seiner Militäroperation in Syrien die Fähigkeit demonstriert, seegestützte Marschflugkörper von Schiffen im Kaspischen Meer aus einzuset­zen. Ungeachtet militärischer Implikationen entfaltet der Wegfall des INF-Vertrags dennoch politische Symbolwirkung, da die Verbindlichkeit vertraglicher Zusagen in Frage gestellt wird. Das Ende des INF-Ver­trags ist daher für Europa vermutlich weniger aus militärischen als aus politischen Gründen besorgniserregend.

Verlängerungsoptionen für New START

Um den New-START-Vertrag nicht tatenlos im Februar 2021 enden zu lassen, hat Moskau die Idee einer befristeten Verlängerung ins Spiel gebracht. Artikel XIV des Vertragswerks sieht eine Erweiterung der Laufzeit um bis zu fünf Jahre vor, also bis 2026. Mit Hilfe einer solchen Frist ließe sich Zeit gewinnen, um nach den US-Präsidentschaftswahlen möglicherweise mit einer neuen US-Regierung über eine even­tuelle Modifizierung des Vertrags ins Gespräch zu kommen.103 Einen Ersatz für New START in der Rest­laufzeit auszuhandeln sei nicht realistisch, so Wladi­mir Leontjew, stellvertretender Direktor der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle im russischen Außenministerium.104 Diese Einschätzung wird von den meisten westlichen Experten geteilt. Eine Vertragsverlängerung wäre demnach die einzige Alternative zu einem Auslaufen des Vertrags im Februar 2021.105

Russlands Regierung hatte eine erweiterte Laufzeit zunächst an Bedingungen geknüpft. So führte Außen­minister Lawrow im März 2019 aus, es sei bislang nicht verifiziert worden, dass die USA die Konversion bestimmter Waffenkategorien zu New-START-konfor­men-Systemen tatsächlich vorgenommen haben. Hier ging es um die Konversion von 41 schweren Bombern vom Typ B-52H und vier Raketensilos auf jedem der Ohio-Unterseeboote der US Navy.106 Viktor Jesin, ehe­maliger Vize-Oberbefehlshaber der russischen strate­gischen Raketenstreitkräfte, hält es für kontraproduktiv, solche Bedingungen für die Aufnahme von Ver­handlungen über eine Verlängerung von New START zu stellen. Seiner Auffassung nach könnten derartige Punkte auf Expertenebene innerhalb der Bilateral Consultative Commission behandelt werden.107 Russi­sche Offizielle signalisieren zudem Gesprächsbereitschaft und Flexibilität, was die zeitliche Befassung mit diesen Konversionsfragen anbelangt.108 Auf diese Weise möchte Moskau, sollte die Verlängerung nicht zustande kommen, dem möglichen Vorwurf ent­gegentreten, es habe durch Vorbedingungen Hürden errichtet und so Verhandlungen erschwert. Auch Grigori Berdennikow, ehemaliger stellvertretender Außenminister, stellt fest, dass Russland Fragen zur Implementierung des Vertrags durch die USA als technische Angelegenheit betrachte und damit aus­drücklich nicht als mögliche »non-compliance«, also als schwerwiegenderen Vertragsbruch.109

Präsident Putin schlug Anfang Dezember 2019 sogar vor, New START noch vor Ende des Jahres »ohne Vorbedingungen« zu verlängern.110 Dieser nicht näher ausformulierte Vorschlag ging einem Besuch von Außenminister Lawrow in Washington am 10. Dezember 2019 voraus, bei dem das Thema diskutiert wurde. Lawrow habe, so unterstrich er nach seinem Treffen mit dem Amtskollegen Mike Pompeo, die russischen Vorschläge zur Vertrags­verlängerung erläutert.111

Russland positioniert sich vorsorglich auf der »richtigen« Seite der Geschichte.

Russland ist mit seinen Ideen zu einer möglichen Zukunft von New START bis auf höchste politische Ebene darum bemüht, sich als Bewahrer dieses letz­ten bestehenden bilateralen Rüstungskontrollvertrags zu präsentieren. Dieser Diskurs soll einerseits der Öffentlichkeitsarbeit dienen. Angesichts einer als dis­ruptiv wahrgenommenen Außenpolitik der Trump-Administration positioniert sich Russland vorsorglich auf der »richtigen« Seite der Geschichte für den Fall, dass die Verlängerung scheitert. Dazu nutzt Moskau auch das oft wiederholte Narrativ, die von der US-Regierung geforderte Multilateralisierung ohne kon­krete Verhandlungsangebote oder politische Vor­arbeit sei ein Vorwand, um den Vertrag auslaufen zu lassen.112 Der US-Präsidentschaftswahlkampf 2020 binde zudem notwendige politische Ressourcen und biete einen denkbar ungünstigen Zeitraum, um außenpolitische Initiativen in die Wege zu leiten, die einigen Vorlauf erfordern.113

Andererseits spiegelt sich in der russischen Bereitschaft, den Vertrag zu verlängern, das russische Selbstverständnis als Großmacht auf Augenhöhe mit den USA wider, das in keinem anderen Politikbereich wie der nuklearen Rüstungskontrolle so klar zum Ausdruck kommt.114 Zugleich ist New START der letz­te Vertrag, der den Besitz von Nuklearwaffen begrenzt und deren gegenseitige Verifikation erlaubt. Fiele er weg, müsste nicht nur das Konzept der stra­tegischen Stabilität, sondern auch eine (wahrgenommene) rus­sisch-amerikanische Ebenbürtigkeit erst wieder neu definiert und kodifiziert werden. Das Risiko, hierbei zu scheitern, scheint der Kreml ver­meiden zu wollen, solange die Alternative besteht, New START zu ver­längern und damit Zeit für eine darauf aufbauende Vertragsmodifizierung zu gewinnen.

Transparenzmaßnahmen bei neuen strategischen Waffenkategorien

Besonders die Hyperschallrakete Awangard soll aus Moskaus Sicht die Zweitschlagfähigkeit Russlands sichern und das nukleare Gleichgewicht mit den USA aufrechterhalten, die es durch die US-Raketenabwehr und Prompt Global Strike bedroht sieht. Russland hofft, eine künftig verdichtete amerikanische Raketen­abwehr umgehen zu können, um seine Zweitschlagfähigkeit abzusichern. Die russische Einschätzung, existierende Raketenabwehrsysteme hätten Hyperschallwaffen wenig entgegenzusetzen, teilt der Ober­befehlshaber des für die amerikanischen Atomstreitkräfte zuständigen strategischen Kommandos der Vereinigten Staaten (US Stratcom), General John E. Hyten, der in dem Zusammenhang auf die Abschreckungswirkung der nuklearen Triade verweist.115 Offenbar ändert die Entwicklung von Hyperschall­waffen wenig an der bestehenden US-Doktrin zum Einsatz von Kernwaffen und dürfte schlimmstenfalls die Fronten in der russisch-amerikanischen Debatte um Zweitschlagkapazitäten noch weiter verhärten.116 Russland scheint hier keinen grundsätzlichen, sondern nur einen temporären Vorsprung bei der Einführung erzielt zu haben. Aus russischer Sicht bleibt die Trieb­kraft eines neuen Wettrüstens dabei die strategische Raketenabwehr (siehe Abschnitt »Bedrohungswahrnehmungen«, S. 13).

Russland demonstriert Transparenz, indem es das Awangard-System unter New START anrechnen und inspizieren lässt.

Russland ist zugleich bemüht, durch die öffent­liche Präsentation neuer Waffensysteme Transparenz zu demonstrieren, um ein mögliches Wettrüsten zu vermeiden.117 Artikel V des New-START-Vertrags sieht Gespräche zwischen den USA und Russland für den Fall vor, dass eine Vertragspartei glaubt, es gebe neue strategische Waffen, die noch nicht von dem Vertrag erfasst sind. In Artikel XI ist festgelegt, dass neue Typen strategischer Offensivwaffen ausgestellt werden dürfen, um technische Charakteristika öffentlich zu bestätigen. Gleichzeitig erlaubt dieser Artikel die Modernisierung bestehender und grundsätzlich die Entwicklung neuer strategischer Systeme. Das wurde während der Verhandlungen über ein Folgeabkommen von START I in Moskau als Verhandlungserfolg gewertet.118

Awangard und Sarmat würden laut Russland vom New-START-Vertrags­werk erfasst und können somit auch vor Ort inspiziert werden.119 Die Einschätzung, Awangard falle unter New START, ist allerdings nicht unumstritten, da hierbei die Wahl der Trägermittel entscheidend ist.120 So kann die russische Bereitschaft, dieses System anrechnen zu lassen, als politisch motiviert gewertet werden. Ende November 2019 ließ Moskau amerikanische Inspektoren das Awangard-System überprüfen.121

Russland ergreift also Transparenzmaßnahmen und unterstellt der US-Regierung zugleich eine Ver­weigerungshaltung. So behauptet Moskau, die USA hätten anderen Nato-Verbündeten geraten, der Prä­sentation eines Marschflugkörpers am 16. Januar 2019 in Kubinka fernzubleiben, die beweisen sollte, dass der umstrittene Marschflugkörper 9M729 eine Reichweite von unter 500 Kilometern habe.122 Bei dieser Veranstaltung blieb jedoch ungeklärt, wie von der Vorführung der Abschusskanister (wie bei der Inspektion geschehen) auf Reichweiten geschlossen werden kann. Die Reichweitenbestimmung ist aber entscheidend dafür, die Frage nach der Vertrags­widrigkeit zu beantworten.

Auch bei anderen Trägersystemen gab es in der Vergangenheit Schwierigkeiten, das tatsächliche Gefährdungspotential zu bestimmen. So besteht die Problematik des »Zuladepotentials« darin, mehrere Sprengköpfe auf eine Trägerrakete montieren zu können. Die russische Sarmat-Interkontinentalrakete illustriert dies, denn mit einem angeblichen Trägerpotential von zehn metrischen Tonnen würde es laut Skeptikern ohne Vertragsmodifizierung fast unmöglich, die Zahl nuklearer Sprengköpfe und damit das tatsächliche Gefährdungspotential zu erfassen.123 Diese Argumentation ist jedoch angesichts der im Vertrag vorgesehenen Verifikationen eher geeignet, einen Ausstieg aus einem angeblich unzureichenden Vertrag vorzubereiten, statt Vertragsmängel zu besei­tigen. Das Verifikationsregime des INF-Vertrags, vor allem das Recht auf Vor-Ort-Inspektionen, das bis zum Jahr 2001 bestand, hat bewiesen, dass Sprengkopfzahlen durchaus verifiziert werden können. Die Problematik des Zuladepotentials war es, die Russland während der START-I-Verhandlungen mit Blick auf amerikanische Trägersysteme Sorge bereitete. So wurde im START-I-Abkommen festgelegt, Sprengköpfe beziehungsweise re-entry vehicles definierten Raketentypen zuzuordnen, statt lediglich Trägersysteme zu erfassen (wie bei START) oder nur stationierte strate­gische Sprengköpfe (wie im Moskauer SORT-Vertrag aus dem Jahre 2002).124

Aus Sicht russischer Experten will der Kreml das Auslaufen von New START deshalb verhindern, weil er befürchtet, die USA könnten dann ihr existierendes Zuladepotential nutzen und die Zahl nuklearer Sprengköpfe auf stationierten Interkontinentalraketen verdoppeln.125 Die Kritik, Russland erhalte mit einer Indienststellung von Sarmat ein schwer zu verifizierendes Zuladepotential, weist der ehemalige stellvertretende Außenminister Grigori Berdennikow daher angesichts der größeren amerikanischen Kapazitäten als doppelzüngig zurück.126 Nach einem Ende von New START stände die spannungsgeladene Frage nach dem Verhältnis zwischen Trägersystemen und Spreng­köpfen also erneut auf der Tagesordnung möglicher Verhandlungen über zukünftige Regelwerke. Sie wäre aber nicht entscheidend für eine Neudefinition strate­gischer Stabilität.

Bei den neuen russischen Systemen bezweifelt die US-Administration vor allem den Sinn des russischen Kinshal-Raketensystems, des nukleargetriebenen Marschflugkörpers Burewestnik und des ebenfalls nukleargetriebenen Langstreckentorpedos Poseidon. Rose Gottemoeller, ehemalige Unterstaatssekretärin für Rüstungskontrolle im US-Außenministerium und US-Delegationsleiterin während der New-START-Verhandlungen, sieht die Inbetriebnahme solcher teuren, exotischen Waffensysteme in erster Linie als politische Nachricht und stellt ihren strategischen und sicherheitspolitischen Nutzen in Frage.127 Der ehemalige Generalstabsoffizier Jewgeni Buschinski sieht indes die Entwicklung dieser nichtstrategischen Nuklearwaffen als direkte Antwort auf erweiterte US-Raketenabwehrsysteme.128 Trifft dies zu, lässt sich die Entwicklung neuer Waffen, die nicht als strategische Waffensysteme kategorisiert sind, als Versuch deuten, mit Hilfe ihrer Indienststellung Fakten zu schaffen, die neue Rüstungskontrollgespräche erfordern.

Hatte Russland zwischen 2011 und 2016 noch gedroht, New START zu kündigen, falls die US-ameri­kanische Raketenabwehrentwicklung außerhalb dieses Vertragswerks weiter voranschreiten sollte, so wurde die russische Position nach 2016 neu justiert. Russland betont nun seinen Wunsch, New START zu erhalten, entwickelt parallel dazu aber selbst Atom­waffen jenseits des Vertrags. Es ist möglich, dass diese wiederum das Interesse der US-Führung an Abrüstungsgesprächen steigern sollen.129 Allerdings ist auch eine andere Lesart denkbar: Demnach könnte es sich um eine durchaus gewollte taktische Positionierung handeln, öffentlich das Bestreben nach Kompromisslösungen und Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, gleichzeitig aber neue Waffen in Betrieb zu nehmen, die dem Geist der Rüstungskontrolle eigentlich zu­widerlaufen. Russland könnte sich so für zwei Szena­rien wappnen, zum einen das Auslaufen bestehender Vertragswerke, zum anderen die Aufnahme von Verlängerungs- oder Modifizierungsgesprächen.130 In letzterem Fall hätte Russland seine Verhandlungs­position vorbeugend durch einen technologischen Vorsprung gestärkt.

Temporäre Aufrüstung wird gemäß dieser Logik als Stärkung der eigenen Ausgangslage für zukünftige Abrüstungsverhandlungen wahrgenommen. Außen­minister Lawrow lässt daher Bereitschaft erkennen, auch über solche nukleare Waffenkategorien zu sprechen, die nicht unter den Vertrag fallen, unter­streicht aber zugleich, dass solche Gespräche auf Gegenseitigkeit beruhen müssen.131 Der stellvertretende Außenminister Sergei Rjabkow deutete an, dass die USA Gegenleistungen im Bereich der Raketen­abwehr und der Militarisierung des Weltraums erbrin­gen könnten.132 Es bestehe kein Zweifel daran, kon­statiert die Rüstungskontrollabteilung im russischen Außenministerium, dass neue Waffenkategorien vertraglich erfasst werden müssten, aber der New-START-Vertrag komme hierfür als Regelwerk nicht in Frage.133

Russische Systeme strategischer Relevanz, so der Unterton solcher Verlautbarungen, könnten prinzi­piell zum Verhandlungsgegenstand werden, wenn die USA Russland in anderen militärtechnologischen Bereichen entgegenkämen. Man werde nicht erlauben, dass die USA Burewestnik, Kinshal oder Poseidon in die Gespräche über eine mögliche Verlängerung von New START hineinzögen, heißt es aus der Rüstungskontrollabteilung im russischen Außenministerium. Gleichwohl verschließe man sich aber auch nicht separat hierzu stattfindenden Verhandlungen.134

Moskau möchte einen Dialog über nichtnukleare strategische Waffensysteme eröffnen.

Diese sind aus russischer Perspektive besser als keine Verhandlungen, denn sie implizieren die An­erkennung von Status sowie die Aufrechterhaltung strategischer Stabilität: Sollte Russland seine Zweit­schlagfähigkeit nicht langfristig erhalten können, würde es politisch erpressbar. Nichtstrategische nukleare Waffensysteme wie Kinshal, Burewestnik oder Poseidon werden damit zum Verhandlungspfand, das es einzusetzen gelte, um den USA gleich­wertige Konzessionen abzugewinnen, aus russischer Sicht vor allem in den Bereichen Raketenabwehr, Prompt Global Strike und Satellitentechnologie.135 Während Washington daran interessiert ist, nichtstrategische russische Nuklearsysteme einzubeziehen, möchte Moskau einen Dialog über nichtnukleare strategische Waffensysteme eröffnen. Die drei Kern­bereiche, die laut russischen Experten für zukünftige Rüstungskontrollbemühungen wichtig sein werden, sind die Militarisierung des Weltalls, letale autonome Waffensysteme (LAWS) und der Cyberraum.136 Zwar dürfte Russland angesichts des Ausbaus der eigenen Fähigkeiten gerade im Cyberbereich kein Interesse an verbindlichen und verifizierbaren vertraglichen Beschränkungen haben. Dennoch erklärt sich die angekündigte Bereitschaft, unterschiedliche Rüstungsgüter gegeneinander aufzurechnen, mit dem Streben nach Statusanerkennung über Rüstungskontroll­verhandlungen. »Status« impliziert jedoch nicht nur den Gewinn (politischer) Reputation. Gesprächsbereitschaft dient immer auch einem militärstrategischen Ziel, das noch höhere Priorität genießt, nämlich amerikanische Offensivwaffen zu regulieren, um die russische Zweitschlagkapazität zu sichern.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die amerikanisch-russische Rüstungskontroll­architektur durchlebt eine schwe­re Krise. Allerdings hat die Erosion rüstungskontrollpolitischer Instrumente schon vor dem Ende des INF-Vertrags eingesetzt und ist nicht allein auf die Entscheidung der Trump-Administration zurückzuführen, aus dem Vertrag auszusteigen. Russlands Selbstinszenierung als Bewahrer bestehender Rüstungskontrollverträge angesichts einer disruptiven US-Regierung ist un­glaubwürdig, da es nicht transparent agiert und jahrelang selbst den INF-Vertrag wegen angeb­licher Defizite kritisiert hatte. Der Wegfall des INF-Vertrags ist dabei weniger militärisch als vielmehr politisch gravierend, denn Rüstungskontrolle bleibt ein wich­tiges Instrument, um Gefahren- und Risikoperzeptionen zu verringern, da gegenseitiger Informations­austausch, Transparenz und Verifikation sicherheitsfördernd wirken. Wird New START nicht verlängert, wäre eine vertragliche Neuregelung erforderlich, die Mittelstreckenraketen wie auch strategische Nuklear­waffen einbezieht. Zugleich müsste aufgrund neuer technologischer Möglichkeiten und der Existenz nuklearer Drittstaaten Rüstungskontrolle umfassend neu konzipiert werden. Der Begriff strategische Stabi­lität müsste in einem New-START-Folgevertrag jen­seits von numerischen Zielmarken und Zählregeln für nukleare Sprengköpfe erweitert werden.

Russland beteuert auch mit Blick auf den New-START-Vertrag öffentlich seine Vertragstreue und setzt sich für eine Verlängerung ein. Dieses Regelwerk kodifiziert eine US-russische nukleare Parität und schreibt damit aus russischer Sicht einen Großmacht­status auf Augenhöhe mit den USA fest. Militärstrategisch dient New START dazu, die russische Zweitschlagkapazität abzusichern. Zugleich entwickelt Russ­land neue strategische und substrategische Nuklear­waffen. Dies mag in Teilen eine Konsequenz aus einer Bedrohungswahrnehmung sein, der zufolge US-Rake­tenschirme und konventionelle militärische Über­legenheit die Zweitschlagkapazität unterlaufen. Im Ergebnis wertet es außenpolitisch aber vor allem die Rolle von Kernwaffen als Garanten für diesen Groß­machtstatus auf. Dieser Befund illustriert den klassi­schen sicherheitspolitischen Zielkonflikt zwischen Abrüstungsbestrebungen einerseits und dem Ab­schreckungsgedanken andererseits. Russlands am 2. Juni 2020 veröffentlichte Leitlinien für nukleare Ab­schreckung bewegen sich ebenfalls in diesem Spektrum. Das Dokument fasst russische Bedrohungs­wahrnehmungen und nukleare Einsatzoptionen zusammen. Verbunden sind letztere mit einer impli­ziten Warnung an Länder, Organisationen und Koalitionen (gemeint ist die Nato), die Russland als »potentiellen Gegner« betrachten. Ein von manchen westlichen Beobachtern vermutetes »escalate to de-escalate«-Konzept, also die Herstellung von Eskala­tionsdominanz durch ein Absenken der Nuklearschwelle, lässt sich in Russlands offiziell deklarierten nuklearpolitischen Strategien indes nicht erkennen.

Ambivalenzen in außenpolitischen Zielvorstellungen treten dennoch anderswo zutage: Noch Mitte der 2000er Jahre hatte Moskau den Aufbau gemeinsamer integrierter Strukturen zwischen Nato und Russland vorgeschlagen und verlangt, den bilateralen INF-Ver­trag zu multilateralisieren. Heute dagegen weist die russische Führung amerikanische Forderungen nach einer Einbeziehung Chinas zurück und kündigt eine Zusammenarbeit mit Peking bei der Raketenabwehr an. Eine sino-russische Kooperation in diesem Bereich mit einer dezidiert antiamerikanischen Stoßrichtung würde Russland für das Szenario einer amerikanischen Nachrüstung im Mittelstreckenbereich im pazifischen Raum vorbereiten. Das Interesse der USA, China ein­zuhegen, betrachten viele russische Entscheidungsträger und Experten als eigentlichen Grund dafür, dass Washington den INF-Vertrag aufkündigte.

Vor diesem Hintergrund ist eine Verlängerung von New START auch im deutschen und europäischen Interesse, wenn ein globaler nuklearer Rüstungswettlauf vermieden werden soll. Die USA und Russland könnten eine Verlängerung mit einer gemeinsamen Stellungnahme flankieren, in der sie fordern, nukle­are Drittstaaten langfristig in zukünftige nukleare Kontrollregime einzubinden. Eine solche gemeinsame Positionierung würde den Disput über die Gründe für die schleichende Erosion der nuklearen Rüstungskontrollarchitektur zwar nicht beilegen, könnte aber ein Ausgangspunkt für neue Verhandlungsrunden sein. Deutschland sollte sich daher weiterhin dafür einsetzen, dass New START verlängert wird und stra­tegische Gespräche mit Russland wiederaufgenommen werden. Sie sind Voraussetzung für ein Folgeabkommen, das den Begriff strategische Stabilität erweitert.137

Wichtig bleiben darüber hinaus Kontakte zwischen Militärs der Streitkräfte verschiedener Länder. Sie können Transparenz schaffen, um Fehleinschätzungen zu vermeiden. Auch Spekulationen über mögliche Lesarten von Militärdoktrinen können so unterbunden werden. Militärische Expertengespräche auch im Nato-Russland-Rat wären hierfür nötig. Ob Rüstungskontrollansätze über den bilateralen US-russischen Kanal hinaus den Streit über die Raketenabwehr ent­schärfen können, ist derzeit fraglich, da die Bedrohungsperzeptionen sich verschoben haben: Seit der Annexion der Krim im März 2014 und dem schwelen­den Konflikt im Donbas ist das Verhältnis zwischen Russland und der Nato zerrüttet. Das seit 2013 bestehende Special Advisory and Consultative Arms Control, Disarmament and Non-Proliferation Com­mittee (ADNC) der Nato könnte allerdings versuchen, den Dialog über rüstungskontrollrelevante Aspekte innerhalb der Allianz sowie zwischen ihr und Russ­land wiederzubeleben.

Europäische Regierungen können in diesem Kontext vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Nato und Russland vorschlagen. Konkret könnte ein Dialog über Modalitäten der Überwachung eines INF-Statio­nierungsmoratoriums in Europa ins Auge gefasst werden, der auf die Möglichkeiten des Vertrags über den Offenen Himmel zurückgreift. Dieser bezieht das Territorium aller Vertragsstaaten, also auch Russ­lands, ein und dient dazu, Rüstungskontrollverein­barungen zu überwachen und zur Vertrauensbildung beizutragen. Deutschland sollte sich für die Nutzung des Vertrags und vor allem für seinen Erhalt nach der Ausstiegsankündigung der USA engagieren. Auch das Expertennetzwerk der 2019 ins Leben gerufenen Missile Dialogue Initiative (MDI) sollte weiter zu Rate gezogen werden, um etwa Verifikationsmechanismen für angebliche Beschränkungen zu entwickeln. Im Rahmen der MDI kann Deutschland außerdem die Diskussion über die Einbeziehung moderner Techno­logien in die bestehende Rüstungskontrollarchitektur weiter vorantreiben.

Deutschland kann sich zudem, ohne die deutsche Nato-Bündnissolidarität zur Disposition zu stellen, dafür stark machen, dass einer Erosion des NVV nicht durch eine neue Nachrüstungsdebatte Vorschub geleistet wird. Dies ist umso wichtiger, da Deutschlands Rolle in Russland kritisch betrachtet wird, denn die nukleare Teilhabe im Rahmen der Nato wird dort auch als Verletzung von Artikel I des NVV (Verbot, Atomwaffen Nichtatomwaffenstaaten zu überlassen) interpretiert.138 Die Stockholm-Initiative zur Stärkung nuklearer Abrüstung und des nuklearen Nichtverbreitungsvertrags ist deshalb ein sinnvoller Schritt, auch wenn der Charakter dieser Initiative von 16 Nichtkernwaffenstaaten hauptsächlich appellativ bleibt.139 Dabei darf die russische Erwartung an Deutschlands Rolle als »Brückenbauer« zwischen Befürwortern eines Atomwaffenverbotsvertrags und denjenigen, die auf die Nukleargarantien der USA vertrauen, nicht überfrachtet werden. Deutschland ist zwar um selektive Kooperation mit Russland bemüht, kann aber, da Nato-Bündnispartner, nicht als neutraler Mittler auftreten.

Falls New START im Februar 2021 tatsächlich aus­läuft, sollte Deutschland sich für die Aufnahme von Verhandlungen über neue Rüstungskontrollregime einsetzen. Nachdem im April 2019 zum ersten Mal auf deutsches Wirken hin seit sieben Jahren wieder die Rolle von Nuklearwaffen auf der Agenda des VN-Sicher­heitsrates stand, wäre Deutschland konzeptionell gefordert, rüstungskontrollpolitische Akzente zu setzen. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft vor der Herausforderung stehen, rüstungskontroll­politische Initiativen zu entwickeln, die vom Geist eines europäischen Gestaltungswillens im Kontext globaler Gewichtsverschiebungen geleitet sind.

Abkürzungen

ABM

Anti-Ballistic Missile Defence

ADNC

Arms Control, Disarmament and Non-Proliferation Committee

DCA

Dual Use Combat Aircraft

DGAP

Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (Berlin)

EPAA

European Phased Adaptive Approach

GLCM

Ground-Launched Cruise Missile

GPV

Gosprogramm wooruschenii (staatliches Rüstungsprogramm, Russland)

ICBM

Intercontinental Ballistic Missile

INF

Intermediate-Range Nuclear Forces

JCPOA

Joint Comprehensive Plan of Action

KSE

Konventionelle Streitkräfte in Europa

LAWS

Letale Autonome Waffensysteme

MDI

Missile Dialogue Initiative

MTCR

Missile Technology Control Regime

Nato

North Atlantic Treaty Organization

NVV

Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

RVSN

Raketnye Vojska Strategičeskogo Naznačenija (Strategische Raketenkräfte)

SALT

Strategic Arms Limitation Treaty

SCC

Standing Consultative Commission

SIPRI

Stockholm International Peace Research Institute

SLBM

Submarine-Launched Ballistic Missile

SORT

Strategic Offensive Reductions Treaty

START

Strategic Arms Reduction Treaty

SVC

Special Verification Commission

UdSSR

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

Endnoten

1

 Die im INF-Vertrag vorgesehene binationale SVC wurde nach Auflösung der Sowjetunion 1991 multilateralisiert. Ihr gehören auch Belarus, Kasachstan und die Ukraine an, ur­sprünglich zudem Turkmenistan und Usbekistan. Die letzten beiden Staaten nahmen aber – mit dem Einverständnis der anderen – nicht an SVC-Sitzungen teil.

2

 »Statement by the North Atlantic Council on the Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty«, Pressemitteilung, Brüssel, 2.8.2019, <https://www.nato.int/cps/en/natohq/ official_texts_168164.htm> (Zugriff am 19.12.2019).

3

 Nato, »Statement on the Intermediate-Range Nuclear Forces (INF) Treaty«, Pressemitteilung, Brüssel, 4.12.2018, <https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_161 122.htm> (Zugriff am 21.4.2020).

4

 Ob die verwendeten älteren US-Raketen tatsächlich gemäß INF-Vertrag verboten waren, ist umstritten, da sie nicht im Memorandum of Understanding vom November 1987 aufgeführt waren.

5

 Der Vorwurf greift nicht, weil er nicht mit der Terminolo­gie des INF-Vertrags konform ist, weist aber auf die Schwierigkeit hin, neue Technologien vertraglich zu erfassen.

6

 Dies ist das vergleichsweise stärkste russische Argument, da Abschussvorrichtungen für landgestützte Marschflug­körper (Ground-Launched Cruise Missile, GLCM) laut INF-Vertrag untersagt sind und mit Mk-41-Systemen tatsächlich Tomahawk-Marschflugkörper von Schiffen aus verschossen wurden. Siehe auch Greg Thielmann/Oliver Meier/Victor Mizin, INF Treaty Compliance: Path to Renewal or the End of the Road?, Hamburg: Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Mai 2018 (Deep Cuts Issue Brief Nr. 8), S. 4.

7

 Daniel Coats, »Director of National Intelligence Daniel Coats on Russia’s Intermediate-Range Nuclear Forces (INF) Treaty Violation«, Office of the Director of National Intelligence, Pressemitteilung, Washington, D.C., 30.11.2018, <https://www.dni.gov/index.php/newsroom/speeches-inter views/item/1923-director-of-national-intelligence-daniel-coats-on-russia-s-inf-treaty-violation> (Zugriff am 10.3.2020); Amy F. Woolf, »Russian Compliance with the Intermediate Range Nuclear Forces (INF) Treaty: Background and Issues for Congress«, Washington, D.C.: Congressional Research Service, 2.8.2019, <https://fas.org/sgp/crs/nuke/R43832.pdf> (Zugriff am 10.3.2020).

8

 Alexey Arbatov, »Trilateral Nuclear Arms Control – A Russian Assessment«, in: Ulrich Kühn (Hg.), Trilateral Arms Control? Perspectives from Washington, Moscow, and Beijing, Hamburg: IFSH, März 2020 (Research Report Nr. 002), S. 41.

9

 The Open Skies Treaty, London: International Institute for Security Studies, Dezember 2019, <https://www.iiss.org/publi cations/strategic-comments/2019/the-open-skies-treaty> (Zugriff am 20.1.2020).

10

 Alexandra Bell/Wolfgang Richter/Andrei Zagorski, »How to Fix, Preserve and Strengthen the Open Skies Treaty«, Hamburg: IFSH, März 2020 (Deep Cuts Issue Brief Nr. 9), S. 5.

11

 Autoreninterview bei der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle, russisches Außenministerium, 27.11.2019.

12

 Ebd.

13

 »Senior Russian Diplomat Says US Looking for Excuse to Get Rid of New START«, TASS (online), 8.11.2019, <https:// tass.com/politics/1087616?fbclid=IwAR01jZhBqScYCh_alrEsMRthjZCRQwutleCYtYJAt_5nEZKHr9nTnaYLzEo> (Zugriff am 2.12.2019); Sergey Ryabkov, Russia’s Vision for Arms Control, Disarmament and Non-proliferation, Moskau: PIR Center, 2020 (Security Index Occasional Paper Series, Nr. 1 [6]), <https://mailchi.mp/pircenter.org/security-index-newsletter-2-424347?e=7a750941e9> (Zugriff am 20.1.2020).

14

 Katarzyna Zysk, »Nonstrategic Nuclear Weapons in Russia’s Evolving Military Doctrine«, in: Bulletin of the Atomic Scientists, 73 (2017), 5, S. 322–327.

15

 Erst ab Mitte der 1990er Jahre bürgerte sich der Begriff »substrategische« Waffen ein. Der Wesenskern dieser Waffen ist nach wie vor der (sub-) regionale Einsatz gegen militärische Ziele auf »kurze« Entfernung. Dies gilt für die Nato wie für Russland.

16

 Erst seit dem Scheitern des KSE-Anpassungsabkommens 2007 sieht Russland angesichts der eigenen konventionellen Unterlegenheit taktische Nuklearwaffen als Option, »vitale« Überlebensinteressen zu wahren. In den Nato-Gipfel-Kommu­niqués von 2016 und 2018 hat die Nato auf die wahr­genom­mene Betonung der Relevanz von Kernwaffen in russischen Militärdoktrinen reagiert und darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Nuklearwaffen den Charakter eines Konfliktes grundlegend verändere. Siehe Nato, »Warsaw Summit Com­muniqué«, Pressemitteilung, Brüssel, 9.7.2016, Absatz 54, <https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_133 169.htm> (Zugriff am 22.3.2020).

17

 »Voennaja doktrina Rossijskoj Federacii« [Militärdoktrin der Russischen Föderation], Moskau, 21.4.2000, Absatz 9, <http://www.nationalsecurity.ru/library/00003/00003con cept2.htm> (Zugriff am 11.12.2019).

18

 »Voennaja doktrina Rossijskoj Federacii« [Militärdoktrin der Russischen Föderation], Moskau, 5.2.2010, Absatz 22, <http://kremlin.ru/supplement/461> (Zugriff am 11.12.2019).

19

 »Voennaja doktrina Rossijskoj Federacii« [Militärdoktrin der Russischen Föderation], Moskau, 26.12.2014, S. 4, <https://www.mid.ru/foreign_policy/official_documents/-/ asset_publisher/CptICkB6BZ29/content/id/589760> (Zugriff am 11.12.2019); siehe auch Anya Loukianova Fink, »The Evolving Russian Concept of Strategic Deterrence: Risks and Responses«, in: Arms Control Today, 47 (2017) 6, S. 14–20.

20

 Margarete Klein, Militärische Implikationen des Georgien­krieges. Zustand und Reformbedarf der russischen Streitkräfte, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2008 (SWP-Aktuell 74/2008), <https://www.swp-berlin.org/publi kation/georgienkrieg-militaerische-implikationen/> (Zugriff am 15.11.2019).

21

 Dem im letzteren Kontext in den USA verwendeten »launch on warning«-Konzept steht in Russland der Terminus »otvetno-vstrechnyj udar« gegenüber (etwa: antwortender Begegnungsschlag). Siehe Vladimir Dvorkin, »Jadernoe sderživanie: koncepcii i riski« [Atomare Abschreckung: Konzepte und Risiken], IMEMO, 63 (2019) 12, S. 50–55. Im Grunde handelt es sich hierbei um ein qualifiziertes »launch on warning«-Konzept: Damit reagiert Russland zwar auf den Abschuss strategischer Waffen des Gegners, wartet aber nicht den Einschlag und die Zerstörung strategischer Ziele ab. Die Entscheidung, den Gegenschlag auszulösen, wird gefällt, sobald ein strategischer Angriff eindeutig feststeht. Dieses Konzept könnte allerdings durch Hyperschallwaffen (auch konventionell) ausgehebelt werden. Zu letzteren siehe den Abschnitt »Transparenzmaßnahmen bei neuen strategischen Waffenkategorien« in dieser Studie.

22

 »Ukaz No. 355 ›Ob Osnovach gosudarstvennoj politiki Rossijskoj Federacii v oblasti jadernogo sderživanija‹« [Dekret Nr. 355 »Über die Grundlagen der Staatspolitik der Russischen Föderation im Bereich der nuklearen Abschreckung«], Moskau, 2.6.2020, <http://static.kremlin.ru/media/events/ files/ru/IluTKhAiabLzOBjIfBSvu4q3bcl7AXd7.pdf> (Zugriff am 4.6.2020)>.

23

 Nikolai Sokov, The Elusive Russian Nuclear Threshold, Washington, D.C.: PONARS Eurasia (Policy Memo Nr. 625), November 2019; Bruno Tertrais, »Russia’s Nuclear Policy. Worrying for the Wrong Reasons«, in: Survival, 60 (2018) 2, S. 33–44; Olga Oliker/Andrey Baklitskiy, »The Nuclear Posture Review and Russian De-Escalation: A Dangerous Solution to a Nonexistent Problem«, War on the Rocks (online), 20.2.2018, <https://warontherocks.com/2018/02/nuclear-posture-review-russian-de-escalation-dangerous-solution-nonexistent-problem/> (Zugriff am 9.3.2020).

24

 Kristin Ven Bruusgaard, »The Myth of Russia’s Lowered Nuclear Threshold«, War on the Rocks (online), 22.9.2017, <https://warontherocks.com/2017/09/the-myth-of-russias-lowered-nuclear-threshold/> (Zugriff am 3.2.2020); Stephen Blank, »Reflections on Russia’s Nuclear Strategy«, in: Roger E. Kanet (Hg.), Routledge Handbook of Russian Security, London/ New York 2019, S. 154–168 (157).

25

 Anfang Februar 2020 bestätigte das US-Verteidigungs­ministerium, dass U-Boote der Ohio-Klasse mit neuen Langstreckenraketen (W76-2) bestückt wurden, die kleine Nuklearsprengköpfe tragen können. Diese Entscheidung, so das Pentagon, sei als Antwort auf russische Tests ähnlicher Waffensysteme zu verstehen. U.S. Department of Defense, »Statement on the Fielding of the W76-2 Low-yield Submarine Launched Ballistic Missile Warhead«, Pressemitteilung, Washington, D.C., 4.2.2020, <https://www.defense.gov/News room/Releases/Release/Article/2073532/statement-on-the-fielding-of-the-w76-2-low-yield-submarine-launched-ballistic-m/> (Zugriff am 5.2.2020); siehe auch Elbridge Colby, »Against the Great Powers: Reflections on Balancing Nuclear and Conventional Power«, in: Texas National Security Review, 2 (2018) 1, S. 144–153, <https://tnsr.org/2018/11/against-the-great-powers-reflections-on-balancing-nuclear-and-conven tional-power> (Zugriff am 20.4.2020).

26

 Wolfgang Richter, Erneuerung der nuklearen Abschreckung. Die USA wollen nukleare Einsatzoptionen und globale Eskalationsdominanz stärken, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2018 (SWP-Aktuell 15/2018), <https://www.swp-berlin. org/publikation/erneuerung-der-nuklearen-abschreckung/> (Zugriff am 10.12.2019).

27

Alexej Arbatov, Čem opasen dlja Rossii vychod SŠA iz Dogovora o raketach srednej i men’šej dal’nosti [Warum der Rückzug der USA vom INF-Vertrag gefährlich für Russland ist], Moskau: Carnegie Moscow Center, 22.10.2018, <https://carnegie.ru/ commentary/77543> (Zugriff am 5.12.2019).

28

 Der Vertrag wird in Russland nach START I und dem SORT-Vertrag aus dem Jahr 2002 als START 3 bezeichnet.

29

 U.S. Department of State, »Briefing with Senior State Department Official on the New START«, Special Briefing, Washington, D.C., 9.3.2020, <https://www.state.gov/briefing-with-senior-state-department-official-on-the-New START/> (Zugriff am 12.3.2020).

30

 Ein solcher analytischer Ansatz teilt Grundannahmen des Sozialkonstruktivismus und der kritischen Geopolitik. Siehe Gearóid Ó Tuathail (Gerard Toal), Critical Geopolitics. The Politics of Writing Global Space, Minneapolis: University of Minnesota Press, 1996.

31

 Jim Rutenberg/Brian Knowlton, »Putin Expands Proposal for Missile-defense Cooperation«, in: The New York Times (online), 2.7.2007, <https://www.nytimes.com/2007/07/02/ world/europe/02iht-putin.4.6452292.html> (Zugriff am 13.3.2020).

32

 Nato, Public Diplomacy Division, »Missile Defence Fact Sheet«, Brüssel, 21.6.2011, <https://www.nato.int/nato_ static_fl2014/assets/pdf/pdf_2011_06/20110608_Factsheet-Missile_Defence.pdf> (Zugriff am 13.3.2020).

33

 Vladimir Dvorkin, »Threats Posed by the U.S. Missile Shield«, in: Russia in Global Affairs, 13.5.2007, <https://eng. globalaffairs.ru/number/n_8539> (Zugriff am 19.11.2019).

34

 Katarzyna Kubiak, Raketenabwehr: Potentiale einer Kooperation mit Russland, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2017 (SWP-Studie 13/2017), S. 3, <https://www.swp-berlin. org/publikation/raketenabwehr-potentiale-einer-kooperation-mit-russland/> (Zugriff am 15.11.2019).

35

 Hinzu kam später der Verdacht, die USA könnten ABM-Silos unter Umgehung von START I bzw. New START für Angriffsraketen nutzen.

36

 Einige russische Experten allerdings bezweifeln die offi­zielle Darstellung, dass US-amerikanische Raketenabwehrpläne in Osteuropa die größte Gefährdung für die russische Zweitschlagkapazität darstellen. Siehe Alexey Arbatov/Vladi­mir Dvorkin, The Great Strategic Triangle, Moskau: Carnegie Moscow Center, 1.4.2013 (The Carnegie Papers), <https:// carnegie.ru/2013/04/01/great-strategic-triangle-pub-51362> (Zugriff am 3.2.2020).

37

 Michael Paul, Atomare Abrüstung. Probleme, Prozesse, Perspektiven, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2012, S. 44.

38

 Die Iskander ist sowohl konventionell als auch nuklear bestückbar. Siehe Mark Schneider, »Russian Nuclear Strategy«, in: Journal of Strategy and Politics, 2 (2017), 1, S. 121–140. Über die Presidential Nuclear Initiatives einigten Russland und die USA sich dennoch darauf, zwischen 1991 und 1994 die Zahl taktischer Nuklearwaffen ohne formalen Vertrag zu reduzieren.

39

 Michael Paul/Oliver Thränert, Nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle. Ausblick auf die amerikanisch-russischen Verhandlungen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2009 (SWP-Studie 9/2009), S. 8; <https://www.swp-berlin.org/publi kation/nukleare-ruestungskontrolle/>.

40

 Nato, »Gipfelerklärung von Lissabon«, Brüssel: Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Nato, 1.12.2010, Absatz 37, <https://nato.diplo.de/blob/2203126/ 38d0c13f9d99ed20d9f08ed84d2d09cc/erklaerung-der-staats--und-regierungschefs-2010-lissabon-data.pdf> (Zugriff am 13.12.2019).

41

 Ebd. In Absatz 38 der Gipfelerklärung wurde die Ergän­zung »zum geeigneten Zeitpunkt und zum beiderseitigen Nutzen« hinzugefügt.

42

 Andrej Zagorskij, »Le roi est mort, vive le roi? Die Zukunft der Rüstungskontrolle nach dem INF-Aus«, in: Osteuropa, 69 (2019) 1–2, S. 79–87; Claudia Major, Die Rolle der Nato für Europas Verteidigung. Stand und Optionen zur Weiter­entwicklung aus deutscher Perspektive, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, November 2019 (SWP-Studie 25/2019), S. 13f, <http://doi.org/10.18449/2019S25>.

43

 Autorengespräche, Moskau, November 2019, Februar 2020.

44

 Siehe hierzu »Dekret 355«, Absatz 12 [wie Fn. 22] für eine offizielle Auflistung von »Gefahren«, gegen die sich Russlands nukleare Abschreckung richtet.

45

 Dara Massicot, »Anticipating a New Russian Military Doctrine in 2020: What It Might Contain and Why It Matters«, War on the Rocks (online), 9.9.2019, <https://waronthe rocks.com/2019/09/anticipating-a-new-russian-military-doctrine-in-2020-what-it-might-contain-and-why-it-matters/> (Zugriff am 19.12.2019).

46

 Dmitry Gorenburg, Russia’s Military Modernization Plans: 2018–2027, Washington, D.C.: PONARS Eurasia (Policy Memo Nr. 495), November 2017, <http://www.ponarseurasia.org/ memo/russias-military-modernization-plans-2018-2027> (Zugriff am 3.2.2020); Pavel Baev, »The Russian Military: Under-reformed and Over-stretched Instrument of Choice«, in: Stefan Meister (Hg.), Between Old and New World Order: Russia’s Foreign and Security Policy Rationale, Berlin: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), September 2018 (DGAP Kompakt Nr. 19), S. 14–16.

47

 »Kakuju techniku polučit armija Rossii v 2020 godu« [Welche Technik die russische Armee 2020 erhält], TASS (online), 14.1.2020, <https://tass.ru/armiya-i-opk/7516261> (Zugriff am 4.2.2020).

48

 Hans M. Kristensen/Matt Korda, »Russian Nuclear Forces, 2019«, in: Bulletin of the Atomic Scientists, 75 (2019) 2, S. 73–84 (77).

49

 President of Russia, »Presidental Address to the Federal Assembly«, Moskau, 1.3.2018, <http://en.kremlin.ru/events/ president/news/56957> (Zugriff am 5.12.2019).

50

 Würde Burewestnik von schweren Bombern aus gestar­tet, fiele er unter die New-START-Zählregeln, die allerdings nur einen Sprengkörper pro Bomber anrechnen.

51

 Pavel Podvig/Nikolai Sokov, »Russian Nuclear Strategy«, Vortrag beim Center for Strategic and International Studies, Washington, D.C., 27.6.2016, <https://www.csis.org/events/ russian-nuclear-strategy> (Zugriff am 3.2.2020); Kristensen/ Korda, »Russian Nuclear Forces, 2019« [wie Fn. 48], S. 75.

52

 Stockholm International Peace Research Institute, »World Military Expenditure Grows to $1.8 Trillion in 2018«, Stockholm, 29.4.2019, <https://www.sipri.org/media/press-release/2019/world-military-expenditure-grows-18-trillion-2018> (Zugriff am 26.2.2020).

53

 Michael Kofman/Richard Connolly, »Why Russian Mili­tary Expenditure Is Much Higher than Commonly Understood (As Is China’s)«, War on the Rocks (online), 16.12.2019, <https://warontherocks.com/2019/12/why-russian-military-expenditure-is-much-higher-than-commonly-understood-as-is-chinas/> (Zugriff am 26.2.2020).

54

 Franz-Stefan Gady, »Interview: Dmitry Stefanovich on Russia’s Nuclear Forces and Doctrine«, in: The Diplomat (online), 6.11.2019, <https://thediplomat.com/2019/11/inter view-dmitry-stefanovich-on-russias-nuclear-forces-and-doctrine/> (Zugriff am 11.3.2020).

55

 Una Hakvåg, »Russian Defense Spending after 2010. The Interplay of Personal, Domestic, and Foreign Policy Interests«, in: Post-Soviet Affairs, 33 (2017) 6, S. 496–510.

56

 Christopher M. Jones, »Bureaucratic Politics and Organizational Process Model”, in: Oxford Research Encyclopedia of International Studies (2010), <http://doi.org/10.1093/acrefore/97 80190846626.013.2>.

57

 Alexander Graef, »Wer macht Außenpolitik in Russland? Akteure, Diskurse, Entscheidungen«, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 10 (2017) 1, S. 1–11.

58

 Mark Galeotti, Russia’s Security Council: Where Policy, Personality, and Process Meet, Garmisch-Partenkirchen: The George C. Marshall European Center for Security Studies, Oktober 2019 (Security Insights, Nr. 41) <https://www. marshallcenter.org/sites/default/files/files/2019-10/Security Insights_41.pdf>.

59

 Aleksandr Golts, »Determinants of Russian Foreign Policy: Realpolitik, Militarism and the Vertical of Power«, in: Meister (Hg.), Between Old and New World Order [wie Fn. 46], S. 9–13 (13); Baev, »The Russian Military« [wie Fn. 46], S. 15.

60

 »Dekret Nr. 355«, Absatz 18 [wie Fn. 22].

61

 Olivier Schmitt, »How to Challenge an International Order: Russian Diplomatic Practices in Multilateral Security Organisations«, in: European Journal of International Relations, (2019), <https://doi.org/10.1177/1354066119886024> (Zugriff am 22.4.2020); Andrei P. Tsygankov, Russia and America. The Asymmetric Rivalry, Cambridge: Polity Press, 2019, S. 12–15; 52–55.

62

 Ruth Deyermond, »The Uses of Sovereignty in Twenty-first Century Russian Foreign Policy«, in: Europe-Asia Studies, 68 (2016), 6, S. 957–984.

63

 Arms Control Association, »Nuclear Weapons: Who Has What at a Glance«, Washington, D.C., Juli 2019 (Fact Sheets & Briefs), <https://www.armscontrol.org/factsheets/Nuclear weaponswhohaswhat> (Zugriff am 22.3.2020).

64

 Nikolai Petrov/Ben Noble, »Russia’s Uncertain Regime Transformation«, Chatham House (online), 11.3.2020, <https:// www.chathamhouse.org/expert/comment/russia-s-uncertain-regime-transformation> (Zugriff am 13.3.2020).

65

 Janis Kluge, Russlands Staatshaushalt unter Druck. Finanzielle und politische Risiken der Stagnation, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2018 (SWP-Studie 14/2018), <https:// www.swp-berlin.org/publikation/russlands-staatshaushalt-unter-druck/> (Zugriff am 10.3.2020).

66

 Kristensen/Korda, »Russian Nuclear Forces, 2019« [wie Fn. 48], S. 73.

67

Richard Connolly, »Harte Zeiten? Verteidigungsausgaben und Wirtschaft in Russland«, in: Russland-Analysen, (20.1.2017) 328, S. 2–6 (5).

68

 Ebd., S. 4.

69

 Susan Stewart, Grundeinstellungen der russischen politischen Elite. Recht, Wahrheit, Gemeinwohl und Gewalt, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2017 (SWP-Studie 5/2017), <https://www.swp-berlin.org/publikation/grundeinstellungen-der-russischen-politischen-elite/> (Zugriff am 10.3.2020).

70

 Dmitry Gorenburg, Russian Foreign Policy Narratives, Garmisch-Partenkirchen: The George C. Marshall European Center for Security Studies, November 2019 (Security Insights, Nr. 42); »Die Worte des Präsidenten«, in: Dekoder (online), 18.3.2020, <https://putin.dekoder.org/worte#q=запад> (Zugriff am 22.3.2020).

71

 »Putin: ›my byli gotovy‹ primenit’ jadernoe oružie iz-za Kryma« [Putin: Wir waren bereit, wegen der Krim Atomwaffen zu benutzen], BBC (online), 15.3.2015, <http://www.bbc. com/ukrainian/ukraine_in_russian/2015/03/150315_ru_s_ putin_documentary_crimea> (Zugriff am 12.3.2020).

72

 David G. Lewis, »Geopolitical Imaginaries in Russian Foreign Policy: The Evolution of Greater Eurasia‹«, in: Europe-Asia Studies, 70 (2018) 10, S. 1612–1637.

73

 »Ukaz Prezidenta Rossijskoj Federacii ot 31 dekabrja 2015 goda N 683 O Strategii nacional’noj bezopasnosti Rossijskoj Federacii‹« [Dekret des Präsidenten der Russischen Föderation vom 31. Dezember 2015 N 683 »Über die nationale Sicherheitsstrategie der Russischen Föderation«], Moskau, 31.12.2015, Absatz 12, 15, <https://rg.ru/2015/12/31/nac-bezopasnost-site-dok.html> (Zugriff am 12.3.2020).

74

 »Statement by Sergey Lavrov«, Redebeitrag von Sergei Lawrow, 53. Münchner Sicherheitskonferenz, 18.2.2017, <https://securityconference.org/en/medialibrary/asset/statement-by-sergey-lavrov-1300-18-02-2017/> (Zugriff am 12.3.2020). Die meisten Arbeitskontakte von Außenminister Lawrow bestehen jedoch nach wie vor mit Regierungen der »west­lichen« Welt (USA und Europa). Siehe Elena Chernenko, »Služba po kontaktu« [Dienst nach Kontakten], in: Kommer­sant (online), 10.2.2020, <https://www.kommersant.ru/doc/ 4250178> (Zugriff am 12.3.2020).

75

 Aleksei Nikol’skoi/Ivan Safronov/Varvara Podrugina, »Voennyj sojuz Moskvy i Pekina možet prevratit’sja iz formal’nogo v real’nyj« [Das militärische Bündnis zwischen Moskau und Peking kann sich von einem formalen zu einem realen Bündnis entwickeln], in: Vedomosti (online), 6.10.2019, <https://www.vedomosti.ru/politics/articles/2019/10/06/812956-soyuz-moskvi-pekina> (Zugriff am 2.12.2019).

76

 »Rasporjaženie Pravitel’stva Rossijskoj Federacii« [An­ordnung der Regierung der Russischen Föderation], Moskau, 18.7.2019, <http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/ 0001201907220004> (Zugriff am 20.1.2020).

77

 Paul J. Bolt/Sharyl N. Cross, China, Russia, and Twenty-first Century Global Geopolitics, Oxford: Oxford University Press, 2018; Marcin Kaczmarski, Russia-China Relations in the Post-Crisis International Order, London/New York: Routledge, 2015; Alexander Gabuev/Vita Spivak, »The Asymmetrical Russia-China Axis: An Overview«, in: Aldo Ferrari/Eleonora Tafuro Ambrosetti (Hg.), Russia and China. Anatomy of a Partnership, Mailand: Istituto per gli Studi di Politica Internazionale (ISPI), Mai 2019 (ISPI Report), S. 37–60, <https://www.ispionline.it/ en/pubblicazione/russia-and-china-anatomy-partnership-23001> (Zugriff am 15.3.2020).

78

 Autorengespräch im Bundesministerium der Verteidigung, Berlin, 30.1.2020.

79

Autorengespräch mit Wassili Kaschin, Moskau, 9.2.2020.

80

 Elina Sinkkonen, China-Russia Security Cooperation. Geo­political Signalling with Limits, Helsinki: Finnish Institute of International Affairs (FIIA), Januar 2018 (FIIA Briefing Paper Nr. 231); Arbatov, »Trilateral Nuclear Arms Control« [wie Fn. 8], S. 52f.

81

 Michael Kofman, »Towards a Sino-Russian Entente?«, Riddle (online), 29.11.2019, <https://www.ridl.io/en/towards-a-sino-russian-entente/> (Zugriff am 20.1.2020).

82

 President of Russia, »Speech and the Following Discus­sion at the Munich Conference on Security Policy«, Rede Wladimir Putins auf der Münchner Sicherheitskonferenz, 10.2.2007, <http://en.kremlin.ru/events/president/transcripts/ 24034> (Zugriff am 24.3.2020).

83

 Mitte der 2000er Jahre verfügten mindestens sechs weitere Staaten über landgestützte Mittelstreckenraketen mit einer vom INF-Vertrag erfassten Reichweite zwischen 500 und 5 500 Kilometern (China, Saudi-Arabien, Israel, Nordkorea, Iran, Pakistan). Frankreich hat seine landgestützten Mittelstreckenraketen 1996 unilateral außer Dienst gestellt und abgerüstet.

84

 Paul/Thränert, Nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle [wie Fn. 39], S. 10.

85

 U.S. Department of State, »Joint U.S.-Russian Statement on the Treaty on the Elimination of Intermediate-Range and Shorter-Range Missiles at the 62nd Session of the UN General Assembly«, Washington, D.C., 25.10.2007, <https://2001-2009.state.gov/r/pa/prs/ps/2007/oct/94141.htm> (Zugriff am 10.3.2020).

86

 »SS-N-30A (3M-14 Kalibr)«, Missile Threat. CSIS Missile Defense Project (online), 15.6.2018, <https://missilethreat.csis. org/missile/ss-n-30a/> (Zugriff am 21.4.2020).

87

 Ministry of Foreign Affairs of the People’s Republic of China, »Foreign Ministry Spokesperson Geng Shuang’s Regular Press Conference on July, 16 2019«, Pressekonferenz, Peking, 16.7.2019, <https://www.fmprc.gov.cn/ce/cgjed/ eng/fyrth/t1681503.htm> (Zugriff am 24.3.2020); Andrey Baklitskiy, What the End of the INF Treaty Means for China, Mos­kau: Carnegie Moscow Center, 2.12.2019, <https://carnegie. ru/commentary/80462> (Zugriff am 9.12.2019).

88

 Autoreninterview mit Andrei Kortunow, Moskau, 12.2.2020; Autoreninterview mit Dmitri Suslow, Moskau, 13.2.2020.

89

 Autoreninterview bei der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle, russisches Außenministerium, Moskau, 13.2.2020.

90

 »China’s Nuclear Arsenal Was Strikingly Modest, But That Is Changing«, in: The Economist (online), 21.11.2019, <https://www.economist.com/china/2019/11/21/chinas-nuclear-arsenal-was-strikingly-modest-but-that-is-changing> (Zugriff am 20.1.2020).

91

 Vassily Kashin, Joint Russian-Chinese Air Patrol Signifies New Level of Cooperation, Moskau: Carnegie Moscow Center, 30.7.2019, <https://carnegie.ru/commentary/79587> (Zugriff am 20.1.2020).

92

Autoreninterview mit Wassili Kaschin, Moskau, 9.2.2020.

93

 President of Russia, »Meeting with Sergei Lavrov and Sergei Shoigu«, Moskau, 2.2.2019, <http://en.kremlin.ru/ events/president/news/59763> (Zugriff am 22.1.2020).

94

 Putins Formulierung lautete »v sootvetstvujuščich regionach mira« [in entsprechenden Regionen auf der Welt], siehe Prezident Rossii, »Vstreča s Sergeem Lavrovym i Sergeem Šojgu« [Treffen mit Sergei Lawrow und Sergei Schoigu], Moskau, 2.2.2019, <http://kremlin.ru/events/ president/news/59763> (Zugriff am 25.3.2020); Dmitry Stefanovich, »How to Address the Russian Post-INF Initiatives«, European Leadership Network (Blog), 20.1.2020, <https://www.europeanleadershipnetwork.org/commen tary/how-to-address-the-russian-post-inf-initiatives/> (Zugriff am 22.1.2020).

95

 »Rakety srednej i men’šej mirnosti« [Kurz- und Mittelstreckenraketen], in: Kommersant (online), 25.9.2019, <https:// www.kommersant.ru/doc/4103333> (Zugriff am 22.1.2020).

96

 The Ministry of Foreign Affairs of the Russian Federation, »Foreign Minister Sergey Lavrov’s Answers to Questions from Rossiyskaya Gazeta Editorial Office and Its Regional Partners during a Business Breakfast, Moscow, February 10, 2020«, Moskau, 10.2.2020, <https://www.mid.ru/en/web/ guest/maps/ua/-/asset_publisher/ktn0ZLTvbbS3/content/id/ 4029123> (Zugriff am 11.2.2020).

97

 Autoreninterview bei der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle, russisches Außenministerium, Moskau, 13.2.2020.

98

 »Press Point by NATO Secretary General Jens Stoltenberg on the INF Treaty«, Brüssel, 2.8.2019, <https://www. nato.int/cps/en/natohq/opinions_168183.htm> (Zugriff am 27.2.2020).

99

 »Active Engagement, Modern Defence. Strategic Concept for the Defence and Security of the Members of the North Atlantic Treaty Organisation Adopted by the Heads of State and Government in Lisbon«, Brüssel, 19.11.2010, <https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_68580.htm> (Zugriff am 22.3.2020).

100

 Lorenz Hemicker/Michaela Wiegel, »Macron kommt Russland bei Atomraketen entgegen«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), 27.11.2019, <https://www.faz.net/aktuell/ politik/ausland/macron-will-putins-angebot-fuer-raketen-moratorium-pruefen-16506811.html> (Zugriff am 2.12.2019).

101

 »MID prokommentiroval ispytanie SShA zapreshhennoj DRSMD rakety« [Das Außenministerium kommentiert den Test einer nach INF-Vertrag verbotenen Rakete durch die USA], RIA Novosti (online), 13.12.2019, <https://ria.ru/2019 1213/1562344822.html> (Zugriff am 12.3.2020).

102

 »Nikolaj Korčunov: est’ real’nyj risk razmeščenija RSMD SŠA v Arktike« [Nikolai Kortschunow: Es besteht ein reales Risiko, dass US-Mittelstreckenraketen in der Arktis stationiert werden], RIA Novosti (online), 29.11.2019, <https:// ria.ru/20191129/1561734711.html> (Zugriff am 2.12.2019).

103

 Ivan Safronov, »Moskva gotova prodlit dogovor SNV-3 menee čem na pjat let« [Moskau ist bereit, den New-START-Vertrag um weniger als fünf Jahre zu verlängern], in: Vedo­mosti (online), 27.11.2019, <https://www.vedomosti.ru/poli tics/articles/2019/11/27/817330-moskva-gotova?utm_cam paign=newspaper_28_11_2019&utm_medium=email&utm_ source=vedomosti> (Zugriff am 2.12.2019).

104

 »Russian Diplomat Cautions Not Enough Time Left to Draw up Replacement for New START«, TASS (online), 1.11.2019, <https://tass.com/politics/1086519> (Zugriff am 2.12.2019).

105

 Eine erneute Befassung des russischen Parlaments beziehungsweise des US-Kongresses sieht der Vertragstext für diesen Fall nicht explizit vor. Siehe New-START-Vertrag, Artikel XIV, Absatz 2. Gemäß russischem Recht müsste ein Verlängerungsprotokoll jedoch von der russischen Födera­tionsversammlung ratifiziert werden. Zu den prozeduralen Schritten siehe ausführlich Anton Khlopkov/Anastasia Shavrova, »Five Steps towards a New START Extension. Specifics of the Russian Extension Procedure«, in: Russia in Global Affairs (online), 4.6.2020, S. 1–21, <https://eng.global affairs.ru/articles/five-steps-new-start/> (Zugriff am 5.6.2020).

106

 Schon während der Verhandlungen für das START-I-Abkommen von 1991 seien dies Streitthemen gewesen, betont Grigori Berdennikow, der an den Verhandlungen teilgenommen hatte. Autoreninterview, Moskau, 11.2.2020. Die Verifikation konvertierter Waffen erfolgt laut Artikel VI des New-START-Vertrags durch »nationale technische Mittel«, also vor allem Satelliten.

107

 Viktor Jesin, Critical Factors for the New Start Extension, Moskau: Center for Energy and Security Studies, 7.11.2019 (Discussion Paper).

108

 Autoreninterview bei der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle, russisches Außenministerium, Moskau, 13.2.2020.

109

 Autoreninterview, Moskau, 11.2.2020. Grigori Berdennikow war 1992–1993 und 1999–2001 stellvertretender Außenminister und 2001–2007 ständiger Vertreter Russlands bei den Internationalen Organisationen in Wien.

110

 Prezident Rossii, »Soveščanie s rukovodstvom Minoborony i predprijatij OPK« [Treffen mit der Leitung des Verteidigungsministeriums und Unternehmen der Verteidigungsindustrie], Moskau, 5.12.2019, <http://kremlin.ru/events/ president/news/62250> (Zugriff am 12.3.2020).

111

 U.S. State Department, »Secretary Michael R. Pompeo and Russian Foreign Minister Sergey Lavrov at a Press Avail­ability«, Washington, D.C., 10.12.2019, <https://www.state. gov/secretary-michael-r-pompeo-and-russian-foreign-minister-sergey-lavrov-at-a-press-availability/> (Zugriff am 12.3.2020).

112

 The Ministry of Foreign Affairs of the Russian Fed­eration, »Foreign Minister Sergey Lavrov’s Remarks at the Moscow Nonproliferation Conference on ›Foreign Policy Priorities of the Russian Federation in Arms Control and Nonproliferation in the Context of Changes in the Global Security Architecture‹«, Moskau, 8.11.2019, <https://www. mid.ru/en/foreign_policy/news/-/asset_publisher/cKNonkJE02 Bw/content/id/3891674> (Zugriff am 2.12.2019).

113

 Autoreninterview bei der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle, russisches Außenministerium, 27.11.2019.

114

 Angela E. Stent, The Limits of Partnership. U.S.-Russian Relations in the Twenty-First Century, Princeton/Oxford: Princeton University Press, 2014, S. 222–225.

115

 John E. Hyten, »Statement of John E. Hyten, Commander United States Strategic Command before the Senate Committee on Armed Services«, U.S. Senate Committee on Armed Services, Washington, D.C., 20.3.2018, <https:// www.armed-services.senate.gov/imo/media/doc/Hyten_03-20-18.pdf> (Zugriff am 12.3.2020).

116

 Seit 2003 entwickeln auch die USA Hyperschallwaffen.

117

 Ivan Safronov, »Rossija pokazala amerikancam raketu s giperzvukovym blokom ›Avangard‹« [Russland zeigt den Amerikanern die Überschallrakete »Awangard«], in: Vedomosti (online), 26.11.2019, <https://www.vedomosti.ru/politics/arti cles/2019/11/26/817208-avangard?utm_campaign=newspaper _27_11_2019&utm_medium=email&utm_source=vedomosti> (Zugriff am 2.12.2019).

118

 Margarete Klein/Michael Paul, Neu-START im Belastungstest. Probleme der Ratifikation des neuen START-Vertrags in Moskau und Washington, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2010 (SWP-Aktuell 63/2010), S. 3, <https://www. swp-berlin.org/publikation/neu-start-im-belastungstest/>.

119

 Als technischer Grund wird vermutlich ausschlag­gebend sein, dass für Awangard eine Silo-Startvorrichtung sowie eine Interkontinentalträgerrakete benutzt wird. Siehe Dmitry Stefanovich, »U.S. Inspection of New Russian Missile May Revive Stalled Arms Control Talks«, in: The Moscow Times (online), 2.12.2019, <https://www.themoscowtimes.com/ 2019/12/02/us-inspection-of-new-russian-missile-may-revive-stalled-arms-control-talks-a68437> (Zugriff am 20.1.2020).

120

 Gehören diese der strategischen Triade an, sind sie durch New START als re-entry vehicle erfasst, sofern sie auf landgestützten oder seegestützten Interkontinentalraketen (ICBM/SLBM) montiert sind.

121

 »General Fomin: ›My ni s kem ne vedem dialog s pozicii sily‹« [General Fomin: Wir treten mit niemandem in einen Dialog aus einer Machtposition heraus], in: Moskovskij komsomolec (online), 27.12.2019, <https://www.mk.ru/politics/ 2019/12/26/general-fomin-my-ni-s-kem-ne-vedem-dialog-s-pozicii-sily.html> (Zugriff am 13.1.2020).

122

 Nur Vertreter aus Griechenland, Bulgarien und der Türkei seien bei der Inspektion zugegen gewesen. The Minis­try of Foreign Affairs of the Russian Federation, »Foreign Minister Sergey Lavrov’s Answers to Questions from Rossiys­kaya Gazeta Editorial Office« [wie Fn. 96].

123

 Mark B. Schneider, »Russia Nuclear Breakout and the New START Treaty«, Real Clear Defense (online), 14.1.2020, <https://www.realcleardefense.com/articles/2020/01/14/russia_nuclear_breakout_and_the_new_start_treaty_114973.html> (Zugriff am 27.1.2020).

124

 Paul, Atomare Abrüstung [wie Fn. 37], S. 106f. Der SORT-Vertrag sah jedoch keine konkreten Verifikationsmaßnahmen vor.

125

Autorengespräch mit Wassili Kaschin, Moskau, 9.2.2020; Jesin, Critical Factors for the New Start Extension [wie Fn. 107].

126

 Autoreninterview, Moskau, 11.2.2020.

127

 Rose Gottemoeller, »Russia Is Updating Their Nuclear Weapons: What Does That Mean for the Rest of Us?«, Carnegie Endowment for International Peace (online), 29.1.2020, <https://carnegieendowment.org/publications/80895?utm_ source=rss&utm_medium=rss> (Zugriff am 3.2.2020).

128

 Autoreninterview per Skype, 2.3.2020.

129

 Andrey Pavlov/Anastasia Malygina, »Russian Perspective: New START and Beyond«, in: Arms Control Today, (Januar/ Februar 2020), S. 5.

130

 Aleksandr Kolbin, »Arms-Control Hedging as an Explanation of Russia’s Stance on Nuclear Arms Control«, in: Meister (Hg.), Between Old and New World Order [wie Fn. 46], S. 30–32.

131

 The Ministry of Foreign Affairs of the Russian Federation, »Foreign Minister Sergey Lavrov’s Answers to Questions from Rossiyskaya Gazeta Editorial Office« [wie Fn. 96].

132

 The Ministry of Foreign Affairs of the Russian Federation, »Deputy Foreign Minister Sergey Ryabkov’s Interview with Kommersant, March 5, 2020«, Moskau, 6.3.2020, <https://www.mid.ru/en/web/guest/situacia-vokrug-dogovora-o-rsmd/-/asset_publisher/ckorjLVIkS61/content/id/4072603> (Zugriff am 10.3.2020).

133

 Autoreninterview bei der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle, russisches Außenministerium, Moskau, 27.11.2019.

134

 Autoreninterview bei der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle, russisches Außenministerium, Moskau, 13.2.2020.

135

 Autoreninterview mit Grigori Berdennikow, Moskau, 11.2.2020; Autoreninterview mit Alexander Saweljew, Moskau, 12.2.2020.

136

 Autoreninterview mit Andrei Kortunow, Moskau, 12.2.2020; Autoreninterview mit Dmitri Suslow, Moskau, 13.2.2020.

137

 Siehe auch Wolfgang Richter, Nukleare Rüstungskontrolle in Gefahr. Der neue Rüstungswettlauf und die Erosion der Rüstungskontrolle unterminieren die strategische Stabilität, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2020 (SWP-Aktuell 34/2020), <https://www.swp-berlin.org/10.18449/2020A34/> (Zugriff am 28.5.2020).

138

 The Ministry of Foreign Affairs of the Russian Federation, »Comment by the MFA of Russia on the U.S. Department of State’s Annual Report on Adherence to and Compliance with Arms Control, Nonproliferation, and Disarmament Agreements and Commitments«, Moskau, 29.4.2017, <https:// www.mid.ru/en/foreign_policy/news/-/asset_publisher/cK NonkJE02Bw/content/id/2740264> (Zugriff am 13.12.2019). Auch innerhalb Deutschlands ist zuletzt eine Debatte über eine Neubewertung der nuklearen Teilhabe entbrannt, angestoßen von der Forderung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, US-Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Siehe Rolf Mützenich, »Es wird Zeit, dass Deutschland die Stationierung zukünftig ausschließt«, Interview, in: Der Tagesspiegel, 3.5.2020, <https://www.tagesspiegel.de/politik/ spd-fordert-abzug-aller-us-atomwaffen-aus-deutschland-es-wird-zeit-dass-deutschland-die-stationierung-zukuenftig-ausschliesst/25794070.html> (Zugriff am 5.5.2020). Siehe auch Rolf Mützenich, »Deutschland und die nukleare Teil­habe«, Internationale Politik und Gesellschaft (online), 7.5.2020, <https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicher heitspolitik/artikel/deutschland-und-die-nukleare-teilhabe-4342/> (Zugriff am 11.5.2020). Ausführlich zum Zusammenhang zwischen nuklearer Teilhabe, Planung der Nato zur nuklearen Abschreckung und Einflussmöglichkeiten Deutschlands siehe Peter Rudolf, Deutschland, die Nato und die nukleare Abschreckung, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2020 (SWP-Studie 11/2020).

139

 Auswärtiges Amt, »Nukleare Abrüstung voranbringen: Treffen der Stockholm-Initiative in Berlin«, Berlin, 25.2.2020, <https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/ abruestung-ruestungskontrolle/nvv-stockholm-initiative/ 2309966> (Zugriff am 16.3.2020).

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