In der internationalen Klimapolitik soll 2021 vieles nachgeholt werden, was 2020 nicht gelungen ist. Durch die Pandemie haben sich Termine verschoben und Prozesse verlangsamt. Wo stehen die wichtigen Akteure in der Klimapolitik zu Beginn des Jahres und was bedeutet dies für die zu erwartende Dynamik in den internationalen Gesprächen? Von der EU, den USA und China werden in diesem Jahr die wichtigen Impulse ausgehen. Da diese drei Mächte aber auch in Konkurrenz zueinander stehen, muss es der EU und ihren Mitgliedstaaten gelingen, die multilaterale Zusammenarbeit insgesamt mit Blick auf die Ziele des Pariser Abkommens zu stärken, klare Ansprüche zu formulieren und auf Einhaltung der Augenhöhe zu achten. Für Deutschland und die EU ist es deshalb wichtig, weiterhin entschieden auf ein gemeinsames Vorgehen in Netzwerken mit Partnerländern zu setzen und mit Blick auf die USA auf Kernthemen zu fokussieren. Naheliegende Felder der Kooperation mit Washington sind ein gemeinsamer diplomatischer Ansatz für die nächste internationale Klimakonferenz (COP26) und ein Zusammenführen von Klima- und Handelspolitik.
Die COP26 in Glasgow wird der Höhepunkt des Klimajahres 2021. Durch die Verschiebung um ein Jahr haben das Vereinigte Königreich und Italien, die Ko-Veranstalter, Vorbereitungszeit gewonnen. Beide haben in diesem Jahr zudem weitere wichtige Positionen inne: Italien sitzt den G20 vor, das Vereinigte Königreich den G7. Diese und weitere Formate können für eine Vorbereitung der COP26 genutzt werden. Konstruktive Impulse für die Konferenz gehen auch von der Konkretisierung klimapolitischer Vorhaben in der EU (Green Deal), den USA (Regulierungen) und China (Fünfjahresplan) aus. Die Konjunkturmaßnahmen, die alle Staaten wegen der Pandemie ergreifen mussten, und die durch internationale Finanzinstitutionen bereitgestellten Mittel zur Überwindung der Krise setzen oft auch einen Schwerpunkt auf nachhaltigen, »grünen« Wiederaufbau. Ihr klimapolitischer Gehalt wird kontinuierlich überprüft werden müssen.
Eine volle Agenda 2021
Das Pariser Abkommen sieht vor, dass die Vertragsstaaten neue und ambitioniertere »Nationale Beiträge« (Nationally Determined Contributions, NDCs) zum Klimaschutz und zu dessen Finanzierung einreichen. Bis Ende Januar hatten 71 Staaten neue NDCs vorgelegt. Auch langfristige Klimapläne sind fällig. 36 Länder plus die EU haben sich zu sogenannten Neutralitätszielen bekannt. Das sind Langfristziele, die sich an Artikel 4 des Pariser Abkommens orientieren: In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sollen die vom Menschen verursachten restlichen Treibhausgasemissionen ausgeglichen werden, zum Beispiel durch sogenannte Senken (Böden, Wälder, Speicherstätten).
Auch fehlt ein Kompromiss über letzte Punkte des Regelbuchs zum Abkommen. Es geht um die Zukunft des internationalen Emissionshandels und weiterer Instrumente, der sogenannten Cooperative Approaches (Artikel 6 PA). Zudem sind Regeln für Berichterstattungspflichten noch umstritten.
Den Auftakt der Serie von Treffen in unterschiedlichen Formaten und Akteurskonstellationen machten im Januar das Weltwirtschaftsforum in Davos und der Climate Adaptation Summit in den Niederlanden. Am 22. April will US-Präsident Joseph Biden einen World Leaders Summit mit den größten Industrienationen einberufen. Im Juni wird der G7-Gipfel in Großbritannien stattfinden, im Juli das High-level Political Forum für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (VN) in New York. Im September wird die VN-Generalversammlung tagen und für Oktober ist der G20-Gipfel in Italien geplant. Bei all diesen Treffen wird die Klimapolitik oben auf der Agenda stehen. Parallel wird unter der Klimarahmenkonvention der VN weiter verhandelt (Intersessionals, 31. Mai – 10. Juni), um Beschlüsse für die COP26 vorzubereiten.
Mit der Gipfel-Serie wird sichergestellt, dass die Aufmerksamkeit der Staats- und Regierungschefs für die Klimapolitik trotz der Pandemie hoch bleibt. Aber auch der Druck durch die Zivilgesellschaft wird wieder zunehmen – nicht nur, aber auch, falls es wieder möglich ist, Proteste auf die Straße zu verlegen. Auch die für April angekündigte Veröffentlichung des ersten Teils des sechsten Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wird dafür Anlass bieten, ebenso wie weitere Teile des Berichts, die noch vor der COP26 im November erscheinen sollen.
Die Hauptakteure in der Klimadiplomatie 2021
Die neue US-Regierung hat sofort den Wiedereintritt in das Pariser Abkommen veranlasst. Für die Verhandlungen im Jahr 2021 kündigt sich damit eine neue Dynamik an. Zusammen mit der EU und China werden die USA die internationale Klimaagenda bestimmen. Der chinesische Staatschef hat im September neue nationale Klimaziele verkündet, die US-Regierung will dies bis April nachholen. Die Industrieländer sehen sich zudem dem Drängen vieler Entwicklungsländer gegenüber, mehr Geld für die internationale Klimapolitik bereitzustellen und dabei auch die Folgen der Pandemie zu berücksichtigen. Ungeachtet dieser Dynamik werden einzelne G20-Staaten an ihrer Ablehnung der Pariser Klimaagenda festhalten, vor allem Saudi-Arabien, Russland und Brasilien.
Taktgeber bei den Klimazielen ist Europa
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben kurz vor Ende der deutschen Ratspräsidentschaft im Dezember 2020 die Erhöhung des EU-Klimaziels für 2030 auf mindestens 55 Prozent Emissionsminderung im Vergleich zu 1990 verabschiedet. Das Ziel ist Teil des Green Deals, der über 50 Vorhaben umfasst (u.a. Biodiversitätsschutz, klimafreundliche Mobilität, Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden, Förderung der ökologischen Landwirtschaft). Mit Legislativvorschlägen will die Kommission zügig dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten diese Klimaprojekte der EU umsetzen. Das EU-Klimagesetz (European Climate Law), das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im März 2020 vorgelegt hat, ist ein Herzstück dieses Bemühens um rechtliche Verankerung der Klimaschutzpolitik. Es sieht die Festschreibung des Ziels vor, bis 2050 klimaneutral zu sein. Sowohl das Europäische Parlament (EP) als auch der Rat der Umweltministerinnen und ‑minister haben dem Vorschlag mit wenigen Änderungen im Oktober 2020 zugestimmt. Die Verhandlungen über letzte Details zwischen dem EP und den Mitgliedstaaten sollen im März abgeschlossen werden. Bis zum Juni will die Kommission zwölf Gesetzesvorhaben voranbringen, die die EU »Fit for 55« machen sollen.
Mit Blick auf seinen Vorsitz in der bevorstehenden COP26 hatte das Vereinigte Königreich bereits im Juni 2019 als erste große Industrienation ein Gesetz beschlossen, das zur Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 führen soll. Der Austritt aus der EU bedeutet, dass das bisher auf EU-Ebene vereinbarte NDC für London nicht mehr gilt. Vor dem Climate Ambition Summit im Dezember 2020 verkündete die britische Regierung ein neues NDC. Bis 2030 soll eine Emissionsreduktion um mindestens 68 Prozent erreicht werden. Das Ziel wird eingebettet in den 10-Punkte-Plan der Regierung für einen grünen Wiederaufbau der britischen Wirtschaft nach der Coronakrise. Das Programm sieht staatliche Investitionen von 12 Milliarden britischen Pfund (13,4 Milliarden Euro) vor und soll bis zu 250 000 »grüne« Arbeitsplätze schaffen. Unter anderem soll London zum globalen Zentrum für »Green Finance« werden. 2021 wird sich die britische Regierung vor allem auf die Rolle des Gastgebers der COP und der G7 konzentrieren. Für Verhandlungserfolge ist eine enge Zusammenarbeit mit der EU und Deutschland unabdingbar.
Rückkehrer USA
An seinem ersten Amtstag hat der neue Präsident Joseph Biden den sofortigen Wiedereintritt der Vereinigten Staaten in das Pariser Abkommen veranlasst. Auch mit Personalentscheidungen signalisiert Biden, dass die USA die internationale Klimapolitik wieder gestalten wollen. John Kerry, Außenminister während der zweiten Amtszeit Barack Obamas, ist Klimabeauftragter des Präsidenten und sitzt mit am Kabinettstisch.
Biden hat die Klimapolitik zu einem der Top-4-Themen seiner Amtszeit und zu einem Bestandteil des Pandemie-Konjunkturpakets der neuen Administration erklärt. Mit dem Dekret Tackling the Climate Crisis at Home and Abroad machte der Präsident sie zum Kernanliegen seiner Außen- und Sicherheitspolitik. Um ihre internationale Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, werden die USA neben der Klimadiplomatie vor allem ein ambitioniertes NDC formulieren und schnell umsetzen müssen. Analysten der Rhodium Group haben errechnet, dass die USA ein 2030-Klimaziel von minus 40–50 Prozent gegenüber 2005 erreichen müssten, damit die US-Wirtschaft bis 2050 bei Netto-Null-Emissionen ankommen kann. Der Biden-Plan für eine »Clean Energy Revolution and Environmental Justice«, mit dem in den nächsten zehn Jahren der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft vorangetrieben werden soll, hat ein Volumen von 1,7 Billionen US-Dollar. Er sieht unter anderem vor, bis 2035 den Ausstoß von Treibhausgasen im Energiesektor zu stoppen und 2050 US-weit netto bei null Emissionen zu sein. Auch die Förderung der Elektromobilität und die Erhöhung der Energieeffizienz der Gebäude sind enthalten. Darüber hinaus hat Biden angekündigt, die Subventionierung von fossilen Brennstoffen zu verbieten, US-Finanzierungen ausländischer Öl- und Gas-Projekte auslaufen zu lassen und eine CO2-Abgabe auf Importe zu erheben.
Die nationale Implementierung dieser Maßnahmen ist allerdings nicht garantiert, obwohl die Demokraten nun auch im Senat eine knappe Mehrheit von 51 Stimmen haben. Um ein neues NDC festzulegen – das bisherige umfasst die Reduktion der Emissionen von 2005 um 26 bis 28 Prozent bis 2025 – muss Bidens-Klimapaket zügig auf den Weg gebracht werden. Neue Gesetzesvorhaben, zum Beispiel zur Einführung eines CO2-Preises, sind vor diesem Hintergrund politisch riskant. Denn hierfür würden mindestens 60 Stimmen im Senat benötigt. Ein wesentliches Instrument des Plan for a Clean Energy Revolution and Environmental Justice der neuen US-Administration werden daher Regulierungen durch die Environment Protection Agency (EPA) und Dekrete des Präsidenten sein.
Damit die USA mit Blick auf die COP26 wieder Vertrauen herstellen können, wäre es neben einer zügigen Umsetzung wichtig, ein NDC vorzulegen, das als ambitioniert gilt, also weit über das bisherige hinausgeht. Betrachtet man die Dynamik, mit der die neue US-Regierung die Geschäfte aufgenommen hat, mangelt es jedenfalls nicht am politischen Willen. Das Thema Finanzen, an dem die Entwicklungsländer besonders interessiert sind, hat John Kerry bereits im Januar beim Climate Adaptation Summit aufgegriffen. Er kündigte signifikante, jedoch keine konkrete finanzielle Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen an. Außerdem könnten internationale Partner auf die Hilfe der USA durch Innovationen und in Form von Klimadaten rechnen.
China und Indien – Spitze bei den Emissionen, aber nicht bei den Ambitionen?
2020 überraschte der chinesische Staatschef Xi Jinping mit der Ankündigung, sein Land wolle den Höchststand seiner Emissionen vor dem Jahr 2030 erreichen und werde noch vor 2060 CO2-neutral sein. Wie diese Ziele konkret erreicht werden sollen, ist offen, als NDC wurde das Ziel für 2030 bisher nicht eingereicht. Der neue Fünfjahresplan 2021–2025, der im Frühjahr veröffentlicht wird, dürfte Antworten darauf enthalten, wie die chinesische Regierung ihre Wachstumsziele mit den Klimazielen in Einklang bringen will. Immerhin hält das Land Platz eins bei den globalen Emissionen, wenn auch die USA und Europa mit akkumulierten Werten in historischer Sicht vorn liegen.
Peking setzt bei der Energieversorgung weiterhin stark auf die Kohleverstromung. Allein für seine Kohlekraftwerke verbraucht China etwa die Hälfte des weltweiten Kohleangebots. Peking ist zudem an Investitionen in ausländische Kohlekraftwerke im Rahmen seiner Belt and Road Initiative (BRI) beteiligt. Schon der inländische Verbrauch ist das größte Hemmnis für das Erreichen ehrgeiziger Klimaziele in China. Die Leistung der Wind-und Solarenergiequellen müsste beispielsweise innerhalb der nächsten fünf Jahre verdoppelt werden, wenn das 2060er-Ziel erreicht werden soll.
Die chinesische Regierung ordnet die Klimapolitik allerdings ihren geopolitischen Interessen unter und hat sich in den VN-Verhandlungen bisher nicht als Führungsmacht positioniert. Vielmehr hat sie Zusagen, die sie im Zuge der Klimaverhandlungen für das Pariser Abkommen gemacht hatte, unter dem Eindruck der letzten vier Jahre US-Außenpolitik zurückgenommen. Ursprünglich wollte der chinesische Staatschef Xi Jinping die von den USA hinterlassene Führungslücke zusammen mit der EU und weiteren Ländern füllen, ließ aber dieser Äußerung beim Weltwirtschaftsforum 2017 keine Taten folgen. Entsprechend überraschten die im letzten September verkündeten Klimaziele. Dieser Schritt lässt den Schluss zu, dass Peking auch die Klimapolitik in den Systemwettbewerb mit den USA und der EU einbezieht. Immerhin entstand so der Eindruck, China sei den USA in der Klimapolitik weit voraus. Die EU und die USA werden dieses Jahr die Zusammenarbeit mit China auf VN-Ebene und bi- und trilateral neu aushandeln müssen.
Im aktuellen NDC hat sich die indische Regierung keine Klimaziele gesetzt, die eine absolute Emissionsreduktion vorgeben, und, ähnlich wie im Fall Chinas, wird dies auch beim nächsten NDC nicht zu erwarten sein. Indien ist stark von der Pandemie betroffen und deren Bekämpfung bindet die politischen Kapazitäten. Die indische Regierung ist bei internationalen Umweltverpflichtungen jedoch schon immer zurückhaltend gewesen, insbesondere weil es die Industrieländer in der Verantwortung sieht für den Klimawandel. Indien steht mit seinem Anteil an den globalen Emissionen auf Platz vier. Bisher hat die indische Regierung, statt absolute Ziele zu benennen, den Fokus auf die Emissionsintensität der Wirtschaft gelegt. Diese soll pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts um 33 bis 35 Prozent gegenüber 2005 sinken. Die Energieversorgung Indiens aus nicht-fossilen Quellen soll 40 Prozent seines Strommixes bis 2030 erreichen. Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sanken Indiens Emissionen 2020 zum ersten Mal seit vierzig Jahren. Sollte sich dieser Trend, der vor allem auf weniger Kohleverstromung basiert, fortsetzen, steuert das Land auf einen Anteil von 60–65 Prozent nicht-fossiler Energien zu. Indien ist für viele Entwicklungsländer der G77 ein Vorbild und Neu-Delhi grenzt sich immer mehr vom wirtschaftlichen Einfluss Chinas ab. Für Europa und die USA wird es wichtig sein, sich mit Indien auf dem Weg zur COP26 mit Blick auf die G77 eng auszutauschen. Dem trägt die Einladung Indiens zum G7-Gipfel durch Boris Johnson Rechnung. Für den 8. Mai ist ein EU-Indien-Gipfel geplant.
Japan und Südkorea ziehen mit, Australien nicht
Nachdem Peking seine Klimaziele öffentlich gemacht hatte, legte die japanische Regierung im Oktober 2020 nach und erklärte ihre Absicht, das Land bis 2050 klima-neutral zu machen (laut Climate Action Tracker). Japans aktuelles NDC für 2030 gilt als unambitioniert. Präsident Suga kündigte jedoch an, bis zur COP26 ein höheres Ziel vorlegen zu wollen. Für das Erreichen des 2050-Neutralitätsziels will Tokio auch den 708 Milliarden US-Dollar schweren Wiederaufbauplan einsetzen. Darin ist ein Posten von 19,2 Milliarden US-Dollar für klimapolitische Maßnahmen vorgesehen. Die japanische Wirtschaft will den Anschluss im Wettbewerb um Umwelttechnologien nicht verpassen. Die Regierung versucht entsprechend, den lange versäumten Strukturwandel hin zu erneuerbaren Energieträgern einzuleiten, und investiert in Infrastruktur und Innovationen.
Auch Südkorea zog nach und meldete Ende 2020 ein NDC mit einer Emissionsreduktion um 24,4 Prozent gegenüber 2017. Spätestens 2025 will die Regierung ein ambitionierteres Ziel für das Jahr 2030 ausrufen, das zur CO2-Neutralität bis 2050 hinführt. Südkorea hatte nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 erklärt, dass es sich für die Etablierung einer grünen Wirtschaft (Green Economy) engagieren werde. Das südkoreanische Corona-Wiederaufbauprogramm hat ebenfalls einen grünen Fokus: Der sogenannte Korean New Deal (K‑New Deal) hat ein Volumen von 135 Milliarden US-Dollar, wovon fast die Hälfte für die Schaffung grüner Arbeitsplätze vorgesehen ist. Neben Investitionen in Zukunftstechnologien und Infrastruktur beinhaltet der K-New Deal auch das Ziel, bis 2050 CO2-Neutralität herzustellen. Kritiker bemängeln, dass der K-New Deal eher grau denn grün sei, unter anderem weil er neben erneuerbaren Energien auch fossile Energieträger wie LNG fördert. Ein nicht unerheblicher Teil des Plans setze auf die Wettbewerbsfähigkeit von Wasserstoff im Transportsektor, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gewährleistet sei.
Australien hingegen gehört zu jenen Staaten, deren Regierung ambitionierten Klimazielen kritisch gegenübersteht. Es hat auch sein NDC nicht erhöht. Australien ist der weltweit größte Exporteur von LNG und der zweitgrößte Kohleexporteur. Die australische Regierung unter Premierminister Scott Morrison vertritt offen die Interessen der Kohleindustrie und stellt sich gegen strenge internationale Klimavorgaben. Selbst die verheerenden Hitzewellen und Brände auf dem fünften Kontinent im Jahr 2020 haben – trotz öffentlicher Proteste für mehr Klimaschutz – nicht zu einer kooperativeren Haltung der Regierung in der internationalen Klimapolitik beigetragen. Besonders widersprüchlich wirkt die Klimapolitik Canberras angesichts der Pläne, sich weltweit als einer der größten Wasserstoffexporteure zu etablieren. Gemeinsam mit Deutschland prüft Australien mögliche Lieferketten für grünen Wasserstoff.
Ansatzpunkte der EU für den internationalen Klimaprozess
Kommissionspräsidentin von der Leyen will die EU als geopolitischen Akteur positionieren. Die Klimapolitik ist ein integraler Bestandteil dieses Bestrebens. Das Ziel der EU, sich angesichts der Machtrivalitäten zwischen China und den USA und multipolarer Entwicklungen zu behaupten, konfligiert jedoch teilweise mit der eingespielten Klimadiplomatie. Ohne die größten Volkswirtschaften USA und China kann die EU eine zügige Umsetzung des Pariser Abkommens nicht voranbringen. Genauso wichtig ist es, weitere G20-Staaten, vor allem Brasilien, Australien, Saudi-Arabien und Russland, und auch die vielen G77-Staaten einzubinden. Sonst können die Klimaprojekte des Green Deal bis 2030 nicht erfolgreich sein (vgl. Beisheim/Dröge 2020). Das Angebot der USA, wieder voll in die multilaterale Klimapolitik mit einzusteigen, ist also vielversprechend. Es ist aber zwingend, dass sich die EU vor dem Hintergrund ihrer Green-Deal-Agenda und der Führungsrolle, die sie in den letzten Jahren ausgefüllt hat, gegenüber allen Partnern deutlich positioniert, denn auch die Biden-Regierung reklamiert für sich, eine klimapolitische Supermacht sein zu wollen.
Positionierungen gegenüber China und den USA
Der EU ist es in der Vergangenheit gelungen, in der Klimapolitik mit China zu kooperieren, unter anderem bei der Einführung eines Emissionshandels in der Volksrepublik nach europäischem Vorbild. Die allgemeinen EU-China-Beziehungen haben sich in den letzten zwei Jahren aber verschlechtert. Zudem hat Peking in den VN‑Klimaverhandlungen erneut für sich den Status eines Entwicklungslands beansprucht, zum Beispiel um nicht die internationalen Standards zur Messung von Treibhausgasen anwenden zu müssen.
Für die EU und die USA ist diese Transparenzfrage nicht verhandelbar und wird bei den COP26-Gesprächen wieder eines der kritischsten Themen sein. Die Klimadiplomatie der EU kann mit ihrem Green Deal nun aber nicht nur auf der VN-Ebene, sondern auch im direkten Austausch mit Peking neue Akzente setzen. Dazu gehören ein Voranschreiten beim Klimaschutz auch mit handelspolitischen Initiativen und die Entwicklung neuer Technologien. Die Kommission will die europäischen Unternehmen, die sich wegen des neuen Klimaziels für 2030 steigenden Kosten gegenübersehen, vom Wettbewerbsdruck durch Importe entlasten. Ein Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ist Teil des Fit-for-55-Pakets. Die davon erfassten Importgüter, zum Beispiel Zement oder Stahlerzeugnisse, stammen zu einem erheblichen Teil auch aus China. Die Pläne könnten die nationalen Anstrengungen Pekings verstärken, seinen Emissionshandel breiter anzulegen und auch mit einer absoluten Emissionsobergrenze zu versehen. Denn dadurch könnte die EU-Grenzabgabe niedriger ausfallen oder ganz umgangen werden. Unter anderem hierfür ist Transparenz der Daten unerlässlich.
Während es gegenüber China darum geht, die richtige Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz zu finden, werden die EU und ihre Mitgliedstaaten mit der neuen US-Regierung zügig ausloten müssen, wo eine Zusammenarbeit mit Blick auf die COP26 besonders zielführend wäre.
Beim CBAM wird ein gemeinsames Voranschreiten jedoch schwierig, weil die Kommission und die Mitgliedstaaten die Einhaltung von WTO-Vorgaben fordern. Ohne einen CO2-Preis in den USA – und einen solchen wird es auf nationaler Ebene auf absehbare Zeit nicht geben – wird die Biden-Administration mit Dekreten und handelsrechtlichen Kniffen hantieren müssen, um einen Klimazoll mit dem internationalen Handelsrecht in Einklang zu bringen. Es sei denn, sie beschließt, dieses zu ignorieren. Besser wäre es daher, die EU-US-Klimakooperation mit neuen Anläufen für eine handelspolitische Zusammenarbeit zu verknüpfen und sich bei der CO2-Grenzabgabe Zeit für gründliche Prüfungen zu lassen. Die Entschiedenheit, mit der sich die neue US-Regierung der Klimapolitik widmet, wird über 2021 hinaus den Wettbewerb zwischen den drei großen Playern um neue Ideen, Technologien und die internationale Führung befeuern.
Fossile Brennstoffe und CO2-Märkte bleiben Knackpunkte
Ob sich auf internationaler Ebene Erfolge beim Klimaschutz erzielen lassen, wird entscheidend davon abhängen, ob die zögerlichen Staaten mitgezogen werden können. Die wichtigsten Vorhaben der EU, der USA und in vielen weiteren der aufgeführten NDC richten sich auf eine Reduktion des Verbrauchs fossiler Brennstoffe. Während dies für Schwellenländer wie Indien vor allem eine Frage des Timings und der Kosten zu sein scheint, ist eine sinkende Nachfrage für die Exporteure dieser Energieträger (u.a. Irak, Australien, Russland) keine attraktive Aussicht. Saudi-Arabien, Top-Ölexporteur weltweit, hat aber, als es 2020 den G20-Vorsitz innehatte, die Rolle der Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 für den Klimaschutz hervorgehoben und will es Deutschland beim Ausbau erneuerbarer Energien gleichtun. Es ist zu erwarten, dass bei der COP26 erneut technologische Fragen, die Kosten der Klimapolitik für diese Produzentenländer und die Folgen für Investitionen thematisiert werden. Mit der Wasserstoffoffensive Deutschlands und der EU gibt es einen Ansatzpunkt, um neue Wege der Zusammenarbeit aufzuzeigen. Dafür braucht es international vereinbarte Standards, die die garantieren, dass dieser Energieträger tatsächlich CO2-frei hergestellt wurde (vgl. SWP-Aktuell 37/2020).
Die Verständigung auf eine Governance für den internationalen Handel mit Emissionszertifikaten, bei der hohe Standards für die Zertifizierung der Emissionen garantiert sind, wäre ein wichtiger Durchbruch für die COP26 und würde Investitionen in klimafreundliche Energien und für CO2-Senken anregen. Die EU braucht für dieses Vorhaben die Unterstützung der USA. Hohen Qualitätsvorgaben widersetzen sich jene Staaten, die auf neue Einnahmen aus Zertifizierungen und wenig Kontrolle hoffen. Brasilien hat sich zudem bisher erfolgreich gegen eine Einigung gesperrt, weil es seine hohen Zertifikateerlöse beim Übergang vom alten Handelssystem aus dem Kyoto-Protokoll sichern will.
Und nicht zuletzt: das Vertrauen in den VN-Prozess stärken
Die EU-Klimadiplomatie wird gefordert sein, die Entwicklungsländer davon zu überzeugen, dass sie dem VN-Prozess trotz der Pandemiefolgen vertrauen können – und auch dem klimapolitischen Handeln der USA. Die vergangenen Kehrtwenden Washingtons, sowohl bei der Vertragstreue als auch der Klimafinanzierung, haben zu Zweifeln geführt, ob die USA überhaupt als langfristiger Partner verlässlich sind. Die europäischen Verhandlerinnen und Verhandler werden sich 2021 in der Rolle wiederfinden, bei den armen Ländern um Vertrauen in die neue US-Klimapolitik zu werben.
Der jährliche Bedarf für Anpassungen an den Klimawandel in Entwicklungsländern wird im jüngsten UNEP Adaptation Gap Report auf 70 Milliarden US-Dollar geschätzt. Ein Anstieg bis 2030 auf das Vierfache wird für möglich gehalten. Durch die Pandemie sind die Kassen künftig leerer. John Kerry konnte bei seinem ersten internationalen Auftritt beim Climate Adaptation Summit noch keine konkreten finanziellen Zusagen der USA zur Unterstützung armer Länder machen, China ebenfalls nicht. Deutschland sicherte bei diesem Gipfel 220 Millionen Euro an zusätzlichen Hilfen zu. Die Frage der Finanzierung wird aber erneut entscheidend dafür sein, ob bei der COP26 Fortschritte erzielt werden, und entsprechende Forderungen werden in diesem Jahr aufgrund der Pandemie vehementer vorgebracht werden. Zu einer Verbesserung der finanziellen Spielräume zur Unterstützung der Entwicklungsländer könnten auch Gespräche im Rahmen der G‑Formate dienen. Beispielsweise könnten über die Minderung von Subventionen für fossile Energieträger Hilfsmittel freigesetzt werden. Darüber hinaus könnte ein gemeinsamer Schuldenerlass konzipiert werden, der an klimapolitische Ziele gekoppelt wird.
Fazit
Mit dem Wiedereinstieg der USA in die internationale Klimapolitik scheinen Fortschritte bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens wieder möglich. Neue Dynamiken, auch in der Handelspolitik, zwischen den USA und China werden die 2021 vorgesehenen Gipfeltreffen beeinflussen.
Für die EU und ihre Mitgliedstaaten wird es notwendig sein, nach der ersten Phase der US-Klimaoffensive ihre Position zu bestimmen und eigene Schwerpunkte zu verfolgen. Eine engere Zusammenarbeit über neue Technologieoffensiven und die Einführung von Importabgaben durch die EU stehen im Raum. Mit weiteren Partnern sollten klima- und energiepolitische Initiativen weiter vorangetrieben werden, die auf Dauer angelegt sind.
Vier Jahre lang konnte Europa, wenn auch mit nur schleppenden Fortschritten, die internationale Klimapolitik als eines der wichtigsten multilateralen Themen nahezu allein voranbringen. Einige Projekte des Green Deals werden im Zuge der positiven Dynamik nun sicher neu bewertet werden müssen. Es ist aber wohl unvermeidlich, sich als Akteur zwischen den USA und China mit eigenen Ansprüchen zu behaupten, wenn die EU ihre Bedeutung, auch für die vielen Entwicklungsländer, langfristig aufrechterhalten will. In der Klimapolitik sollte die EU also neben der intensiveren Kooperation mit den USA und, wo möglich, China, darauf achten, Augenhöhe zu wahren und ihre Interessen in den Verhandlungen deutlich zu platzieren.
Weiterführende SWP-Materialien
Marianne Beisheim / Susanne Dröge
»Klar zur Wende? Internationale Klima- und Nachhaltigkeitspolitik gestalten«
in: Barbara Lippert / Stefan Mair / Volker Perthes (Hg.): Internationale Politik unter Pandemie-Bedingungen. Tendenzen und Perspektiven für 2021
SWP-Studie 26/2020, Dezember 2020, S. 45–48.
Susanne Dröge
»Die CO2-Grenzabgabe der EU – Klima- oder Fiskalpolitik?«
Christian Schaller / Tessa-Sophie Schrader
Der Anstieg des Meeresspiegels als Thema für den VN-Sicherheitsrat. Die völkerrechtliche Dimension des Problems muss stärker in den Fokus rücken
SWP-Aktuell 41/2020, Juni 2020.
Kirsten Westphal
Strategische Souveränität in Energiefragen. Überlegungen zur Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit Deutschlands in der EU
SWP-Aktuell 46/2020, Juni 2020.
Maria Pastukhova / Jacopo Maria Pepe / Kirsten Westphal
Die EU-Energiediplomatie – Aufwertung und Neuausrichtung für eine neue Ära
SWP-Aktuell 65/2020, Juli 2020.
Susanne Dröge / Felix Schenuit
Handels- und Klimapolitik der EU strategisch zusammenführen. Potentiale in Zeiten der Neuorientierung
SWP-Aktuell 20/2018, März 2018.
Siehe außerdem das SWP-Themendossier zur Klimapolitik
Dr. Susanne Dröge ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Globale Fragen.
Tessa-Sophie Schrader ist Forschungsassistentin der Forschungsgruppe Globale Fragen.
© Stiftung Wissenschaft und Politik, 2021
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ISSN 1611-6364
doi: 10.18449/2021A13