Am 28. Juli 2024 finden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt, bei denen sich der seit 2013 regierende Staatschef Nicolás Maduro im Amt bestätigen lassen möchte. Mit María Corina Machado ist ihm eine Gegenkandidatin erwachsen, die zwar die Massen mobilisiert, aber nicht antreten darf. An ihrer Stelle tritt jetzt ein »Platzhalterkandidat« an, um sicherzustellen, dass oppositionelle Kräfte bei den Wahlen eine Alternative haben. Die administrative Gängelung sowie die polizeiliche und justizielle Repression der Opposition dauert an, von fairen Wahlbedingungen kann nicht die Rede sein. Nun hat auch der Nationale Wahlrat (CNE) seine Einladung an die Europäische Union zurückgezogen, eine Beobachtermission zur Präsidentschaftswahl zu entsenden. Jenseits des Wahlgangs dürfte auch der Umgang mit dem Wahlergebnis eine besondere Herausforderung nicht nur für die venezolanische Politik, sondern auch für die internationale Gemeinschaft bereithalten.
»Es geht uns besser. Das Schlimmste ist vorbei.« Mit diesem Wahlslogan versucht Venezuelas Präsident Nicolás Maduro die Wählerschaft seines Landes für seine Wiederwahl zu gewinnen. Dabei baut er auf die jüngsten Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmendaten seines Landes und darauf, dass diese die massive Verarmung der Bevölkerung und den unübersehbaren Verfall der Infrastruktur Venezuelas (Straßen, Brücken, Gesundheits- und Wasserversorgung) vergessen machen. Zudem wirbt er mit neuen Versprechungen, wie etwa mit der Zusage eines Dialogs mit allen Teilen der venezolanischen Gesellschaft nach dem Wahltag. Die regierende Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) organisiert die traditionellen Massenkundgebungen, auf denen sich Maduro für eine dritte Amtszeit empfiehlt. Daneben verlagert sich der Wahlkampf in die sozialen Medien, die angesichts der Zensur für viele Wähler der einzige Zugang zu Informationen jenseits der kontrollierten staatlichen Medien sind.
Wirtschaftliche Erholung, andauernde soziale Notlage
Venezuela verzeichnete im Jahr 2022 ein Wirtschaftswachstum von nahezu 12 Prozent. Damit endete eine lange Phase der Schrumpfung des BIP, die acht Jahre dauerte (2014–2021) und zu einem kumulativen Verlust von 75 Prozent des BIP geführt hat. Zu der Trendumkehr beigetragen haben vor allem der gestiegene Ölpreis, aber auch eine wieder wachsende Ölproduktion des Landes. Allerdings hat sich der Konjunkturanstieg im Jahr 2023 bereits wieder etwas abgeschwächt, so dass nur ein Wachstum von circa 2,6 Prozent erreicht wurde, eine Abflachung, die wiederum auf zwischenzeitlich erneut sinkende Rohölpreise zurückzuführen ist.
Für die Bevölkerung ist die Hyperinflation und der damit verbundene Kaufkraftverlust weiterhin eine schwere Last, belief sich doch die akkumulierte Inflation im Jahr 2023 auf 189 Prozent, eine Steigerungsrate, die gleichwohl die niedrigste seit dem Jahr 2015 war. In ihren Projektionen für das Jahr 2024 rechnet die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) für Venezuela mit einem Wachstum von 4 Prozent, das allerdings unter dem Vorbehalt möglicher politischer Verwerfungen steht. Nichtsdestotrotz sind diese Wirtschaftsdaten für Präsident Maduro Anlass, von einem Ende der Belastungen für die Bevölkerung zu sprechen, insoweit eine Besserung der Lage spürbar sei und das »Schlimmste« hinter den Menschen liege.
Doch trotz der Verbesserung der ökonomischen Eckdaten bestehen nach einer Studie der UNDP zentrale Probleme für die Wirtschaft Venezuelas fort, an erster Stelle die fehlende Finanzierung von Krediten, gefolgt von den Ausfällen bei den öffentlichen Dienstleistungen, der hohen Steuerlast, dem schwierigen makroökonomischen Umfeld und den anhaltenden Engpässen und Störungen bei der Kraftstoffversorgung, insbesondere im Landesinneren. 75 Prozent der befragten Unternehmen klagen darüber, dass sie rund die Hälfte ihrer Kapazitäten ungenutzt lassen müssen, ein Wert, der den Einbruch der Wirtschaftsleistung in der vergangenen Dekade auf drastische Weise veranschaulicht.
Auch wenn die makroökonomischen Daten eine Tendenz zu einer leichten Verbesserung der ökonomischen Situation andeuten, so gilt dies nicht für die soziale und humanitäre Lage der Bevölkerung Venezuelas, die als kritisch zu bezeichnen ist. Weiterhin stellen staatliche Programme einen wichtigen Weg der Nahrungsmittelversorgung für die Menschen dar. Die Lokalen Versorgungs- und Produktionskomitees (CLAP) verteilen in unregelmäßigen Lieferungen und mit einer begrenzten Anzahl von Produkten Lebensmittel an Begünstigte. In einer landesweiten Befragung der NGO-Plattform HumVenezuela gaben 61,9 Prozent der Haushalte an, diese Zuteilungen in Anspruch zu nehmen.
Massive Defizite werden auch für die Gesundheitsversorgung gemeldet. Im August 2023 beklagten sich 88,9 Prozent der Haushalte über schwerwiegende Einschränkungen bei den Diensten der öffentlichen Gesundheitszentren. Diese seien wegen fehlender Medikamente, fehlender medizinischer Ausrüstung und mangelnden Personals nicht in der Lage, ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen. Manche von ihnen hätten ihre Öffnungszeiten verkürzt oder seien gar ganz geschlossen worden. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Wasserversorgung, dem Transportwesen und dem Erziehungssystem. So besuchten im August 2023 6,5 Prozent der Kinder im Grundschulalter und 15,7 Prozent in den höheren Jahrgängen keine Schule.
Die Wahlkampagne der »Nicht-Kandidatin«
An diese Alltagserfahrungen von jahrzehntelanger Mangelwirtschaft, Korruption und unerfüllten Versprechungen knüpft die Wahlkampagne der Regierungsgegner an. Oppositionsführerin María Carolina Machado hat bei ihren Auftritten das, was die Bevölkerung bewegt – die Erschöpfung im tagtäglichen Kampf um Grundnahrungsmittel und Medikamente, das Gefühl der Unsicherheit und der Druck und die Verfolgung durch das Regime – erfolgreich aufgenommen; sie war mit einem erdrutschartigen Sieg bei den Vorwahlen im Oktober 2023 zur gemeinsamen Kandidatin der Oppositionsparteien gegen Präsident Maduro gewählt worden. Im vergangenen Januar entschied dann die venezolanische Rechnungsprüfungsbehörde (CGR), dass Machado für einen Zeitraum von 15 Jahren von der Kandidatur für ein gewähltes Amt ausgeschlossen wird, ein Urteil, dass im Anschluss auch der Oberste Gerichtshof des Landes bestätigte. Diese Disqualifizierung wurde mit angeblichen Korruptionsvorfällen begründet, die in die Zeit der Präsidentschaft Juan Guaidós fallen, des früheren Oppositionsführers, den das venezolanische Parlament im Januar 2019 zum Interimspräsidenten Venezuelas proklamiert hatte. Zudem wurde Machado die Unterstützung der US‑Sanktionen gegen die Regierung von Nicolás Maduro vorgeworfen. Als Machado daraufhin die Universitätsprofessorin Corina Yoris als Ersatzkandidatin vorschlug, verweigerte ihr die venezolanische Wahlbehörde die Registrierung, so dass Yoris’ Name nun ebenfalls nicht auf dem Stimmzettel steht. Machado übertrug die Spitzenkandidatur schließlich an den weitgehend unbekannten 74-jährigen ehemaligen Diplomaten Edmundo González Urrutia, der nun formal das Oppositionslager anführt. Dieser fungiert erkennbar als Platzhalter Machados, seine Kandidatur lebt vom politischen Kapital der verhinderten Bewerberin, die die Hoffnung auf einen Wechsel verkörpert. Bislang ist es Machado gelungen, die traditionell starken zentrifugalen Kräfte des heterogenen Oppositionslagers unter Kontrolle zu halten und ihre Strahlkraft für die Verständigung zwischen ihren Anhängern und neuen Verbündeten einzusetzen.
Die »Nicht-Kandidatin« ist weiterhin das Zugpferd im Wahlkampf und scheint durch ihre Mobilisierungsfähigkeit in der Breite der Bevölkerung in der Lage, den Chavismus, also die nach dem ehemaligen Präsidenten Hugo Chávez (1954–2013) benannte Bewegung, an der Wahlurne wirklich bezwingen zu können. Diese Siegaussichten hatten unmittelbare Effekte für die Wahlkampagne Maduros: Der Aufstieg von María Corina Machado als Führungspersönlichkeit hat seine Agenda verändert und ihn in die Defensive gedrängt. Seine Reaktionen wirken impulsiv und sind garniert mit einer Fülle von Maßnahmen aus dem Handbuch autokratischer Herrschaftsführung – sei es in Gestalt von Repressionen gegen Ladenbesitzer, die an Machado Essen verkaufen, oder gegen Hotels, in denen sie Station macht. Auch weiterhin hat die Opposition keinen Zugang zu den Medien, sie wird zensiert, von der Regierung schikaniert und muss ständig mit ernsten, auch gewaltsamen Gegenschlägen des Regimes rechnen, zum Beispiel in der Weise, dass gewählte Oppositionsbürgermeister des Amtes enthoben und Unterstützer in Haft genommen werden. Zudem versucht die Propagandamaschinerie der Regierung ein Zerrbild der Opposition zu zeichnen, indem sie diese verantwortlich macht für die internationalen Sanktionen, die für die Verschlechterung der Lebensverhältnisse maßgeblich seien. Mit wachsender Nähe zum Wahldatum werden die Eingriffe der staatlichen Behörden in die Rechte der Opposition immer zahlreicher, so dass die Vereinbarungen, die beide Parteien im sogenannten Barbados-Abkommen getroffen haben, nicht nur verletzt, sondern mitunter außer Kraft gesetzt werden.
Das Barbados-Abkommen und die Rolle der internationalen Gemeinschaft
Das Abkommen von Barbados wurde im Oktober letzten Jahres zwischen der Regierung und der Opposition unter Vermittlung des Königreichs Norwegen geschlossen, um im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen Verfahrensgarantien und demokratische Rechte festzulegen. Der venezolanischen Opposition ging es bei den Verhandlungen vor allem darum sicherzustellen, dass die diesjährigen Wahlen aufgrund des Abkommens unter faireren Bedingungen stattfinden würden – insbesondere unter Beteiligung internationaler Beobachter. Der Verhandlungsprozess wurde von Ländern wie Barbados, Kolumbien, Mexiko, den Niederlanden, Russland und den USA begleitet. Washington hatte sich bereiterklärt, im Gegenzug für eine akzeptable Vereinbarung zwischen den venezolanischen Akteuren die gegen die Maduro-Regierung verhängten Sanktionen zu lockern. Im Nachgang des Barbados-Abkommens setzten die USA nach Geheimverhandlungen mit der venezolanischen Regierung in Doha einige Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela tatsächlich für sechs Monate aus. Im Oktober 2023 entschied die Regierung Biden, eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen die Ölindustrie, den Bergbau und die Zentralbank Venezuelas zu entschärfen, unter anderem als Gegenleistung dafür, dass die Regierung Maduro in Barbados zugesichert hatte, die politischen Rechte der Opposition und insbesondere die Gebote fairer Wahlen zu respektieren.
Für das venezolanische Regime ergaben sich mit dem Deal neue wirtschaftliche Chancen. Das Land mit den größten Erdölreserven weltweit konnte den internationalen Verkauf von Öl und Gas wieder in Schwung bringen und bislang stillliegende Produktionskapazitäten in Betrieb nehmen. Die erste Lizenz zur Förderung und zum Export von Gas im »Campo Dragón« (vor der Küste des Bundesstaates Sucre) wurde an die staatliche National Gas Company (NGC) von Trinidad und Tobago vergeben, in Partnerschaft mit dem transnationalen Unternehmen Shell. Ende 2023 unterzeichneten der Ölkonzern Petróleos de Venezuela S.A. (PDVSA) und die Raffinerie Kòrsou (RdK) von Curaçao ein Abkommen, das die Wiederaufnahme der kommerziellen und finanziellen Aktivitäten zwischen den beiden staatlichen Erdölgesellschaften und die Reaktivierung der ehemaligen Raffinerie Isla vorsieht, die über eine Verarbeitungskapazität von 335.000 Barrel pro Tag verfügt. Eine weitere wichtige Transaktion war der Abschluss eines Rahmenabkommens zwischen PDVSA und der spanischen Gesellschaft Repsol zur Reaktivierung eines Joint Ventures, an dem das europäische Unternehmen zu 40 Prozent beteiligt ist.
Doch mit dem 17. April 2024 sind die von der US-Regierung gewährten Vergünstigungen für den venezolanischen Öl- und Gassektor ausgelaufen. Washington lehnte eine Verlängerung ab, da Venezuela die Vereinbarung von Barbados verletzt habe. Der Vermittler Norwegen hatte immer wieder gefordert, die Bemühungen um die Einrichtung einer Follow-up- und Verifizierungskommission für das Abkommen voranzutreiben mit dem Ziel, konstruktive Lösungen für noch offene Fragen zu finden. Doch dieser Aufruf ist ohne Folgen geblieben. Beide Seiten – die Regierung Venezuelas und die Oppositionsplattform Plataforma Unitaria Democrática – haben das Abkommen inzwischen als »tot« bezeichnet. Das Regime führt zur Begründung angebliche Mordpläne der Opposition gegen den Präsidenten an, die Opposition die kontinuierlichen Verstöße des Regimes gegen die Vereinbarung.
Damit werden ergänzende Restriktionen von wirtschaftlichen Transaktionen mit Unternehmen wirksam, die ihren Sitz in Russland haben oder von einer Person mit Wohnsitz in Russland kontrolliert werden. Die Normalisierung der Beziehungen des Maduro-Regimes mit Washington ist somit vorerst gescheitert. Die temporären und selektiven Vergünstigungen für die Öl-, Gas- und Bergbauindustrie des Landes sind hinfällig geworden. Damit stellt sich auch die Frage, inwieweit das asymmetrische Verhandlungsmuster »Aufweichung der Sanktionen gegen demokratische Konzessionen« für die Opposition noch zukunftsfähig ist, da diese in zentraler Weise von der Politik Washingtons abhängt.
Im Mai 2024 nahm der venezolanische Wahlrat dann die bereits erteilte Einladung an die EU zurück, mit einer Wahlbeobachtungsmission präsent zu sein. Dadurch wird eine unabhängige Begleitung der Wahlen schwieriger, auch wenn andere internationale Organisationen wie das Carter Center weiterhin Gelegenheit zur Beobachtung der Präsidentschaftswahl haben. Als Grund für den Ausschluss der EU wurden von venezolanischer Seite die davor verlängerten Sanktionen gegen führende Persönlichkeiten des Landes angeführt. Die Strafmaßnahmen der EU umfassen ein Embargo für Waffen und Ausrüstungen zur internen Repression und ein Reiseverbot für 54 Personen aus dem Regierungs- und Justizapparat, deren Vermögenswerte zusätzlich eingefroren werden. Diese Sanktionen wurden im Mai bis Januar 2025 verlängert. Für vier Personen des nationalen Wahlrats wurden sie zunächst aufgehoben. Doch diese Andeutung von Flexibilität stieß auf wenig Verständnis bei den Repräsentanten Venezuelas. Bereits im Januar hatte das venezolanische Parlament davor gewarnt, dass die Teilnahme der EU als Beobachter bei den Präsidentschaftswahlen in Frage stünde, weil die EU die Bedingungen der Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit nicht erfülle. Hintergrund dafür war eine Entschließung des Europäischen Parlaments, die Wahlen und deren Ergebnisse nicht anzuerkennen, wenn die Einhaltung des Abkommens von Barbados nicht gewährleistet ist. Die EU hatte nach den Erfahrungen mit ihrer Wahlbeobachtungsmission bei den Regional- und Kommunalwahlen 2021 einen Katalog mit klaren Kriterien für demokratische Wahlen vorgelegt, der in Caracas auf ein negatives Echo gestoßen war.
Die Haltung der EU hinsichtlich der Wahrung von Fairness und Transparenz im Wahlprozess erhielt auch international Unterstützung. Auf dem jüngsten G7-Treffen in Italien stellten sich die Präsidenten und Regierungschefs in der Abschlusserklärung hinter die Forderung zur Einhaltung des Barbados-Abkommens und sprachen sich für die Präsenz einer glaubwürdigen internationalen Wahlbeobachtung in Venezuela aus.
Ausblick: Ein Transitionsszenario
Der Ausgang der Wahlen ist ungewiss, zumal in dem Falle, dass die Opposition eine Mehrheit erreichen sollte, mit Wahlbetrug, Aussetzung der Auszählung oder einer anderen Art der Unterbrechung des Wahlgangs zu rechnen ist. Ein solches Vorgehen wird erleichtert, wenn keine unabhängige internationale Wahlbeobachtung vor Ort ist. Bis zum Amtsantritt einer neuen Regierung vergehen zudem noch sechs lange Monate, da dieser laut Verfassung im Januar 2025 erfolgen muss. Dies bedeutet, dass das Land vor einer Zeit großer Unsicherheit und nach den Wahlen vor einem Prozess der beschleunigten Destabilisierung stehen könnte, verbunden – wie im Jahr 2014 – mit von der Opposition gestarteten Mobilisierungen bis hin zu gewaltsamen Protesten (bekannt als »Guarimbas«).
Andererseits könnte daraus auch eine Transitionsphase folgen, in der sich Regierung und Opposition zu Verhandlungen und Übereinkünften durchringen. Zwar erscheint es nach beinahe 25-jähriger Vorherrschaft des Chavismus schwer vorstellbar, wie sich der mit dem Militär eng verbundene Regierungsapparat zu einem solchen Schritt entschließen könnte, aber auch im Oppositionslager wird bereits über den Fahrplan einer politischen Transition nachgedacht. Trotz negativer Erfahrungen mit der systematischen Manipulation von Vereinbarungen durch das Maduro-Regime wird im Falle eines Wahlsiegs der Opposition ein international begleiteter Verhandlungsprozess in Betracht gezogen, an dem insbesondere auch die Nachbarländer Kolumbien und Brasilien zu beteiligen wären. Ein solches Unterfangen würde sich durch extreme Komplexität auszeichnen, da die unmittelbaren Reaktionen der Bevölkerung nur schwer zu kontrollieren sein dürften – von der als Befreiung empfundenen Freude über ein Ende des Regimes bis zur Ernüchterung all derer, die bislang vom Klientelsystem des Chavismus profitiert haben. Der Wahlkampf der besonderen Art könnte somit in eine postelektorale Phase mit weiteren Eigentümlichkeiten und in sehr unübersichtliche Verhandlungssituationen münden, die von den politischen Akteuren und der internationalen Gemeinschaft besondere Anstrengungen erfordern werden.
Verhandlungen auf der Basis von Treu und Glauben erfordern ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen. Genau das ist durch vorausgegangene Verhandlungsprozesse zerrüttet. Es wiederherzustellen ist Aufgabe der Regierung und der Opposition unter Einbindung zivilgesellschaftlicher Gruppen und der Diaspora. Ein politisches Klima, das erneut durch Militarisierung und Repression seitens der Regierung und Rachegelüste seitens der Opposition gekennzeichnet wäre, könnte schnell die Erwartungen der Bevölkerung auf eine Ende der schwierigen Lebensbedingungen und der unfruchtbaren Polarisierung enttäuschen.
Prof. Dr. Günther Maihold ist Non-Resident Senior Fellow der SWP.
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DOI: 10.18449/2024A33