Seit Beginn der 2010er Jahre haben urbane Proteste größere globale Aufmerksamkeit erregt als andere Proteste in den Jahrzehnten zuvor. Das gilt für die Besetzung des Tahrir-Platzes in Kairo (2011), des Taksim-Platzes in Istanbul (2013) und des Maidan in Kiew (2013/14) ebenso wie für die Demonstrationen der Bewegung »Occupy Wall Street« (2014) und die Regenschirmbewegung in Hongkong (2014). Diese Aufmerksamkeit erklärt sich unter anderem damit, dass Protestaktivitäten immer häufiger in großen Städten stattfinden, die sich in Demokratien wie Nicht-Demokratien als Knotenpunkte der modernen digitalisierten und technisierten Gesellschaft entwickelt haben. Die global vernetzte Stadt ist ein strategischer Ort, an dem neue Formen politischer Artikulation und Aktion erprobt werden können. Folgerichtig betrachten sowohl Entscheidungsträger als auch Experten die Besetzung und Blockade von öffentlichen Plätzen, Straßen oder Gebäuden zunehmend als globale politische Herausforderung. Verstärkt wird diese »Politisierung der Straße« durch die beschleunigte digitale und dabei häufig (audio-)visuelle Verbreitung der Protestaktivitäten über soziale Medien. Sie ermöglicht, dass die Ereignisse gleichzeitig weltweit sichtbar werden.
Proteste finden an der Schnittstelle verschiedenster politischer Räume statt, seien sie urban, global oder digital. Solche Räume lassen sich immer schwerer voneinander trennen und wirken zugleich politisch immer stärker aufeinander. Das legt nahe, dass die oftmals starren Unterteilungen zwischen dem Innen und dem Außen des Nationalstaates oder zwischen privaten und öffentlichen Räumen zu überdenken sind. Räume sind darüber hinaus ein Ergebnis sozialer Interaktionen und politischer Handlungen. Das heißt, dass die Bedeutung von Räumen wie etwa Plätzen oder Straßen sich ändern kann, so dass jene stets wandelbar sind. Eine Analyse verschiedener Proteste aus den letzten Jahren ist daher sinnvoll, um die neue Vielschichtigkeit der Weltpolitik mit ihren neuen Räumen, Akteuren und Bedeutungen darzulegen und dabei vor allem das Digitale zu berücksichtigen.
Diese SWP-Studie ist Ergebnis eines zweijährigen Projekts. Sie liegt nicht nur als Printversion, sondern auch als Webseite vor, mit der die Studientexte multimedial ergänzt werden: http://projekt.swp-berlin.org/urbaneraeume/.