Während in Europa hitzig über die Konsequenzen einer möglichen Wiederwahl Donald Trumps debattiert wird, offenbaren die Diskussionen in Australien, Japan und Südkorea größeres Vertrauen in Washingtons Sicherheitsversprechen. Dort ist die Angst, dass die USA ihre erweiterte nukleare Abschreckung beenden könnten, deutlich weniger ausgeprägt als in Europa. Diese Zuversicht scheint in erster Linie auf dem parteiübergreifenden Konsens in Washington zu beruhen, dass die USA China eindämmen müssen und dafür zuverlässige Verbündete im Pazifikraum brauchen. Gleichzeitig wollen diese US-Verbündeten die existierende regionale Ordnung beibehalten und sind bereit, Washington tatkräftig zu unterstützen. Trumps potentielle Wiederkehr ändert daran wenig. Stattdessen fürchten die pazifischen Bündnispartner ordnungspolitische Herausforderungen in Ostasien, die auch für Europas Sicherheit und Wohlstand von großer Bedeutung sind.
Europäische und pazifische US-Verbündete teilen einige Bedenken wegen einer möglichen zweiten Trump-Regierung. Beide befürchten, dass Trump in der US-Außenpolitik wieder einen transaktionalen Ansatz verfolgen wird. Streitigkeiten unter Alliierten würden in aller Öffentlichkeit ausgetragen, was die Bevölkerung verunsichern, Gegner erfreuen und die Glaubwürdigkeit der gemeinsamen Verteidigungspolitik gefährden würde. Angesichts von Trumps Hang zu Autokraten sorgen sich alle Bündnispartner, dass Washington entweder wichtige gemeinsame Interessen aufgibt, um Diktatoren fragwürdige Zugeständnisse abzuringen, oder, falls Verhandlungen (erneut) scheitern, dass Trump US-Verbündete in unerwünschte Konflikte hineinzieht.
Doch jenseits dieser geteilten Sorgen scheinen die politischen Entscheidungstragenden in Canberra, Seoul und Tokio grundsätzlich optimistischer zu sein. Sie schätzen, dass sie mit Trumps Ego umgehen können und ihm lukrative Deals anbieten werden. Auch nehmen sie an, dass eine zweite Trump-Administration im westlichen Pazifik engagiert bleiben und verlässliche Partner dort brauchen wird, um Einfluss zu behalten und China einzudämmen. Diese Annahmen führen zwar nicht zu weniger, aber zu weniger gravierenden Bedenken im transpazifischen Verhältnis. Die europäischen Bündnispartner jedoch fürchten, dass Trump die Nato und damit die nukleare Rückversicherung der USA untergraben oder gar beenden könnte. Selbst in Südkorea hängt die öffentliche Diskussion über eigene Nuklearwaffen mehr mit der wahrgenommenen Bedrohung aus Nordkorea zusammen als mit Sorgen innerhalb der Allianz.
Es sind in erster Linie die veränderten regionalen Kräfteverhältnisse und Chinas Ambitionen, welche die transpazifischen Bündnispartner beunruhigen. Einerseits begründet der umfassende Wettstreit zwischen den USA und China die Erwartung, dass Washington engagiert sowie die Sicherheitsbeziehungen und die erweiterte nukleare Abschreckung im Pazifik beständig bleiben werden. Andererseits führt der Wettstreit den pazifischen Bündnispartnern vor Augen, dass Schritte der jetzigen und nächsten US-Administrationen die Entwicklung der Kräfteverhältnisse und regionalen Konstellation in den folgenden Jahrzehnten maßgeblich prägen werden. Deshalb herrscht Besorgnis, dass eine transaktional agierende zweite Trump-Regierung die langwierigen gemeinsamen Bemühungen, die Ordnung aufrechtzuerhalten, unterminieren und damit den Grundstein für eine spätere chinesische Vormachtstellung in dieser strategisch wichtigen Region legen könnte.
Wandel militärischer Verhältnisse
Regionale und globale wirtschaftliche, politische und technologische Entwicklungen verändern die Kräfteverhältnisse im asiatisch-pazifischen Raum anders als in Europa. Schließlich ist die Ausgangslage eine ganz andere: Russlands Wirtschaft ist nur ein Zehntel so groß wie die der EU, und es mangelt in Europa eher an politischer Entschlossenheit und einsatzbereiten militärischen Fähigkeiten, nicht an den Ressourcen per se. Entscheidend ist hier, ob die USA Europa in einer geografisch begrenzten Krise verteidigen würden, ob die westeuropäischen Staaten für ihre osteuropäischen Verbündeten in den Krieg ziehen würden und ob die derzeitigen Streitkräfte ausreichen, um Russland von Aggressionen abzuschrecken oder diese abzuwehren.
Chinas Wirtschaft hingegen ist fast zweieinhalbmal so groß wie die von Australien, Japan und Südkorea zusammen – ein Unterschied, der in etwa das Gefälle bei den Militärausgaben widerspiegelt. Während europäische Nato-Staaten bewusst ihre Sicherheit an Washington delegiert haben, stehen den US-Verbündeten im westlichen Pazifik nur begrenzte Möglichkeiten offen, ausreichende konventionelle Fähigkeiten zu entwickeln, um China wirksam abzuschrecken.
Bedenken hegen diese US-Verbündeten daher in erster Linie wegen Chinas Entschlossenheit, regionale Dynamiken selbst zu gestalten. Seit Xi Jinping verfolgt Peking eine konfrontativere Außenpolitik, um chinesischen Interessen in der Region mehr Geltung zu verschaffen und den Einfluss der USA im Pazifik zu schwächen, wenn nicht gar zu beseitigen. China hat bewiesen, dass es seine streitbare Diplomatie sowohl durch kostspielige wirtschaftliche Maßnahmen als auch durch rasche Modernisierung seiner Streitkräfte stützen kann und will. Noch wird angenommen, dass die USA vorerst weiter die führende militärische Rolle spielen werden, da Washington bei konventionellen wie nuklearen Fähigkeiten und in vielen weiteren Bereichen überlegen ist. Allerdings holt China rasch auf und macht seine regionalen Ansprüche geltend, sodass es für die USA immer schwieriger wird, ihre Macht so weit von den eigenen Küsten entfernt wirksam zu projizieren. Darum befürchten Verbündete, China könnte in Zukunft den asiatisch-pazifischen Raum dominieren.
Vor diesem Hintergrund sehen viele die Zukunft Taiwans als Vorboten für die mögliche Entwicklung der Region. Sollte Peking diesen zentralen Teil der ersten Inselkette kontrollieren, gewänne es militärischen und politischen Einfluss auf das Ost- und das Südchinesische Meer, die beide strategisch wichtig sind. Um Entschlossenheit zu signalisieren, veranstaltet Peking zum Beispiel militärische Machtdemonstrationen im Luftraum zwischen seinem Festland und Taiwan. Darum argwöhnen die transpazifischen Verbündeten, China könnte mit konventionellen oder nuklearen Fähigkeiten drohen, um sie vor vollendete Tatsachen zu stellen und die Kontrolle über Taipeh zu erlangen, bevor die USA einschreiten können. Beschädigt wäre dann auch Washingtons Glaubwürdigkeit als Hüter der regionalen Ordnung. Ungewiss ist, ob Peking tatsächlich wegen Taiwan einen Krieg gegen die USA führen würde oder lediglich versucht, die militärischen Kräfteverhältnisse so zu verändern, dass es Washington, Taipeh und regionale Partner einem inakzeptablen Eskalationsrisiko aussetzen kann. Aber schon dass China seine Absichten nicht preisgibt, fördert pessimistische Annahmen.
Das nukleare Bedrohungsumfeld
In den letzten Jahren hat Peking sein Atomwaffenarsenal erheblich aufgestockt. Laut US-Prognosen könnte China die Zahl seiner nuklearen Sprengköpfe von derzeit geschätzt 500 bis zum Jahr 2030 verdoppeln. Zahlenmäßig wären Russland und die USA China bei den Nuklearstreitkräften dann immer noch weit überlegen. Allerdings scheint Peking bestrebt, sich ähnliche strategische Kernwaffensysteme zu verschaffen, wie sie Washington und Moskau besitzen. Die genauen Motive für Chinas nukleare Aufrüstung bleiben umstritten. Die Waffentypen und das Tempo ihrer Entwicklung lassen aber darauf schließen, dass Peking zumindest Washingtons Eskalationsdominanz in einer Krise schwächen möchte. Solche Entwicklungen könnten theoretisch die wechselseitige nukleare Abschreckung zwischen China und den USA stärken. Das könnte einerseits das Risiko eines globalen Kriegs verringern. Andererseits bedeutet das für Washingtons pazifische Bündnispartner, dass ihre Schutzmacht nicht mehr glaubwürdig mit einer nuklearen Eskalation drohen und Peking nicht mehr wirksam abschrecken könnte. So wären sie in China in einem konventionellen Krieg unterlegen.
Nordkoreas Außenpolitik in Verbindung mit seiner nuklearen Aufrüstung bildet einen weiteren Grund zur Sorge. Schätzungen zufolge könnte Nordkorea momentan höchstens 90 Atomsprengköpfe zur Verfügung haben. Allerdings hat Pjöngjang seine Trägersysteme erheblich diversifiziert. Damit untermauert das nordkoreanische Regime eine nukleare Doktrin, mit der es einen Keil zwischen die pazifischen Bündnispartner treiben könnte, indem es Südkorea mit taktischen und den USA mit strategischen nuklearen Schlägen droht. Zudem halten Washington und seine Verbündeten Nordkoreas Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen für sehr niedrig, da sie annehmen, dass Pjöngjang so auch vor konventionellen Angriffen abzuschrecken versucht.
Schließlich verstärkt Moskau die Sorgen in der Region über Chinas und Nordkoreas künftiges Verhalten. Russland unterhält zwar wichtige militärische Einrichtungen in Nordostasien, militarisiert den Kurilen-Archipel und führt gemeinsam mit China strategische Luft- und Seepatrouillen im westlichen Pazifik durch. Moskaus Schwerpunkt liegt indes eindeutig auf Europa. Australien, Japan und Südkorea fürchten aber die konkreten Auswirkungen von Russlands Zusammenarbeit mit Peking und Pjöngjang. Klar ist, dass sie Moskaus Kriegsführung in der Ukraine fördert. Im schlimmsten Fall könnte die engere militärische Kooperation effektivere Koordination und opportunistisches Verhalten, die Konflikte der anderen für sich zu nutzen oder die USA und ihre Verbündeten durch zusätzliche Krisen herauszufordern, zur Folge haben. Wahrscheinlicher ist jedoch keine trilaterale Front, sondern eine Dreiecksdynamik, die anfällig für Misstrauen, Machtkalküle und Prioritätensetzung der jeweiligen Machthaber bleibt – und dennoch bestehende Herausforderungen für regionale Sicherheit und Nichtverbreitung verstärken kann. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass der Ausgang des laufenden Angriffskriegs in der Ukraine riskante Präzedenzfälle für revisionistische Bestrebungen in Ostasien schaffen könnte. Schon jetzt könnten China und Nordkorea von Russlands Nuklearrhetorik lernen, wie sich Alliierte verunsichern und von einer »zu weit« gehenden Unterstützung der Ukraine abschrecken lassen.
Konvergierende Interessen und (radikale) Alternativen
Die Herausforderungen im asiatisch-pazifischen Raum könnten gravierendere Auswirkungen auf die regionale und globale Ordnung haben als Konflikte in Europa. Deshalb beeinflussen sie schon jetzt das Interessengleichgewicht und damit den Handlungsspielraum der beteiligten Akteure.
Erstens gibt es in Washington einen parteiübergreifenden Konsens, dass der amerikanische Einfluss im Pazifik bewahrt werden muss. Der indopazifische Raum wird als strategisches Gravitationszentrum angesehen. Der Einfluss der USA in dieser Region gilt als Schlüssel zur Aufrechterhaltung von Amerikas herausragender Position in der Welt. Daraus wird geschlussfolgert, dass die Eindämmung Chinas notwendig sei. So sind der Status Taiwans und die Bündnisse mit Australien, Japan und Südkorea nach wie vor von zentraler Bedeutung für die USA, selbst in einem stark parteipolitisch geprägten Umfeld.
Zweitens braucht Washington seine Verbündeten im westlichen Pazifik. Da sich der amerikanische Vorsprung vor China bei den militärischen Fähigkeiten verringert, benötigt das US-Militär die Stützpunkte, die logistische Unterstützung und die ergänzenden Fähigkeiten der regionalen Verbündeten. Folglich beherbergen Australien, Japan und Südkorea substantielle US-Streitkräfte, die eine schnelle Stationierung und dauerhafte Operationen in der Region ermöglichen. Nicht nur sind die USA bestrebt, die bilaterale Sicherheitskooperation mit Australien und Japan zu stärken. Washington betrachtet diese beiden Länder auch als unverzichtbare Partner für regionale Formate, etwa den Quadrilateralen Dialog mit Indien, mit denen Ressourcen gebündelt und Pekings Ambitionen eingedämmt werden sollen. Wegen Chinas beträchtlicher Wirtschaftskraft erfordert jeder Versuch, Pekings technologische oder finanzielle Möglichkeiten einzuschränken, umfassende Zusammenarbeit. Es überrascht daher nicht, dass sich die Regierung Biden in der gesamten indopazifischen Region um Unterstützung bemüht, um beispielsweise Wirtschaftspartnerschaften, resilientere Lieferketten, Technologietransfers und Forschungskooperationen zu fördern.
Drittens sind die Verbündeten im westlichen Pazifik bereit, Beiträge für wirkungsvollere militärische Maßnahmen zu leisten. Viele europäische Regierungen dagegen sehen die Sicherheitsvorkehrungen der USA als selbstverständlich an und leiten nur ungern Mittel von sozialen und anderen Zwecken auf ihre Streitkräfte um. Australien, Japan und Südkorea unterhalten umfangreiche Handelsbeziehungen mit China und haben auf diese Weise ihren Wohlstand davon abhängig gemacht. Um ihre Sicherheit angesichts des wachsenden chinesischen Einflusses zu gewährleisten, setzen sie darauf, die USA in der Region zu behalten und ihre militärischen Beziehungen zu Washington zu verstärken. Für diese vorteilhafte Balance haben Canberra, Tokio und Seoul verlässlich in die eigene und gemeinsame Abschreckung und Verteidigung mit den USA investiert. Australien und Südkorea taten und tun dies auch unter Regierungen, die den Beziehungen zu Washington skeptischer gegenüberstehen.
Viertens stehen den Verbündeten der USA theoretisch alternative (wenn auch nicht attraktive) Optionen zur Verfügung, und Washington ist sich dessen sehr wohl bewusst. Zum einen könnten politische Entscheidungstragende in Washington befürchten, dass sich ihre pazifischen Verbündeten für einen Schulterschluss mit China entscheiden könnten, wenn ihr Misstrauen gegenüber dem Engagement der USA ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Da Australien keinen und Japan und Südkorea nur einen jeweils begrenzten Territorialstreit mit China haben, sind ihre Bedenken eher wirtschaftlicher und politischer Natur. Eine andere regionale Architektur wäre zwar deutlich weniger vorteilhaft, würde aber ihre grundlegenden Interessen nicht direkt bedrohen und wäre daher wahrscheinlich tolerierbar. Zum anderen verfügen Japan und Südkorea über gewisse technische Voraussetzungen – und Seoul auch über erhebliche innenpolitische Unterstützung –, um eigene Nuklearwaffen zu entwickeln und sich so vor chinesischer Nötigung zu schützen. Fiele die Rückversicherung durch die USA weg, könnten sie beide Alternativoptionen kombinieren und sich mit Hilfe ihres eigenen nuklearen Schutzschirms mit Peking gut stellen.
Auf dieser Grundlage herrscht in Canberra, Tokio und Seoul relative Zuversicht, dass die USA ihre Sicherheitsarchitektur aufrechterhalten und damit die erweiterte nukleare Abschreckung für den Westpazifik fortsetzen werden, unabhängig davon, ob Donald Trump die Präsidentschaftswahlen 2024 gewinnt oder nicht. Darüber hinaus haben sowohl Trump als auch seine Anhänger wiederholt einen konfrontativen Ton gegenüber China angeschlagen und ihre Bereitschaft betont, die Machtprojektion der USA mit militärischen Mitteln noch mehr als unter der Biden-Administration zu verstärken.
Ausgleichsbemühungen der USA und ihrer Verbündeten
Vor dem Hintergrund dieses sich verändernden politisch-militärischen Bedrohungsumfelds und des gleichgerichteten Interesse unter Alliierten, die heutige Ordnung zu bewahren, sind umfassende gemeinschaftliche Bemühungen zu erkennen, Chinas militärischer Expansion entgegenzuwirken. Diese Anstrengungen sind extrem teuer. Der wichtigste strategische Balanceakt für die künftige Regierung dürfte darin bestehen, China wirksam einzuhegen, die strategische Abschreckung gegenüber Russland aufrechtzuerhalten und die Eskalation potentieller Krisen zu vermeiden. Aus den Handlungen der letzten und jetzigen US-Administrationen lässt sich eine Vorgehensweise erkennen, die vier Komponenten umfasst. Das sind die Entwicklung zusätzlicher nuklearer Fähigkeiten, der Ausbau konventioneller Optionen, die Verbesserung der Fähigkeiten der Bündnispartner und die Ausweitung der Sicherheitskooperation mit Verbündeten.
Erstens wird in Washington diskutiert, wie die USA ihre nuklearen Optionen besser nutzen. Zwar ist eine umfassende Modernisierung der Nuklearwaffen im Gange, doch kommen immer mehr Fachleute und Entscheidungstragende zu dem Schluss, dass das US-Arsenal auch erweitert werden muss. Darüber hinaus hat der US-Kongress das Pentagon gedrängt, neue nukleare Fähigkeiten zu entwickeln, wie etwa den seegestützten nuklear bewaffneten Marschflugkörper (SLCM-N). Da die Trump-Administration bereits 2018 solche zusätzlichen regionalen Eskalationsoptionen gefordert hatte, würde eine zweite Administration hier Kontinuität bedeuten. Einige im republikanischen Lager fordern sogar, den Ersteinsatz solcher Nuklearwaffen mit geringer Reichweite in Betracht zu ziehen, um Chinas Optionen einzuschränken und Peking von einer Invasion Taiwans abzuschrecken. Unklar ist, wie viel Gewicht solche Stimmen in einer zweiten Amtszeit Trumps hätten.
Zweitens, und noch wichtiger, baut die US-Regierung ihre konventionellen Fähigkeiten aus. Hier hat die Biden-Administration Kurs gehalten, obwohl viele Demokraten ursprünglich Trumps Entscheidung von 2019 kritisiert hatten, das mit Russland vereinbarte vertragliche Verbot von Mittelstreckenraketen aufzuheben. Infolgedessen werden die US-Streitkräfte demnächst solche bodengestützten Raketensysteme in ihren europäischen und pazifischen Stützpunkten stationieren; eine geplante Verlegung zum US-Stützpunkt in Wiesbaden wurde jüngst verkündet. Für Asien wurde schon konkretisiert, dass das Hyperschallsystem Dark Eagle nach Guam verlegt werden wird. Um das konventionelle Kräfteverhältnis mit China auszugleichen, müssten allerdings die verschiedenen anderen US-Mittelstreckensysteme auf dem Gebiet der Verbündeten stationiert werden. Da Peking wohl mit harten wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen reagieren würde, ist ungewiss, ob oder unter welchen Bedingungen Canberra, Tokio oder Seoul einer solchen Stationierung zustimmen würden.
Drittens arbeitet die US-Regierung mit ihren regionalen Verbündeten eng zusammen, um deren eigene militärische Fähigkeiten zu verbessern. Zum einen entwickeln Australien, Japan und Südkorea ihre nationalen Fähigkeiten weiter, besonders im Hinblick auf Langstreckenfähigkeiten und strategische Seestreitkräfte. Zum anderen unterstützt die US-Regierung ihre Verbündeten dabei, ihre Frühwarn- und Raketenabwehrfähigkeiten zu erweitern. Hierbei scheint besonders relevant, dass Washington die Herausforderungen der Abschreckung stärker gewichtet als Proliferationsbedenken. Ein Beispiel dafür ist der beispiellose Technologietransfer, der damit einhergeht, dass Australien mit nuklear angetriebenen U-Booten ausgestattet wird. Dieser Transfer erfordert neue Sicherheits- und Überprüfungsmaßnahmen, damit das hochangereicherte Uran für den Antrieb nicht für den Bau von Atomwaffen zweckentfremdet wird. Ein weiteres Beispiel bildet die Entscheidung der USA, die Einschränkungen für Südkoreas Entwicklung ballistischer Raketen seit 2021 komplett aufzuheben. Ebenso wichtig ist der seit wenigen Jahren weit verbreitete Verkauf von Tomahawk-Marschflugkörpern, auch an Australien und Japan.
Viertens scheint Washington – obschon die transpazifischen Bündnisse bilaterale hierarchische Verhältnisse bleiben – seine Verbündeten nicht nur durch verbesserte nationale Fähigkeiten, sondern auch durch die Ausweitung der gemeinsamen Sicherheitskooperation und der Rollen der Verbündeten darin stärken zu wollen. Beispielsweise möchte die Biden-Administration, dass japanische Werften regelmäßig US-Kriegsschiffe warten, um deren ständige Präsenz in Ostasien zu gewährleisten. Auch wertete sie bilaterale Konsultationen mit Südkorea auf, um Seouls Rolle bei US-Nuklearoperationen zu besprechen. Ferner betreibt sie Technologietransfers bei fortschrittlichen militärischen Fähigkeiten, die Australiens strategische Reichweite ausdehnen werden. Obwohl diese Bündnisinitiativen die Handschrift der Biden-Administration tragen, folgen sie dem Mantra »Lastenteilung bei gleichzeitiger Wahrung des Einflusses«. Diese Taktik kennzeichnete Trumps Amtszeit und wird derzeit von weiten Teilen der Republikanischen Partei angestrebt. Daher sind Fachleute und Entscheidungstragende in Australien, Japan und Südkorea zuversichtlich, dass diese Maßnahmen 2025 weitergeführt werden, auch wenn ein Wechsel des Staatsoberhaupts Kommunikations- und Koordinationsschwierigkeiten, verfahrungstechnische Spitzfindigkeiten, Finanzierungsstreits und Umsetzungsverzögerungen mit sich bringen könnte.
Dennoch: Bedenken in Hülle und Fülle
Auch wenn einige Anhänger Trumps im eigenen Land jede Verringerung des US-Engagements im Ausland begrüßen würden, müsste eine zweite Regierung der Realität ins Auge sehen, dass der Verzicht auf erweiterte nukleare Abschreckung nach wie vor in grundlegendem Widerspruch zu ihren Hauptzielen steht. Von ihrem langjährigen Beschützer im Stich gelassen und massiven Bedrohungen ausgesetzt, würden ehemalige Verbündete wahrscheinlich versuchen, China zu beschwichtigen und sich eigenständig Nuklearwaffenarsenale anzuschaffen. Solche Entwicklungen liefen den Interessen jeder US-Regierung zuwider, auch eines Weißen Hauses unter Trump. Ängste vor nuklearer Bedrohung stehen also nicht im Zentrum und lassen viel Raum für andere Befürchtungen unter Alliierten.
Zwar investieren die pazifischen Bündnispartner relativ viel in nationale und gemeinsame Abschreckung und Verteidigung. Doch auch sie sorgen sich wegen Trumps Neigung, Verbündete zu Zugeständnissen zu drängen. So erwarten die meisten in Südkorea mindestens eine Wiederholung der zähen Verhandlungen über Kostenteilung wie während seiner ersten Amtszeit. Trump und seine Anhänger verlangen von Seoul lautstark höhere finanzielle Beiträge für die US-Truppen, die auf der koreanischen Halbinsel stationiert sind. Verbunden ist diese Forderung häufig mit der Drohung, die US-Truppen teilweise oder gar vollständig abzuziehen, mit Hinweisen auf das Handelsungleichgewicht und mit dem Herunterspielen der Bedrohung durch Nordkorea. Zwar ist die Präsenz der US-Soldaten durch die Unterstützung des Kongresses gesichert, aber das Weiße Haus hat beträchtlichen Spielraum bei der Festlegung von Umfang und Mandat dieser Truppenstationierungen. Viele erwarten, dass Trump diesen Spielraum nutzen wird, um den Verbündeten wirtschaftliche Zugeständnisse abzuringen. In Canberra und Tokio befürchten einige, dass eine Trump-Administration womöglich Vereinbarungen zu militärischen Beschaffungen neu verhandeln will, um die finanziellen Gewinne der USA zu erhöhen. Aber nur wenige glauben, dass im Zuge solcher Auseinandersetzungen bestehende Vereinbarungen aufgekündigt werden.
Eine weitere Befürchtung in Australien, Japan und Südkorea ist, dass eine zweite Trump-Administration die verschiedenen Initiativen regionaler Sicherheitskooperation, die das Weiße Haus unter Biden eingeführt hat, einschränken oder aufgeben und alle Beziehungen wieder zuerst über Washington laufen lassen wird. Einerseits könnten Trump und seine Berater über die Vorzüge der Lastenteilung, die mit diesen neuen Formen der Zusammenarbeit verbunden sind, erfreut sein und diese weiterverfolgen. Andererseits könnte eine republikanisch geführte Regierung die Rückkehr zum traditionellen zentralisierenden »Nabe-und-Speichen-System« anstreben, um mehr Kontrolle über Bündnispartner ausüben zu können. Die Verbündeten argwöhnen daher, dass diese zwischenstaatlichen Initiativen ohne die Führungsrolle der USA stagnieren und der Wettbewerb zwischen den Protegés um die Aufmerksamkeit der gemeinsamen Schutzmacht wieder angestachelt wird. Das könnte vor allem für die sehr praktische, aber politisch heikle trilaterale Partnerschaft zwischen Japan, Südkorea und den USA gelten.
Weniger ausgeprägt als die zuvor genannten Befürchtungen sind die Sorgen wegen Trumps »Dealmaking«-Tendenzen, also etwa in einer kostspieligen Krise im Stich gelassen (abandonment) oder in einen regionalen Konflikt verstrickt (entrapment) zu werden. Die Ungewissheit, welche Politik Trump gegenüber China, Nordkorea und Russland wählen wird, spiegelt allgemeine Unsicherheiten über künftige Entwicklungen in Europa und Ostasien sowie Trump-spezifische Unwägbarkeiten wider. In Bezug auf China erwarten die meisten eine konfrontative Sicherheits- und Wirtschaftspolitik, während einige wenige fürchten, dass Trump einen »Grand Bargain« mit Xi anstreben könnte. Zum Status Taiwans verhält sich Trump eher uneindeutig; in einem Verhandlungsprozess könnte er entweder jegliche Unterstützung für Taiwan ablehnen oder sich im Falle chinesischer Unnachgiebigkeit dazu entschließen, Taipeh ausdrücklich zu verteidigen. Während Ersteres die US-Verbündeten einer möglichen chinesischen Nötigung aussetzen würde, könnte Letzteres zu einem offenen militärischen Konflikt mit Peking führen – und viele Verbündete bezweifeln, dass Trump in einer solchen Krise Entschlossenheit beweisen würde. Im Hinblick auf Nordkorea hoffen die meisten, dass Trump seine Lektion aus der gescheiterten Gipfeldiplomatie mit Kim Jong Un gelernt hat. Einige argwöhnen jedoch, Trump könnte zu beweisen versuchen, dass seine persönlichen Beziehungen Vereinbarungen möglich machen, die andernfalls nur schwer zu erreichen wären. So könnte er wieder versuchen, Kim Jong Un mit wirtschaftlichen Anreizen (und damit faktischem Sanktionsbruch) zu einem Aufrüstungsstopp zu bewegen. Damit Seoul diesen Deal hinnimmt, könnte Trump sogar so weit gehen, eine nukleare Selbstbewaffnung Südkoreas stillschweigend zu akzeptieren. Was schließlich Russland betrifft, sind viele besorgt, dass Trump Putin einen Deal zum Einfrieren des Konflikts in der Ukraine vorschlagen könnte – ein Ansatz, aus dem Xi seine eigenen Schlüsse für Ostasien ziehen könnte.
Auswirkungen auf Europa
Weil Trump zu Fehleinschätzungen und erratischem Verhalten neigt, ist Vorsicht bei dem Versuch geboten, seine künftige Politik nach einer Wiederwahl zu prognostizieren. Trotzdem ist es wichtig zu verstehen, warum sich Australien, Japan und Südkorea weniger Sorgen um nukleare Rückversicherung der USA machen. Aus dieser Analyse lassen sich drei Folgerungen für Europa ziehen.
Erstens sind grundlegende Änderungen in Washingtons Beziehungen zu seinen pazifischen Verbündeten unwahrscheinlich, auch wenn Trump wiedergewählt werden sollte. Das ist eine gute Nachricht für Europa. Zum einen hängt Europas wirtschaftlicher Erfolg davon ab, dass es keinen großräumigen Konflikt zwischen China und den USA gibt. Zum anderen sind stabile Beziehungen im asiatisch-pazifischen Raum indirekt äußerst günstig für die Nato, da die Sicherheitsvorsorge der USA in Europa stark von der Erfüllung ihrer wichtigeren Verpflichtungen im pazifischen Raum abhängt. Dennoch bleiben erhebliche Unwägbarkeiten aufgrund struktureller Herausforderungen sowie Trumps politischer Agenda und persönlicher Eigenheiten. Allerdings dürfte der Druck aus Washington auf Europa, seine China-Politik anzupassen, unter einer zweiten Trump-Administration wachsen, zumal diese wohl fast ausschließlich mit Hardlinern gegenüber China (China hawks) besetzt sein wird.
Zweitens sollten die Europäer sich damit auseinandersetzen, dass Washington und die pazifischen Bündnispartner im Krisenfall weniger militärische als wirtschaftspolitische Beiträge von Europa erwarten werden. Darum wäre es vorteilhaft, wenn europäische Regierungen ihr Gewicht innerhalb des globalen Wirtschaftssystems nutzen könnten, um die USA dabei zu unterstützen, die militärische Expansion Chinas einzudämmen. Bemüht sich Europa schon jetzt, Pekings technologische und finanzielle Möglichkeiten zu beeinflussen, könnte es damit ein Zeichen setzen, dass es auch im Falle eines Krieges bereit ist, China mit Sanktionen zu belegen. Das wäre ein starkes Signal gegen Revisionismus in Ostasien. Angesichts von Trumps Unberechenbarkeit könnten Schritte, die heute kostspielig erscheinen, sich im Nachhinein als lohnend erweisen, falls die Region Asien-Pazifik instabil werden sollte.
Drittens lässt sich eine wertvolle Lehre daraus ziehen, dass die pazifischen Verbündeten der USA trotz einer möglichen zweiten Trump-Regierung zuversichtlich bleiben. Der Grund für ihren Optimismus liegt in Washingtons Abhängigkeit von seinen Verbündeten und deren Bereitschaft, mehr Verantwortung zu übernehmen. Zwar ist diese spezielle Gleichung wohl in erster Linie ein Resultat exogener Faktoren – wie der strategischen Bedeutung der Region und Chinas Ambitionen. Aber auch den Entscheidungstragenden, Fachleuten und der Öffentlichkeit in Europa sollte inzwischen klar sein: Je mehr sie in ihre eigenen Fähigkeiten investieren und je wirksamer sie regionale Sicherheitspolitik beeinflussen können, desto weniger müssen sie sich wegen Schwankungen in Washingtons Politik beunruhigen.
Dr. Liviu Horovitz ist Wissenschaftler, Elisabeth Suh Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik. Das Aktuell entstand im Rahmen des Projekts STAND (Strategic Threat Analysis and Nuclear (Dis-)Order).
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DOI: 10.18449/2024A42