Die Bundeswehr soll als Ersatz für das Kampfflugzeug Tornado Eurofighter und amerikanische F-18 Jets erhalten. Diese Lösung würde der Luftwaffe zwar Fähigkeitsgewinne bringen, ist aber auch ein Sonderweg mit Nachteilen, meint Dominic Vogel.
Nach langjährigen Debatten und vertagten Entscheidungen hat das Verteidigungsministerium nun einen Vorschlag unterbreitet, wie die Bundeswehr ihre in die Jahre gekommenen Tornado-Kampflugzeuge ersetzen soll. Was nun vorliegt, ist ein Kompromiss, der operative Anforderungen mit politischen Interessen kombiniert. Doch was bedeutet diese Lösung für die Einsatzfähigkeit der Luftwaffe?
Die Bundeswehr hat den Tornado bereits seit 1981 in ihrem Bestand. Er gehört damit zu den frühen Exemplaren der sogenannten vierten Generation von Kampfflugzeugen. Die Technik der Tornados wurde zwar vielfach modernisiert, ist aber mittlerweile nicht mehr mit den Anforderungen an komplexe Luftoperationen zu vereinbaren. Zudem wurde die Produktion der Tornados bereits 1992 eingestellt, so dass Ersatzteile zunehmend knapper und damit teurer wurden. Spätestens 2030 will die Bundeswehr die 85 Tornados aus dem Dienst nehmen, als Ersatz werden nun 45 Maschinen der amerikanischen F-18-Serie in den Ausführungen Super Hornet und Growler sowie bis zu 93 neue Eurofighter angeschafft.
Entscheidend ist, dass die Nachfolgemodelle in der Lage sein müssen, die Aufgaben der Luftwaffe nahtlos zu erfüllen, die heute durch den Tornado wahrgenommen werden. Dazu gehören das Niederhalten der gegnerischen Luftverteidigung, die Luftaufklärung, konventionelle Luftangriffe sowie der Beitrag zur sogenannten Nuklearen Teilhabe der Nato. Hierbei geht es um die Fähigkeit deutscher Flugzeuge, im Kriegsfall amerikanische Atomwaffen einzusetzen.
Insbesondere das Modell Growler ist ein Gewinn für Bundeswehr und Nato. Es erweitert das Portfolio der Luftwaffe signifikant im Bereich des elektronischen Kampfes, einer Fähigkeit, die in dieser Form bisher nicht vorhanden war: Mit Aktionen im elektromagnetischen Spektrum kann etwa die Steuerungselektronik gegnerischer Systeme zerstört werden, ohne dabei konventionelle Waffen einzusetzen. Durch die Wahl dieser offensiven Mittel, die keinen klassischen Waffeneinsatz mehr erfordern, wird das Risiko von Kollateralschäden minimiert. Überdies beherrscht das Modell Growler nicht nur den elektronischen Kampf, sondern kombiniert diese Fähigkeit in einer technisch ausgereiften Plattform mit der Möglichkeit, gegnerische Luftverteidigung zu bekämpfen. Heutige Konflikte sind aufgrund der verbreiteten modernen Luftverteidigungssysteme nicht mehr ohne diese Schlüsselfähigkeiten zu führen, die für das Einrichten einer Flugverbotszone bis zur komplexen Luftoperation gegen einen gleichwertigen Opponenten benötigt werden. Zudem gibt es in der Nato nur wenige Staaten, die über diese Fähigkeiten verfügen. Im Sinne einer notwendigen Ergänzung ist die getroffene Entscheidung daher bündnispolitisch sinnvoll.
Problematisch ist hingegen die Entscheidung, die nukleare Teilhabe durch die Super Hornet abzudecken. Zum einen muss die Maschine von den USA zertifiziert werden, bevor sie diese Aufgabe wahrnehmen kann. In einem Zulassungsverfahren wird die amerikanische nukleare Freifallbombe B61-12 durch US-Behörden an das Flugzeug angepasst und die sichere Integration beider Systeme technisch auf Herz und Nieren geprüft – eine Art Atombomber-TÜV. Da der Tornado bis spätestens 2030 aus der Nutzung gehen soll, ist es wichtig, diese Zertifizierung so schnell wie möglich zu erhalten. Auf das Verfahren und den Zeitrahmen hat Deutschland aber keinen Einfluss. Oben auf der Liste der Zertifizierer steht die moderne F-35, die damit zur ersten Wahl der konventionell-nuklearen Kampfflugzeuge (Dual-Use-Aircrafts) wird. Zum anderen stellt sich auch nach erfolgter Zulassung die Frage, ob es im Ernstfall operativ möglich und sinnvoll ist, die Super Hornet als Atomwaffenträger einzusetzen. In einem Konflikt mit einem militärisch hochwertigen Gegner wären modernste Luftverteidigungssysteme zu überwinden. Mit einem Jet wie der Super Hornet ohne Tarnkappen-Eigenschaften – der sogenannten Stealth-Technologie – ist das schwer vorstellbar. Die anderen vier an der »Nuklearen Teilhabe« beteiligten Staaten entschieden sich vor diesem Hintergrund für die F-35.
Sowohl der Eurofighter als auch die F-18-Modelle sind zwar modernere Kampfflugzeuge als der Tornado, aber beide nicht auf dem letzten Stand der Technik. In sieben anderen europäischen Nato-Staaten hat stattdessen mit der F-35 ein Jet der fünften Generation Einzug gehalten oder wird es in Kürze tun. Über kurz oder lang wird dieses Flugzeug Taktgeber für die Nato-Luftstreitkräfte sein und Einsatzverfahren sowie Taktik maßgeblich bestimmen. Innerhalb der Nato werden nur noch Bundeswehr und US-Marine die F-18-Modelle der vierten Generation nutzen. Synergieeffekte bei Ausbildung, Wartung und Einsatz sind damit praktisch ausgeschlossen. Ein Sonderweg, der die Gefahr birgt, früher als gedacht wieder buchstäblich zum alten Eisen zu gehören. Warum aber möchte das Verteidigungsministerium diesen Weg einschlagen?
Die Entscheidung gegen die modernere F-35 ist nicht operativ, sondern politisch begründet. Gegen eine Beschaffung spricht vor allem, dass damit das deutsch-französische Kampfflugzeugprojekt Future Combat Air System (FCAS) gefährdet sein könnte, dessen Serienreife für 2040 angestrebt wird. Denn Deutschland wäre mit der F-35 auf eigene technische Weiterentwicklungen nicht mehr in dem Maße angewiesen. Darüber hinaus ist die Vorstellung, viele Milliarden aus Steuermitteln – die F-35 ist deutlich teurer als die F-18-Modelle – an Donald Trumps Amerika zu bezahlen, nicht mehrheitsfähig.
Für die Bundeswehr wäre es trotz der Nachteile der angestrebten Lösung positiv, nach jahrelangen Debatten endlich Klarheit über die Zukunft ihrer Kampfflugzeugflotte zu haben. So könnten notwendige Struktur- und Personalplanungen für die Einführung der Jets jetzt angestoßen werden. Auch würde die Beschaffung einen veritablen Fähigkeitsgewinn für die Luftwaffe bedeuten, der auch für die Nato von Bedeutung ist. Damit wäre der Kompromiss zwischen politischen Erwägungen und operativen Anforderungen zwar nicht die Lösung, die alle Wünsche erfüllt, und ein problematischer Sonderweg. Er ist unter den gegebenen Umständen aber ganz gewiss besser als sein Ruf und sollte nun konsequent verfolgt werden.
Stand und Optionen zur Weiterentwicklung aus deutscher Perspektive
doi:10.18449/2019S25
Zur US-Nukleardoktrin und ihren Problemen