Die Bundesregierung hat sich im Eckpunktepapier »Wege zu einer nachhaltigen und resilienten Rohstoffversorgung« das Ziel gesetzt, Standards für die verantwortungsvolle Beschaffung von Metallen zu etablieren. Deutsche Firmen beziehen Metalle oftmals über Händler, Börsen und außerbörsliche Handelsplätze. Diese sind überwiegend außerhalb der Europäischen Union (EU) angesiedelt, und zwar in Ländern, deren Regulierung für die Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten schwächer ist als in der EU. Rohstoffhändler und Börsen spielen eine zentrale Rolle für die sichere Versorgung mit Metallen und die Durchsetzung lieferkettenübergreifender Standards. Daher sollte die Bundesregierung den Rohstoffhandel bei der Umsetzung des Eckpunktepapiers verstärkt in den Blick nehmen. Durch ein starkes EU-Lieferkettengesetz, das auch den Finanzsektor einschließt, kann Deutschland darüber hinaus indirekt Einfluss auf Rohstoffhändler, Börsen und außerbörsliche Handelsplätze für Metalle ausüben.
Der Zugang zu metallischen Rohstoffen ist für die europäische und die deutsche Industrie von zentraler Bedeutung – besonders vor dem Hintergrund eines verschärften Wettbewerbs um Metalle für die grüne und die digitale Transformation. Rohstoffhändler, Metallbörsen und außerbörsliche Handelsplätze für Metalle spielen eine wichtige Rolle für die Rohstoffbeschaffung und fungieren als Bindeglieder in komplexen metallischen Lieferketten. Händler kaufen, vermischen und verkaufen Erze, Konzentrate und Sekundärmaterial unterschiedlicher Herkunft und betreiben zum Teil eigene Minen und Raffinerien. Damit agieren Händler auf mehreren Stufen und an etlichen geographischen Orten metallischer Lieferketten und verknüpfen die Akteure entlang dieser Ketten. Metallbörsen und außerbörsliche Handelsplätze dienen als Marktplätze, die von Produzenten, Verarbeitern und Abnehmern von Metallen für den physischen Handel und den Handel mit Derivaten genutzt werden, und sind außerordentlich wichtig für die Risikoabsicherung und die Preisfindung.
Als Bindeglieder können Rohstoffhändler, Börsen und außerbörsliche Handelsplätze großen Einfluss auf die Standardsetzung in metallischen Lieferketten nehmen, indem sie von Metallproduzenten die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards verlangen sowie menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten konsequent in ihrer eigenen Lieferkette erfüllen. Ferner können sie Informationen zur Herkunft von Metallen, Produktionsbedingungen und Risiken in der Lieferkette an ihre Käufer weitergeben. Das ist eine unerlässliche Voraussetzung für große deutsche Unternehmen, die Metalle über Händler und Börsen beziehen. Seit Inkrafttreten des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes müssen diese Firmen sicherstellen, dass ihre direkten Zulieferer keine Menschenrechte verletzen und sich an gewisse Umweltstandards halten.
Drehscheiben des Rohstoffhandels
Der globale Handel mit Metallen wird von Akteuren organisiert, deren Firmensitze außerhalb der EU liegen. In Europa spielen die Schweiz und Großbritannien (London) eine herausragende Rolle. Die Schweiz beheimatet zahlreiche bedeutende transnationale physische Rohstoffhändler, die überwiegend Transithandel betreiben. Das heißt, Schweizer Unternehmen organisieren den physischen Handel mit Metallen zwischen Drittstaaten, aber diese Güter werden nicht in die Schweiz ein- oder aus ihr ausgeführt und erscheinen daher nicht in der offiziellen Zollstatistik des Landes. Im Jahr 2021 waren acht der zehn umsatzstärksten Firmen des Landes Rohstoffhändler, darunter Glencore und Trafigura als wichtige Player im physischen Handel mit Metallen. Laut Schätzungen der Schweizer Behörden werden 60% des Welthandels mit Metallen durch Schweizer Händler abgewickelt. Singapur und Shanghai als zweit- und London als drittwichtigstes Handelszentrum liegen mit Marktanteilen von 20% und 10% weit hinter der Schweiz. Metalle gelangen also vor allem über Akteure aus der Schweiz und Großbritannien in den EU-Markt.
London gilt als zentrale Drehscheibe für den börslichen und außerbörslichen Handel mit Metallen. Dort angesiedelt sind die London Metals Exchange (LME) als weltweit wichtigste Börse für Industriemetalle sowie der London Bullion Market (LBMA) und der London Platinum and Palladium Market (LPPM) als außerbörsliche Handelsplätze für Gold, Silber, Platin und Palladium. Neben der LME zählen das Chicago Board of Trade, die New York Mercantile Exchange sowie die Shanghai Futures Exchange zu den global bedeutendsten Metallbörsen.
Als Bindeglieder zwischen Produzenten und Abnehmern von Metallen erfüllen Händler und Börsen entscheidende Funktionen in metallischen Lieferketten.
Rohstoffhändler: einflussreiche »Allrounder«
Rohstoffhändler tragen wesentlich dazu bei, physische Materialflüsse in metallischen Lieferketten über Ländergrenzen hinweg am Laufen zu halten. Dabei übernehmen Händler auch spezifische Risiken, unter anderem Wechselkurs- und Preisrisiken. Physische Rohstoffhändler sichern solche Risiken in der Regel über Derivate ab, die an Rohstoffbörsen gehandelt werden. Ihre meist kapitalintensiven Geschäfte finanzieren sie durch Unternehmenskredite, Erfüllungsgarantien oder Akkreditive von Banken. Bei Letzteren übernimmt die Bank des Importeurs ein abstraktes Zahlungsversprechen gegenüber dem Exporteur.
Neben dem physischen Kauf und Verkauf von Metallen bieten größere Rohstoffhändler eine Reihe von Dienstleistungen für Produzenten und Abnehmer von Metallen an. Dabei handelt es sich zum einen um administrative Tätigkeiten wie Inspektion, Qualitätskontrolle oder Zahlungsdurchführung. Zum anderen organisieren Rohstoffhändler die Logistik des physischen Metallhandels, besonders den Transport von Metallen von der Mine oder Raffinerie zum Hafen oder Flughafen sowie Verschiffung und Distribution. Hierfür unterhalten große Rohstoffhändler Verladeterminals an Häfen, betreiben zum Teil eigene Flotten oder beteiligen sich an lokalen Speditions- und Kraftstoffunternehmen, um unabhängig von Logistikfirmen agieren zu können und zusätzliche Einnahmen zu generieren.
Auch die Lagerhaltung ist ein elementarer Geschäftsbereich von Händlern. In Lagerhäusern werden für den Verkauf erforderliche Mengen von Metallen angesammelt und Metallerze und ‑konzentrate unterschiedlicher Reinheitsgrade und Herkunft für den Weiterverkauf an Raffinerien gemischt (blending). Auf diese Weise wird die Rückverfolgbarkeit der Erze fast unmöglich.
Eine weitere essentielle Funktion von Rohstoffhändlern ist die Bereitstellung von Finanzmitteln für Bergbauunternehmen, zum Beispiel durch die Vergabe von Direktkrediten oder Vorfinanzierungsdarlehen. Damit sichern sich Händler langfristig den Zugang zu Rohstoffen.
Große Rohstoffhändler haben ihre Aktivitäten sukzessive auf den Abbau und die Weiterverarbeitung von Metallen in Schmelzhütten und Raffinerien ausgeweitet. Glencore beispielsweise betreibt Kupferminen und Schmelzhütten bzw. Raffinerien in der Demokratischen Republik Kongo, Australien und Südamerika. Derart vertikal integrierte Händler haben ausgezeichnete Voraussetzungen, um Materialflüsse und Risiken in den Lieferketten transparent zu machen und Standards entlang metallischer Lieferketten durchzusetzen.
Börsen setzen Preise und Standards
Anders als beim physischen Handel wird an Metallbörsen hauptsächlich mit Wertpapieren und Derivaten gehandelt. Zwar bietet die LME auch die Möglichkeit des physischen Handels und lizenziert dafür weltweit Lagerhäuser. Faktisch werden an der LME jedoch weniger als 1% der Kontrakte durch die physische Auslieferung von Metallen an eines der Lagerhäuser erfüllt. Beim Handel mit Platin und Palladium über den LPPM hingegen überwiegt der physische Handel.
Metallbörsen und außerbörsliche Handelsplätze fungieren als Marktplätze für Käufer und Verkäufer von Metallen. Genutzt werden sie von Metallproduzenten (Minen, Schmelzhütten und Raffinerien), industriellen Weiterverarbeitern und Rohstoffhändlern. Aber auch Banken, Finanzfonds oder institutionelle Anleger handeln an Metallbörsen. Diese Akteure bedienen sich der Börsen, um Risiken abzusichern (hedging) und zum Teil auch, um zu spekulieren.
Des Weiteren sind Metallbörsen wichtig für die Preisbildung. Die täglich ermittelten Handelspreise der LME gelten als international anerkannte Referenzpreise für Metalle. Auch Direktverträge zwischen Rohstoffhändlern und Abnehmern von Metallen orientieren sich in der Regel an den Preisen der LME, des LBMA für Gold und Silber und des LPPM für Platin und Palladium.
Darüber hinaus besteht eine wesentliche Funktion von Metallbörsen und außerbörslichen Handelsplätzen in der Regulierung und Standardsetzung. Börsen definieren Mindestanforderungen für die gehandelten Metalle, etwa zu Form und Qualität bzw. Reinheitsgrad. Seit einigen Jahren etablieren Metallbörsen und außerbörsliche Handelsplätze auch Anforderungen an Produzenten in Bezug auf die verantwortungsvolle Beschaffung und die Offenlegung von Informationen zur Herkunft von Metallen. Damit reagierten sie auf erhöhten öffentlichen Druck. Beispielsweise wies die Nichtregierungsorganisation Global Witness 2017 die LME darauf hin, dass an dieser Börse gehandeltes Kobalt eines registrierten chinesischen Produzenten unter Einsatz von Kinderarbeit in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut wurde. Daraufhin änderte die LME ihr Regelwerk und schuf so die Voraussetzung dafür, Produzenten aufgrund unethischer Geschäftspraktiken die Registrierung an der Börse zu entziehen.
Risikoreiche Lieferketten
Das Beispiel LME verdeutlicht, dass Unternehmen, die sich am Rohstoffhandel beteiligen, in risikoreichen Lieferketten agieren. Nicht nur existieren erhebliche menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in der vorgelagerten Lieferkette von Börsen und Rohstoffhändlern. Letztere sind zudem handelsspezifischen Risiken ausgesetzt.
Hohe Risiken bei Abbau, Verarbeitung und Transport von Metallen
In einer Umfrage unter Schweizer Rohstoffhändlern 2017 wurden die Einhaltung von Arbeitsschutzstandards, die Achtung der Rechte indigener Gemeinschaften, der Einsatz von Sicherheitskräften an Minen und Raffinerien sowie die Umsiedlung lokaler Gemeinden als größte Risikofaktoren in der vorgelagerten Lieferkette genannt. Aber auch teils gewaltsame Konflikte in Abbauregionen, etwa um Landnutzung, bergen Risikopotential. Mögliche negative Umweltfolgen des Bergbaus und der Weiterverarbeitung in Schmelzhütten und Raffinerien sind unter anderem Luftverschmutzung, saure Grubenwässer, Verunreinigung von Boden und Wasser mit Schwermetallen, mangelnde Rehabilitierung stillgelegter Minen sowie der generell hohe CO2-Fußabdruck des Sektors. Darüber hinaus existieren bisher weniger beachtete menschenrechts- und umweltbezogene Risiken im Zusammenhang mit Transport und Lagerung von Metallen, beispielsweise Zwangsarbeit in der Schifffahrt.
Metallbörsen und außerbörsliche Handelsplätze sind zwar nicht selbst in den physischen Handel mit Rohstoffen involviert. Gleichwohl entsteht für sie ein Risiko, wenn akkreditierte Metallproduzenten Menschen- und Umweltrechte verletzen. Das nämlich untergräbt das Vertrauen in die Börse als effektive Regulierungsinstanz.
Handelsspezifische Risiken
Neben den Risiken in der vorgelagerten Lieferkette existieren auch solche, die direkt in den Geschäftsbereich von Rohstoffhändlern fallen. Ein besonderes Risiko bildet die Finanzierung von gewaltsamen Konflikten, repressiven Regimen und Terrorismus durch den Handel mit Metallen illegaler Herkunft oder durch Geschäftsbeziehungen mit politisch exponierten oder kriminellen Personen. Eine aktuelle Recherche des Nachrichtensenders Al Jazeera beispielsweise deckte im März 2023 auf, wie unter Mitwirkung hochrangiger Regierungsmitglieder jeden Monat Gold im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar aus Simbabwe nach Dubai geschmuggelt wird und so internationale Sanktionen gegen das Land umgangen werden. Bestrebungen, den Schmuggel von Metallen aus Konfliktgebieten oder repressiven Staaten einzudämmen, zielen oft auf die Formalisierung des handwerklichen Bergbaus ab. Dagegen fehlt bisher ein systematisches Vorgehen gegen kriminelle Netzwerke auf internationaler Ebene.
Allen voran Edelmetalle wie Gold oder Platin werden aufgrund ihres hohen Werts und der Möglichkeit des Transports in kleinen Mengen mit kriminellen Aktivitäten assoziiert. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind eine Drehscheibe für den Handel mit illegalem Gold aus Afrika – begünstigt durch laxe Zoll- und Einfuhrkontrollen. In den Emiraten wird das Gold in Raffinerien verarbeitet und gelangt dann weiter in die Schweiz, nach Indien oder China und so über Umwege in den EU-Markt.
Der Handel mit sogenannten Konfliktmineralen – also mit Zinn, Tantal, Wolfram und Gold (3TG), das in Konflikt- und Hochrisikogebieten abgebaut wurde – hat wegen des hohen Risikos der Konfliktfinanzierung viel Aufmerksamkeit erhalten und ist stärker reguliert als der Handel mit anderen Metallen. 2010 verabschiedete die US-Regierung den Dodd Frank Act. Dieser verpflichtet an der US-Börse notierte Unternehmen dazu, offenzulegen, ob ihre Produkte Konfliktminerale enthalten, die aus der Demokratischen Republik Kongo oder Nachbarstaaten stammen. Außerdem müssen die Unternehmen nachweisen, dass beim Abbau von 3TG-Minerale in ihren Produkten keine gewaltsamen Konflikte finanziert werden. Die EU etablierte mit der Verabschiedung der Konfliktmineralienverordnung im Jahr 2017 ebenfalls verbindliche Sorgfalts- und Prüfpflichten für EU-Importeure von 3TG-Mineralen aus bestimmten Konflikt- und Hochrisikogebieten. Rohstoffhändler in der Schweiz und in Großbritannien, über die 3TG-Minerale oft den EU-Markt erreichen, sind von der Regulierung jedoch nicht direkt betroffen. Allerdings orientieren sie sich in der Regel am Leitfaden der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten. Dieser Leitfaden gilt innerhalb des Sektors als etablierter Standard, aber die Umsetzung ist für Unternehmen nicht verbindlich.
Der Handel mit Metallen, die nicht in die Gruppe der Konfliktminerale fallen, ist weitaus weniger reguliert. Doch auch hier existieren Risiken. Durch Geschäfte mit Akteuren, die am illegalen Handel von Metallen partizipieren, geraten physische Rohstoffhändler zum Teil indirekt mit Geldwäsche, Korruption oder Steuerhinterziehung in Kontakt. Es kommt aber auch vor, dass Rohstoffhändler direkt in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind. So dokumentiert ein Bericht des Anti-Corruption Resource Centre von 2017 eine Reihe von Fällen, in denen Händler politische Entscheidungsträger in Förderländern bestochen haben, um günstig Zugang zu Mineralen zu erhalten.
Die hohe Komplexität und geringe Rückverfolgbarkeit in metallischen Lieferketten ist eine Herausforderung für die Umsetzung umfassender Sorgfaltspflichten für Akteure des Rohstoffhandels. Diese haben sich dem Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren intensiver gewidmet, hinken anderen Akteuren in metallischen Lieferketten indes deutlich hinterher.
Mangelnde Umsetzung von Sorgfaltspflichten
Als zentrale Bindeglieder in metallischen Lieferketten spielen Rohstoffhändler, Metallbörsen und außerbörsliche Handelsplätze eine maßgebliche Rolle für die Um- und Durchsetzung von Nachhaltigkeitsstandards. Aktuell jedoch schöpfen sie ihre Möglichkeiten im Bereich Standardsetzung aus unterschiedlichen Gründen nicht aus.
Schwache Regulierung in Handelszentren
Ein Hauptdefizit bildet die schwache Regulierung in Handelszentren für Metalle. Für den EU-Markt sind die Schweiz und Großbritannien besonders relevant. Die Schweiz ist Mitglied der OECD und der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), einer internationalen Initiative von Staaten, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen, die sich für Good Governance und Transparenz im Rohstoffsektor einsetzt. Außerdem hat das Land einen Leitfaden für die Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen im Rohstoffhandelssektor initiiert. Im Januar 2021 wurde das schweizerische Obligationenrecht (Aktienrecht) geändert. Es sieht nun vor, dass Rohstoffunternehmen Beträge ab 100.000 Schweizer Franken (rund 102.000 Euro), die sie an öffentliche Verwaltungen weltweit zahlen, offenlegen müssen. Die gesetzlichen Anforderungen an Unternehmen bleiben insgesamt aber gering. Ende 2020 scheiterte die Konzernverantwortungsinitiative, die eine Art schweizerisches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erreichen wollte. Ein derartiges Gesetz existiert auch in Großbritannien nicht, doch die LME fällt unter den 2015 verabschiedeten Modern Slavery Act. Dieser verpflichtet Unternehmen mit einem Umsatz von über 36 Millionen Pfund, offenzulegen, wie sie gegen Menschenhandel und Zwangsarbeit in ihren Lieferketten vorgehen.
Schleppende Umsetzung freiwilliger Standards
Aufgrund der schwachen Regulierung in wichtigen Handelszentren basiert die Um- und Durchsetzung von Nachhaltigkeitsstandards durch Akteure im Rohstoffhandel überwiegend auf Freiwilligkeit.
Die großen marktführenden Rohstoffhändler bemühen sich zunehmend darum, ESG-Standards (Environmental, Social, Governance) in ihrer Geschäftspraxis zu etablieren. Das ist sowohl gestiegenen Erwartungen seitens der Kundinnen und Kunden als auch teils massivem Druck durch Nichtregierungsorganisationen geschuldet. Eine aktuelle Auswertung von Maßnahmen 25 großer Rohstoffhändler zur Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten und zur Offenlegung von Informationen zeigt jedoch, dass diese Händler Risiken in den Bereichen Verletzung von Menschenrechten, illegale Finanzströme und Umweltschäden in ihren Lieferketten nicht aktiv bekämpfen. Etablierte Systeme zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten seien schwach, gingen oft nicht über eine Risikoanalyse hinaus, und es gebe wenig Anzeichen für Fortschritte.
In Londons börslichem und außerbörslichem Metallhandel ist die Umsetzung von Leitlinien im Bereich nachhaltige Beschaffung bisher für den Handel mit Edelmetallen am LBMA (seit 2012 für Gold und 2018 für Silber) und am LPPM (seit 2020) verpflichtend. Diese Leitlinien sehen vor, dass akkreditierte Raffinerien von unabhängigen Auditoren geprüft werden. Die LME veröffentlichte erst 2019 eine Strategie für die nachhaltige Beschaffung metallischer Rohstoffe, die sich am OECD-Leitfaden für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten orientiert. Ab Ende 2023 müssen alle Marktteilnehmer sich nach dieser Strategie richten. Tun sie es nicht, können sie vom Handel ausgeschlossen werden. Zudem wurde 2021 der LMEpassport eingeführt, mit dem Produzenten auf freiwilliger Basis Informationen über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zur Verfügung stellen können. Die Maßnahmen der LME gelten als wichtiger Schritt, ernten aber auch Kritik: Unter anderem würden Umweltrisiken nicht ausreichend berücksichtigt und Informationen zu Verstößen und Beschwerdeverfahren nicht veröffentlicht.
Intransparenz erschwert Nachverfolgbarkeit
Besonders problematisch ist die geringe Bereitschaft von Rohstoffhändlern und Börsen, grundlegende Informationen über ihre Zulieferer oder die Herkunft von Metallen offenzulegen. Das macht die Rückverfolgbarkeit nahezu unmöglich. So veröffentlicht die LME beispielsweise nicht, aus welchen Ländern die Metalle in ihren Lagerhäusern kommen. Rohstoffhändler stellen teilweise Informationen zu Raffinerien zur Verfügung, geben jedoch häufig nicht an, aus welchen Minen die Metalle stammen. Das wäre aber wichtig, da Händler oftmals Erze und Konzentrate aus unterschiedlichen Minen vermischen und sich die Abbaubedingungen innerhalb eines Landes je nach Mine stark unterscheiden können. Darüber hinaus mangelt es an Transparenz zu den externalisierten Kosten und Umweltauswirkungen des Rohstoffhandels. Angaben zu Anzahl, Umfang und Empfängern von Vorfinanzierungskrediten von Rohstoffhändlern sind ebenfalls nicht immer vorhanden.
Die Händler begründen ihre Informationspolitik meist mit der Notwendigkeit, Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Große Handelshäuser sind in der Regel keine börsennotierten Unternehmen – das Schweizer Unternehmen Glencore ist hier eine Ausnahme – und deswegen nicht den Anforderungen von Börsen bezüglich Transparenz und ESG unterworfen. Für deutsche Unternehmen, die Metalle von Schweizer Händlern oder über Handelsplätze in London beziehen, besteht ein Risiko in deren mangelnder Bereitschaft, Informationen zu Herkunft und Produktionsbedingungen von Metallen zu liefern.
Dezentralität des Rohstoffhandels
Letztlich erschwert auch die dezentrale Struktur des Rohstoffhandels die systematische Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards. Zwar existieren einige zentrale Handelsplätze und eine überschaubare Zahl großer Handelshäuser im Metallbereich. Doch die meisten Händler in Europa sind spezialisierte Klein- oder Kleinstunternehmen. Eine Erhebung zum Schweizer Rohstoffhandelssektor aus dem Jahr 2017 ergab, dass 42% der Händler weniger als zehn und 48% zwischen elf und 300 Personen beschäftigen. Was die Umsetzung von Standards und die Offenlegung von Informationen betrifft, stehen diese Händler weit weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit.
Auch in Abbauländern ist eine Vielzahl von Akteuren am Handel mit Metallen beteiligt. Es gibt große internationale Handelskonzerne wie Trafigura. Aber auch manche Bergbauunternehmen haben eigene Handelsabteilungen. Hinzu kommen zahlreiche kleinere lokale Händler, besonders in Lieferketten von Metallen, die durch handwerklichen Kleinbergbau gewonnen werden. Oftmals sind zwischen Metallproduzenten und ‑abnehmern mehrere Händler zwischengeschaltet. Wie mächtig Rohstoffhändler in Lieferketten sind, variiert dabei je nach Metall. Der Rohstoffhandel ist daher auf Akteursebene schwer zu erfassen.
Optionen für die deutsche Politik
Als bedeutende Handelsplätze besitzen die Schweiz und Großbritannien einen hohen Stellenwert für die Versorgung mit Metallen und die Durchsetzung von Standards in metallischen Lieferketten. Die Geschäftsbereiche von Rohstoffhändlern sowie deren vorgelagerte Lieferketten sind stark risikobehaftet und erfordern die Umsetzung umfassender unternehmerischer Sorgfaltspflichten. Bisher unzureichend im Bereich Rohstoffhandel sind indes die Regulierung sowie die Umsetzung freiwilliger Nachhaltigkeitsstandards. Daraus erwächst ein Risiko für deutsche und europäische Unternehmen, die Metalle über Metallbörsen oder Rohstoffhändler beziehen. Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie dem Eckpunktepapier »Wege zu einer nachhaltigen und resilienten Rohstoffversorgung« möchte Deutschland hohe Standards für eine verantwortungsvolle Beschaffung von Metallen etablieren. Zu diesem Zweck sollte die Bundesregierung den Rohstoffhandel in begleitenden Maßnahmen zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes und des Eckpunktepapiers genauer in den Blick nehmen und sich auch auf internationaler Ebene für mehr Regulierung des Rohstoffhandels einsetzen.
Starkes EU-Lieferkettengesetz
Die wichtigsten Zentren für den Handel mit Metallen liegen außerhalb der EU, sodass diese keinen direkten Einfluss nehmen kann. Ein starkes Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene, das auch den gesamten Finanzsektor einschließt, würde es Abnehmern von Metallen innerhalb der EU ermöglichen, verstärkt Druck auf Börsen und Händler auszuüben, über die sie Metalle beziehen. Für die Finanzierung des kapitalintensiven physischen Rohstoffhandels spielt der Finanzsektor eine gewichtige Rolle. Daher würde sich die Verpflichtung für Finanzakteure, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu erfüllen, auch auf den Rohstoffhandel auswirken. Der Rat der EU möchte den Finanzsektor aus dem Anwendungsbereich der EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen ausnehmen. Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission hingegen sprachen sich zuletzt dafür aus, ihn einzubeziehen. Um für maximale Wirkung des europäischen Lieferkettengesetzes zu sorgen, sollte sich die Bundesregierung im Vorfeld und während der anstehenden Trilog-Verhandlungen auf EU-Ebene dafür stark machen, dass der Finanzsektor dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterworfen wird.
Politischer Dialog zu Standards
Ergänzend zur verbindlichen Gesetzgebung kann die Bundesregierung den politischen Dialog zu Standards mit wichtigen Handelszentren für Metalle ausbauen, zum Beispiel mit der Schweiz, Großbritannien oder China. Als Rahmen dafür böten sich internationale Organisationen an, beispielsweise das Intergovernmental Forum on Mining, Minerals, Metals and Sustainable Development (IGF) oder die G20. Zwar ist die Schweiz nicht Mitglied der G20, nimmt aber regelmäßig an den Vorbereitungstreffen der Gruppe teil. Vor allem der Austausch mit China sollte trotz geopolitischer Spannungen aufrechterhalten werden, etwa im Rahmen der OECD oder des deutsch-chinesischen Zentrums für nachhaltige Entwicklung, das 2017 auf Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des chinesischen Handelsministeriums eingerichtet wurde. Auch in Form verstärkter Unterstützung für die EITI und den UN Global Compact kann die Bundesregierung sich für mehr Transparenz im Rohstoffhandel einsetzen und den politischen Dialog zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards in diesem Bereich fördern.
Garantien für Ungebundene Finanzkredite
Die Bundesregierung plant, die Vergabe von Garantien für Ungebundene Finanzkredite (UFK) an Rohstoffhändler auszubauen, um Versorgungssicherheit bei Metallen zu gewährleisten. So erhielt Trafigura im Oktober 2022 einen Kredit über 800 Millionen US-Dollar für Metalllieferungen im Umfang von bis zu 500.000 Tonnen an deutsche Firmen. Weil es im Rohstoffhandel an Transparenz fehlt und Sorgfaltspflichten nur unzulänglich erfüllt werden, geht die Bundesregierung mit solchen Garantien erhebliche Risiken ein. Sie kann diese minimieren, indem sie die Prüfung von Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsaspekten (USM) im Vorfeld der Kreditvergabe ausweitet und durch regelmäßige USM-Prüfungen während der Projektlaufzeit ergänzt. Bei der Vergabe von UFK-Garantien sollten Transparenz und Nachhaltigkeit ausschlaggebende Kriterien sein. Die Standards für die USM-Prüfung sollten dabei über die Performance Standards der International Finance Corporation hinausgehen, die in der Entwicklungsfinanzierung der am weitesten verbreitete Maßstab sind. Eine Alternative zu den UFK-Garantien für Kreditgeber von Händlern wären Garantien für die Absicherung langfristiger Abnahmeverträge mit Bergbauunternehmen. Dies würde die USM-Prüfung vereinfachen, da Betreiber von Minen und Raffinerien mehr Informationen zur Herkunft von Metallen bereitstellen.
Multi-Stakeholder-Initiativen
Trotz ihrer herausragenden Bedeutung für die Umsetzung von Standards sind Rohstoffhändler sowie Vertreter von Metallbörsen und außerbörslichen Handelsplätzen nur unzureichend in bestehenden Multi-Stakeholder-Initiativen vertreten. Das gilt auch für Akteure des Finanzsektors. Diese Initiativen können jedoch ein wirksames Instrument sein, um die Standardsetzung und den Austausch zu Risiken zwischen Akteuren entlang von Rohstofflieferketten voranzubringen. In nationalen Branchendialogen und in der European Partnership for Responsible Minerals (EPRM) auf europäischer Ebene sollten sich daher das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das BMZ für eine stärkere Einbindung von Akteuren des Rohstoffhandels und des Finanzsektors einsetzen.
Zivilgesellschaft und Forschung
Menschenrechtsverletzungen und negative Umweltauswirkungen in den Lieferketten von Rohstoffhändlern und Börsen wurden meist erst durch Recherchen und Veröffentlichungen von Nichtregierungsorganisationen und Forschungseinrichtungen bekannt. Diese leisten mangels öffentlicher Daten aktuell einen substantiellen Beitrag dazu, internationale Handelsströme und Risiken des Rohstoffhandels besser zu erfassen. Die Bundesregierung kann deshalb die Transparenz in metallischen Lieferketten auch dadurch erhöhen, dass sie Nichtregierungsorganisationen und Forschungsprojekte fördert, die zum Rohstoffhandel arbeiten.
Dr. Christina Saulich ist Wissenschaftlerin im Projekt »Transnationale Governance-Ansätze für nachhaltige Rohstofflieferketten im Andenraum und im südlichen Afrika«. Das Projekt wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.
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DOI: 10.18449/2023A29