Im Zuge der Eurokrise sind die Interventionen der USA in das europäische Krisenmanagement immer zurückhaltender ausgefallen. Beim Endspiel um den Verbleib Griechenlands in der Währungsunion schaut Washington nur noch von der Seitenlinie aus zu. Laura von Daniels erklärt, woran das liegt.
Kurz gesagt, 10.07.2015 Research AreasLaura von Daniels
Im Zuge der Eurokrise sind die Interventionen der USA in das europäische Krisenmanagement immer zurückhaltender ausgefallen. Beim Endspiel um den Verbleib Griechenlands in der Währungsunion schaut Washington nur noch von der Seitenlinie aus zu. Laura von Daniels erklärt, woran das liegt.
Während die Euroländer mit dem zahlungsunfähigen Griechenland das Endspiel um den Verbleib in der Währungsunion austragen, schauen die USA von der Seitenlinie aus zu. Der leise Ton, den Washington gegenüber Europa anschlägt, unterscheidet sich deutlich von der Haltung zu Beginn der Eurokrise 2009. Vor dem ersten Rettungspaket im Frühjahr 2010 übte das US-Finanzministerium Druck auf Europa aus, dem angeschlagenen Griechenland schnell finanziell unter die Arme zu greifen. Da man die Sorge vor einer Ausbreitung der Krise auf andere Länder nicht entkräften konnte, lenkte Europa ein. Auch bei den Verhandlungen um das zweite Rettungspaket im Juli 2011 mischte sich die US-Regierung ein. Mit Erfolg: Deutschland stimmte nach langem Widerstand weiteren Finanzhilfen zu. Als während der Zypernkrise 2013 darüber nachgedacht wurde, auch Kleinsparer über eine Zwangsabgabe an den Kosten der Bankenrettung zu beteiligen, protestierten die USA heftig dagegen, dass Eigentumsrechte in Europa neuerdings mit Füßen getreten würden. Europas Finanzminister ruderten schnell zurück. Kleinsparer blieben verschont, und auf Regierungsebene und in den europäischen Institutionen war man bemüht, die USA zu beruhigen.
USA über Griechenland: »Not our problem«
Heute halten sich die Amerikaner mit Kritik an Europas Krisenmanagement deutlich zurück. Bei einem regulären Pressetermin mit der brasilianischen Präsidentin am 30. Juni erklärte Obama, die Krise in Griechenland sei zwar ernst, aber sollte nicht zu »Überreaktionen« verleiten. Das einflussreiche US-Internetmagazin »Politico« titelte sogar mit »White House on Greece: Not our problem« und fasste damit Aussagen des US-Regierungssprechers Josh Earnest gegenüber Journalisten zusammen. Zwar führt der US-Finanzminister Jack Lew offenbar seit Monaten intensive Gespräche mit seinen europäischen Kollegen und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), um einen Kompromiss in der Griechenlandkrise zu erreichen. Nach dem Abbruch der Verhandlungen um ein drittes Rettungspaket Ende Juni griff auch der amerikanische Präsident selbst zum Telefonhörer, um die Regierungschefs der wichtigsten europäischen Partner von einem Verbleib Griechenlands in der Eurozone zu überzeugen. Verfolgt man jedoch die Erklärungen der deutschen Bundesregierung seit dem griechischen Referendum, sieht es nicht danach aus, als füge man sich den Vorstellungen der USA. Und so macht auch Obama in der Öffentlichkeit klar, dass die Griechenlandkrise »in erster Linie ein Problem Europas« sei.
Drei Gründe für den Rückzug der USA
Für den Rückzug der USA im Endspiel um Griechenland gibt es drei mögliche Erklärungen. Als erster Grund ist die interne Schwäche der USA zu nennen. Das Land leidet an anhaltenden wirtschaftlichen Ungleichgewichten und seiner internen politischen Zerstrittenheit. Kostspielige Beteiligungen an multilateralen Projekten sind in den politisch polarisierten USA derzeit kaum mehr möglich. So kam es 2010 auf Drängen der Republikaner zu einer Gesetzesänderung, die eine Beteiligung an Krediten des Internationalen Währungsfonds für Krisenländer erschwert. Für eine Kongresszustimmung zu weiteren Hilfen für Griechenland müsste die Regierung dessen Zahlungsunfähigkeit nachweisen. Da bleibt kaum Luft für »Scheckbuchdiplomatie«, zumal mit dem nahenden Staatsbankrott in Puerto Rico nun ein Rettungskandidat vor der eigenen Haustür steht. Davon abgesehen muss sich die Demokratische Partei die Frage stellen, ob man – kurz vor Wahlkampfbeginn – neben den Krisenherden Iran, Irak, arabischer Raum, südchinesische See und Ukraine mit Griechenland noch ein weiteres außenpolitisches Fass aufmachen möchte.
Zum Zweiten steht für die US-Regierung bei einer Pleite Griechenlands und dessen Euro-Austritt heute weniger auf dem Spiel als noch zu Beginn der Krise 2009. Private US-Investoren haben sich schon seit Jahren aus dem Griechenlandgeschäft zurückgezogen, und auch die nun erwarteten Verluste öffentlicher Gelder nach dem Zahlungsausfall gegenüber dem IWF sind verkraftbar. Zudem geht von Athen heute nach der Einschätzung vieler Ökonomen keine große Gefahr für die Weltfinanzmärkte aus. In akademischen Debatten und Berichten der Wirtschaftsmedien dominiert die Meinung, Europa habe mit der Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und der Gründung einer Bankenunion in den letzten Jahren die notwendigen Institutionen geschaffen, um eine durch Griechenland ausgelöste Krise zu kontrollieren.
Lehren aus der US-Geschichte für die Europäische Union
Die dritte Erklärung für den Rückzug der USA könnte in der neuen Einigkeit der europäischen Partner in der Griechenlandfrage liegen. Das Kerneuropa der Eurozone steht institutionell gestärkt da und verfolgt in Griechenland gemeinsame Interessen. Weitere finanzielle Hilfen für ein Mitgliedsland, das sich den im Gegenzug geforderten Reformen verweigert, schließen alle weiteren Mitglieder aus. Gegen die harte Haltung der Euroländer gegenüber einem Pleitestaat können die Amerikaner rein ökonomisch wenig einwenden. Ein Blick zurück in die Geschichte der Vereinigten Staaten zur Mitte des 19. Jahrhunderts offenbart, dass Washington damals selbst einen harten Kurs gegenüber hoch verschuldeten Bundesstaaten einschlug. Damals entschied sich eine Mehrheit wirtschaftlich starker US-Staaten gegen einen Bailout für die hoch verschuldeten Staaten aus Bundesmitteln. Investoren lernten von da an, Risiken nach Einzelfall und nach Wirtschaftskraft individueller Staaten zu bewerten. Von da an erlangten die USA höchstes Ansehen in der Finanzwelt und genießen bis heute den Status als »sicherer Hafen« für Geldanlagen.
Aus der US-Geschichte lassen sich im Übrigen weitere Lehren für die Europäische Union ziehen, auch wenn sie heute noch sehr viel heterogener ist, als die USA es damals waren. Aus einem Nein zum Bailout für nationale Regierungen muss kein Austritt aus dem gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum folgen. Liquidität für ein in die Krise geratenes Bankensystem stellt am besten eine unabhängige Zentralbank bereit. Und schließlich sind makroökonomische Stabilisatoren unumgänglich, die für einen Ausgleich der wirtschaftlichen Verhältnisse im Staatenverbund und für das notwendige Wachstum sorgen.
Der Text ist auch bei EurActiv.de und Zeit.de erschienen.
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