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Neue Verhältnisse – schwierige Beziehungen

Europa – USA – »Globaler Süden«

SWP-Studie 2024/S 24, 17.12.2024, 53 Pages

doi:10.18449/2024S24

Research Areas
  • Die SWP hat in ihrem Orientierungsrahmen für die Forschung 2024–2026 vier Themenlinien definiert, zu denen sie ihre Expertise bündelt. Diese Themenlinien betreffen politisch dringliche und grundlegende Fragen von großer inhaltlicher Komplexität: Autokratisierung als Herausforderung für die deutsche und europäische Politik, die Neugestaltung der europäischen Sicherheitsordnung, Kooperation im Kontext syste­mischer Rivalität, wirtschaftliche und technologische Transformationen. Neun Kurzanalysen, die im Kontext der Themenlinien entstanden sind, werden in dieser Sammelstudie vorgestellt.

  • Den politischen Hintergrund für die Themenlinien liefern tiefgreifende Veränderungen, die bis in die 2010er Jahre zurückreichen und auf nationaler, europäischer und globaler Ebene neue politische (Macht-)Verhält­nisse schaffen.

  • Schwierige Beziehungen zeichnen sich gerade mit jenen Ländern in Europa, auf dem amerikanischen Kontinent und im »Globalen Süden« ab, auf die es nach deutscher Interessenlage besonders ankommt, sei es im materiellen oder politisch-normativen Sinne.

  • Deutschland hat nach der Zeitenwende von 2022 begonnen, in der Außen- und Sicherheitspolitik neue Prioritäten zu setzen. Dieser Prozess sollte im Sinne einer klugen Machtpolitik fortgeführt werden.

  • Wichtig wäre es, einen auf Prinzipien gegründeten Pragmatismus zu ver­folgen, also für das Völkerrecht und universalistische Werte einzutreten, sich in multilateralen Institutionen zu engagieren und für deren Reform auch mit Blick auf Länder des »Globalen Südens« offen zu sein.

  • Für lange Zeit sind massive Investitionen in die Verteidigung der Ukraine und die Bundeswehr erforderlich. Zügig und systematisch zu reduzieren gilt es die Verwundbarkeit in strategisch wichtigen Wirtschaftssektoren und bei kritischen Rohstoffen.

Inhaltsverzeichnis

1 Neue Verhältnisse – schwierige Beziehungen. Kurzanalysen zur internationalen Politik

Barbara Lippert / Stefan Mair

2 Italien und Frankreich: Folgen einer Abwicklung der Demokratie für Deutschland und die EU

Ronja Kempin / Paweł Tokarski

2.1 Giorgia Meloni und die antidemo­kratischen Tendenzen in Italien

2.2 Risiken der Entdemokratisierung in Frankreich

2.3 Handlungsoptionen und Perspektiven

3 USA: Die Wahlen 2024 und der Schatten einer illiberalen Außenpolitik

Marco Overhaus / Johannes Thimm

3.1 Trumps autoritäre und illiberale Haltung im Innern

3.2 Folgen der illiberalen Außenpolitik für die internationale Ordnung

3.3 Für einen zweigleisigen Ansatz Deutschlands

4 Argentinien: Okzidentalismus, Menschen­rechte und Außenpolitik unter Javier Milei

Claudia Zilla

4.1 Westorientierung, das Primat der Wirtschaft – und ein bisschen China

4.2 Ein »Leuchtturm der Freiheit« gegen Global Governance

4.3 Argentinien als westlicher Partner?

5 Ukraine: Rekalibrierung der deutschen Politik

Susan Stewart

5.1 Die bisherigen Errungenschaften der deutschen Ukraine-Politik

5.2 Kohärenz des Ansatzes durch Eigenständigkeit steigern

5.3 Deutsche Führung im multilateralen Kontext

6 Die Asyl- und Migrationspolitik der EU: Krisenfestigkeit und Abhängigkeiten

Nadine Biehler / Raphael Bossong / Anne Koch

6.1 Flucht- und migrationspolitische Herausforderungen

6.2 Status quo der europäischen Asyl- und Migrationspolitik

6.3 Ausbau der externen EU-Migrationspolitik

6.3.1 Rückkehr

6.3.2 Vorgelagerte Grenz- und Migrationskontrolle

6.3.3 Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten

6.4 Alternative Ansätze

6.5 Fazit

7 Globaler Süden: Globale Asymmetrien und die Forderungen nach Reformen

Melanie Müller / Claudia Zilla

7.1 Pandemiefolgen und gerechte Impfstoffverteilung

7.2 Die globale Vermögenssteuer für Superreiche

7.3 Die universelle Anwendung des Völkerrechts

7.4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen

8 Vereinte Nationen: Multilaterale Kooperation auch in schwierigen Zeiten

Marianne Beisheim / Judith Vorrath

8.1 Engagement bei Peacekeeping und Peacebuilding: Ministerial und Review

8.2 Deutsche Präsidentin der nächsten Generalversammlung, 2025/26

8.3 Deutschlands Engagement in den Vereinten Nationen ist gefragt

9 Deutschland und die geoökonomische Zeitenwende – kluge Machtpolitik gefragt

Hanns Günther Hilpert / Sascha Lohmann / Hanns W. Maull

9.1 Geoökonomisches Denken und Handeln

9.2 Wirksamkeit geoökonomischer Instrumente und Vorgehensweisen

9.3 Konsequenzen für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und die inter­nationale Sicherheit

9.4 Folgen für die internationale Politik und die Außenpolitik

10 Rohstoffkooperationen gestalten – auch mit schwierigen Partnern

Inga Carry / Melanie Müller / Meike Schulze

10.1 Kooperation mit autoritären Staaten

10.2 Kooperationen mit strukturschwachen Staaten

10.3 Der Umgang mit China

10.4 Politikempfehlungen

11 Anhang

11.1 Abkürzungen

11.2 Die Autorinnen und Autoren

Neue Verhältnisse – schwierige Beziehungen. Kurzanalysen zur internationalen Politik

Barbara Lippert / Stefan Mair

Das Jahr 2024 stand im Zeichen der Verfestigung neuer Verhältnisse, deren Anfänge in die 2010er Jahre zurückreichen und spätestens im Februar 2022 manifest wurden. Mit der ersten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November 2016 setzte sich der Rechtspopulismus in der einzig verbliebenen Super­macht durch. Schon zuvor konnten populis­tische Parteien unterschiedlicher Schattierungen in vielen Staaten Europas an die Regierung gelangen. In Län­dern wie Polen und Ungarn entstanden majoritäre bzw. illiberale Demokratien, in anderen Teilen der Welt führte die Erosion demokratischer Systeme (»democratic backsliding«) zu einer Autokratisierung, die signifikante Eingriffe in bürgerliche und politische Freiheiten mit sich brachte. Auch in externer Hinsicht wirkt sich Autokratisierung tendenziell negativ aus – dies betrifft außenpolitische Berechenbarkeit, regionale Stabilität und zwischenstaatliche Konfliktbewältigung ebenso wie internationale Ko­operation und globales Regieren.

2014 war das Jahr, in dem die militärische Intervention Russlands in der Ukraine ihren Anfang nahm – auf die Besetzung und völkerrechtswidrige Annexion der Krim folgte der Vorstoß irregulärer rus­sischer Truppen in den Osten des Landes. Die umfas­sende Invasion von Februar 2022 hat dann endgültig gezeigt, dass die derzeitige Sicherheitsordnung in Europa größere militärische Konflikte nicht verhindern kann. Dauer und Ausgang des verheerendsten Krieges in Europa seit 1945 sind ungewiss. Damit stellt sich zuvorderst die Frage, wie eine neue Sicher­heitsordnung für den Kontinent aussehen kann und wie sie sich unter den heutigen Bedingungen von Ge­waltaustrag und Unsicherheit anbahnen und gestal­ten lässt. Antworten sind dringlich angesichts der Entwicklungen, mit denen das Jahr 2024 ausklingt. Dazu gehören Russlands Geländegewinne und die Aussicht darauf, dass die Ukraine unter der zweiten Präsidentschaft Trump nur noch einen konditionier­ten und nachlassenden Beistand durch die USA erfah­ren wird.

Russlands Krieg gegen die Ukraine und die direkte oder indirekte Unterstützung des Aggressors durch Iran, Nordkorea und China verstärken die Gefahr, dass sich die Weltordnung erneut in Richtung syste­mischer Rivalität bewegt. Damit droht eine Konfrontation zwischen sich neu formierenden Einfluss­zentren. Internationale Politik wird wieder vermehrt als Wettbewerb zwischen Mächten und Systemen inter­pretiert und konflikthaft ausgetragen. Die Kon­kurrenz betrifft dabei die Werte- und Gesellschafts­präferenzen von Staaten ebenso wie ihre politische und wirtschaftliche Ausrichtung. Ungeachtet aller Ten­den­zen zur Blockbildung jedoch verhalten sich zahlreiche Länder des »Globalen Südens« indifferent oder ambivalent gegenüber dem russischen Angriffskrieg. Sie unterstützen weder die eine noch die andere Seite, verfolgen ihre eigenen Interessen und Priori­täten oder positionieren sich dezidiert eigenständig in dem Konflikt. Außenpolitisch ordnen sie sich weder einer West-Ost- bzw. Nord-Süd-Logik unter noch einer dichotomischen Weltsicht von Demokratie versus Auto­kratie. Insofern sind Grundannahmen systemischer Rivalität konzeptionell und empirisch zu hinter­fragen – zumal dann, wenn es Möglichkeiten und Bedin­gungen der internationalen Kooperation zur Bereitstellung globaler öffentlicher Güter zu ermit­teln gilt.

Die Sicherung dieser Güter ist nicht nur deshalb gefährdet, weil systemische Rivalitäten sich verstärken. Sie steht auch unter dem Druck wirtschaftlicher und technologischer Transformationsprozesse, die vor allem durch den Klimawandel und sprunghafte Inno­vationen verursacht werden. Der Wandel von Öko­nomie und Technik ist an sich ein altbekanntes Phä­nomen. Neu und bemerkenswert ist jedoch, wie breit, vielfältig und disruptiv der Umbruch gegen­wärtig verläuft. Damit einher gehen weltwirtschaft­liche Gewichtsverschiebungen, eine Geopolitisierung der Außenwirtschaft, eine sich verändernde Natur der Globalisierung, die Dekarbonisierung der Industrie und rapide Fortschritte in den digitalen Querschnittstechnologien. Deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik wird dadurch vor neue, komplexe Herausforderungen gestellt.

Die skizzierten Entwicklungen lassen sich vier Themenlinien zuordnen: Autokratisierung als Her­aus­forderung für die deutsche und europäische Politik, Neugestaltung der europäischen Sicherheitsordnung, Kooperation im Kontext systemischer Riva­lität, wirtschaftliche und technologische Transformationen. Die SWP hat es sich zur Aufgabe gemacht, beginnend mit dem Jahr 2024 und in den beiden Folge­jahren entlang dieser thematischen Linien ihre breitgefächerte Expertise zu bündeln, Analysen zu erarbeiten und daraus Empfehlungen für die deut­sche und europäische Politik abzuleiten. Neun Einzel­beiträge, die in diesem Kontext entstanden sind, wer­den auf den nachfolgenden Seiten vorgestellt. Auf den ersten Blick hängen die Kurzanalysen inhaltlich nur lose zusammen, doch haben sie zahlreiche Berüh­rungspunkte. Denn die tiefgreifenden Veränderungen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene schaf­fen unter den Staaten neue politische (Macht-)Verhält­nisse, die einander durchdringen. Schwierige Bezie­hun­gen zeichnen sich gerade mit jenen Ländern in Europa, auf dem amerikanischen Kontinent und im »Globalen Süden« ab, auf die es nach deutscher Inter­essenlage besonders ankommt, sei es im materiellen oder politisch-normativen Sinne.

Drei Beiträge befassen sich mit der Erosion der Demo­kratie und den außen- wie europapolitischen Folgen. Dabei stehen vier Länder im Fokus. Es geht zunächst um die beiden EU-Gründerstaaten Frankreich und Italien, wo bei den vergangenen Wahlen der Rechts- und teilweise auch der Linkspopulismus eine deutliche Stärkung erfuhr. Damit stellt sich die Frage nach der Zukunft der europäischen Integration und der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der EU. Eine weitere Analyse widmet sich den USA. Mit Trumps erneuter Präsidentschaft wirft dort eine illiberale Außenpolitik ihre Schatten voraus, und die transatlantischen Beziehungen könnten in eine fundamentale Krise geraten. Zudem richtet sich der Blick auf Argentinien. Der radikal-libertäre Präsident Javier Milei präsentiert sein Land als engen Verbün­deten der USA und führenden Vertreter eines neuen Okzi­den­talismus, stellt zugleich aber grundlegende Nor­men des Westens in Frage. Deutschland sollte sich darauf einstellen, dass die autokratischen Tendenzen, die weltweit vielerorts erstarken, keine bloße Episode sind, auch wenn sie nicht selten länderspezifische Ursachen haben. Oft sind mehrgleisige Antworten an­zustreben, die zusammen mit gleichgesinnten Staaten erfolgen, einen an Prinzipien orientierten Pragmatis­mus widerspiegeln und die eigene Interessenabwä­gung nachvollziehbar kommunizieren. Wie die Spiel­arten des Autoritarismus das außenpolitische Ver­halten beeinflussen, gilt es in weiterer Forschung zu erkunden.

Zwei Beiträge befassen sich mit der Sicherheits­ordnung Europas im engeren und weiteren Sinne. Zunächst wird eine Rekalibrierung der deutschen Ukraine-Politik postuliert. Stützte sich diese in den letzten Jahren auf drei Säulen, so sollte die erste da­von, nämlich die militärische und sicherheitspolitische Unterstützung für Kyjiw, massiv verstärkt wer­den. Das ist prioritär, damit die zweite und die dritte Säule – die Unterstützung für Reformen und den EU‑Beitritt des Landes bzw. humanitäre Hilfe und Bei­stand für seinen Wiederaufbau – überhaupt wirk­sam werden können. Die EU-Staaten stellen sich an­gesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine auf eine Politik der Eindämmung und Abschreckung ein. Auch in der Asyl- und Migrationspolitik agiert die EU mehr und mehr nach der Maxime von Abwehr und verstärkter Kontrolle, damit die irreguläre Migration nach Europa zurückgeht. Allerdings dürfte die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) nichts daran ändern, dass die Fluchtbewegungen allein aus den Nachbarregionen groß bleiben. Besser gewappnet zu sein gilt es für akute Flucht­situationen, wie sie zuletzt im Dezember 2024 wieder in Syrien aufbrachen oder der Ukraine bevorstehen könnten, sollten Russlands Truppen ihren Vormarsch fortsetzen. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, das deutsche Asyl- und Aufnahmesystem zügig zu moder­nisieren und effektiver zu machen.

Zwei Beiträge gelten der Themenlinie Kooperation im Kontext systemischer Rivalität. Asymmetrien zwi­schen Nord und Süd werden von vielen Staaten des »Globalen Südens« als Folge des institutionalisierten Multilateralismus gesehen, der wiederum als Produkt einer überholten Weltordnung gilt. Aus dieser weit­reichenden Kritik resultieren konkrete Vorschläge, wie sich Institutionen und Regeln der internationalen Ordnung reformieren ließen. Dazu muss Deutschland sich verhalten. Die Frage gerechter Impfstoffverteilung, die Forderung nach einer globalen Vermögenssteuer für Superreiche und die Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof sind zwar sehr unterschiedlich gelagerte Fälle. Aber stets ist die Bundesregierung aus dem »Globalen Süden« mit grundsätzlicher Kritik an ihrer Positionierung kon­fron­tiert. Gerade weil Deutschland traditionell zu den Unterstützern von Völkerrecht und multilateraler Ordnung zählt, erwarten nicht nur gleichgesinnte Länder von Berlin ein konsequenteres Engagement. Die Abstimmung über den Zukunftspakt der Ver­einten Nationen hat ein Schlaglicht darauf geworfen, wie sich die neuen Verhältnisse in der internatio­nalen Staatengemeinschaft darstellen und welche schwierigen Beziehungen daraus resultieren. Eine klare Mehrheit trägt zwar weiterhin multilaterale Prozesse mit, zugleich aber gibt es deutlichen Gegen­wind gegen die »regelbasierte internationale Ord­nung«, wie sie von westlichen Staaten beschworen wird. 2025 werden sich Gelegenheitsfenster für Deutschland öffnen, um sich für die Realisierung des Zukunftspaktes starkzumachen. In beiden Kurz­analysen wird gefolgert, dass der deutsche Einsatz in multilateralen Organisationen auch deshalb nicht schwächer werden sollte, weil das Engagement ande­rer Länder unter dem Druck populistischer und iso­lationistischer Strömungen absehbar zurückgeht – was Staaten der EU ebenso wie die USA betrifft.

Aspekte wirtschaftlicher und technologischer Trans­formation nehmen zwei weitere Beiträge in den Blick. Im Zuge der weltpolitischen Zeitenwende gera­ten internationale Wirtschaftsbeziehungen in den Sog sicherheits- und machtpolitischer Bestrebungen. Tatsächlich werden Marktlogiken wie Wohlfahrts­steigerung und Gewinnmaximierung in den Außenwirtschaftsbeziehungen zunehmend von sicherheitspolitischen Erwägungen überlagert. Die Zeitenwende ist somit auch eine geoökonomische. Die negativen Konsequenzen sind unverkennbar, sie sollten klar benannt und soweit möglich durch kooperative Ent­wicklungen begrenzt werden. Ebenso wären für die Risikominderung realistische Zielgrößen anzupeilen, etwa was die Drosselung von Rohstoffimporten aus China angeht. Ein zentrales Aufgabenfeld, um Abhän­gigkeiten in strategischen Sektoren zu verringern, ist die Sicherung der Versorgung mit kritischen Roh­stoffen. Angesichts der relativen Rohstoffarmut der EU spielt die Diversifizierung von Lieferbeziehungen hierbei eine Schlüsselrolle. Die Bundesregierung und die EU stehen dabei wiederum vor der Herausforde­rung, mit Staaten zu kooperieren, die nicht als gleich­gesinnt gelten – weil sie nach anderen geopolitischen Allianzen als Berlin bzw. Brüssel streben, autoritäre Strukturen aufweisen oder Menschenrechts- und Nach­haltigkeitsstandards missachten. Deutschland sollte neue Rohstoffpartnerschaften daraufhin ab­klopfen, ob sie politisch und wirtschaftlich die eigene Verwundbarkeit nicht noch erhöhen. Empfohlen wird eine kluge Machtpolitik, die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft durchdringt. Sie wird erhebliche Res­sourcen beanspruchen. Auch deshalb ist es wichtig zu erklären, dass neue Prioritäten erforderlich sind, um äußere und innere Sicherheit, eine wehrhafte Demo­kratie und eine offene Gesellschaft zu ermöglichen. Klarer Weichenstellungen bedarf es ebenso, damit Deutschland weiterhin zur zivilen und rechtlichen Ausgestaltung der internationalen Politik und Ord­nung beitragen kann.

Italien und Frankreich: Folgen einer Abwicklung der Demokratie für Deutschland und die EU

Ronja Kempin / Paweł Tokarski

Die Bundesregierung stuft den »Rechtsextremismus [...] [als] die größte extremistische Gefahr für die Demokratie in Deutschland« ein.1 In der Europäischen Union (EU) sind extremistische Parteien und ihre Beteiligung an Regierungen keine neuen Phäno­mene. Ende der 1990er Jahre stiegen sie in Ungarn auf, wenig später in Polen und anderen Ländern Ostmitteleuropas. Aufeinanderfolgende Wellen von Wahlerfolgen für diese Parteien wurden unter ande­rem in den skandinavischen Ländern, in Österreich und den Niederlanden beobachtet. Und auch in Deutschlands wichtigsten europapolitischen Partner­ländern, Frankreich und Italien, nehmen rechts­extreme Kräfte Einfluss auf Politik und Wirtschaft.

Während Fratelli d’Italia und Lega in Italien der amtierenden Regierung angehören, hat es der Ras­semblement National (RN) noch nicht vermocht, auf nationaler Ebene in Frankreich die Schwelle zur Macht zu überschreiten. Seit den vorgezogenen Parla­mentswahlen vom Sommer 2024 hingen Kurs und Bestand der Regierung von Premierminister Michel Barnier allerdings vom »Wohlwollen« des RN ab.

In beiden Ländern werden die rechtsextremen Parteien zudem von der Wiederwahl Donald Trumps profitieren. Seine Geringschätzung der Justiz und sein Rassismus könnten Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der Fraktionsvorsitzenden des RN, Marine Le Pen, als »Vorbild« dienen, wie man Gerichts­urteile in Frage stellt. Während italienische Gerichte Melonis Pläne untergraben, Asylverfahren außerhalb der EU durchführen zu können, nämlich in Albanien, drohen Le Pen wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder in Frankreich der Verlust des passiven Wahl­rechts sowie eine Haftstrafe. Aufmerksam werden beide den Beginn der zweiten Präsidentschaft Trumps verfolgen und Lehren daraus ziehen, wie dieser demo­kratische Prinzipien und Institutionen übergeht.

Giorgia Meloni und Marine Le Pen haben das Jahr 2027 fest im Blick: In Italien finden dann Parlaments­wahlen und möglicherweise ein Verfassungsreferendum statt, in Frankreich stehen die Wahlen für die Nachfolge Emmanuel Macrons als Staatspräsident sowie voraussichtlich Parlamentswahlen an. In beiden Ländern droht sich der antidemokratische Kurs deut­lich zu verstärken. Bis dahin könnte die Regierung Trump ihren Einfluss auf die Parteien der beiden Poli­ti­kerinnen ausgeweitet haben mit dem Ziel, die euro­päische Einheit zu schwächen. Trump betrachtet die EU als wirtschaftlichen Konkurrenten der USA.

Die neue Regierung in Deutschland sollte daher bereits 2025 die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der gesellschaftlichen Resilienz ganz oben auf die EU-Agenda setzen und die diesbezüglichen Initiativen der neuen Europäischen Kommission unterstützen.

Giorgia Meloni und die antidemo­kratischen Tendenzen in Italien

Im September 2022 errang die rechtsextreme Partei Fratelli d’Italia die Regierungsverantwortung und hat unter der Führung Giorgia Melonis eine Koalitions­regierung gebildet, zusammen mit der Lega und Forza Italia. Die jetzige Ministerpräsidentin Meloni von den Fratelli d’Italia hat sich in der Vergangenheit wieder­holt wohlwollend über die faschistische Ideologie ge­äußert. Schon vor ihrem Amtsantritt pflegte sie enge Kontakte zu europäischen Parteien mit europaskepti­schen und antidemokratischen Tendenzen, darunter die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und die ungarische Fidesz. Obgleich demokratische Tradi­ti­onen in Italien stärker ausgeprägt sind als in Zentral­europa, wurden Befürchtungen laut, die neuen Koali­tionsparteien unter Führung der Fratelli d’Italia könn­ten eine Schwächung der demokratischen Institutio­nen des Landes bewirken.

Nachdem Meloni das Amt der Ministerpräsidentin übernommen hatte, erklärte sie die Stärkung und Zentralisierung der Exekutive zu einem ihrer wich­tigs­ten politischen Ziele. Es soll ihrer Auffassung nach dazu dienen, nachfolgende italienische Regierungen zu stabilisieren, um häufige Regierungswechsel zu vermeiden.2 Um dies zu erreichen, hat die Regierung Meloni Verfassungsreformen vorgeschlagen, die eine Direktwahl des Ministerpräsidenten für eine Amtszeit von fünf Jahren (Premierato) sowie eine stabile parla­mentarische Mehrheit vorsehen.3 Als Teil der Reform soll ein Bonus für jene Partei eingeführt werden, die bei den Wahlen das beste Ergebnis erzielt, damit ihre Mehrheit im Parlament gesichert bleibt. Gleichzeitig würde durch diese Neuerungen die Rolle des Staats­präsidenten eingeschränkt, der in politischen Krisen traditionell eine Schlüsselrolle spielt.

Doch die vorgeschlagenen Reformen haben auch Bedenken aufkommen lassen: Nach Ansicht von Kri­tikern würden die Änderungen zu viel Macht in den Händen der Exekutive konzentrieren und die wechsel­seitige Kontrolle und das Gleichgewicht im politischen System Italiens verringern. Für Verfassungsreformen ist eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Par­laments erforderlich, was sehr schwer zu erreichen sein wird, oder die Zustimmung in einem Referendum. Dieses Referendum wird wahrscheinlich am Ende der aktuellen Legislaturperiode im Jahr 2027 stattfinden und zum Hauptthema des Wahlkampfs werden.

Die Regierung Meloni in Italien beeinflusst Medienvertreter und schüchtert sie ein.

Besorgniserregend ist darüber hinaus das Verhältnis der Regierung Meloni zu den Medien. Obwohl die Grenze zwischen der Welt der Medien und der Politik in Italien sehr fließend ist, wie das Beispiel Silvio Berlusconi gezeigt hat, gibt es seit dem Amtsantritt der Regierung Meloni viele Berichte über Versuche der Regierungschefin und ihres Kreises, Journalisten zu beeinflussen oder sogar zum Schweigen zu brin­gen.4 Für Aufsehen sorgte die Ernennung Giampaolo Rossis, der der extremen Rechten nahesteht, zum Generaldirektor der öffentlichen Rundfunkanstalt Rai.5 Es folgte deren Umstrukturierung, die zu zahl­reichen Personalwechseln führte und zum Weggang vieler bekannter Journalisten, die der Regierung Meloni kritisch gegenüberstanden. Überdies kommt es zur Einmischung des neuen Managements in die Programmgestaltung.6

In einem Bericht über die Lage der Medien in Ita­lien vom Juli 2024 heißt es, dass in den letzten zwei Jahren die Einschüchterung von Journalisten durch Politiker und Beamte, insbesondere mit juristischen Mitteln, ein alarmierendes Ausmaß erreicht hat.7 In einem anderen Bericht aus diesem Jahr wird das Risiko einer Bedrohung der journalistischen Freiheit und des Pluralismus in Italien zwar als »mittel« ein­gestuft, aber im Vergleich zur vorhergehenden Unter­suchung als »eskalierend« bezeichnet.8 Dass Meloni eine enge Beziehung zum Eigentümer des Portals X, Elon Musk, unterhält, ist ebenfalls ein beunruhigen­des Zeichen – wird Musk doch wahrscheinlich der Regierung Trump angehören, dem wiederum vor­geworfen wird, auf Musks Plattform Desinformationen zu verbreiten und antidemokratische Kräfte zu unterstützen.9

Bisher ist kein klarer Trend erkennbar, dass die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt würde. An­gesichts des Streits um die Migrationspolitik könnte sich das aber ändern.10 Im November 2024 lehnte ein Gericht in Rom das Vorzeigeprojekt der Regierung Meloni ab: die Verbringung asylsuchender Migranten von Italien nach Albanien, wo die Asylverfahren stattfinden sollten. Das Urteil rief in Regierungs­kreisen heftige Kritik an der Justiz hervor.11

Risiken der Entdemokratisierung in Frankreich

In Frankreich stand die extreme Rechte im Sommer 2024 so dicht wie noch nie davor, die Regierungs­verantwortung im Land zu übernehmen. Nach der überraschenden Auflösung der Nationalversammlung durch Präsident Emmanuel Macron lag der Rassemble­ment National (RN) im ersten von zwei Wahldurchgängen in der Mehrheit der Wahlkreise vorn. Allein ein Zusammenschluss der demokratischen Kräfte – Kandidatinnen und Kandidaten zogen ihre Bewerbung zugunsten eines besser platzierten demokratischen Mitbewerbers zurück – konnte verhindern, dass die rechtsextremen Kräfte eine Mandatsmehrheit erzielten.

Mit 142 Abgeordneten bilden der RN und ihm an­geschlossene Personen gleichwohl die größte Opposi­tionsfraktion in der Nationalversammlung. Mehr denn je beeinflusst die Partei die Politik Frankreichs. In sechs der acht vollwertigen Ausschüsse der Natio­nalversammlung stellt die Partei den Vize-Vorsitzen­den.12 Immer häufiger arbeiten Abgeordnete der kon­servativen Républicains und der Partei Horizons von Ex-Premierminister Edouard Philippe mit dem RN zu­sammen. Nicht zuletzt ist die Fraktion aufgrund ihrer Größe in der Lage, die Regierung zu jeder Zeit mit einem Misstrauensvotum nach Artikel 49 Absatz 2 der Verfassung zu belegen und zu Fall zu bringen. Diese Situation ist am 4. Dezember 2024 eingetreten: Die RN-Fraktion hat sich dem Misstrauensantrag der Linken angeschlossen.

Im August 2024 weigerte sich Präsident Macron, das Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit der Regie­rungsbildung zu beauftragen, obgleich es bei den vor­gezogenen Parlamentswahlen stärkste Kraft geworden war. Daher entzogen sich die Parteien dieser Wahl­allianz der Zusammenarbeit mit der Regierung von Premierminister Michel Barnier. Diese Blockadehaltung der politischen Linken hat die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen zum »Zünglein an der Waage« gemacht. Als Le Pen den Eindruck hatte, Barnier erfülle in den laufenden Haushaltsverhandlungen die Forderungen ihrer Partei nicht in ausreichendem Maße, entschied sie, seine Regierung abzusetzen.

Der Budget-Entwurf, den der RN in die nunmehr gescheiterten Verhandlungen zum Haushalt 2025 eingebracht hatte, enthielt deutlich mehr Einsparungen als der von Premierminister Barnier vorgelegte Sparplan. Der Budgetvorschlag des RN sieht vor, die Staatsausgaben um 0,5 Prozent des Bruttoinlands­produktes zu kürzen: In den Bereichen Kultur und Vereinswesen sollen weitere Einsparungen vorgenommen werden; multinationale Konzerne sowie ausländische Studierende und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen finanziell benachteiligt werden. Die »Auswüchse des Finanzkapitalismus« sollen eingeschränkt, die Entwicklungshilfe und Frankreichs Beitragszahlungen an die EU drastisch gekürzt werden. Am stärksten beschneiden will der RN die Ausgaben für Klima- und Umweltpolitik, vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien, der nachhaltigen Entwicklung und der Mobilität. Wäh­rend fossile Energien kostspielig unterstützt würden, müssten Verbände, die im Bereich Ökologie tätig sind, mit einer Kürzung ihrer staatlichen Zuschüsse in Höhe von 110 Millionen Euro rechnen.13

Marine Le Pen hat am 4. Dezember 2024 unter Beweis gestellt, dass sie trotz des laufenden Gerichtsverfahrens gegen sie wegen der Veruntreuung öffent­licher Gelder in Millionenhöhe nicht mit dem Rücken zur Wand steht. Vielmehr hat sie mit ihrer Entscheidung, das Misstrauensvotum mitzutragen, Frankreich in eine tiefe politische Krise gestürzt. Zum zweiten Mal erst in der Geschichte der V. Republik ist eine Regierung durch ein Misstrauensvotum entmachtet worden. Michel Barnier war lediglich 90 Tage im Amt.

Die Stärke des RN wird gleichermaßen auf der künftigen französischen Regierung lasten. Deutschland muss sich daher auch im kommenden Jahr auf eine französische Regierung einstellen, deren Fort­bestehen alles andere als gewiss ist. Ein Sturz auch jener Regierung, die der von Premierminister Barnier nachfolgen wird, erscheint ebenso plausibel wie eine erneute Auflösung der Nationalversammlung im Sommer 2025. Langfristige gemeinsame Vorhaben an­zustoßen wird unter diesen Vorzeichen schwierig.

Die Stärke der RN-Fraktions­vorsitzenden Le Pen schwächt die deutsch-französische Zusammenarbeit.

Darunter leiden dürfte zum einen die Zusammen­arbeit in der EU-Politik. In der Erweiterungspolitik steht in Frankreich nicht allein der RN auf der Bremse; auch die linksextreme La France Insoumise oder die konservativen Républicains lehnen die Aufnahme weiterer Staaten ab.14 Jede Erweiterung der EU muss in Frankreich zudem im Rahmen eines Volksentscheides gebilligt werden. Was die Verhandlungen für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU betrifft, die 2025 beginnen, muss die Bundesregierung darauf gefasst sein, dass sich die Verhandlungsposition Frankreichs erheblich von der eigenen unter­scheiden wird. Grund hierfür ist der Würgegriff des RN, in dem sich – das ist absehbar – auch die neue französische Regierung befinden wird. Mehrausgaben für den Klimaschutz werden vermutlich ebenso auf die Ablehnung des RN stoßen wie eine Fortführung der EU-Hilfsmaßnahmen für die Ukraine.

Zum anderen wird die gegenwärtig starke Position des RN das bilaterale Verhältnis belasten. Die Deutsch­landfeindlichkeit des RN ist besonders ausgeprägt in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie dürfte sich aber auch auf andere wichtige Bestandteile des Aachener Vertrages auswirken, allen voran auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sowie auf das bilaterale Streben nach finanz- und wirtschaftspolitischer Harmonisierung. In Frankreich selbst wird die Partei nicht zuletzt alles daransetzen, eine mögliche Verurteilung Marine Le Pens als politisches Manöver zu brandmarken. Im Falle einer Verurteilung steht zu erwarten, dass der RN einen deutlich radikaleren Kurs einschlägt und insbesondere gegen die Justiz Sturm läuft.

Handlungsoptionen und Perspektiven

Die politischen Systeme Italiens und Frankreichs be­finden sich in einer Übergangsphase – in beiden Ländern besteht die Gefahr, dass die demokratischen Institutionen geschwächt werden. Meloni führt zwar eine der stabilsten Regierungsmehrheiten in der EU, hat aber keine angemessene Antwort auf die enor­men Strukturprobleme Italiens. Sie muss damit rech­nen, früher oder später ihre Unterstützung zu ver­lieren. Aus ihrer Sicht könnte der einzige Weg zum Machterhalt darin liegen, ihren Plan für politische Veränderungen im Land umzusetzen: Dadurch würde die Macht des Ministerpräsidenten erheblich ausge­weitet und die Kontrollfunktion der Medien beschnitten. In Frankreich scheint das Modell der V. Republik an sein Ende zu kommen. Die extreme Rechte nimmt bereits in hohem Maße Einfluss auf die Arbeit der Regierung. Somit läuft auch Deutschlands wichtigstes Partnerland in Europa Gefahr, dass sich sein politi­sches System zunehmend von den Grundsätzen der liberalen Demokratie entfernt. Berlin muss sich auf diese Entwicklungen einstellen. Je weiter die Demo­kratie in den Gründungsstaaten der EU eingeschränkt wird, desto mehr muss sich der größte Mitgliedstaat der EU nach neuen Partnerschaften umsehen.

Die Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung der gesell­schaftlichen Resilienz sind in der EU Sache der Mit­gliedstaaten, daher kann die Bundesregierung nur begrenzt Einfluss darauf nehmen. Das Bekenntnis zu demokratischen Werten ist jedoch gemäß Artikel 2 des EU-Vertrages (EUV) das Fundament, auf dem der politische und rechtliche Aufbau der Europäischen Union ruht. Deshalb sollte als Schwerpunkt für das Jahr 2025 formuliert werden, die Mechanismen zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der EU konsequent zu stärken, um auf eine mögliche Zunahme anti­demokratischer Tendenzen in Frankreich und Italien vorbereitet zu sein. Die Aushöhlung der Demokratie gerade in den größten Mitgliedstaaten ist eine gewal­tige Herausforderung; die bisherigen Bemühungen, dem entgegenzutreten, müssen entschieden inten­siviert werden. Die Zerstörung der Demokratie ist ein Prozess, der schrittweise vonstattengeht. Darum ist es zuallererst notwendig, präventiven Mechanismen zur Überwachung der Rechtsstaatlichkeit größeres Gewicht zu verleihen, zum Beispiel dem Jahresbericht der EU-Kommission zur Rechtsstaatlichkeit.

Im Entwurf des neuen MFR der EU für die Zeit ab 2028, über dessen Ausgestaltung ab 2025 diskutiert werden wird, sollte die Mittelvergabe an Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gekoppelt werden. Außerdem sollten EU-Mittel stärker vor Missbrauch durch Einrichtungen geschützt werden, die mit poli­tischen Parteien verbunden sind, die gerade an der Macht sind.15 Darüber hinaus wäre wünschenswert, dass die EU-Kommission Verfahren nach Artikel 7 EUV (Suspendierung der EU-Mitgliedschaft) schneller einleitet – insbesondere die erste Stufe, für die eine Vierfünftelmehrheit im Rat nötig ist – und den Pro­zess transparenter gestaltet.16

In Polen ist es gelungen, autoritäre Tendenzen um­zukehren. Dieses Beispiel verweist auf die enorme Rolle von Nichtregierungsorganisationen (NROs), wenn es um die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit geht: mit Hilfe von Informationskampagnen, der Bekämpfung von Fake News oder der Verfolgung von Einzelpersonen und Gruppen, die Hass gegen politische Gegner oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen verbreiten. Die EU sollte die finanzielle Unterstützung für NROs erhöhen, die sich für Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Unter anderem dafür braucht es das Engagement Ber­lins – schließlich gilt es, breite Koalitionen in der EU zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit aufzubauen. Deutschland sollte nicht nur darauf drängen, dass der Rechtsstaatlichkeitsdiskussion im Europäischen Rat mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, sondern auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen, das heißt, die Kommissionsberichte über Rechtsstaatlichkeits­probleme in Deutschland ernst nehmen.

USA: Die Wahlen 2024 und der Schatten einer illiberalen Außenpolitik

Marco Overhaus / Johannes Thimm

Die erneute Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA im November 2024 stellt die deutsche und europäische Außenpolitik vor gewaltige Herausforderungen. Zwar gibt es bereits Erfahrungen aus Trumps erster Amtszeit, aber die Ausgangslage ist dieses Mal grundsätzlich anders: Nicht nur ist die Weltlage heute geprägt von anhaltenden Kriegen in der Ukraine, im Nahen Osten sowie im Sudan. Auch für den demo­kratischen Rechtsstaat in den USA bedeutet eine er­neute Amtszeit Trumps nichts Gutes – denn die Vor­aussetzungen, unter denen der zukünftige Präsident Trump agieren wird, haben wenig gemein mit der Situation im Jahr 2017. Trump ist entschlossener und besser vorbereitet, er kann sich zudem bei der Beset­zung wichtiger Posten auf loyale Anhänger stützen. Die Republikaner im Kongress haben Kritiker weit­gehend aus ihren Reihen verbannt, und auch die Mehr­heit der Richter des Obersten Gerichtshofes steht dem Machtanspruch und der Agenda Trumps wohlwollend gegenüber. Trumps gut dokumentierte autoritäre Neigungen werden also in den politischen Institutio­nen auf weniger Widerstand treffen als noch vor acht Jahren.

Umso mehr gilt es, seine bisherigen Ankündigungen zu seiner Amtsführung ernst zu nehmen. Die Auto­kratisierung der USA und die damit einhergehende Erosion liberaler Werte und rechtlicher Normen wird jedoch nicht nur die amerikanische Innenpolitik prägen, sondern ebenso die Außen- und Sicherheits­politik. Dies wird fundamentale Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen haben.

Trumps autoritäre und illiberale Haltung im Innern

In den letzten Jahrzehnten hat die Exekutive in den USA kontinuierlich mehr Macht akkumuliert. In den 1970er Jahren hatte der Kongress die Funktion der Legislative als Aufsicht der Exekutive noch gestärkt – als Reaktion auf die Eskalation des Vietnamkrieges und den Machtmissbrauch durch Präsident Richard Nixon, der in der Watergate-Affäre gipfelte. Seitdem sind diese Kontrollen sukzessive immer schwächer geworden. Auf Grundlage der Theorie der einheit­lichen Exekutive (Unitary Executive Theory) agierte die Regierung George W. Bushs im globalen Kampf gegen den Terrorismus und in den Kriegen in Afgha­nistan und Irak weitgehend frei von innenpolitischen Beschränkungen und rechtfertigte so auch Verstöße gegen amerikanisches und inter­nationales Recht. Die Obama-Administration war zwar bemüht, ihren Anti­terrorkampf auf eine solidere gesetzliche Grundlage zu stellen, behielt die »imperiale Präsidentschaft« (Arthur M. Schlesinger Jr.) aber im Wesentlichen bei.1 Genauso nutzten Donald Trump und seine Rechts­berater die Unitary Executive Theory während dessen erster Amtszeit als Rechtfertigung, um die präsiden­tielle Macht weiter auszubauen.

Trump übernimmt nun zum zweiten Mal die Präsi­dentschaft, und das in einer Lage, in der die Gewalten­teilung und -kontrolle bereits aus dem Gleichgewicht geraten sind. Sein Verständnis hat er mit folgender Aussage auf den Punkt gebracht: »Then I have an Article 2, where I have the right to do whatever I want as President.«2 Sowohl Trumps Regierungsführung von 2017 bis 2021 als auch seine zahlreichen Äuße­rungen jüngeren Datums bezeugen seine Verachtung für den demokratischen Rechtsstaat.

In ihrem Buch How Democracies Die betonen die Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Daniel Ziblatt, welch große Bedeutung die Selbstbeschränkung politischer Akteure und besonders des Präsidenten für eine funktionierende Demokratie hat.3 Um­gekehrt identifizieren sie, dem Politologen Juan Linz folgend, vier Schlüsselindikatoren für autoritäres Verhalten.4 Dazu gehört erstens, sich den demokratischen Normen und Spielregeln unzureichend ver­pflichtet zu fühlen und zum Beispiel in bestimmten Situationen Ausnahmen von Gesetzen oder der Ver­fassung zu fordern; zweitens, den politischen Geg­nern die Legitimität abzusprechen, indem sie als exis­ten­tielle Bedrohung für das Land dargestellt werden; drittens, Gewalt als Mittel der Politik zu tolerieren oder zu rechtfertigen, und viertens die Bereitschaft, die Bürgerrechte politischer Gegner einschließlich der Medien einzuschränken. Auf Donald Trump und manche seiner politischen Verbündeten treffen alle vier Kriterien zu:

  1. Trump hat 2020 das Ergebnis der Präsidentschafts­wahlen nicht akzeptiert. Er hat Druck auf republikanische Politiker in den Einzelstaaten ausgeübt, den Wählerwillen zu ignorieren, und seinen dama­ligen Vizepräsidenten Mike Pence angewiesen, das Wahlergebnis im US-Kongress nicht offiziell zu bestätigen – was Pence allerdings dennoch tat.5

  2. Trump hat seine politischen Gegner, inklusive der Abgeordneten Adam Schiff und Nancy Pelosi, als innere Feinde (»enemy from within«) bezeichnet.

  3. In zahlreichen Situationen hat Trump Gewalt ge­billigt oder toleriert. So soll er seinen Verteidigungs­minister Mark Esper gefragt haben, warum man Protestierenden der »Black Lives Matter«-Bewegung nicht in die Beine schießen könne.6 Am 6. Januar 2021 stiftete er seine Anhänger zum Sturm auf das Kapitol an und nannte diejenigen, die für die dar­aus resultierende Gewalt verurteilt wurden, »poli­tische Gefangene« und »Geiseln«.

  4. Schließlich hat Trump angedroht, propalästinen­sische Demonstranten zu deportieren sowie Medien zu drangsalieren, die kritisch über ihn berichtet haben.7

Trump spielen die institutionellen Voraussetzungen in die Hände, um seine illiberale Agenda im Innern voranzutreiben.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit spielen Trump die institutionellen Voraussetzungen in die Hände, um seine illiberale Agenda im Innern voranzutreiben. Die Wählerinnen und Wähler haben ihm ein klares Mandat für seine politische Agenda erteilt. So hat er einen deutlichen Vorsprung im Wahlleutekollegium und gewann im Unterschied zu 2016 auch die Mehrheit der landesweit abgegebenen Stimmen (popular vote). Im Repräsen­tantenhaus werden die Republikaner über eine knappe Mehrheit verfügen, im Senat besetzen sie 53 von 100 Sitzen. Trump kann sich also in beiden Kammern des Kongresses auf die Mehrheit seiner Partei verlassen.

Kritische Stimmen in der republikanischen Partei wie die Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger oder Senator Mitt Romney wurden inzwischen aus der Partei gedrängt oder nicht wiedergewählt, so dass aus der republikanischen Partei allenfalls geringer Widerstand gegen Trumps Agenda zu erwarten ist. Anders als zu Zeiten der Watergate-Affäre haben die meisten republikanischen Kongressmitglieder bereits während Trumps erster Amtszeit ihre parteipolitische Loyalität zu ihrem Präsidenten unter Beweis gestellt: Sie bewerteten sie höher als die ihnen von der Ver­fassung zugedachte Funktion, die Exekutive zu kon­trollieren. So scheiterten zwei Amtsenthebungs­verfahren gegen Trump am republikanisch kontrollierten Senat.

Im Senat ist derzeit wegen des Filibusters mit wenigen rechtlichen Ausnahmen eine Mehrheit von 60 Prozent nötig, um Gesetze zu verabschieden. Aller­dings kann der nur in der Geschäftsordnung fest­gelegte Filibuster mit einfacher Mehrheit abgeschafft werden. Gleiches ist bereits geschehen für die vom Senat zu leistende Bestätigung von Personen, die Äm­ter in der Administration oder Richterposten beklei­den sollen. Das bedeutet, Trump kann auch umstrit­tene Personen in die Regierung oder die Gerichte berufen, ohne dass in den meisten Fällen mit einer nennenswerten Prüfung durch den Senat zu rechnen ist. Über die für Verfassungsänderungen erforderliche Zweidrittelmehrheit verfügt Trump indes nicht.

Trump hat wiederholt der bislang herrschenden Auffassung widersprochen, dass bestimmte Minis­terien und Regierungsbehörden ein gewisses Maß an Unabhängigkeit gegenüber dem Weißen Haus genie­ßen sollen. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Justizministerium mit den Strafverfolgungsbehörden zu, allen voran der Bundespolizei FBI. Das Justiz­ministerium untersteht dem Präsidenten, war aber bisher durch bestimmte Normen vor einer direkten Einflussnahme durch das Weiße Haus geschützt, um die faire Anwendung des Rechts zu garantieren. Bereits in der ersten Amtszeit verstieß Trump gegen diese rechtlich nicht verbindliche Norm, als er FBI-Direktor James Comey entließ, bevor dessen reguläre Amtszeit endete.

Nach Trumps Wahlsieg steht fest, dass die vier noch gegen ihn laufenden Strafverfahren nicht weiter­verfolgt werden. Trump hat zudem versprochen, die für den Sturm auf das Kapitol Verurteilten zu begna­digen. Nicht auszuschließen ist, dass er das Justiz­ministerium anweisen wird, gezielt Ermittlungen und Klagen gegen seine politischen Gegner anzustrengen. Selbst wenn die Gerichte solche Klagen abweisen, kann dies bei den Betroffenen erhebliche Kosten und Unannehmlichkeiten verursachen und so zur Ein­schüchterung genutzt werden.

Trumps erste Wahl für den Posten des Justizministers, der umstrittene Abgeordnete Matt Gaetz, wurde aufgrund heftiger Kritik selbst aus der eigenen Partei als Kandidat wieder zurückgezogen. Dessen ursprüngliche Nominierung bestätigt indes die Geringschätzung des künftigen Präsidenten für die Normen des Rechtsstaates sowie seine Bereitschaft, elementare Institutionen für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Die Persönlichkeit der nun für das Amt der Justiz­ministerin nominierten Pam Bondi erregt zwar weni­ger Anstoß. Aber auch Bondi gilt als loyal gegenüber Trump: Sie verbreitete Trumps Mär von der gestohlenen Wahl 2020 und verteidigte ihn im ersten Amts­enthebungsverfahren. Dass sie seine Agenda im Justiz­ministerium unterstützt, scheint sicher.

Eine Politisierung des Justizministeriums könnte unter den Beamten im Ressort durchaus Widerspruch provozieren. Trumps Versuche, die Präsidentschaftswahl 2020 in Frage zu stellen, wurden damals nicht unterstützt und konnten auch durch die Entlassung des Justizministers nicht durchgesetzt werden. Genau auf solche Szenarien zielt die sogenannte »Schedule F«-Richtlinie ab, die es leichter machen soll, Angestellte des öffentlichen Dienstes zu entlassen, wenn sie aus Sicht Trumps und seiner Unterstützer nicht hinrei­chend loyal sind. Auf diese Art und Weise wird der Druck auf Beamte erhöht.

Folgen der illiberalen Außenpolitik für die internationale Ordnung

Die Erosion der Gewaltenkontrolle und anderer liberal-demokratischer Institutionen wird sich über­dies auf die Außenpolitik und die Rolle der USA als internationale Führungsmacht auswirken. Bereits während seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 wollte Trump amerikanische Vormacht ohne die »liberale Infrastruktur« sichern, das heißt ohne die Einbindung in multilaterale Institutionen.8

Die liberale Außenpolitiktheorie postuliert einen engen Zusammenhang zwischen der inneren Ver­fasstheit von Staaten und deren außenpolitischem Verhalten. Die grundsätzliche Annahme dabei lautet, dass liberale Prinzipien im Innern – wie die Stärke des Rechts, der Schutz der Menschenrechte sowie die Kompromissfindung als Modus für den Umgang mit Konflikten – ebenso in der Außenpolitik handlungs­leitend sind. Dieselbe Logik wirkt allerdings auch umgekehrt: Als die US-Außenpolitik nach den Terror­anschlägen des 11. September 2001 zunehmend auf das Recht des Stärkeren setzte und im »Krieg gegen den Terrorismus« etwa Menschenrechte missachtete, ging dies, wie eingangs beschrieben, mit der Wiederkehr der »imperialen Präsidentschaft« im Innern einher.

Die illiberalen Tendenzen in den USA werden also Folgen für die Außenpolitik haben. Dabei lassen sich aus europäischer Sicht drei besonders relevante Berei­che unterscheiden, nämlich erstens die Art und Weise, wie die USA ihre Führungsrolle in der Nato und ande­ren Allianzen ausgestalten, zweitens der Stellenwert, den die Verteidigung demokratischer Werte für die künftige Rolle der USA in der europäischen Sicherheit haben wird, und drittens die Führungsrolle der USA im globalen Kontext.

Eine seit Jahrzehnten bestehende Grundannahme zur Rolle der USA in der Welt besagt, dass sie – anders als klassische Imperien – nicht in erster Linie mittels Zwang führen, sondern mit machtpolitischer Selbst­beschränkung im Rahmen internationaler Regeln und Institutionen. Insofern zeichnet die Einhegung von Macht, im Innern wie in der Außenpolitik, eine liberale Großmacht aus. Das gilt in besonderem Maße für das Verhalten der USA in der Nato, deren Institu­tionen auf multilateraler Entscheidungsfindung und demokratischen Werten basieren – auch wenn immer klar war, dass Washington seinem militärischen Beitrag entsprechend »Erster unter Gleichen« ist, der signifikant Einfluss auf die Entscheidungen des Bündnisses nimmt.9

Für die europäischen Bündnispartner stellt sich die Frage, wie sie reagieren, wenn sich die USA unter »Trump II« in der Atlantischen Allianz zukünftig wesentlich weniger stark politisch engagieren, eine »Politik des leeren Stuhls« betreiben oder die Bündnis­partner sogar aktiv gegeneinander auszuspielen ver­suchen. Eine solche Situation gab es während der Präsi­dentschaft George W. Bushs schon einmal, als dessen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld 2003 das »neue« gegen das »alte« Europa ausspielen wollte. Damals ging es um die Frage, welche Länder den Irak­krieg unterstützen würden.

Gut möglich also, dass Amerika sein liberales Führungsverständnis in der Nato unter »Trump II« endgültig aufgibt und nur noch eng definierte Eigeninteressen verfolgt. In diesem Falle würde sich Washington nicht mehr um konsensuale Entscheidungen bemühen und Konsultationserfordernisse im Nato-Rahmen weitgehend ignorieren. Trump fordert zwar vehement, Europa solle für seine eigene Ver­teidi­gung »mehr bezahlen«. Gleichzeitig ist davon aus­zugehen, dass er von den europäischen Bündnis­partnern erwartet, dass sie sich seiner Politik vor­behalt­los anschließen. Die politische Zukunft der Ukraine könnte ein erster Testfall dafür werden.

Auch über die Entscheidungsprozesse in der Nato hinaus haben zunehmende illiberale Tendenzen in den USA Konsequenzen für das künftige Engagement des Landes in der europäischen Sicherheit. Aus Sicht der meisten Mitglieder der Europäischen Union (EU) und der Nato ist die eigene Sicherheit untrennbar mit liberal-demokratischen Werten verknüpft. Der russi­sche Präsident Wladimir Putin sieht das unter um­gekehrten Vorzeichen ähnlich: Seine Politik scheint vor allem vom Bestreben getrieben, die auf liberal-demokratische Werte gegründete europäische Friedens­ordnung, die 1990 in der Charta von Paris entworfen wurde, zu zerstören. Russland unter Putin begreift die Entstehung bzw. die Festigung demokratisch orga­ni­sierter Gesellschaften in seiner Nachbarschaft als Bedrohung.

Würde Amerika seine europäischen Bündnispartner in Zukunft verteidigen, weil sie Demokratien sind?

Für Europa stellt sich die Frage, ob es auf Washington in Zukunft noch zählen kann, wenn es um die Verteidigung einer europäischen Ordnung geht, deren Basis liberal-demokratische Werte sind. Mit anderen Worten: Würde Amerika seine europäischen Bündnis­partner in Zukunft verteidigen, weil sie Demokratien sind? Wenn die USA stattdessen unter »Trump II« einem rein realpolitischen Ansatz folgen, dürfte die Bereitschaft in Washington wachsen, sich mit Putin über die Eckpunkte einer neuen europäischen Sicher­heitsordnung zu einigen, und zwar über die Köpfe der Europäer (einschließlich der Ukraine) hinweg.

Mit Trump ist wohl auch das grundsätzliche Beitritts­versprechen an die Ukraine vom Tisch, das die Nato im Juli dieses Jahres sogar noch konkretisiert hatte. Langfristig könnte das bedeuten, dass es hauptsäch­lich Aufgabe der EU und ihrer Mitgliedstaaten sein wird, den Ländern im Spannungsfeld zwischen Nato / EU-Europa und Russland eine sicherheitspolitische Perspektive und Verankerung zu bieten.

Die illiberalen Tendenzen in der amerikanischen Außenpolitik werden sich nicht zuletzt auf die glo­bale Ordnung auswirken. Die Verachtung Trumps für multilaterale Institutionen und andere Bestandteile der liberalen internationalen Ordnung kam bereits während seiner ersten Amtszeit unmissverständlich zum Ausdruck. So haben die USA ihre Beiträge und ihr Engagement in den Vereinten Nationen (UN) reduziert, sind aus internationalen Abkommen und Organisationen wie dem Pariser Klimaabkommen oder der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) ausgetreten und haben Axt an die Grundpfeiler der Welthandelsorganisation gelegt.

Die Stärkung des Völkerrechts und der multilate­ralen Zusammenarbeit gehört weiterhin zu den grund­legenden Interessen der deutschen Außen- und Europa­politik. Unter der ersten Präsidentschaft Donald Trumps haben die USA der regelbasierten Ordnung zumindest nicht gänzlich den Rücken gekehrt. Das schlug sich beispielsweise in ihrem Eintreten für den »Freien und offenen Indopazifik« nieder. Wenn sich die Autokratisierungstendenzen in Amerika jedoch fortsetzen, steht zu befürchten, dass die USA ihre Bereitschaft verlieren, die noch verbliebenen Ele­mente der liberalen, regelbasierten Weltordnung zu schützen.

Für einen zweigleisigen Ansatz Deutschlands

Als politisch und wirtschaftlich wichtiger Mitgliedstaat der EU und als Mitglied der G7 wird Deutschland – und damit die nächste Bundesregierung – in besonderer Weise gefordert sein, auf die tiefgreifenden Veränderungen in den USA Antworten zu geben. Dabei sollte Berlin zweigleisig fahren: Auf der einen Seite steht Deutschland in der Verantwortung, wenn es darum geht, die Einigkeit der Europäer innerhalb der Nato zu wahren. Dazu muss Europa politisch wesentlich geschlossener auftreten, als dies in der Vergangenheit, etwa mit Blick auf die Russlandpolitik, der Fall war. Sonderwege wie seinerzeit im Zusammen­hang mit Nord Stream 2 kann sich Deutschland in Zukunft nicht mehr leisten. Gegenüber Washington sollten Berlin und andere Nato-Hauptstädte zudem klarstellen, dass liberale Werte weiterhin die Bedin­gung für den Zusammenhalt und die Glaubwürdigkeit der atlantischen Sicherheitsgemeinschaft sind. Wenden sich die USA von diesen Werten vollständig ab, dann steht auch die Atlantische Allianz zur Dis­position.

Auf der anderen Seite erzwingen die Autokratisierungstendenzen und das Erstarken illiberaler An­sätze, die nicht nur in den USA, sondern in vielen Ländern weltweit zu beobachten sind, eine pragmatischere Außenpolitik. Diese sollte sich außerhalb des euroatlantischen Raums auf den Schutz und die Stär­kung der regelbasierten Ordnung konzentrieren. Das erfordert die Kooperation nicht nur mit liberalen Demokratien, sondern ebenfalls mit autoritär regier­ten Staaten, die ein grundsätzliches Interesse am Erhalt dieser Ordnung haben. Ein solcher Ansatz wäre keine prinzipielle Abkehr vom Ziel einer werteorien­tierten Außenpolitik, würde aber anerkennen, dass die außenpolitischen Möglichkeiten für die Demokratisierung von Staaten sehr begrenzt sind.

Argentinien: Okzidentalismus, Menschen­rechte und Außenpolitik unter Javier Milei

Claudia Zilla

Wir erleben eine Geopolitisierung der internationalen Beziehungen. Sie besteht in der Verbreitung einer politischen Praxis, in der Konkurrenz, Rivalität, Ein­dämmung und Abschreckung als Denkmuster für das politische Handeln in der Welt an Relevanz gewinnen. Damit einher geht eine Aufwertung sicherheitspolitischer Erwägungen und in der Folge von Fragen der Auswahl von Partnerstaaten zur materiellen und symbolischen Absicherung sowie der Blockbildung. Dieser Rationalität folgt zunehmend auch die Außen­politik Deutschlands und der EU, für die neben dem Zugang zu kritischen Rohstoffen auch normative Gemeinsamkeiten bei der Partnersuche eine wichtige Rolle spielen. Mit der Betonung der Gesinnungs­ähnlichkeit gewinnt das Narrativ der Verteidigung sogenannter »westlicher Werte« an Konjunktur. Aus dieser Perspektive rückt Argentinien in den Blick Deutschlands und der EU, denn die neue Regierung will die Wirtschaft stark liberalisieren und das Land außenpolitisch klar nach Westen ausrichten. Andere wichtige Aspekte ihrer Politik machen Argentinien jedoch zu einem schwierigen Kooperationspartner.

Seit dem 10. Dezember 2023 hat Argentinien mit Javier Milei einen Präsidenten, der sich selbst als anarcho-kapitalistisch und liberal-libertär bezeichnet, ideologisch am rechten Rand des politischen Spek­trums des Landes steht und hinsichtlich seines Politik­stils als Populist charakterisiert werden kann.1 Milei verfolgt ein neoliberales Wirtschaftsprogramm. Außen­politisch bekennt er sich vehement zum Westen. Nach dem ersten Jahr seiner Amtszeit zeigt sich jedoch, dass diese Selbstverortung in ein umfassenderes poli­tisches Konzept eingebettet ist, das in vielerlei Hin­sicht in einem Spannungsverhältnis zu den Prinzipien des Schutzes der Demokratie und der Menschenrechte und zum Global-Governance-Ansatz steht. Zudem ist die argentinische Regierung heute Teil einer globalen radikalen Rechten, deren Vorstellungen von »west­lichen Werten« und Multilateralismus sich nicht mit denen der Bundesregierung und der EU-Institutionen decken. Sowohl vor diesem Hintergrund als auch mit Blick auf den globalen Trend demokratischer Erosion lohnt es sich, den argentinischen Fall näher zu be­trachten, der einige Gemeinsamkeiten mit anderen für Deutschland wichtigen Ländern aufweist. Aber auch die Tatsache, dass Argentinien die zweitgrößte Volkswirtschaft des Mercosur und die drittgrößte Lateinamerikas sowie Mitglied der G20 ist, legt eine Analyse der Entwicklungen in dem Land nahe.

Westorientierung, das Primat der Wirtschaft – und ein bisschen China

Nachdem weder die letzten peronistischen Regierungen unter Cristina Kirchner (2011–2015) und Alberto Fernández (2019–2023) noch die konservative Regie­rungskoalition unter Mauricio Macri (2015–2019) Argentinien aus der Dauerkrise führen konnten, war das radikale Wirtschaftsprogramm Mileis ausschlaggebend für seinen Sieg in der Stichwahl. Eine ab­solute Mehrheit der Wähler:innen stellte materielle Erwägungen über andere Aspekte seiner Person und seines Projekts, die als problematisch angesehen werden könnten. Mileis Wirtschaftspolitik ist derzeit von einem strengen Sparkurs und einem massiven Staatsabbau geprägt, was bisher sowohl zu einer Ver­langsamung der Inflation und einem (leichten) Haus­haltsüberschuss als auch zu einer Rezession geführt hat ( - 3,4 Prozent Wachstum, Anstieg der Arbeits­losigkeit auf 7,7 Prozent im Juni). Ob Argentinien die Talsohle durchschritten hat und ein Aufschwung bevorsteht, ist derzeit ungewiss.

Zudem versprach Milei im Wahlkampf eine klare Westorientierung Argentiniens. Diese nahm bereits am ersten Tag der neuen Präsidentschaft Gestalt an, als seine damalige Außenministerin Diana Mondino ankündigte, der sich erweiternden Staatengruppe BRICS nicht beizutreten und den Prozess der OECD-Mitgliedschaft einzuleiten. Dies entsprach auch der erklärten, letztlich aber nicht verwirklichten Absicht des Präsidenten, nicht nur keine politische Nähe zu »kommunistischen« oder »kollektivistischen« Staaten oder Diktaturen zu pflegen, sondern mit ihnen auch keine diplomatischen Beziehungen zu unterhalten. Bisher wurden nur die Beziehungen zu Venezuela auf Initiative von Caracas Ende Juli 2024 abgebrochen. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Milei die von der Vor­gängerregierung ernannten argentinischen Botschafter aus Kuba, Nicaragua und Venezuela abgezogen und be­schlossen, keine neuen mehr zu entsenden.

Als »natürliche Partner« Argentiniens betrachtet Präsident Milei die USA und Israel. Ein von diesen ab­weichendes Votum Argentiniens in der UN-General­versammlung am 30. Oktober 2024, das eher der eigenen nationalen Tradition folgte und die US-Wirt­schaftsblockade gegen Kuba verurteilte, kostete Außen­ministerin Mondino noch am gleichen Abend das Amt.2

Wie schon Donald Trump und dann Jair Bolsonaro will auch Präsident Milei die argentinische Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Dies bedeutet einen Bruch mit der argentinischen Tradi­tion, der sich auch in einem veränderten Abstimmungsverhalten bei den Vereinten Nationen materia­lisiert: Im Dezember 2023 enthielt sich Argentinien in der UN-Generalversammlung beim Votum über einen humanitären Waffenstillstand im Gazastreifen der Stimme. Im April 2024 stellte es sich im UN-Menschen­rechtsrat gegen eine Resolution, die den Mitglied­staaten den Verkauf von Waffen an Israel untersagte. Im Mai 2024 stimmte es in der UN-Generalversamm­lung gegen eine Resolution, die dem Sicherheitsrat empfahl, Palästina als Vollmitglied aufzunehmen.

Im Rahmen seiner Westorientierung gilt Argen­tiniens Hauptaugenmerk jedoch dem Streben nach einer Intensivierung der Beziehungen zu den USA. Dieses Bemühen hat zwar die Außenpolitik der meis­ten argentinischen Regierungen rechts der Mitte geprägt. Diesmal geht es jedoch mit einem beträcht­lichen Nachlassen der Kooperation nicht nur mit dem Globalen Süden im Allgemeinen, sondern auch mit der Region im Besonderen einher. Die gewandelte Prioritätensetzung spiegelt sich in den Reisen Mileis und seiner Abwesenheit bei regionalen Treffen wider. So hat der argentinische Präsident bislang keinem Mercosur-Mitglied einen Staatsbesuch abgestattet. Beim Gipfeltreffen der Mercosur-Regierungschefs in Paraguay im Juli 2024 ließ sich Milei von seiner Außenministerin vertreten, während er in Brasilien an der internationalen Konferenz der radikalen Rech­ten (CPAC) teilnahm und den ehemaligen brasilia­nischen Präsidenten Bolsonaro traf.

Besonders symbolträchtig war das Treffen Mileis im April 2024 mit Generalin Laura Richardson, der Chefin des U.S. Southern Command (SOUTHCOM), im argentinischen Ushuaia. Bei dieser Gelegenheit kün­digte der argentinische Präsident eine »neue außen­politische Doktrin« für sein Land an: »Bündnisse müs­sen in einer gemeinsamen Vision der Welt verankert sein und dürfen sich nicht denen unterordnen, die die westlichen Werte angreifen. […] Unser Bündnis mit den Vereinigten Staaten […] ist eine Botschaft an die Welt«.3 Im Einklang damit hatte die argentinische Regierung die unter dem Vorgängerpräsidenten be­gonnenen Gespräche mit China über den Kauf von 34 preisgünstigen JF-17-Kampfjets abgebrochen und stattdessen bereits im Januar 2024 beschlossen, in Dänemark 24 Überschallflugzeuge vom Typ F-16 A/B MLU Fighting Falcon aus US-Produktion zu kaufen.

Milei bezeichnet China inzwischen als »sehr interessanten Partner«.

Aber das Land kann es sich kaum leisten, in Wirtschaftsfragen ideologisch wählerisch zu sein: Im Juni 2024 gelang es der argentinischen Zentralbank, eine Swap-Linie mit der chinesischen Währungsbehörde über umgerechnet fünf Milliarden US-Dollar bis Juli 2026 zu verlängern. Um ausländische Direktinves­titionen anzuziehen, hat die Regierung ein Programm zur Förderung von Großinvestitionen (RIGI) aufgelegt. Für einen Zeitraum von 30 Jahren werden großzügige Steuervergünstigungen für hohe Investitionen unter anderem in den Bereichen Forstwirtschaft, Bergbau, Technologie, Stahl und Energie gewährt. Dabei hofft Argentinien nun auch auf ein Engagement der asia­tischen Großmacht. Milei bezeichnete China im Okto­ber sogar als »sehr interessanten Partner«, ein Besuch in der Volksrepublik ist für Anfang 2025 geplant. Aber auch den Handel mit anderen nichtwestlichen Ländern wie Katar will die argentinische Regierung intensivieren und diversifizieren. Vor dem Hintergrund dieser Bemühungen verblassen oft gehörte Aus­sagen wie »ich mache keine Geschäfte mit Kommunis­ten« (Milei) oder »wir haben in der Zusammenarbeit mit bestimmten Ländern, die keine liberalen Demo­kratien sind, nicht viel zu gewinnen« (Mondino).

Ein »Leuchtturm der Freiheit« gegen Global Governance

Die Außenpolitik der Regierung Milei zeichnet sich durch eine Kombination von ökonomisch begründeter Prioritätensetzung und ideologisch motivierten Positionswechseln aus. Sie ist dabei – nicht widerspruchsfrei, aber der Zusammensetzung der Regierungskoalition entsprechend – durch liberal-liber­täres und konservativ-nationalistisches Denken ge­prägt. Gemeinsam ist beiden ideologischen Strömun­gen eine ausgeprägte Geringschätzung für die koordi­nierte Bearbeitung regionaler und globaler Probleme in multilateralen Prozessen und Strukturen.

Einerseits will die Milei-Regierung die argentinische Außenpolitik auf Wirtschaftsbeziehungen zwischen privaten Akteuren reduzieren, was der faktischen Gestalt der internationalen Beziehungen und dem aktuellen Trend der Geopolitisierung auch der öko­nomischen Zusammenarbeit zuwiderläuft. Andererseits ist sie einem »Kulturkampf« verpflichtet, der nicht nur national, sondern auch global zu führen sei.

Der argentinische Präsident betrachtet die Institutionen der Global Governance und insbesondere das UN-System als Regulierungsinstanzen, die die Freiheit des Individuums und die Souveränität der Staaten einschränken. Sie entsprächen dem interventionis­tischen Nationalstaat, den es von innen heraus zu zerstören gelte.4 In den internationalen Organisatio­nen habe sich ein Establishment eingenistet, das wie die »politische Kaste« und die Bürokratie im eigenen Land gegen den freien Markt agiere. Darüber hinaus sei die UN-Agenda von dysfunktionalen und moralisch verwerflichen Ideen wie dem »Kulturmarxismus« und der »Gender-Ideologie« kontaminiert, die auch für den »Untergang des Abendlandes« ver­antwortlich seien. Dieses Narrativ von der Dekadenz des Westens ist nicht neu und wurde bereits wissen­schaftlich wie politisch als Ausdruck eines Kultur­pessimismus gedeutet, der sich historisch gegen den politischen Liberalismus und letztlich auch die Demo­kratie richtete. Heute wird die Kampfidee vom west­lichen Niedergang wieder geopolitisch eingesetzt. Sie eint zusammen mit dem »Anti-Genderismus« die ver­schiedenen nationalen Ausprägungen der radikalen bzw. extremen Rechten (in Brasilien, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Spanien, Ungarn, USA etc.). Die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden, sind jedoch sehr unterschiedlich: Javier Milei würde sagen: »Der Westen ist in Gefahr und muss gerettet werden«, Wladimir Putin dagegen: »Der Westen ist gefährlich und muss bekämpft werden«. Heterogen ist dabei auch das Verständnis der Rolle des Staates in Politik und Gesellschaft.

Argentinien hat sich vom historischen Konsens in Gender-, Menschenrechts- und Umweltfragen abgewandt.

Dass diese Ansichten nicht nur Rhetorik sind, son­dern politische Entscheidungen auf globaler, regio­naler und nationaler Ebene beeinflussen, hat sich bereits in Argentinien gezeigt. Das südamerikanische Land hat sich aus dem »Zukunftspakt« zurückgezogen, der beim UN-Zukunftsgipfel im September 2024 angenommen wurde. In seiner ersten Rede vor der UN-Generalversammlung kritisierte Präsident Milei den Pakt scharf und kündigte an, sein Land von der »kollektivistischen Politik« zu befreien, wie sie heute über die »sozialistisch geprägte« UN-Agenda 2030 propagiert werde. Laut der inzwischen entlassenen Außenministerin Mondino entwickelt sich Argenti­nien vielmehr zu einem »Leuchtturm der Freiheit«.5 Im Juni 2024 erteilte sie den argentinischen Diplomat:innen die Anweisung, an keinen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Agenda 2030 teilzunehmen.

Unter der Regierung Milei hat sich Argentinien vom gewachsenen Konsens in Gender-, Menschenrechts- und Umweltfragen abgewandt. So hat es in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) immer wieder Einwände gegen Formulierungen in verschiedenen Resolutionsentwürfen erhoben, die die Stär­kung der Demokratie, den Schutz der Menschenrechte, die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer und ethnischer Aspekte und die Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Frauen zum Inhalt hatten. Im Oktober 2024 stimmte Argentinien als einziges G20-Land der Erklärung des G20-Ministertreffens in Brasília über die Gleichstellung der Geschlechter und das Empower­ment der Frauen nicht zu. Die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs (in Argentinien seit Ende 2020 gesetzlich geregelt) und die Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte werden von Milei als sozialistische Politik »gegen das Leben« gebrandmarkt, die angesichts sinkender Geburtenraten in westlichen Ländern absurd sei.

Während Argentinien bisher gemeinsam mit Deutschland engagiertes Mitglied der 2016 gegründeten zwischenstaatlichen Equal Rights Coalition war und derzeit neben den Niederlanden der UN LGBTI Core Group vorsitzt, hat die Regierung Milei begonnen, innen- und außenpolitisch ambivalente bis dis­kriminierende Positionen zu LGBTQIA+-Rechten ein­zunehmen. Justizminister Mariano Cúneo Libarona erklärte im August 2024, dass die Regierung gegen die Vielfalt sexueller Identitäten, die nicht der Biologie entsprechen, und für traditionelle Familienwerte sei. Nationale Institutionen und Programme, die dem Schutz und der Förderung von Frauen und benachteiligten Minderheiten dienten, werden heute als privi­legierende Maßnahmen angesehen und massiv ab­gebaut. Als Störung des natürlichen Wirtschafts­prozesses werden von der Regierung auch internatio­nale Regime bewertet, wie zum Beispiel Abkommen zur Bekämpfung des Klimawandels, der laut Milei nicht vom Menschen verursacht ist.

Argentinien als westlicher Partner?

Der argentinische Präsident, der nach eigenem Bekun­den Staat und Politik verachtet, erklärte sich in Davos zum bedingungslosen Verbündeten der Unternehmer, die die einzigen »wahren Helden der Geschichte« seien. Er traf sich mit den CEOs des Silicon Valley und weiteren Milliardären auf einer Konferenz in Sun Valley sowie bereits dreimal mit Elon Musk, aber noch nie mit dem Präsidenten Brasiliens, dem Nachbarland und Hauptabnehmer argentinischer Exporte. Die Liberal-Libertären misstrauen einer aktiven, staats­zentrierten Außenpolitik. Maßnahmen zur Wieder­belebung des Mercosur oder zur Intensivierung der regionalen Kooperation sind daher unwahrscheinlich. Die Zusammenarbeit mit Staaten, auch westlichen, wird er nicht vorantreiben – schon gar nicht mit einer Regulierungsgemeinschaft wie der EU.

Die Regierung Milei bekennt sich zwar zur fried­lichen Konfliktlösung, zu liberalen Prinzipien und zur UN-Charta. Sie wendet sich jedoch von Global Governance, den Zielen der Agenda 2030 und gene­rell von einer aktiven Mitwirkung in internationalen Regimen ab. Vor allem der Einsatz für den Schutz und die Förderung von Demokratie und Menschenrechten in internationalen Foren, der in der Vergangenheit Grundlage eines Teils der deutschen Zusammenarbeit mit Argentinien war, wird zunehmend aufgegeben. Auch ist Mileis Bekenntnis zum Westen keine Grund­lage für eine wertegeleitete Partnerschaft, denn sein Verständnis vom westlichen Wertefundament beruht (wie der Orientalismus) auf Stereotypen und dichotomem Denken. Es handelt sich um einen Okzidentalismus,6 der von der Überlegenheit westlicher Werte ausgeht und deren Verfall mit Feindbildern verknüpft. Das Land ist leider kein Einzelfall in dieser Entwicklung einer rechtsstaatlichen Demokratie.

Für die Zusammenarbeit mit Argentinien unter Milei sollten die Erfahrungen mit dem Fall Bolsonaro in Brasilien eine Lehre sein: Demokratische Staaten können regierungsbedingt temporär von außenpoli­tischen Traditionen abweichen, während bestimmte bürokratische Kulturen und gesellschaftliche Grund­lagen Machtwechsel überdauern können. Der Wider­stand, der sich beispielsweise im brasilianischen Außenministerium gegen das auswärtige Handeln der Regierung Bolsonaro formierte, wird zunehmend auch in Teilen der argentinischen Diplomatie im Hinblick auf Richtlinien des Präsidenten und seine Personal­politik im Ministerium sichtbar. Es ist daher nicht zielführend, auf die isolationistische Außenpolitik eines demokratischen Staates mit Isolierung zu rea­gieren. Vielmehr sollten die Kontakte zu den opera­tiven Ebenen des Staates und zur organisierten Zivil­gesellschaft, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, weiterhin gepflegt und intensiviert werden.

Ukraine: Rekalibrierung der deutschen Politik

Susan Stewart

Die deutsche Ukraine-Politik besteht seit einigen Jahren aus drei Säulen: 1) Militärische und sicherheitspolitische Unterstützung; 2) Unterstützung für Reformen und den EU-Beitritt; 3) humanitäre Hilfe und Unterstützung für den Wiederaufbau.

Von diesen drei Säulen ist die erste derzeit am wichtigsten, weil sie die Vor­aussetzungen dafür schafft, was in den anderen beiden erreicht werden kann. Ohne ein Minimum an Sicherheit lassen sich Reformen nicht ausreichend vorantreiben, ist die EU-Mitgliedschaft nicht zu erlangen und ein nachhalti­ger Wiederaufbau nicht möglich. Die militärische und sicherheitspolitische Unterstützung bildet inso­fern die Grundlage für eine erfolgreiche Entwicklung in den anderen zwei Säulen. Gleichzeitig ist die erste Säule am wenigsten eingebettet in den früheren deut­schen Ansatz der Ukraine-Politik. Deswegen ist eine Rekalibrierung des Gesamtansatzes notwendig, um die erste Säule aufzuwerten und zu priorisieren.

Die bisherigen Errungenschaften der deutschen Ukraine-Politik

Es lohnt sich zu vergegenwärtigen, was in den Säu­len zwei und drei bislang erreicht wurde und jetzt auf dem Spiel steht. Die zweite Säule hat bereits eine längere Tradition in der deutschen Ukraine-Politik. Im Rahmen der bilateralen Kooperation – und ins­besondere seitdem das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine im September 2017 in Kraft getreten ist – hat Deutschland in zahl­reichen Sektoren intensiv mit der Ukraine zusammengearbeitet. Viele von ihnen standen (und stehen) mit der Vertieften und umfassenden Freihandelszone (DCFTA) in Zusammenhang, auf die sich der Hauptteil des Assoziierungsabkommens bezieht. Die meisten Kapitel dieses Abkommens sind auch eng mit den Be­dingungen für den EU-Beitritt verknüpft. Ein deutsch-ukrainisches Forschungsprojekt kam bereits 2020 zu dem Schluss, dass beide Seiten ihre bilaterale Koope­ration in den allermeisten untersuchten Bereichen positiv bis sehr positiv bewerteten.1 Deutschland hat insbesondere zur Dezentralisierung einen wichtigen Beitrag geleistet, die sowohl mit vielen Reformen als auch mit dem Wiederaufbau auf kommunaler Ebene eng verbunden ist. Die intensive Zusammenarbeit in ver­schiedenen Reformbereichen trägt zur Resilienz der ukrainischen Institutionen im Krieg bei und macht es auch realistischer, dass in der derzeit schwie­rigen Lage Reformen fortgesetzt werden.

Die dritte Säule ist weitgehend durch die russische Aggression entstanden, denn die meisten Wieder­aufbaumaßnahmen sind erst als Folge der intensiven russischen Angriffe auf ukrainische Städte, Dörfer und kritische Infrastrukturobjekte seit Februar 2022 notwendig geworden. Diese Säule hat sich seither rasant ent­wickelt, nicht zuletzt weil sie sich auf die bisherige Kooperation des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie der Deutschen Gesellschaft für Internatio­nale Zusammenarbeit (GIZ) mit der Ukraine stützen konnte, die seit Jahrzehnten etabliert ist. Die inhalt­lichen Schwerpunkte dieser Kooperation, wie zum Beispiel Energiesicherheit, gute Regierungsführung oder die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen, sind nach wie vor relevant und konnten unter anderem während der Ukraine Recovery Conference im Juni 2024 weitergeführt und vertieft werden. Die Arbeit im Rahmen der dritten Säule kann auch von den Erfahrungen der GIZ und des BMZ in anderen Wiederaufbau-Kontexten profitieren, auch wenn der ukrainische Fall einige spezifische Merkmale auf­weist. Obwohl der unmittelbare Wiederaufbau bereits während des Krieges stattfindet, gibt es strategische und nachhaltige Maßnahmen, die für die Zeit nach dem Krieg bzw. für weniger gefährdete Landesteile zu planen sind.2 Zur dritten Säule gehört auch die huma­nitäre Hilfe für notleidende Personen in der Ukraine, die direkt von der Bundesregierung oder indirekt geleistet wird, indem Nichtregierungsorganisationen finanziert werden. Hinzu kommen die großen An­strengungen, die für die Unterstützung von über einer Million ukrainischen Geflüchteten in Deutschland unternommen wurden und werden.3

Die erste Säule stellt für Deutschland im Gegensatz zu den anderen beiden eine große Herausforderung dar, und dies in mehreren Hinsichten. Erstens galt für Deutschland vor der russischen Invasion die Maxime, grundsätzlich keine Waffen in Kriegsgebiete zu lie­fern, auch wenn es einige Ausnahmen gegeben hat. Zweitens waren die Waffen, die an die Ukraine gelie­fert wurden, erstmals gegen Russland gerichtet, das lange als »strategischer Partner« der Bundesrepublik galt und bis zum Februar 2022 wirtschaftlich und energiepolitisch eine wichtige Rolle für Deutschland spielte.4 Hinzu kam, dass Russland bei signifikanten Teilen der deutschen Elite und der Bevölkerung ein positives Image genoss. Drittens hatte Deutschland die Landes- und Bündnisverteidigung seit Jahrzehnten vernachlässigt, weil Russland in seiner Wahrnehmung eine geringe Bedrohung darstellte und der sicherheitspolitische und nukleare Schutzschirm der USA verlässlich funktionierte. Daher war diese Ver­teidigungsdimension sowohl in der Praxis als auch in der deutschen Denkweise unterentwickelt. Insofern war es alles andere als einfach, schnell und in sub­stantiellem Maße eine militärische Unterstützung der Ukraine zu organisieren und zu begründen.

Deutschland ist es gelungen, frühere Tabus zu überwinden und zur ukrai­nischen Sicherheit und Verteidigung entscheidend beizutragen.

Trotz dieser Hindernisse ist es Deutschland gelungen, gemessen am absoluten Umfang (nicht aber am Anteil des Bruttoinlandsprodukts) zum zweitgrößten Unterstützer der Ukraine nach den USA aufzusteigen. Zwar wurden teils langwierige und oft fruchtlose Debatten über die Weitergabe bestimmter Waffen­gattungen und deren Effektivität bzw. Nutzungs­bedingungen geführt. Die Lieferung von gepanzerten Ge­fechts­fahrzeugen, Artillerie- und Luftverteidigungssystemen sowie Drohnen und anderen Katego­rien militärischer Hilfsgüter war dennoch ein äußerst wichtiger Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Ver­teidigungsfähigkeiten.5 Das gilt auch für die Ausbildung zahlreicher ukrainischer Soldat:innen. Deutsche Hilfsleistungen sind zudem eingebettet in einen brei­teren EU-Ansatz. So finanziert Berlin die Europäische Friedensfazilität bis zu einem erheblichen Grad, damit andere EU-Mitglied­staaten für ihre Waffen­lieferungen an die Ukraine eine finanzielle Teilrück­erstattung erhalten. Deutschland ist es mit anderen Worten gelungen, einige Tabus früherer Jahre zu überwinden und zur ukrainischen Sicherheit und Verteidigung gegen den russischen Aggressor ent­scheidend beizutragen. Auch die bilaterale deutsch-ukrainische Vereinbarung über Sicherheitszusammenarbeit ist dabei ein wichtiger Baustein.6

Kohärenz des Ansatzes durch Eigenständigkeit steigern

Gleichzeitig haben diese Anstrengungen, die mit den­jenigen der EU sowie internationaler Partner (allen voran die USA) verknüpft wurden und werden, in der Ukraine nicht ein Maß an Sicherheit herbeigeführt, das ausreichen würde, damit das Land seine Bemühungen um Reformen / EU-Beitritt und Wiederaufbau adäquat fortsetzen kann. Wie die Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission aufzeigen, ist das aus­bleibende bzw. unzureichende Vorankommen in etlichen Bereichen den Bedingungen des Krieges geschuldet.7 Dies betrifft insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung. Der Wiederaufbau wird vielerorts wegen der andauernden Kriegshandlungen auf drin­gende Maßnahmen beschränkt, die ein minimales Funktionieren von kritischer Infrastruktur sicher­stellen, aber alles andere als nachhaltig sind. Das verhindert nicht nur die Initiierung mittel- bis lang­fristiger Projekte in den Kriegsgebieten, sondern auch die Entwicklung von nachhaltigen regionalen und nationalen Ansätzen, die sich nicht umsetzen lassen, solange die Lage im ganzen Land nicht hinreichend stabil ist.

Deutschland gefährdet durch unzulängliche Investitionen in die erste Säule seiner Ukraine-Politik signifikante Fortschritte in den beiden anderen Säulen.

Insofern gefährdet Deutschland durch unzuläng­liche Investitionen in die erste (militärische und sicherheitspolitische) Säule seiner Ukraine-Politik sig­ni­fikante Fortschritte in den beiden anderen Säulen. Es ist zwar möglich und wünschenswert, zusätzliche Maßnahmen in den letzteren Säulen zu treffen. So wäre beispielsweise eine größere Rolle Deutschlands bei der Entscheidung über interne EU-Reformen und bei deren Koordinierung wichtig als Beitrag, um eine Lage herbeizuführen, in der die EU bereit wäre, die Ukraine (und andere Kandidatenländer) aufzunehmen. Im Kontext von Wiederaufbaumaßnahmen erscheint die Frage einer Zusammenarbeit mit dem Privatsektor prioritär, die es ermöglichen würde, In­vestitionen für diesen Sektor attraktiver zu machen und angemessener zu gestalten – zum Beispiel durch staatliche Kredite und Versicherungsoptionen. Ins­besondere Kooperationen mit der ukrainischen Rüs­tungs­industrie können für beide Seiten sinnvoll sein.8 Am wichtigsten wäre allerdings eine Intensivierung der Anstrengungen im Rahmen der ersten Säule, zu­mal Investor:innen nur dann in erheblichem Umfang Finanzmittel aufbieten werden, wenn sie die Sicher­heitslage als dafür günstig beurteilen. Die erste Säule wird auch deshalb an Bedeutung gewinnen, weil die USA ihre globale Rolle allmählich verkleinern und ihre Unterstützung für Kyjiw reduzieren werden. Nach dem Sieg Donald Trumps bei den US-Präsident­schaftswahlen könnte eine europäische Absicherung der ukrai­nischen Souveränität und territorialen Inte­grität (zumindest de jure, möglichst aber auch de facto) deutlich notwendiger werden, als das zuvor der Fall war.

Daher gilt es, den deutschen Ansatz in der Ukraine-Politik künftig von demjenigen der USA stärker los­zulösen, sowohl was sicherheitspolitische Aspekte ins­gesamt als auch was konkrete Entscheidungen an­belangt. Aufgrund ihrer unterschiedlichen geografi­schen Lagen und der sich abzeichnenden Verlagerung geopolitischer Schwerpunkte werden die Interessen Deutschlands und Europas auf der einen und jene der USA auf der anderen Seite weiter auseinanderdriften. Welche Haltung die USA zur Unterstützung der Ukraine einnehmen, sollte für Deutschland deswegen weniger Maßstab sein als früher, auch wenn das transatlantische Verhältnis äußerst relevant bleibt. Stattdessen sollte Berlin eine Vorstellung davon ent­wickeln, welches Niveau von Sicherheit es der Ukraine erlauben würde, Reformen ebenso wie Wie­deraufbaumaßnahmen nachdrücklicher als bislang voranzutreiben, aber auch eine Vorstellung davon, wie ein solches Niveau zu erreichen wäre. Das würde die Kohärenz des bisherigen deutschen Ansatzes stär­ken und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die zu Buche schlagenden Errungenschaften, die ins­besondere Reformen und Wiederaufbaumaßnahmen betreffen, nicht wieder verlorengehen.

Deutsche Führung im multilateralen Kontext

Viele Parameter (Größe, [rüstungs-]industrielle Kapa­zität, geografische Lage, Wirtschaftsstärke usw.) spre­chen für eine potenzielle Führungsrolle Deutschlands im europäischen Kontext. Bislang wurden entspre­chende Erwartungen an eine sicherheitspolitische deutsche Führungsrolle aus unterschiedlichen histo­rischen, politischen und personellen Gründen aber nicht eingelöst. Angesichts der schrumpfenden Rolle der USA und Frankreichs derzeitigen Schwierigkeiten, eine solche Rolle zu übernehmen, kommt dem Han­deln der Bundesregierung noch größere Bedeutung zu. Dies betrifft auch den Ansatz in der Ukraine-Politik.

Berlin kann diese neue Rolle in einem multilate­ralen Kontext wahrnehmen. Entsprechende Formate bestehen bereits. Die Unterstützung für Reformen in der Ukraine erfolgt jetzt im EU-Rahmen, auf Grund­lage des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine und der auf EU-Ebene geführten Beitrittsverhandlungen. Mit Blick auf den Wiederaufbau ist eine Geberplattform eingerichtet worden, an der neben der Ukraine zahlreiche externe Akteure (Staaten wie Internationale Finanzinstitutionen) betei­ligt sind; die Plattform koordiniert die aus unterschied­lichen Quellen stammende Finanzierung des Wieder­aufbaus.9 Im Sicherheitssektor ist vor allem das so­genannte Ramstein-Format (Ukraine Defence Contact Group) hervorzuheben; bei ihren Treffen besprechen und koordinieren die Mitglieder die mili­tärischen und sicherheitspolitischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine. Hinzu gekommen ist nun auch der Stab für das NSATU – NATO Security Assistance and Training for Ukraine – in Wiesbaden, bei dem Deutschland den Großteil des Personals stellt.10 Es wird einen Teil der Koordinierung von Waffenliefe­rungen an die Ukraine und Ausbildungsmaßnahmen für das Land übernehmen. Die bereits erwähnte deutsch-ukrainische Sicherheitsvereinbarung ist eben­falls Teil einer breiteren Initiative, an der Berlin mitwirkt – diesmal im Rahmen der G7-Staaten.11

Mit vier Maßnahmen könnte die Bundesrepublik einen größeren Beitrag zur ukrainischen Sicherheit leisten und dadurch eine sinnvolle Rekalibrierung des bislang verfolgten Ansatzes fördern. Erstens könnte Deutschland (möglicherweise zusammen mit Groß­britannien) eine Hauptrolle bei der Koordinierung des Ramstein-Formats übernehmen, falls die USA ab 2025 für diese Aufgabe nicht mehr im bisher gewohnten Ausmaß zur Verfügung stehen. Zweitens könnte Deutschland intensiver mit jenen EU-Mitgliedstaaten kooperieren, denen am meisten an der ukrainischen Sicherheit gelegen ist; also insbesondere mit Polen, den baltischen und den nordischen Staaten. Weil die Zusammenarbeit mit Litauen im Rahmen der Pla­nun­gen, dort eine Kampfbrigade der Bundeswehr zu sta­tionieren, ohnehin bereits eng ist, würde sich Vilnius als prioritärer Partner in diesem Zusammenhang anbieten.12 Deutschland könnte nicht zuletzt auch den Anschluss an die sich bereits formierende »Koali­tion der Willigen« suchen, die durch gemeinsame Anstrengungen und die kreative Ein­bindung inter­essierter Akteure sicherstellen könnte, dass in den kommenden Monaten jener Anteil möglichst voll­ständig kompensiert wird, um den die USA ihren Bei­trag zur ukrainischen Sicherheit vermutlich reduzieren werden.13

Um seine neue Rolle in diesen multilateralen For­maten zu unterstreichen und eine größere Glaubwürdigkeit zu erlangen, sollte Deutschland, drittens, sich bietende Möglichkeiten nutzen, seine bilaterale militärische und sicherheitspolitische Unterstützung für die Ukraine zu steigern. Ein quantitatives Indiz für einen Erfolg entsprechender Bemühungen wäre, wenn Deutschland nach Ausweis des Ukraine Support Tracker des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel nicht nur dem absoluten Umfang nach, sondern auch dem Prozentanteil am Bruttoinlandsprodukt nach an die zweite Stelle unter den Unterstützerstaaten aufrücken würde.14 Viertens könnte Berlin bereits kur­sie­rende Ideen für eine stärkere Bündelung und Forma­lisierung der neu entstandenen bilateralen Sicherheitsvereinbarungen zwischen der Ukraine und mehr als zwanzig Staaten aufgreifen und mit den anderen involvierten Ländern verwirklichen.15 Es geht dabei unter anderem um die Entwicklung einer gemein­samen Vorstellung von den Zielen der militärischen Unterstützung und um eine gemeinsame Einschätzung der Kosten, die für die Dauer der Vereinbarungen vorgesehen sind. So ließe sich sicherstellen, dass die Hauptunterstützer der Ukraine mittel- bis lang­fristig an einem Strang ziehen und auf eine Sicherheitslage hinarbeiten, die es erlaubt, die Ukraine in Schlüsselbereichen weiterzuentwickeln.

Diese Maßnahmen würden gleichzeitig (Teil-)Ant­worten auf drei Herausforderungen liefern. Erstens würden sie den deutschen Beitrag zur militärischen und sicherheitspolitischen Unterstützung der Ukraine erhöhen und dadurch die Chancen für Reformen und Wiederaufbaumaßnahmen verbessern. Zweitens wür­den sie der mutmaßlichen Verringerung der Rolle der USA für die Sicherheit der Ukraine sinnvoll begegnen und sie zum Teil kompensieren. Drittens würden sie verschiedene multilaterale Formate und Ansätze für die Unterstützung der Ukraine stärken und mitein­ander vernetzen. Im Ergebnis würde eine Rekalibrierung der bisherigen deutschen Ukraine-Politik gleich­zeitig auf Herausforderungen auf mehreren Ebenen reagieren.

Die Asyl- und Migrationspolitik der EU: Krisenfestigkeit und Abhängigkeiten*

Nadine Biehler / Raphael Bossong / Anne Koch

Die Asyl- und Migrationspolitik der EU hat eine interne und eine externe Dimension: Neben dem Umgang mit Neuankömmlingen auf EU-Territorium muss die Ko­operation mit Herkunfts- und Transitstaaten koordi­niert werden. Gerade die externe Dimension ist dabei von scharfen Spannungen geprägt. Einerseits kommt es bei der vorgelagerten Migrationsabwehr nachweislich zu systematischen Menschenrechtsverletzungen. Andererseits halten es die meisten EU-Mitgliedstaaten mehr denn je für geboten, irreguläre Migration und Fluchtbewegungen möglichst vor dem Schengenraum zu stoppen, denn sonst verhindern zahlreiche recht­liche Bestimmungen und praktische Hürden Zurück­weisungen oder schnelle Abschiebungen. Auch wird befürchtet, ein anhaltend hoher Zuzug Schutzsuchender werde rechtspopulistische Parteien weiter stärken. Doch die daraus folgende politische Fokussierung auf immer neue Partner und Formen der Kooperation bei der Migrationskontrolle weckt überhöhte Erwartungen und birgt erhebliche Risiken. Angesichts der geopolitischen Verwerfungen in der erweiterten euro­päischen Nachbarschaft sollten sich die EU-Mitglied­staaten darauf besinnen, die Binnendimension der Asyl- und Migrationspolitik so krisenfest wie möglich zu machen und Abhängigkeiten von autokratischen Regimen zu verringern. Die in der ersten Jahreshälfte 2024 verabschiedete Reform des Gemeinsamen Euro­päischen Asylsystems (GEAS) bietet hierfür den zur­zeit einzigen politisch geeigneten Ausgangspunkt.

Flucht- und migrationspolitische Herausforderungen

Mit Ende der pandemiebedingten Mobilitätsbeschrän­kungen war ein markanter Anstieg der Zahl Schutzsuchender aus diversen Herkunftsstaaten zu verzeich­nen. Die Zahl der Asyl-Erstanträge vor allem aus Syrien und Afghanistan ist bis heute hoch. Hinzu kam eine außergewöhnliche Belastung infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Wird die kritische Infrastruktur der Ukraine weiter zerstört oder endet der Krieg zugunsten Russlands, dürfte die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen. Zusätzlich zu massiver Zerstörung und Vertreibung im Gazastreifen hat das Übergreifen des Gewaltkonflikts zwischen Israel und der Hamas auf den Libanon neue interne und grenz­überschreitende Fluchtbewegungen in der Region aus­gelöst. Parallel dauert der verheerende bewaffnete Konflikt im Sudan an und hat unter anderem die der­zeit größte Binnenvertreibungskrise der Welt aus­gelöst.

Status quo der europäischen Asyl- und Migrationspolitik

Weil die Interessen der EU-Mitgliedstaaten weit aus­einanderklafften,1 erschien eine Reform des GEAS über fast zehn Jahre außer Reichweite. In dieser Phase setzten die Regierungen darauf, irreguläre Zuwanderung in erster Linie durch Arrangements mit Drittstaaten zu vermindern. Ein Beispiel hier­für ist die EU-Türkei-Erklärung von 2016.

Die GEAS-Reform kann nur eine Etappe auf dem Weg zu einem belastbaren europäischen Asylsystem sein.

Im Mai 2024 wurde nach langem Ringen der Pakt für Migration und Asyl verabschiedet. Bis er im Som­mer 2026 in Kraft tritt, haben die EU-Mitgliedstaaten Zeit, die für die praktische Umsetzung benötigten umfangreichen Vorbereitungen zu treffen. Der Pakt soll einen Pfad eröffnen, Fluchtzuwanderung in die EU im Einklang mit grundrechtlichen Verpflichtungen zu begrenzen und die Verantwortungsteilung zwischen den EU-Mitgliedstaaten fairer zu gestalten. Doch diese Reform kann nur eine weitere Etappe auf dem Weg zu einem belastbaren europäischen Asylsystem sein. Restriktive Elemente wie die Grenz­verfahren werden weit weniger als erhofft dazu bei­tragen, die Zahl der Ankünfte zu senken. Nur kurz­fristige Entlastung bringen auch die in Reaktion auf die sogenannte Instrumentalisierung von Migration vereinbarten Möglichkeiten, Asylverfahren zeitweise auszusetzen. Mehr EU-weite Solidarität, verbindlichere Regeln zur Registrierung und Überprüfung Schutz­suchender sowie die insgesamt strikteren europarechtlichen Verpflichtungen des Pakts können hin­gegen die Grundlage für ein System schaffen, das auch künftig hohen oder stark schwankenden An­kunftszahlen gewachsen ist.

In Anbetracht weiterer rechtspopulistischer Wahlerfolge seit Sommer 2024, großer geopolitischer Tur­bulenzen – die sich in Donald Trumps zweiter Amts­zeit intensivieren können – und über einer Million Asylanträge im Jahr 2023 bezweifeln indes viele Ent­scheidungsträger:innen, dass die vereinbarten Refor­men ausreichen. Auch die Umsetzung bis Sommer 2026 erscheint maßgeblichen Akteuren in wichtigen Aufnahmestaaten wie Deutschland oder Frankreich zu langsam. Deshalb ist für 2025 zu erwarten, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten weiterhin der Migra­tionsabwehr durch verstärkte Kooperationen mit Drittstaaten Vorrang einräumen werden.

Ausbau der externen EU-Migrationspolitik

Vereinfacht kann zwischen drei (teilweise überlappen­den) Bereichen unterschieden werden: Rückkehr, vor­gelagerte Grenz- und Migrationskontrolle sowie Aus­lagerung von Asylverfahren in Drittstaaten.

Rückkehr

Rückkehr ist ein elementarer Bestandteil funktio­nierender Asylsysteme. Da es schwierig ist, die Her­kunftsstaaten zur Rückübernahme abgelehnter Asyl­suchender zu bewegen, sind Verbesserungsmaßnahmen im Prinzip sinnvoll für die Krisenfestigkeit des GEAS. Die im Pakt vereinbarten beschleunigten Asyl­verfahren in Grenznähe erhöhen den Druck, hier Fortschritte zu erzielen. Für 2025 ist eine Reform der EU-Rückführungsrichtlinie avisiert. Sie wird voraussichtlich Verschärfungen hinsichtlich Umfang und Dauer von Abschiebehaft sowie Einschränkungen von Rechtsmitteln beinhalten.

In der externen Dimension soll die verstärkte Anwendung des Visahebels mangelnde Rückübernahmebereitschaft von Herkunftsländern sanktio­nieren. Gleichzeitig versucht die EU, die Kooperation mit Transit- und Drittstaaten im Bereich Rückkehr auszubauen. Die für 2025 erwartete Abschaffung des sogenannten Verbindungskriteriums im EU-Recht soll zudem die Möglichkeit eröffnen, Personen auch in Länder abzuschieben, zu denen jene keinerlei Bezug haben. Jüngst hat die EU-Kommission einen Vorstoß zur Einrichtung von »return hubs« unternommen. Damit will sie Drittstaaten als Station für in der EU abgelehnte Asylbewerber nutzen. Allerdings steht dieses Ansinnen im direkten Widerspruch zu zentralen Interessen der Staaten in der europäischen Nachbarschaft. Hielte die EU an solchen Konzepten fest, begäbe sie sich womöglich in noch größere Ab­hängigkeit von autokratischen Regimen, die für ihre Kooperation wahrscheinlich einen hohen Preis ver­langen würden.

Aus menschenrechtlicher Perspektive besonders problematisch sind die immer offensiver geforderten Rückführungen nach Syrien und Afghanistan. Die aktuellen Fluchtbewegungen aus dem Libanon nach Syrien lassen solche Forderungen plausibel erscheinen; nach Afghanistan wird in Einzelfällen schon abgeschoben. Daraus jedoch einen Richtungswechsel für die EU-Asylpolitik und den Umgang mit subsidiär Schutzberechtigen abzuleiten würde nicht nur ele­mentare Grundrechte verletzen, sondern auch stra­tegischen Interessen der EU schaden: Selbst wenn solche Rückführungen auf absehbare Zeit nur über Mittlerstaaten wie etwa Katar, die Türkei oder Usbe­kistan stattfänden, würden sie den Regimen in den Zielländern dennoch Legitimität verleihen und zu­gleich die Abhängigkeit von autokratischen Brokern vergrößern.

Vorgelagerte Grenz- und Migrationskontrolle

Die EU und wichtige Mitgliedstaaten wie Italien, Frank­reich und Spanien bemühen sich unablässig darum, die Länder der südlichen Nachbarschaft durch finan­zielle Anreize, Ausbildung und Ausrüstungshilfen für die Migrationsabwehr einzuspannen. Beobachten lässt sich dies in den langjährigen Kooperationen mit Libyen und Marokko oder jüngeren Übereinkünften der EU mit Tunesien und Ägypten.

Allerdings sind diese Maßnahmen deutlich weniger wirksam als behauptet. Kurzfristig sinkende Zahlen von Grenzübertritten und Überfahrten über das Mittelmeer bedeuteten in den vergangenen Jahren oft, dass viele Migrant:innen und Schutz­suchende auf andere Routen auswichen und noch gefährlichere Wege in die EU suchten. Schmuggel- und Schleusungsnetzwerke professionalisieren sich derweil weiter und arrangieren sich faktisch mit Sicherheitsbehörden in diversen Drittstaaten.

Die Zusammenarbeit mit autoritären Regimen bei der vorgelagerten Migrationsabwehr birgt Gefahren.

Die Zusammenarbeit mit autoritären Regimen bei der vorgelagerten Migrationsabwehr birgt zudem die Gefahr negativer Folgeeffekte. Dies zeigte sich vor allem im Sahel, wo die EU die Grenzsicherung und Kriminalisierung von Transportdiensten durch die Sahara vorantrieb. Diese Maßnahmen trugen zur Destabilisierung der Region und zur Machtübernahme der Militärregierung in Niger bei.

Offen ist, welche finanziellen Mittel in den 2025 anlaufenden Verhandlungen zum nächsten Mehr­jährigen Finanzrahmen (2028–2034) der EU für die ausgelagerte Migrationskontrolle in der EU-Nachbar­schaft vorgesehen werden sollen. Im Zeitraum 2021–2027 sollen rund 10 Prozent des zunächst mit 80 Mil­liarden Euro ausgestatteten Instruments für die Nach­barschaft für migrationsbezogene Zwecke verwendet werden. Im turnusmäßigen Midtermreview wurden diese Mittel jedoch bereits leicht erhöht.

Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten

Zurzeit werden weitere »innovative Ansätze« zur Migrationskontrolle auf EU-Ebene erwogen. Die Lesart dieser Chiffre changiert dabei zwischen einer Teil­entlastung europäischer Asylsysteme und einer voll­ständigen Abschaffung des individuellen Asylrechts. Im Kern geht es um Optionen, Asylverfahren oder Schutzgewährung in Drittstaaten auszulagern, wie es etwa das britische »Ruanda-Modell« vorsah.

Für die EU besonders relevant ist das im Februar 2024 ratifizierte Abkommen zwischen Italien und Albanien. Demnach sollen auf hoher See gerettete er­wachsene männliche Asylsuchende von italienischen Behörden in ein Lager nach Albanien gebracht wer­den, an Ort und Stelle ein beschleunigtes Asylverfah­ren durchlaufen und im Fall einer Ablehnung von dort unmittelbar in ihre Herkunftsländer zurück­geführt werden. Mitte Oktober 2024 erfolgte eine erste Überführung einer kleinen Gruppe von Asyl­bewerbern aus Bangladesch und Ägypten. Kurz dar­auf aber urteilte ein italienisches Gericht, dass die betroffenen Personen Anrecht auf ein reguläres Asyl­verfahren in Italien haben. Ein weiterer Versuch mit sieben Asylantragstellern wurde im November eben­falls gerichtlich untersagt. Hier offenbart sich eine Kluft zwischen dem politischen Wunsch, den Flücht­lingsschutz auszulagern, und den bisher nur in An­sätzen ausgeleuchteten rechtlichen Hemmnissen bei der konkreten Umsetzung.

Weitere praktische wie politische Hürden spre­chen gegen ein solches Modell der Auslagerung. Dazu gehören die fehlende Evidenz für die erhoffte Abschreckungswirkung sowie die hohen Kosten und vergleichsweise begrenzten Gesamtkapazitäten der Lager in Albanien. Vor allem besteht keine realis­tische Aussicht auf weitere Partner: Die Afrikanische Union ebenso wie einzelne AU-Mitgliedstaaten wie Tunesien haben ähnlichen Ideen in der Vergangenheit mehrfach eine klare Absage erteilt. Selbst wenn Partner gefunden werden, sind die über finanzielle Hilfen hinaus notwendigen politischen Zugeständ­nisse nur schwer einzuhalten. Dies zeigte sich bereits im Fall der EU-Türkei-Erklärung von 2016 und wird sich womöglich künftig bei Italiens Unterstützung für Albaniens EU-Beitrittsprozesses wiederholen.

Alternative Ansätze

Angesichts des Aktionismus in der externen Dimen­sion der Asyl- und Migrationspolitik der EU rücken die außenpolitischen Risiken und geopolitischen Kos­ten in den Hintergrund, die mit migrationspolitischen Verflechtungen und Abhängigkeiten von autoritären Regimen einhergehen. Das gilt unter anderem dann, wenn Staaten, die an fluchtverursachenden Gewaltkonflikten beteiligt sind, in ihre Schranken gewiesen werden müssten. Gleichzeitig verstellt dieser Ansatz den Blick für eine Reihe zukunftsweisender flucht- und migrationspolitischer Ansätze, die seit 2015/16 entwickelt wurden, um große Fluchtsituationen zu meistern.

Für die unmittelbare Bewältigung von Fluchtsituationen bietet der Globale Flüchtlingspakt (GCR) mit seinem zur praktischen Anwendung vorgesehenen Rahmenwerk (CRRF) eine Grundlage, Aufnahme­länder solidarisch zu unterstützen und durch Ver­knüpfung mit Entwicklungsmaßnahmen langfristige Abhängigkeit von humanitärer Hilfe zu mindern. Gerade in Aufnahmeländern im sogenannten Globa­len Süden kann die Wirtschaft durch lokale Beschaffung, direkt entlohnte Beschäftigungsmaßnahmen (Cash for Work Programme) und Schaffung von Arbeitsplätzen stabilisiert werden. Eine ähnliche Stoßrichtung hatten schon der 2016 von Deutschland mitinitiierte Jordan Compact sowie der vom Hohen Flüchtlingskommissariat (UNHCR) und vom Entwicklungsprogramm (UNDP) der Vereinten Nationen geleitete Regional Refugee & Resilience Plan (3RP) zur Unterstützung der Nachbarländer Syriens. Vergleichbare Ansätze nutzen der lokalen Bevölkerung und Flüchtlingen, besonders wenn diese regulär arbeiten dürfen. So kann riskanten und massenhaften Sekun­därwanderungen – auch in die EU – vorgebeugt werden.

Grundsätzlich könnte die EU alternative Lehren aus ihren Krisenerfahrungen ziehen. So liegt die größte Relevanz des sogenannten EU-Türkei-Deals weniger in seiner oft propagierten abschreckenden Wirkung, sondern in der Art und Weise, wie EU-Gelder in der Türkei zur Verfügung gestellt wurden: Mittels eines besonderen Finanzierungsmechanismus wurden entwicklungsorientierte Programme zur Unterstützung und Integration von Flüchtlingen durch nichtstaatliche Akteure umgesetzt. Die schnelle und flexible Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge wieder­um hat gezeigt, wie die Selbstverteilung von Schutz­suchenden administrative Kapazitäten europäischer Aufnahmeländer entlasten kann. Trotz der Sonderstellung der ukrainischen Geflüchteten und der an­haltenden Herausforderungen bei ihrer Integration sollte diese Erfahrung die weitere Entwicklung der EU-Asyl- und Flüchtlingspolitik konstruktiv prägen.

Auch der Blick in andere Weltregionen lohnt sich: Die USA sehen sich in ihrer südlichen Nachbarschaft mit einer großen Zahl von Flüchtlingen und Mig­rant:innen konfrontiert. Um einerseits Kontrolle auf­rechtzuerhalten und andererseits Chaos und Elend an der Grenze zu Mexiko zu verringern, hat die Biden-Regierung neben Verschärfungen der Grenzkontrolle und Einschränkungen beim Zugang zum Asylrecht mehrere humanitäre Aufnahmeprogramme geschaffen. Sie stehen verschiedenen Nationalitäten offen und ermöglichen zumindest teilweise eine sofortige Arbeitsaufnahme. Gerade im Gegensatz zur von Don­ald Trump geplanten massiven Abschiebekampagne mit bisher kaum abzuwägenden Folgerisiken auf nationaler wie internationaler Ebene gilt es, positive Erfahrungswerte für sichere und geregelte Einreise von Schutzsuchenden zu übertragen.

Fazit

Die voraussichtliche Entwicklung der Konflikte und der bereits bestehenden Fluchtsituationen in der europäischen Nachbarschaft deutet darauf hin, dass die Fluchtbewegungen in die EU trotz aller restrik­tiver Maßnahmen auf absehbare Zeit groß bleiben werden. Mindestens die erste Jahreshälfte 2025 wird auch durch den Machtwechsel in den USA geprägt sein, sei es mit Blick auf die Ukraine oder den Nahen Osten. Für die EU und ihre Mitgliedstaaten ist es dringlicher und strategisch wichtiger denn je, sich mit allen verfügbaren Mitteln für Sicherheit, Stabi­lität und Aufrechterhaltung der internationalen Ord­nung einzusetzen. Sich nur auf Reduktion und Ab­wehr von Zuwanderung zu konzentrieren steht hier­zu im Widerspruch, gerade im Umgang mit schwie­rigen Partnern in der europäischen Nachbarschaft.

Deutschland und die EU sollten in Hinblick auf Migrationssteuerung zu einem realistischen Erwartungsmanagement zurückkehren. Das Hauptziel bleibt, ein System zum menschenwürdigen Umgang mit weiteren Fluchtbewegungen aufzubauen. Es muss tragfähig und verlässlich genug sein, um die dem Thema Flucht und Asyl innewohnende poli­tische Sprengkraft zu entschärfen – damit die zu erwartende hohe Fluchtzuwanderung den grund­legenden Zusammenhalt in der EU nicht ständig belastet. Für diese Zielsetzung ist der Pakt für Migra­tion und Asyl eine wichtige, wenngleich umstrittene und keineswegs abschließende Etappe. Der EU-Kom­mission kommt als Impulsgeber für die Umsetzung eine bedeutende Rolle zu, aber auch Deutschland ist besonders gefordert. Die nächste Bundesregierung sollte die Vereinbarung als umfassende Chance für eine innerstaatliche Modernisierung und Effektivie­rung des deutschen Asylsystems nutzen – eine wich­tige Voraussetzung, um als verlässlicher Stabilitätsanker für die gesamte EU fungieren zu können.

Globaler Süden: Globale Asymmetrien und die Forderungen nach Reformen

Melanie Müller / Claudia Zilla

Die Kritik vieler Staaten des Globalen Südens1 am real existierenden Multilateralismus hat in den letzten Jahren zugenommen. Dabei werden in der Regel drei Argumente vorgebracht: Erstens, dass die Institutionen des internationalen Systems das Produkt einer überholten Weltordnung seien und die faktischen Machtverhältnisse heute nicht mehr adäquat wider­spiegelten; zweitens, dass der gegenwärtige institutio­nalisierte Multilateralismus ungerechte Asymmetrien zementiere und, drittens, dass Staaten des Globalen Nordens im eigenen Interesse bereit seien, das Völker­recht zu brechen und die internationale Gerichtsbarkeit zu schwächen, während sie vom Globalen Süden eine konstruktive Mitwirkung an einer regelbasierten Ordnung einforderten. Die gegenwärtige multilaterale Praxis sei daher weder funktional noch gerecht. Vor allem Demokratien im Globalen Süden wie Brasilien oder Südafrika prangern sowohl die ungleichen mate­riellen Grundlagen normativer Ordnungen als auch die ungleiche Rechtsdurchsetzung innerhalb dieser Ordnungen an. Deswegen sehen sie die Notwendigkeit weitreichender Reformen – bekennen sich auf diesem Weg aber gleichzeitig im Grundsatz zum Multi­lateralismus und zum Völkerrecht.

Zwar gibt es weder im Globalen Norden noch im Globalen Süden eine Demokratie, von der behauptet werden kann, dass sie in ihrem außenpolitischen Handeln ausnahmslos die Menschenrechte, das Völker­recht und die internationalen Regime stärkt. Aus Sicht des Südens sind es jedoch vor allem westliche Akteure wie Deutschland und die EU, die häufig als normative Instanz auftreten, ohne das eigene norm­abweichende Verhalten und die eigene Verantwor­tung für die bestehenden Asymmetrien und Ungerech­tigkeiten, die vielen globalen Problemen zugrunde liegen, kritisch zu reflektieren. Gerade die Kombi­nation aus interessengeleiteter Außenpolitik und wertegeladener Rhetorik ruft Kritik aus dem Globalen Süden hervor. Die Bundesregierung hat sich in den letzten Jahren intensiv für eine Reform multilateraler Institutionen ausgesprochen. Diese kann nur dann Erfolg haben, wenn Staaten des Globalen Nordens die Anliegen jener des Globalen Südens aufgreifen und ihr politisches Handeln entsprechend verändern.

Durch eine stärkere Unterstützung von Forderungen aus dem Globalen Süden könnte Deutschland einen größeren Beitrag zur Bewältigung internatio­naler (Verteilungs-)Konflikte leisten. Außerdem würde es dem sich zunehmend verbreitenden Image eines Blockierers entgegenwirken, das seine normative Legi­timität untergräbt und seine Beziehungen zu wich­tigen Ländern des Globalen Südens wie Brasilien, Indien oder Südafrika beeinträchtigt. Dies würde die Chancen für Deutschland erhöhen, von diesen Akteu­ren Unterstützung für relevante Anliegen zu erhal­ten. An drei Beispielen für die Kritik der Staaten des Globalen Südens lassen sich Erwartungen erkennen, die an das Handeln Deutschlands geknüpft werden.

Pandemiefolgen und gerechte Impfstoffverteilung

Im Zentrum des Interesses vieler Staaten des Globalen Südens steht die Schaffung von Strukturen, die die Macht- und Ressourcenasymmetrien zwischen den Weltregionen verringern. Dass eine solche Verringerung notwendig ist, wurde besonders deutlich wäh­rend der Covid-19-Pandemie, die verheerende Folgen für die Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas hatte. Sie waren beim Zugang zu medizinischer Schutzkleidung und Impfstoffen benachteiligt.

Mit der »Erklärung von Doha« aus dem Jahr 2001 hatte sich die Weltgemeinschaft zwar darauf geeinigt, in Notfällen mit Patenten »flexibler« umzugehen, um Ländern in verschiedenen Weltregionen eine kosten­günstige Beschaffung medizinischer Güter zu ermög­lichen. Diese Option wurde jedoch während der Covid-19-Pandemie nicht genutzt, so dass viele Staa­ten des Globalen Südens lange keinen ausreichenden Zugang zu Impfstoffen hatten. Es dauerte, bis mit dem Vorschlag zur Einrichtung von COVAX ein glo­baler Umverteilungsmechanismus gefunden wurde. Große Ungleichgewichte bei der Versorgung mit Impfstoffen blieben bestehen. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa bezeichnete diese Benach­teiligung im Jahr 2021 als »Impfstoff-Apartheid«.2 Indien und Südafrika gingen proaktiv vor und reich­ten 2020 bei der Welthandelsorganisation (WTO) einen Vorschlag ein, wie der zeitweilige Verzicht auf das Patent für Covid-Tests und Präparate zur Behand­lung von Covid-19 gestaltet werden könnte. Doch obwohl sich das EU-Parlament hinter den Vorschlag stellte, konnte sich die EU-Kommission nicht dazu durchringen, ihn in der WTO zu unterstützen, auch weil Deutschland ihn aufgrund wirtschaftlicher Eigeninteressen blockierte.3

Nach mehreren Verhandlungsrunden in der WTO konnte 2022 noch ein Kompromiss erzielt werden, der allerdings nur für Covid-19-Impfstoffe, nicht aber für andere relevante Produkte gilt. Demnach können die WTO-Mitgliedstaaten tatsächlich Zwangslizenzen ohne Zustimmung der Patentinhaber:innen erteilen, ohne befürchten zu müssen, »von einem nationalen Gericht oder der WTO überstimmt zu werden«.4 Diese Regelung stützt sich letztlich auf eine im Doha-Ab­kommen ohnehin existierende Klausel, die im Prinzip schon vorher hätte umgesetzt werden können. Auf die Annahme eines erweiterten Vorschlags Südafrikas und Indiens, dem sich mehr als sechzig Staaten an­schlossen, konnten sich die WTO-Mitglieder wiederum nicht einigen. Dieses Verhalten hat die Kritik an der WTO aus dem Globalen Süden einmal mehr angeheizt.

Die globale Vermögenssteuer für Superreiche

Eine weitere Forderung der Staaten des Globalen Südens richtet sich auf die Bereitstellung von Finanz­mitteln zur Bewältigung weltweiter Krisen. Hintergrund ist der Trend zu wachsender Einkommens­ungleichheit und abnehmender Steuerprogression. Die brasilianische G20-Präsidentschaft hat für den Gipfel in Rio de Janeiro im November 2024 einen Vorschlag zur Einführung einer Milliardärssteuer auf internationaler Ebene vorgelegt. Erarbeitet wurde das Konzept von dem französischen Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman, der darin auch Wege auf­zeigt, wie nationale Regierungen eine solche Steuer erheben könnten.5 Würde eine globale Steuer für Milliardäre von einer derzeitigen jährlichen Steuer auf das Vermögen von 0,3 Prozent auf zwei Prozent angehoben, stünden der Weltgemeinschaft jährlich rund 200 bis 250 Milliarden US-Dollar zur Verfügung, die beispiels­weise in Programme zur Bekämpfung von sozialer Ungleichheit und Hunger oder auch zur Anpassung an den Klimawandel investiert werden könnten.

Bei ihren Treffen im Vorfeld des G20-Gipfels in Rio de Janeiro konnten die G20-Finanzminister:innen keine Einigung über den »Milliardärssteuer«-Vor­schlag erzielen. In der Abschlusserklärung findet sich lediglich eine vage Formulierung, wonach die G20-Staaten stärker kooperieren wollen, um sicherzustellen, dass Superreiche »effektiv besteuert werden«.6

Deutschland zählt auch bei den Beratungen über eine Milliardärs­steuer zu den Blockierern.

Gerade Länder, die mit Armut und sozialer Un­gleichheit zu kämpfen haben und/oder sich nach der Covid-19-Pandemie nicht stabilisieren konnten – also viele Länder des Globalen Südens –, unterstützen den brasilianischen Vorstoß. Die Bundesregierung zählt auch hier zu den Blockierern, weil sie keine einheit­liche Position vertritt: Während das Bundesministe­rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent­wicklung (BMZ) die Einführung einer Milliardärs­steuer befürwortet, hat sich das Bundesfinanzminis­terium (BMF) dagegen ausgesprochen. Auf internatio­naler Ebene wird die Widersprüchlichkeit der deut­schen Position durchaus wahrgenommen, insbeson­dere weil einige europäische Mitgliedstaaten – wie Frankreich oder Spanien– den Vorschlag unter­stützen.

Die universelle Anwendung des Völkerrechts

Die Kritik aus dem Globalen Süden, die allgemein Machtasymmetrien und die Kluft zwischen rheto­rischem Anspruch und tatsächlichem Handeln ins Visier nimmt, wendet sich konkret gegen die Praxis der Anwendung des Völkerrechts und der internatio­nalen Gerichtsbarkeit. Dabei ist es derzeit vor allem der israelisch-palästinensische Konflikt, der zu einer starken Entfremdung zwischen vielen Staaten des Glo­balen Südens und Deutschland beiträgt. Die demon­strative, aus historischer Verantwortung rührende Parteinahme Deutschlands für Israel und – damit einhergehend – die Erklärung, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson sei, stoßen auf Ableh­nung und rufen Protest hervor. Der deutschen Politik, zu der auch Waffenlieferungen an Israel gehören, wird mangelnde Empathie für die vielen palästinen­sischen Opfer und die unter der katastrophalen huma­nitären Lage im Gazastreifen leidenden Menschen vorgeworfen. In diesem Konfliktkontext verträten einige Staaten des Globalen Nordens universelle Prin­zipien selektiv und engagierten sich nicht uneingeschränkt für die Einhaltung des Völkerrechts, so die Kritik. Zudem bemühten sie sich zu wenig um Gewalt­minderung und die Anwendung nichtmilitärischer Konfliktlösungsmechanismen.

So problematisierte der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in seiner Rede vor der Gene­ralversammlung der Vereinten Nationen im September 2024 die Ausbreitung bewaffneter Konflikte, den sich beschleunigenden Trend zur Aufrüstung und die sich häufende Anwendung militärischer Gewalt. Die brasilianische Regierung verurteilte die Terrorakte der Hamas auf israelischem Boden vom 7. Oktober 2023 und erkennt Israels völkerrechtlich verankertes Recht auf Selbstverteidigung an. Sie kritisiert jedoch, dass Israel im Zuge der Wahrnehmung dieses Rechts unter anderem gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und damit gegen das Völkerrecht verstoße. Brasilien prangert nicht nur die immense Zahl getöteter und verletzter Zivilist:innen und das Ausmaß der Zerstö­rung ziviler Infrastruktur an, sondern auch die An­griffe auf humanitäre Hilfsorganisationen in Gaza und auf die UN-Beobachter- und Unterstützungsmission (UNIFIL) im Libanon.

Brasilien unterstützt die Klage Südafrikas vom Dezember 2023 vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen Israel wegen Verletzung der Völkermord­konvention im Gazastreifen sowie den zusätzlichen Antrag auf ein Eilverfahren zur Einstellung der israe­lischen Militäroperationen in ebendiesem Gebiet. Der IGH hat noch nicht entschieden, ob das Vorgehen Israels im Gazastreifen den Tatbestand des Völker­mords erfüllt. Seine vorläufigen Anordnungen machen jedoch deutlich, dass er den Vorwurf, Israel verletze im Rahmen seiner Militäroperation die durch die Genozidkonvention geschützten Rechte der Paläs­tinenser:innen, für plausibel hält.7 Die südafrika­nische Initiative wurde in verschiedenen Weltregio­nen begrüßt, darunter von zahlreichen Staaten Afri­kas, Lateinamerikas, aber auch Europas.8 Die deut­sche Bundesregierung hält die südafrikanischen Vor­würfe für unbegründet und hat angekündigt, Israel im Hauptverfahren als Drittpartei unterstützen zu wollen. Im Zusammenhang mit dem Antrag des Chef­anklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf Erlass von Haftbefehlen gegen den israe­lischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den inzwischen entlassenen Verteidigungsminister Joav Gallant hat die deutsche Regierung eine Amicus-Curiae-Stellungnahme eingereicht, die Komplementaritätseinwände enthält und das Verfahren verzögern könnte.9 Auf den Erlass der beantragten Haftbefehle durch den IStGH am 21. November 202410 reagierte die Bundesregierung mit einer Erklärung, in der eine gewissenhafte Prüfung innerstaatlicher Schritte an­gekündigt wird.11 Dass hier ein Vertragsstaat des Römischen Statuts die Verbindlichkeit der IStGH-Ent­scheidung nicht unmissverständlich anerkennt, sorgt in vielen Staaten des Globalen Südens für Befremden. Zudem hat Deutschland einen Brief zur Unterstützung von UN-Generalsekretär António Guterres, den der israelische Außenminister zur Persona non grata erklärt hatte, nicht mitunterzeichnet – im Unterschied zu Brasilien und Südafrika sowie 102 weiteren Staaten und der Afrikanischen Union.

In Ländern des Globalen Südens hat sich zusehends der Eindruck verfestigt, dass Deutschland die Solidarität mit dem israelischen Staat über die uni­verselle Anwendbarkeit des Völkerrechts stelle. Der mittlerweile verstorbene namibische Präsident Hage Geingob warf Deutschland sogar vor, es sei »unfähig, Lehren aus seiner grausamen Geschichte zu ziehen«.12 Deutschland läuft derzeit Gefahr, seine Glaubwürdigkeit als internationaler Akteur zu beschädigen, der sich für die un­eingeschränkte Geltung der Menschenrechte, fried­liche Konfliktlösungen, Multilateralismus und Völker­recht einsetzt.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der Aufbau stabiler wirtschaftlicher und politischer Beziehungen zu Staaten, die für Deutschland wichtig sind, ihm aber derzeit kritisch gegenüberstehen, liegt ebenso im deutschen Interesse wie die Reform inter­nationaler Institutionen und die Erhaltung der regel­basierten Ordnung. Angesichts der geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA sollte Deutschland sein Portfolio an Partnerländern eher ausweiten als einschränken. Durch eine Verbesserung der Beziehungen zu Ländern des Globalen Südens – bilateral, aber auch auf europäischer Ebene – könn­ten mittelfristig politische Allianzen geschmiedet werden, in denen sich mittlere Mächte des Globalen Nordens und des Globalen Südens gegenseitig unter­stützen, um eine gewisse Autonomie gegenüber den Bestrebungen der Großmächte zu bewahren bzw. auszubauen.

Die Bundesregierung sollte aktiver auf diese Staa­ten zugehen und gemeinsam an Reformen arbeiten. Eine umfassende Neuordnung der WTO, die eigentlich bis 2024 hätte erreicht werden sollen, wird der­zeit insbesondere von den USA verhindert, während die EU sie grundsätzlich unterstützt. Die Bundesregierung und die EU sollten sich bei ihrer Positionierung in solchen Fällen nicht von kurzfristigen wirtschaft­lichen Interessen (wie bei der Blockade eines Patent­regimes) leiten lassen, sondern den Erfordernissen einer nachhaltigen Bewältigung globaler Probleme entsprechen und die Vorteile einer langfristigen Zu­sammenarbeit mit Staaten in anderen Weltregionen nutzen. Auch bei der »Milliardärssteuer« kann die Bundesregierung den Eindruck korrigieren, als Spoi­ler zu agieren, wenn sie sich zu einer Unterstützung des Vorschlags durchringt oder auf die brasilianische Regierung zugeht und anbietet, gemeinsam ambi­tionierte und realisierbare Alternativvorschläge zu erarbeiten, nachdem dies in der Abschlusserklärung der G20 in Rio de Janeiro explizit verankert worden ist. Damit könnte sie zeigen, dass sie sich partnerschaftlich für mehr globale Gerechtigkeit einsetzt.

Im Hinblick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt sollte die Bundesregierung in Wort und Tat deutlicher machen, dass sie nicht nur eine historische Verantwortung gegenüber dem Staat Israel hat, son­dern auch für die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte und die Durchsetzung des Völkerrechts eintritt. Dies erfordert eine restriktivere Rüs­tungsexportpolitik. Gerade der Umfang der deutschen Rüstungslieferungen an Israel untergräbt die norma­tiven Erwartungen, die Deutschland diskursiv an Israel in Bezug auf Waffeneinsatz und Gewalt­ausübung stellt. Zudem sollte Deutschland Ent­scheidungen unterlassen, die dem Ansehen und der Wirk­samkeit der internationalen Gerichtsbarkeit und der UN schaden.

Das deutsche Engagement sollte aber über diese Themenfelder hinausgehen. Denn gerechtere Struk­turen – also eine ausgewogenere und repräsen­tativere Macht- und Interessenverteilung auf inter­natio­naler Ebene – dienen einer effektiven Global Gover­nance. Sie stärken die Legitimität der UN und die Wirksamkeit und Problemlösungskapazität des Multi­lateralismus. Aktuell bietet sich eine aktive Zusam­menarbeit mit Südafrika an, das im Jahr 2025 die G20-Präsidentschaft von Brasilien übernehmen wird und die Wiederbelebung des Multilateralismus und eine Reform der Global Governance – ebenso wie Brasilien während seiner Präsidentschaft 2024 und Indien im Jahr 2023 – zum Schwerpunkt seines Vorsitzes erklärt hat. Indien, Brasilien und Südafrika eint, dass sie zwar Mitglieder der BRICS sind, sich aber im Systemkonflikt keinem Lager zuordnen wollen. Auch deshalb haben sie die Staatengruppe G20, die Staaten aus dem Globalen Norden und dem Globalen Süden zusammenbringt, als Forum für die Erarbeitung von Reformvorschlägen gewählt.

Deutschland – ebenso wie die EU – sollte diese Möglichkeiten zur Erarbeitung weiterer konkreter Reformvorschläge aktiv nutzen. Dabei sollten die EU und Deutschland Initiativen von Ländern aus dem Globalen Süden als Chance für die Zusammenarbeit begreifen und insbesondere auch die mittel- und langfristige Auswirkung auf die Allianzbildung mit Partnern im Globalen Süden bedenken.

Vereinte Nationen: Multilaterale Kooperation auch in schwierigen Zeiten

Marianne Beisheim / Judith Vorrath

Zuletzt spitzte sich die Situation in der General­versammlung der Vereinten Nationen (United Nations, UN) noch einmal zu, als beim »Summit of the Future« im September 2024 der unter der Ko-Leitung Deutsch­lands und Namibias verhandelte Zukunftspakt von den Staats- und Regierungschef:innen angenommen wer­den sollte. Russland versuchte den mühsam erzielten Konsens mittels eines Änderungsantrags zu relativieren. Der vorgeschlagene Zusatz enthielt eine Ableh­nung jeglicher Einmischung in innere Angelegen­heiten, einen Appell, überlappende Mandate zu ver­meiden, und eine Betonung der rein zwischenstaat­lichen Natur der Arbeit der UN. Das darf als Affront gegenüber dem »effektiven, vernetzten und inklusi­ven Multilateralismus« gewertet werden, für den UN-Generalsekretär António Guterres geworben hatte. Die Abstimmung über das vorgeschlagene »Amendment« wurde jedoch auf Antrag der Afrikanischen Gruppe abgewehrt, unterstützt von insgesamt 143 Mit­gliedstaaten, welche die erzielte Übereinkunft nicht gefährdet sehen wollten. Dieses Vorgehen war über das Büro des Präsidenten der Generalversammlung vermittelt worden. Wenig überraschend wurde Russ­land von sechs autoritären Staaten unterstützt.1 Darüber hinaus enthielten sich 15 Mitgliedstaaten,2 weitere 27 positionierten sich nicht.

Das zeigt einerseits, dass eine klare Mehrheit an Staaten weiterhin multilaterale Prozesse in den UN mittragen. Vor allem die kleinen Entwicklungsländer wollten die UN als dasjenige Forum stärken, in dem sie eine Stimme haben. Andererseits gibt es auch deut­lichen Gegenwind gegen die von westlichen Staa­ten oft beschworene »regelbasierte internationale Ord­nung«: Wenige sind sich sicher, welche Regeln genau gemeint sind, viele kritisieren die Dominanz und Doppelstandards des Westens in der Fest- und Aus­legung der Regeln und einige lehnen den Ausdruck schlichtweg als Kampfbegriff ab.

Die Reichweite globaler Kooperation muss in Zeiten internationaler Macht­verschiebungen immer wieder neu ausverhandelt werden.

So sind auch die Ansichten über die Bedeutung des Paktes im Nachgang durchaus konträr. Beim Empfang nach dem Zukunftsgipfel bewertete Bundeskanzler Olaf Scholz ihn als einen »globalen Konsens für die Schaffung einer Welt, die sicher, friedlich, gerecht, inklusiv und nachhaltig ist«. So zeige der Pakt, dass uns »mehr verbindet als uns spaltet«. Dagegen dis­tanzierte sich der argentinische Präsident Javier Milei von der Vereinbarung, hinter der er »totalitäre Welt­regierungspläne« vermutet.3 Eine solche Position liegt nahe an der Russlands, das argumentiert, der Pakt unterminiere den intergouvernementalen Charakter der UN. Auch die neue Trump-Administration wird gegenüber den UN eine kritischere Haltung einnehmen und eine »America First«-Politik vertreten, die US-Interessen stärker in den Vordergrund rückt.4 Erste Äußerungen der designierten US-Botschafterin bei den UN, Elise Stefanik, legen dies nahe.5 Dies zeigt: Die Reichweite, Bedingungen und Inhalte glo­baler Kooperation müssen in Zeiten internationaler Machtverschiebungen und anhaltender System­rivalitäten immer wieder neu ausverhandelt werden.6

Klassischerweise bemühen sich ehemalige Verhandlungsführende besonders um die Umsetzung und Nachverfolgung »ihrer« Vereinbarungen. So be­tont beispielsweise Frankreich gerne die Bedeutung des Pariser Klimaabkommens und Japan bei jeder Gelegenheit die des Sendai-Rahmenwerks zur Kata­strophenvorsorge. 2025 tun sich für Deutschland einige Gelegenheitsfenster auf, um sich für die Reali­sierung des Zukunftspakts starkzumachen, gerade unter den veränderten politischen Bedingungen. Zwei Bereiche bieten sich dafür besonders an.

Engagement bei Peacekeeping und Peacebuilding: Ministerial und Review

Sowohl die Veranstaltung des Peacekeeping Ministerial (PKM) im Mai 2025 in Berlin wie auch der von Deutschland angestrebte Vorsitz der Kommission für Friedenskonsolidierung (Peacebuilding Commission, PBC), der voraussichtlich im Februar gewählt wird, bieten die Möglichkeit, eigene Akzente zu setzen und multilaterale Formate zu stärken.

Bezogen auf das Peacekeeping hat der UN-General­sekretär in seiner Neuen Agenda für den Frieden schon im Juli 2023 zu einer Reflexion gemahnt über »die Entwicklung flexibler, anpassungsfähiger Modelle mit geeigneten, vorausschauenden Übergangs- und Ausstiegsstrategien«. Diese Aufforderung findet in »Action 21« des Zukunftspakts ihren Widerhall, wo der UN-Generalsekretär ersucht wird, alle Arten von Friedensmissionen – das heißt Peacekeeping-Opera­tionen und Politische Sondermissionen – einer Über­prüfung zu unterziehen. Auch wenn die genauen Modalitäten dieses Reviews noch offen sind, bietet das vom Auswärtigen Amt und vom Verteidigungs­ministerium organisierte PKM die Gelegenheit, kon­krete Modelle der Friedenssicherung zu diskutieren. Hierzu gibt es bereits ein von Deutschland mit in Auftrag gegebenes Papier, das einen modularen An­satz bei der Weiterentwicklung des Peacekeepings propagiert.7 Hauptausgangspunkt sind die Lehren aus früheren und laufenden UN-Einsätzen. Von deutscher Seite sollten in die Vorbereitungen auch eigene Er­kenntnisse aus dem ersten Evaluierungsbericht zu laufenden mandatierten Auslandseinsätzen der Bun­deswehr und aus der Enquete-Kommission »Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands« eingebracht werden.

Dabei muss die Konferenz unbequeme Fragen adressieren, etwa welche Rolle Regionalorganisationen tatsächlich spielen können, wie der Konsens mit der jeweiligen Gastregierung gewährleistet werden kann und wie sich Missionen mit anderen Instrumenten des Konfliktmanagements und der Friedensförderung besser verbinden lassen. Vor allem gilt es, neben Zusagen von Geldern, Personal oder Ausrüstung klare politische Unterstützung für substantielle Zukunftsmodelle von Friedensmissionen zu generieren. An­gesichts der zu erwartenden veränderten Position der USA – dem bei weitem wichtigsten Beitragszahler zum Haushalt der UN-Friedensmissionen – müssen andere maßgebliche Finanziers wie Deutschland und wichtige truppen- und polizeistellende Staaten beim PKM ein starkes politisches Signal senden. Sonst bleibt vorrangig der Weg zu »schlanken« Lösungen, etwa in Form des Ausbaus politischer Missionen. Das mag gerade für einen stärkeren Fokus auf Prävention in einigen Kontexten sinnvoll sein. In eskalierenden Gewaltkonflikten greift es zu kurz, wie aktuelle Erfahrungen in Sudan oder Haiti zeigen. Dort hat es in der Vergangenheit große, multidimensionale UN-Missionen gegeben, die gegenwärtig in dieser Form keine realistische Option sind. Aufgaben wie der Schutz der Zivilbevölkerung oder die Absicherung eines Waffenstillstands – so er denn zustande kommt – können jedoch kaum mit »kleinem Fuß­abdruck« bewältigt werden. Daher sollten die Teil­nehmenden des PKM sich für ein oder zwei ganz kon­krete Modelle starkmachen, die unter den derzeitigen Verhältnissen im UN-Sicherheitsrat tatsächlich die Entsendung neuer Friedensmissionen ermöglichen können.

Eine weitere wichtige Frage ist, wie während und nach dem Abzug bestehender Missionen Frieden erhalten und gefördert werden kann. Hier kommt die Kommission für Friedenskonsolidierung (PBC) ins Spiel, die unter anderem als Brücke zwischen den Hauptorganen und relevanten Institutionen der UN fungiert und die Generalversammlung wie den Sicherheitsrat zum Peacebuilding berät. Deutschland strebt an, im nächsten Jahr den Vorsitz der Kom­mission zu übernehmen, der 31 Mitgliedstaaten an­gehören und die gemeinsam mit dem Peacebuilding Fund des Generalsekretärs und dem Peacebuilding Support Office die Peacebuilding-Architektur der UN bildet. Im Zukunftspakt haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, die PBC im Zuge der Über­prüfung ebendieser Architektur zu stärken. Dieser Review-Prozess würde zeitlich teilweise mit dem deutschen Vorsitz zusammenfallen. Die Überprüfung, die letztmalig vor fünf Jahren durchgeführt wurde, soll sich vor allem auf Umsetzungsfragen und die Auswirkungen vor Ort (»field level«) fokussieren. Der inklusive, informelle Teil des Reviews findet bereits dieses Jahr statt und fließt in den Bericht des UN-Generalsekretärs zu »Peacebuilding and Sustaining Peace« ein. Danach folgt die formale Phase, moderiert von zwei Ko-Fazilitator:innen, in der über Regierungs­konsultationen gemeinsame Empfehlungen erarbeitet werden sollen. Auf diesen Prozess könnte Deutschland im Falle der Übernahme des Vorsitzes durchaus einwirken, da die PBC hier hinzugezogen werden kann (A/78/870 – S/2024/339). Insbesondere könnte Deutschland sich dafür starkmachen, dass die Ergeb­nisse der Diskussionen der Mitgliedstaaten über die New Agenda for Peace und den Zukunftsgipfel in die Überprüfung einfließen, wie es auch die Resolutionen zum Review anregen. Hier kann es hilfreich sein, dass die PBC im Konsens entscheidet und Staaten auf eige­nen Wunsch von ihr unterstützt und begleitet werden.

Dabei kann die PBC nicht wirklich zu einer Alternative zum UN-Sicherheitsrat werden, wie einige Mit­gliedstaaten es gerne sehen würden, denn sie vermag zu akuten und politisch aufgeladenen Konflikten kaum konkret Stellung zu beziehen. Gerade darin liegt aber die Chance, Themen und Länder in den Blick zu nehmen, die nicht (mehr) auf der Agenda des Sicherheitsrats sind. Denn für präventive Ansätze und einen Fokus auf jegliche Formen von Gewalt ist sie gut positioniert. Wichtig ist zudem, darauf zu dringen, dass die 2022 verabschiedete »Financing for Peacebuilding«-Resolution der UNGA (A/RES/76/305) weiter umgesetzt wird. Der Fonds etwa kann zwar im nächsten Jahr erstmals auf feste Beiträge zurück­greifen, verliert aber gleichzeitig bei den freiwilligen Zusagen.

Deutsche Präsidentin der nächsten Generalversammlung, 2025/26

Deutschland stellt mit Helga Schmid die nächste Kan­didatin für die Präsidentschaft der 80. UN-General­versammlung (President of the General Assembly, PGA), die vom 9. September 2025 bis 7. September 2026 dauern wird. Die Wahl steht im Juni 2025 an, dürfte aber Formsache sein. Seit einigen Jahren sind Kandidat:innen aufgefordert, einige Monate vor der Wahl ein schriftliches »Vision Statement« zu präsen­tieren und sich in einem informellen interaktiven Dialog den Fragen der Mitgliedstaaten zu stellen (A/RES/71/323). Formell ist die PGA ad personam be­rufen und auch nicht weisungsgebunden. Themen des Zukunftspakts aufzugreifen bietet sich gleichwohl an. Erstens wird am 24. Oktober 2025 der Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen gefeiert wer­den und dabei die Rolle der Weltorganisation erneut im Mittelpunkt stehen. Zweitens haben die Verhandlungen zum Pakt verdeutlicht, wie wichtig die Agenda 2030 und die Ziele für nachhaltige Entwicklung für die große Mehrheit der Mitgliedstaaten sind und dass sie ein verbindendes Element zwischen dem globalen Norden und Süden sein können. Drittens wird die Trump-Administration aber auch vieles wieder in Frage stellen, das im Pakt festgeschrieben wurde, vor allem zu Budget- und Finanzierungsfragen. Ent­sprechende Probleme bei den diesjährigen Vertragsstaatenkonferenzen zu den UN-Klima- und Biodiver­sitätsabkommen gaben darauf einen Vorgeschmack.

Im Zukunftspakt wird die Generalversammlung als das wichtigste beratende, politikgestaltende und re­präsentative Organ der Vereinten Nationen bezeich­net, dessen Rolle und Autorität gestärkt werden soll.8 Schon lange wird kritisiert, dass die Agenda des zen­tralen UN-Gremiums mit veralteten Mandaten über­frachtet sei, während echte inhaltliche Debatten kaum zustande kämen. Nicht zuletzt deshalb disku­tiert eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe seit 2005 Vorschläge für die Revitalisierung der Generalversammlung. Die Resolutionen der Arbeitsgruppe haben den Wirkungs­bereich der PGA erweitert. Grundsätzlich legt die Geschäftsordnung der Generalversammlung die meist zeremoniellen Aufgaben und Kompetenzen fest. Schon 2005 wurde die Position der Präsidentschaft gestärkt, zum einen indem das Büro mit mehr Res­sourcen ausgestattet wurde, zum anderen indem sie die Befugnis erhielt, Themen für informelle Debatten vorzuschlagen (A/RES/59/313). Im Jahr 2023 wurde außerdem ein Mandat zur strategischen Auslegung des Arbeitsprogramms der Generalversammlung erteilt (A/RES/77/335). Eine weitere wichtige Obliegenheit der PGA ist es, geeignete Ko-Fazilitator:innen für Verhandlungen zu benennen. Die diplomatischen An­forderungen an das Amt sind auch dadurch gestie­gen, dass Kompromisse und Konsense immer schwie­riger zu erreichen sind und Verhandlungsdokumente letztlich auf dem Tisch der PGA landen.9 Dann mit Hilfe überregionaler Koalitionen Brücken zu bauen ist eine bedeutsame Aufgabe – wie zuletzt der Zu­kunftsgipfel gezeigt hat. Und schließlich setzt die Generalversammlung, nachdem ein P5-Staat im Sicher­heitsrat ein Veto eingelegt hat, automatisch eine Debatte in der Sache an oder kann über die »Uniting for Peace«-Resolution Fragen von Frieden und Sicherheit beraten, in denen der Sicherheitsrat blockiert ist. Allerdings sind ihre Resolutionen nicht bindend.10

Die PGA kann zu den von ihr initiierten informellen Diskussionen auch nichtstaatliche Akteure einladen. Wie umstritten diese Zusammenarbeit ist, haben die Verhandlungen zum Zukunftspakt erneut bewiesen. Auch hier kann die PGA Zeichen setzen. So haben vorherige Amtsinhaber etwa eine Reihe von »Town Hall Meetings« durchgeführt, um die Willensbildungs­funktion der Generalversammlung zu stärken, und zu diesem Zweck auch Vertreter:innen der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft um mündliche Beiträge gebeten. Derartige meist per Internet übertragene Veranstaltungen sind auch wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Zudem haben frühere PGAs in den Briefen, mit denen sie die Ko-Fazilitator:innen ernannten, teils explizit empfohlen, nichtstaatliche Akteure an Verhandlungen zu be­teiligen. Auch die speziellen Verfahren zur Akkre­ditierung nichtstaatlicher Akteure zu UN-Gipfeln organisiert das Büro des PGA. Beim Zukunftsgipfel diskutierte die »UNMute«-Initiative über ein Handbuch, das eigene Empfehlungen enthalten soll, wie Zivilgesellschaft besser an UN-Prozessen beteiligt werden kann.11

Schließlich endet im Dezember 2026 die Amtszeit von UN-Generalsekretär António Guterres, so dass Helga Schmid und ihrem Büro auch die Aufgabe zu­fallen wird, den Prozess der Wahl vorzubereiten. Im Zukunftspakt wird zum einen angeregt, darauf hin­zuarbeiten, dass die Mitgliedstaaten möglichst viele weibliche Kandidatinnen benennen. Zum anderen wird ein leistungsorientierter, transparenter und partizipativer Auswahlprozess gefordert (mit Bezug auf A/RES/69/231; für Details siehe auch A/RES/77/335). Bei der letzten Wahl griff PGA Mogens Lykketoft die Empfehlung auf, informelle Anhörungen mit allen Kandidat:innen abzuhalten, bei denen auch Vertreter:innen der Zivilgesellschaft Fragen stellen konnten. Es gelang seinem Nachfolger Peter Thomson im Nach­gang nicht, das Vorgehen von 2015/16 zu kodifizieren. Umso wichtiger ist es, den gesetzten Standard zu halten und möglichst auch weiter auszugestalten – nicht zuletzt, um eine schwache Besetzung zu er­schweren.

Die gestiegenen Anforderungen machen eine gute Ausstattung des Büros der Präsidentschaft (Office of the PGA, OPGA) unabdingbar. Es wird erwartet, dass das Herkunftsland hier großzügig beiträgt. Das neue Team sollte rechtzeitig, also bereits vor der offiziellen Transition im September, den inhaltlichen Austausch mit den Vorgängern suchen, aber auch mit dem Exe­kutivbüro des Generalsekretärs und den Ko-Fazilita­tor:innen der laufenden Verhandlungsprozesse.

Deutschlands Engagement in den Vereinten Nationen ist gefragt

Deutschland zeigt durchaus mehr Gestaltungswillen im UN-Kontext: Belege dafür sind die erfolgreich bewältigte Aufgabe der Ko-Verhandlungsführung beim Zukunftspakt, das Peacekeeping Ministerial in Berlin, die anstehende Präsidentschaft der Generalversammlung und die Kandidatur für den Vorsitz der Kommission für Friedenskonsolidierung. Zudem be­wirbt sich Deutschland um eine erneute Mitgliedschaft im Sicherheitsrat. Mitte 2026 stehen die Wah­len für die zwei Sitze der westeuropäischen Regionalgruppe an, die zu Januar 2027 frei werden. Nach jetzigem Stand wird Deutschland mit Österreich und Portugal um diese Sitze konkurrieren. Sicherlich können die erwähnten Ansatzpunkte die Sichtbarkeit des deutschen UN-Engagements erhöhen, sie sollten aber vor allem dazu genutzt werden, um im Nachgang des Zukunftsgipfels konkrete Aktivitäten voran­zutreiben.

Wenn sich wichtige UN-Unterstützer aufgrund rechtsnationalistischer Regierungsbeteiligungen zurück­ziehen, ist Deutschlands Engagement mehr gefragt denn je.

Auch in schwierigen Zeiten werden die UN ein wichtiges Forum für Kommunikation und Trans­parenz bleiben, um Normen zu verhandeln und im Anschluss die erzielten Konsense zu interpretieren. Sie geben kleineren Staaten, die nicht Mitglied ex­klusiverer Governance-Clubs sind, eine Stimme und sind damit ein zentraler Netzwerkknoten in einer zusehends fragmentierten Landschaft inter- und transnationaler Kooperation. Gleichzeitig sind sie der einzige Rahmen, in dem Groß- und Regionalmächte über systemische Rivalitäten hinweg noch regelmäßig zusammenkommen, wenn auch häufig ohne befrie­digendes Ergebnis. Da abzusehen ist, dass maßgeb­liche Unterstützer der UN (allen voran die USA, aber auch die nordischen Länder und die Niederlande) aufgrund rechtsnationalistischer Regierungsbeteiligungen ihr Engagement zurückfahren werden, ist Deutschland mehr gefragt denn je. Die 2025 neu ins Amt kommende Bundesregierung sollte sich für einen effektiven, vernetzten und inklusiven Multi­lateralismus starkmachen und angesichts begrenzter Haushaltsmittel begründet entscheiden und klar kommunizieren, was sie leisten will und kann. Und dies am besten von Anfang an eng abgestimmt mit Partnern aus verschiedenen Regionen.12 Ein entschlos­senes Eintreten für die Vereinten Nationen ist nicht nur im Zusammenhang mit der Bewerbung um eine erneute Mitgliedschaft im Sicherheitsrat wichtig. Viel­mehr ist es eine Grundvoraussetzung, wenn Deutschland multilaterale Kooperation im Kontext systemischer Rivalitäten erhalten und weiter mitgestalten will.

Deutschland und die geoökonomische Zeitenwende – kluge Machtpolitik gefragt

Hanns Günther Hilpert / Sascha Lohmann / Hanns W. Maull

Die weltpolitische Zeitenwende schlägt sich auch in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen nieder: Sie geraten zunehmend in den Sog sicherheits- und machtpolitischer Bestrebungen. Macht verstehen wir als das allgegenwärtige Transaktionsmedium der in­ternationalen Politik, mittels dessen Staaten Einfluss auszuüben versuchen; wie gut dies gelingt, hängt wesentlich von den Machtrelationen zwischen Staa­ten ab.

Welche Chancen und Risiken gehen mit der macht­politischen Aufladung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen für die deutsche Außenpolitik einher, und wie können Entscheidungsträgerinnen und ‑träger darauf reagieren?

Die Analyse der geoökonomischen Zeitenwende lässt sich nicht allein auf Grundlage der Prämissen liberaler Wirtschaftstheorien vornehmen, wonach Staat und Markt als unterschiedliche Sphären mit jeweils eigenen Logiken zu sehen sind. Tatsächlich werden Marktlogiken wie Wohlfahrtssteigerung und Gewinnmaximierung in den Außenwirtschafts­beziehungen zunehmend von sicherheitspolitischen Erwägungen überlagert, vom Interesse an Versorgungssicherheit, an der Einhegung von Verwundbarkeiten und am Abbau asymmetrischer Abhängig­keiten durch bewusste Entflechtung weltweiter Pro­duktions- und Lieferketten. Verfolgt werden diese Ziele unter anderem durch großvolumige Subventionen für den Aufbau heimischer Produktionskapazi­täten von Schlüsseltechnologien, wie etwa derjenigen für Halbleiter.

Diese geoökonomische Wende wirft drei Fragen auf: Sind die vorgeschlagenen Lösungen effizient und effektiv, um die nationale Sicherheit zu verbessern und die Grundlagen der eigenen Außenpolitik zu stärken? Kann durch nationale, europäische oder auch bündnisspezifische Bemühungen um Risiko­reduzierung (de-risking) und Entflechtung (de-coupling) tatsächlich mehr Sicherheit geschaffen werden? Und welche Rückwirkungen ergeben sich daraus für die internationale Sicherheit? Schließlich impliziert die Verengung des außenwirtschaftlichen Fokus auf Sicherheit einen unmittelbaren Verlust an Wohlstand und ökonomischer Gestaltungsfreiheit sowie mittel­bar einen zivilisatorischen Rückschritt in der Außen­politik und in den internationalen Beziehungen. Des­halb ist relevant, wie sich diese negativen Entwick­lungen einhegen lassen.

Geoökonomisches Denken und Handeln

In Anlehnung an den etablierten, historisch jedoch belasteten Begriff der Geopolitik erlebt der Begriff der Geoökonomie seit einiger Zeit eine Renaissance.1 Wenig Klarheit besteht allerdings darüber, was unter Geoökonomie eigentlich verstanden wird: ein analy­tischer Rahmen, eine Strategie oder gar ein außen­politischer Prioritäten- oder Paradigmenwechsel? Der Bezug zu geografischen Räumen spielt anders als bei der Geopolitik nur noch eine untergeordnete Rolle, die im Fall der Herausbildung miteinander rivalisie­render Wirtschaftsblöcke jedoch schnell größer wer­den kann. Bis dahin steht das Präfix »Geo« eher als Chiffre für eine Anerkennung der Realität von (aber auch für eine Hinwendung zu) Machtpolitik vor dem Hintergrund verschärfter Spannungen zwischen den weltpolitischen Lagern: dem Westen und der Achse der Autokratien unter Führung Chinas und Russlands.

Im Kern bezeichnet Geoökonomie die Verfolgung außen- und sicherheitspolitischer Zielsetzungen in den internationalen Beziehungen mit Mitteln der Wirtschafts- und Technologiepolitik. Dabei ist sie zum einen bestrebt, nationale wirtschaftliche und technologische Machtpositionen zu bewahren und wo möglich auszubauen, also die wirtschaftlichen und technologischen (Macht-)Grundlagen der eigenen Außen- und Sicherheitspolitik zu stärken. Zum ande­ren sollen mit dem geoökonomischen Instrumentenkasten riskante Abhängigkeiten bzw. daraus resul­tierende Verwundbarkeiten in den außenwirtschaft­lichen Verflechtungen eingehegt werden.

Nach Jahrzehnten der Globalisierung muss das Denken und Handeln in geoökonomischen Kategorien in der Außenpolitik erst wieder neu geschärft werden.

Beides – das merkantilistische Streben nach wirt­schaftlicher Prosperität als Grundlage diplomatischer und militärischer Macht und die Nutzung bzw. die Begrenzung außenwirtschaftlicher Verwundbarkeiten als Vektoren bzw. Einfallspforten politischer Einfluss­nahme auf / durch andere Staaten und auf die inter­nationale Politik insgesamt – sind keineswegs neue Phänomene. Nach mehreren Jahrzehnten der Globa­lisierung weltweiter Waren-, Kapital-, Dienstleistungs- und Migrationsströme muss das Denken und Handeln in geoökonomischen Kategorien in der Außenpolitik allerdings erst wieder neu geschärft werden. Um bei­spielsweise die Vor- und Nachteile eines defensiven oder auch offensiven Einsatzes wirtschaftlicher Instru­mente wie Sanktionen, Subventionen für Schlüssel­technologien oder Investitions- und Exportkontrollen zur Verfolgung außen- und sicherheitspolitischer Ziele zu bewerten, müssen die damit einhergehenden Kosten- und Nutzeneffekte sowohl anhand macht­politischer Kategorien als auch mit Blick auf ihre Wohl­stands- und Verteilungseffekte analysiert werden.

Wirksamkeit geoökonomischer Instrumente und Vorgehensweisen

Die Frage nach den Wirkungspotentialen von Macht­politik in ökonomischen und technologischen Zusam­menhängen betrifft zum einen die eigene Verwundbarkeit (Abwehr-Aspekt), zum anderen die Möglichkeiten, auf das Verhalten anderer Staaten und das System der internationalen Beziehungen insgesamt einzuwirken (gestaltender Aspekt). Bei beiden Aspek­ten sind die wichtigsten Einflussgrößen der Umfang der (positiven oder negativen) Wirkungen, das Ziel bzw. der Gegenstand der Intervention, die Zeiträume, innerhalb deren die Auswirkungen spürbar werden, und die Anpassungs- und Leidensfähigkeit der be­troffenen Gesellschaften.

Mit Blick auf die Effektivität und Effizienz geo­ökonomisch motivierter Maßnahmen steht die Politik somit vor mannigfachen Fragen und Abwägungen: Welche Möglichkeiten bestehen, die Auswirkungen machtpolitischer Manipulationen internationaler Wirtschaftsbeziehungen auf die eigene Gesellschaft zu minimieren, zeitlich zu strecken, zu verschieben oder auf andere abzuwälzen? Was sind die Kosten der Intervention? Wie lassen sich diese Aufwendungen rechtfertigen? Wie groß sind die Fähigkeit und Bereit­schaft der Gesellschaft, die Auswirkungen zu absor­bieren und die damit verbundenen Belastungen zu tragen?

Offenkundig ist Geoökonomie äußerst komplex, in ihren Folgewirkungen schwer abzuschätzen und in der Umsetzung eine vielschichtige Aufgabe. Diese er­fordert neben einer Bestandsaufnahme auch die Ent­wicklung geeigneter Handlungsmöglichkeiten. Zur Bestandsaufnahme gehört zunächst eine umfassende Analyse der eigenen volkswirtschaftlichen Verwundbarkeiten: Wo bestehen Versorgungsabhängigkeiten? Wo liegen die kritischen Engpässe in den Liefer­ketten? Welche Industrien, Netzwerke und Infrastruk­turen müssen geschützt werden? Welche kritischen Szenarien sind vorstellbar? Zur Lagebeurteilung ge­hört darüber hinaus eine Inventur der vorhandenen Schutz- und Anpassungsmöglichkeiten: Sind diese ausreichend, wie lassen sie sich gegebenenfalls ver­bessern? Kann der Abfluss sensibler Technologien verlässlich unterbunden werden? Ist der gegebene Investitionsschutz ausreichend? Muss die Vorrats­haltung ausgebaut werden? Lassen sich alternative Versorgungsquellen erschließen? Ist ein Kapazitätsausbau in kritischen Sektoren erforderlich? Welche Rolle kann Innovations- und Industriepolitik spielen? Schließlich zählt zur Bestandsaufnahme die Bewertung von Verwundbarkeiten gegnerischer bzw. un­zuverlässiger Staaten mit Blick auf die Möglichkeiten, diese defensiv oder offensiv für eigene Zielsetzungen zu nutzen. Dabei sind mögliche Retorsionsmaßnahmen und Eskalationsrisiken zu berücksichtigen.

Darauf aufbauend lassen sich drei Handlungsfelder identifizieren. Erstens die Schaffung angemessener institutioneller und politischer Strukturen für die Querschnittsaufgabe Geoökonomie. Die Koordination der Verwaltungseinheiten, die in den jeweiligen Be­reichen zuständig sind, sollte ressortübergreifend und auf höchster politischer Leitungsebene angesiedelt sein. Damit wäre sichergestellt, dass Einzelmaßnahmen im Einklang mit den außenpolitischen Interessen und sicherheitspolitischen Erfordernissen stehen. Zweitens ein Ausbau der Kommunikation und Ko­operation mit der Privatwirtschaft. Defensive Maß­nahmen der Risikoreduzierung, Entflechtung und Diversifizierung sind letztendlich kostenträchtige privatwirtschaftliche Entscheidungen, die die Wett­bewerbsfähigkeit im Vergleich zu den Unternehmen mindern, die diese Maßnahmen nicht treffen (müs­sen). Daher ist es essentiell, an den Schaltstellen der Wirtschaft das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass bestimmte Maßnahmen aus Gründen der nationalen Sicherheit unerlässlich sind und letztlich auch im existentiellen Eigeninteresse der Unternehmen selbst liegen. Gleichzeitig bedarf es einer fairen Kosten- und Risikoteilung zwischen Staat und Wirtschaft bei der Implementierung von Schutzmaßnahmen und der Abfederung von Retorsionsakten. Drittens ist eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit anderen Staaten geboten, um im Verbund Verwundbarkeiten zu mindern oder die Schlagkraft gegenüber Kontrahenten zu erhöhen. Beispiele hierfür sind gemein­same oder koordinierte Vorratshaltung, Technologie­allianzen oder kollektive Retorsionsmaßnahmen in Reaktion auf wirtschaftliche Sanktionen Dritter.

Fallbeispiel Halbleiterindustrie

Eigene Verwundbarkeiten: Welche Halbleitertypen in welchen Qualitäten benötigt die deutsche Volkswirtschaft bzw. ihre Schlüsselsektoren? Welche Vorleistungen (Maschinen, Anlagen, Silizium-Wafer, Spezialchemikalien, Rohstoffe, Software-Lizenzen) sind für die Aufrechterhaltung der Halbleiterproduktion in Europa erforderlich? Wo bestehen kritische Abhängigkeiten von ausländischen, nicht zuverlässigen Lieferquellen? Wären die in Europa produzierten Halbleiter im Krisenfall überhaupt für eine industrielle Weiterverarbeitung in Europa verfügbar? Was wären die Konsequenzen eines Lieferausfalls oder eines Lieferboykotts?

Anpassungsmöglichkeiten: Können die Lieferabhängig­keiten und die daraus resultierende Verwundbarkeit gemindert werden, etwa durch Diversifizierung der Lieferquellen, durch Erweiterung der Vorratslager, durch Ausbau der Halbleiter­produktion in Europa? Welche Finanzhilfen sind für die An­werbung ausländischer Investoren erforderlich? Erzielen die Finanzhilfen die gewünschten Wirkungen? Inwieweit lassen sie sich wettbewerblich und fiskalisch rechtfertigen? Gibt es indus­triepolitische Alternativen zur Förderung der Produktion von Legacy Chips, etwa in Form der Förderung der vorhandenen komparativen Stärken (Grundlagenforschung, Anlagenbau, Optik) oder der vorgelagerten Produktionsstufen?

Gegnerische Verwundbarkeiten: Welche Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten ergeben sich angesichts der Ver­sorgungsabhängigkeit Chinas im Bereich der Halbleiter mit niedrigen Strukturbreiten (≤ 10 Nanometer) oder Russlands generell von Halbleiterimporten? Können Deutschland bzw.

die EU die Geoökonomie des Westens im Lichte des US-amerika­nischen Führungsanspruchs aktiv mitgestalten? Welche poli­tischen Einflussmöglichkeiten ergeben sich aus der technolo­gischen Führerschaft bei Lithografiesystemen (Niederlande), bei Optik und Lasertechnik (Deutschland)? Verfügt Europa über weitere Potentiale in der Halbleitertechnologie? Ist der offensive Einsatz der eigenen technologischen Vorsprünge und Stärken politisch sinnvoll oder eher selbstschädigend?

Zwischenstaatliche Vereinbarungen: Kann die Versorgungssicherheit erhöht werden durch verbindliche Liefer- und Absatzverträge mit ausländischen Staaten und Unternehmen? Lässt sich der Technologieschutz durch Geheimhaltungs­absprachen oder über Export- und Investitionsbeschränkungen gegenüber feindlichen Staaten verbessern? Lässt sich durch koordinierte Vorratshaltung kritischer Halbleiter bzw. kritischer Vorprodukte die eigene Verwundbarkeit reduzieren? Können Kosten und Risiken durch gemeinsame industriepolitische Projekte gesenkt werden? Wie kann ein internationaler Sub­ventionswettlauf abgewendet werden?

Public-Private Partnership: Mit welchen Gesetzen und Verordnungen muss bzw. sollte die Handlungsfreiheit der Privatwirtschaft beschränkt werden? Welche Finanzhilfen, welche weitere staatliche Unterstützung der Halbleiterindustrie ist notwendig? Wie sind die Hilfen zu rechtfertigen? Soll der Staat Unternehmen in ihren Bemühungen um Diversifizierung (»friend-shoring«, »home-shoring«) und beim Aufbau zusätz­licher Vorratshaltung finanziell unterstützen?

Eine Politik der Geoökonomie ist anspruchsvoll: Sie erfordert erhebliche staatliche und privatwirtschaftliche Ressourcen, setzt eine enge Koordination voraus und ist mit schwierigen Abwägungen und Ent­scheidungen verknüpft. Sie beeinträchtigt möglicher­weise die betriebliche Effizienz und Wettbewerbs­fähigkeit der involvierten Unternehmen. Zugleich ist keineswegs garantiert, dass ihre Maßnahmen tat­sächlich die gewünschten Schutz- und Gestaltungswirkun­gen haben werden. Dennoch ist sie unerlässlich, um wirtschaftliche Verwundbarkeiten zu min­dern, um sich gegen kritische Versorgungsengpässe zu wapp­nen und um Industrieproduktion dauerhaft in Deutschland und Europa zu sichern.

Konsequenzen für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und die inter­nationale Sicherheit

Generell ist zu erwarten, dass die machtpolitische Auf­ladung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen bestehende zwischenstaatliche Konflikte verschärfen und das globale Wirtschaftswachstum beeinträchtigen wird. Der offensive Einsatz geoökonomischer Instrumente in der Außenpolitik kann Retorsions­maßnahmen provozieren, die dann neue Gegen­reaktionen nach sich ziehen und so eine Eskalations­spirale mit ungewissem Ausgang auslösen können. Defensive geoökonomische Eingriffe wiederum wirken sich negativ auf die internationale Arbeitsteilung aus und untergraben die damit einhergehenden Spezialisierungsvorteile und Wohlstandsgewinne. Die Bemü­hungen um Lieferkettensicherheit führen tendenziell zu einer Entflechtung der Verbindungen zwischen den großen Wirtschaftsblöcken. Auch hier ist nicht absehbar, wie weit der Prozess der technologischen und wirtschaftlichen Entkoppelung getrieben wird.

Um die Risiken einer Geoökonomisierung ein­zuhegen, bedarf es verstärkter staatenübergreifender Anstrengungen, Formen der Vergemeinschaftung voranzutreiben, etwa durch Vertiefung der multi­lateralen Zusammenarbeit in internationalen Orga­nisationen und Regimen. Dies setzt allerdings nicht nur kompatible Interessendefinitionen voraus, son­dern auch eine geteilte Wertebasis. Wo diese fehlt, wird Zusammenarbeit primär transaktional bleiben müssen. Damit allein lassen sich freilich die vielfäl­tigen globalen Herausforderungen, die alle Staaten betreffen, nicht angemessen bearbeiten. Es gilt also, die Geoökonomisierung der internationalen Politik aufzuhalten und wo möglich zugunsten gemein­samer, breit geteilter Interessen zurückzudrängen.

Folgen für die internationale Politik und die Außenpolitik

Die machtpolitische Durchdringung und »Versicherheitlichung« von Außenwirtschaftspolitik, Technologiepolitik und internationalen Wirtschaftsbeziehungen werden auf die internationalen Beziehungen ins­gesamt einwirken und auch die Innenpolitik vieler Länder beeinflussen. Sie gefährden auf globaler Ebene die Bemühungen um die völkerrechtliche Einhegung von Gewalt und auf innenpolitischer Ebene demo­kratische Partizipations- und Kontrollmechanismen. Dem entgegen wirken Prozesse der Machtdiffusion zu Lasten nationalstaatlicher Autorität, die den Einfluss transnationaler wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure vergrößern. Zudem lassen sich die drängenden globalen Herausforderungen, die letzt­lich alle betreffen, nur im Zusammenwirken vieler Staaten und anderer Akteure bewältigen. Von krisen­haften Zuspitzungen bei diesen Herausforderungen könnten durchaus neue Impulse ausgehen für multi­laterale Bemühungen um angemessene Antworten. Hier sollten die deutsche und europäische Außen­politik ansetzen, um kooperative Entwicklungen vor­anzutreiben und die Geoökonomisierung der inter­nationalen Beziehungen zurückzudrängen.

Um den Balanceakt zu meistern, parallel Sicherheit und Wohlstand zu bewahren und zu befördern, ist kluge Machtpolitik gefragt. Die dafür benötigten Res­sourcen erfordern höhere Verteidigungsausgaben und eine Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie. Vor allem bedarf es aber der Bereitstellung entspre­chender Mittel für Forschung und Entwicklung (ein­schließlich rüstungsrelevanter Forschung) sowie zur Innovationsförderung. Dabei wäre ein wirksamer Schutz gegen die Abschöpfung von Erkenntnissen sicher­zustellen. Zur Entwicklung innovativer Lösungsansätze bei der Bearbeitung geoökonomischer Heraus­forderun­gen ließen sich gezielt vorhandene Instrumente nutzen. Zur Risikoabsicherung empfiehlt sich die Weiterentwicklung strategischer Vorratshaltung und deren europäische Verankerung. Für die Gestal­tung einer offensiven, zukunftsorientierten Industrie­politik, die sich an den jeweiligen Stärken und Poten­tialen der deutschen Wirtschaft ausrichtet, ist es dar­über hinaus unabdingbar, Verbände und Unterneh­men sowie zivilgesellschaftliche Akteure einzube­ziehen.

Um derart weiterentwickelte Machtressourcen auch optimal einzusetzen, müssen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eng zusammenwirken. Dafür bedarf es einer effektiven Koordination zwischen Staat und Wirtschaft bei der Bestandsaufnahme, der Vorbereitung und Umsetzung von Entscheidungen und der multilateralen Abstimmung mit Gleichgesinnten. Um die hier skizzierten Anstrengungen konsequent mit den normativen Vorgaben des Grundgesetzes zu ver­knüpfen, darf kluge Machtpolitik nicht Selbstzweck sein; sie sollte darauf gerichtet sein, bestehende Hand­lungsspielräume für die Zivilisierung der internatio­nalen Politik zu bewahren und neue zu schaffen.

Rohstoffkooperationen gestalten – auch mit schwierigen Partnern

Inga Carry / Melanie Müller / Meike Schulze

Angesichts wachsender geopolitischer Spannungen will die EU ihre Abhängigkeiten in strategischen Sek­toren reduzieren. Dies betrifft auch mineralische Roh­stoffe, bei denen die Importraten teils enorm hoch sind. Im Falle von Lithium und schweren seltenen Erden liegen sie bei 100 Prozent, bei Kobalt sind es 81 Prozent.1 Im April 2024 verabschiedete die EU daher ein Rohstoffgesetz, den Critical Raw Materials Act (CRMA), mit dem die europäischen Kapazitäten in den Bereichen Abbau, Weiterverarbeitung und Recycling ausgebaut und hohe Importabhängigkeiten von ein­zelnen Zulieferern verringert werden sollen.2 Um­setzung und Finanzierung werden vorrangig durch die EU-Mitgliedstaaten gewährleistet. Es ist daher wichtig, dass Deutschland sein Engagement für die gemeinsame europäische Strategie und die Umsetzung des nationalen Rohstofffonds auch unter einer neuen Bundesregierung ab 2025 konsequent fortsetzt.

Deutschland und die EU stehen bei ihrer Diversifizierung vor Herausforderungen. Erstens prägen geo­politische Rivalitäten die Lieferketten. China und die USA konkurrieren in vielen Ländern um den Zugang zu mineralischen Rohstoffen, während neue Akteure auf den Markt drängen. Die Bundesregierung muss – in Zusammenarbeit mit der EU – eine eigene Stra­tegie entwickeln, um rohstoffreichen Ländern attrak­tive Angebote machen zu können. Zweitens ist der Markt für mineralische Rohstoffe stark konzentriert. Bei einigen strategischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt oder seltenen Erden entfällt die Produktion auf nur wenige Länder, was geringen Spielraum zur Di­ver­sifizierung lässt. Die Erschließung neuer Zulieferer ist jedoch essentiell, da der Bedarf an diesen Rohstoffen absehbar nicht durch den europäischen Markt gedeckt werden kann.

Die USA setzen bei der Suche nach neuen Rohstoff­quellen auf »Friendshoring«, das heißt Partnerschaften mit Staaten, die ähnliche (geo-)politische Inter­essen haben. Auch Deutschland und die EU engagieren sich hier, etwa durch Teilnahme an der von Washington geführten Minerals Security Partnership (MSP). Allerdings ist zu erwarten, dass die neue US-Administration unter Präsident Donald Trump einen stärker protektionistischen Kurs einschlagen wird, was kritische Rohstoffe betrifft. Die multilaterale Ko­operation dürfte dabei kaum Priorität haben. Ohne­hin aber ist die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern allein nicht ausreichend, um die euro­päische Versorgungssicherheit langfristig zu gewähr­leisten. Bundesregierung und EU stehen daher vor der Herausforderung, Kooperationen mit Staaten ein­zugehen, die nicht als »like-minded« gelten, wollen sie eine resiliente Rohstoffversorgung sicherstellen. Solche Staaten streben nach anderen geopolitischen Allianzen als Deutschland bzw. die EU oder haben autoritäre Strukturen, weshalb sie oft Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsstandards missachten. Doch verfügen die Bundesregierung und die EU über verschiedene Hebel, um Kooperationen mit ihnen gezielt zu gestalten.

Kooperation mit autoritären Staaten

Die notwendige Diversifizierung erfordert den rich­tigen Umgang mit autoritären oder autoritär gepräg­ten Staaten und passende Formen des Engagements ihnen gegenüber. Die EU möchte zum einen die Ein­haltung der genannten Standards fördern; zum ande­ren sollte sie vermeiden, in neue kritische Abhängig­keiten zu geraten. Konkret stellt sich die Frage, wie die Zusammenarbeit mit den aufstrebenden »Mitt­leren Mächten« Saudi-Arabien und Vereinigte Ara­bische Emirate (VAE) aussehen könnte. Diese Staaten bauen ihre Position in mineralischen Lieferketten derzeit strategisch aus. Mit ihrer immensen Finanzkraft erwerben sie wichtige Beteiligungen. So kaufte 2024 die saudische Investmentfirma Manara Minerals 10 Prozent der Metallsparte des brasilianischen Berg­bau-Giganten Vale, während eine VAE-Holdinggesell­schaft zum Mehrheitseigner einer sambischen Kupfer­mine wurde. Flankierend dazu stärken die Golfstaaten ihre diplomatischen Beziehungen zu rohstoffreichen Ländern des Globalen Südens. Zugleich wollen sie ihre eigene Wertschöpfungskette durch lokale Ver­arbeitung und den Handel mit Metallen erweitern.3

Auf den ersten Blick scheinen Saudi-Arabien und die VAE – auch wegen ihrer Rolle als Verbündete der USA – vielversprechende Partner für die EU zu sein. Sie sind vor allem an Kooperationen im Bereich For­schung und Entwicklung interessiert und bieten sich dem Westen aktiv als Rohstofflieferanten an. Eine engere Zusammenarbeit Deutschlands und der EU mit den Golfstaaten birgt jedoch Risiken. Zum einen bestehen erhebliche systemische Differenzen zwi­schen beiden Seiten, vor allem was die Regierungsführung betrifft. In Saudi-Arabien etwa steht der Rohstoffsektor unter enormem Einfluss des Staats­fonds, was das Risiko erhöht, dass Lieferbeziehungen außenpolitisch vereinnahmt werden – eine poten­tielle Dynamik, von der man sich gegenüber China gerade lösen möchte.4 Zum anderen haben sich Deutschland und die EU dazu verpflichtet, die Trans­parenz in Lieferketten zu gewährleisten und hohe Um­welt- sowie Menschenrechtsstandards einzuhalten.

Deutschland und die EU sollten darauf achten, sich durch neue Lieferbeziehungen mit autoritären Staaten nicht abermals verwundbar zu machen.

Aus diesen Gründen bieten sich strategische Rohstoffpartnerschaften mit Saudi-Arabien und den VAE nicht an. Doch angesichts deren zunehmender Bedeu­tung auf den einschlägigen internationalen Märkten ist es ratsam, Formate für Dialog und punktuelle Ko­operation mit ihnen aufzubauen wie auch ihre Ein­bindung in internationale Foren voranzutreiben. Deutschland und die EU sollten gerade bei – beste­henden oder potentiellen – Partnerschaften mit autoritären Staaten kritisch hinterfragen, inwiefern sie sich durch engere Lieferbeziehungen bei mine­ralischen Rohstoffen verwundbar machen, sei es wirt­schaftlich oder außenpolitisch. Gleichzeitig gilt es zu prüfen, welche Hebel das jeweilige Engagement bie­tet, um Einfluss auf Fragen von Transparenz sowie die Wahrung von Standards zu nehmen.

Kooperationen mit strukturschwachen Staaten

Neben Newcomern wie den Golfstaaten gibt es auch eine Reihe strukturschwächerer Länder – oftmals, aber eben auch nicht immer mit autoritären Tenden­zen –, die als Produzenten strategischer Rohstoffe von zentraler Bedeutung für den internationalen Markt sind. Ein prominentes Beispiel ist die Demokratische Republik Kongo (DRK), die über 80 Prozent des weltweit gehandelten Kobalts liefert und mit der die EU bereits eine strategische Partnerschaft unterhält. Auch Länder wie Namibia, Sambia und Usbekistan gehören dazu. Diesen Staaten fehlt es meist an Finanz­kraft, weshalb sie nach Partnern für Bergbauprojekte suchen, mit denen sie auch ihre lokale Wertschöpfung stärken können.5

Die EU und Deutschland sollten auch nach außen klar formulieren, dass sie verlässliche Zulieferer möch­ten, die Normen in Umwelt- und Menschenrechts­belangen beachten. In vielen Partnerländern leidet das Risikomanagement im Bergbausektor unter man­gelhafter Regierungsführung oder fehlenden staat­lichen Kapazitäten. Auch bei der Lieferkettentransparenz bestehen oft Defizite. Der jeweiligen Koopera­tion sollte durchaus der politische Wille zugrunde liegen, Standards zu setzen und einzuhalten. Gleich­zeitig müssen Deutschland und die EU die Partnerstaaten in diesen Prozessen aktiv unterstützen und die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen.

Zudem müssen Deutschland und die EU dringend mehr europäische Unternehmen für Projekte und Investitionen im Bergbau- und im Weiterverarbeitungssektor dieser Länder gewinnen. Einerseits gibt es hohe europäische Nachhaltigkeitsanforderungen, andererseits nur eine geringe Beteiligung euro­päischer Firmen vor Ort. Beides zusammen bewirkt, dass die EU häufig als ein Akteur wahrgenommen wird, der vor allem normativ agiert, ohne die wirt­schaftlichen Interessen der Partner zu bedienen. Die EU und Deutschland müssen innovativer werden, um Unternehmen zur Partizipation an Rohstoffpartnerschaften zu motivieren. Konkret könnte sich Deutsch­land im Rahmen der EU für den Ausbau europäischer Konsortien in diesem Sektor einsetzen. Dabei ließen sich Angebotspakete schnüren, die zum einen von Partnerseite gewünscht sind und zum anderen die Kooperation zwischen europäischen Unternehmen fördern sowie Risiken streuen. Ein strukturierter Dia­log der Bundesregierung mit Firmen und Verbänden könnte die Potentiale solcher Kooperationen ausloten. Eine direkte unternehmerische Beteiligung vor Ort ermöglicht zudem eine bessere Überprüfung von Standards und eine gezieltere Abstimmung technischer Zusammenarbeit.

Der Umgang mit China

Zudem bleibt die Frage, wie Deutschland und die EU mit China verfahren sollen. Ein Verzicht auf Rohstoff­importe aus der Volksrepublik ist kurz- bis mittelfristig weder möglich noch sinnvoll.6 Europäische Fir­men können ihre Abhängigkeit von dem Land nur sukzessive verringern, weil neue Rohstoffprojekte lange Entwicklungszeiten haben. Die EU muss daher eine Strategie entwickeln, die es ermöglicht, im Wett­bewerb mit China um Rohstoffe und Zukunftsindus­trien zu bestehen, während Räume für punktuelle Zusammenarbeit offen bleiben. Verglichen mit den USA agieren Deutschland und die EU im Verhältnis zu Peking diplomatisch bisher weniger restriktiv. Doch hat sich die Haltung der Europäischen Kommission gegenüber China unter Ursula von der Leyen verschärft, zuletzt etwa durch die Einführung von Importzöllen auf chinesische E-Autos. Trotz Uneinigkeit unter den EU-Mitgliedstaaten – Deutschland hatte sich bis zuletzt gegen Zölle ausgesprochen – ist die EU zunehmend bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre industrielle Basis und ihr geistiges Eigentum zu schützen.

Während chinesische Unternehmen in der EU frü­her eher auf Zusammenführung oder Übernahme von Firmen abzielten, entfiel hier 2022 und 2023 der Großteil der chinesischen Direktinvestitionen auf Greenfield-Investitionen,7 also den Aufbau gänzlich neuer Projekte und Unternehmen, vor allem im Be­reich der Weiterverarbeitung von Rohstoffen in der Batterielieferkette.8 Die EU und Deutschland sollten deshalb auch staatliche chinesische Investitionen in Vorhaben entlang der Rohstoff- und der nachgelagerten Lieferketten kritischer auf nationale Sicherheitsinteressen hin prüfen und im Zweifelsfall blockieren. Im Falle Deutschlands ist zu empfehlen, dass Inves­titionsprüfungen gemäß Außenwirtschaftsgesetz (AWG) künftig nicht nur bei Übernahmen, sondern auch bei Neuinvestitionen möglich sind. Zudem sollte verhindert werden, dass China durch gezielte Auf­käufe und Partnerschaften weitere Kontrolle über europäische Lieferketten erlangt und die europäische Forschung und Entwicklung im Bereich Rohstofftechnologien ausnutzt.

Deutschland und die EU sollten Chinas Investitionen in Projekte entlang Rohstofflieferketten kritischer auf ihre Sicherheitsinteressen hin prüfen.

Eine punktuelle Zusammenarbeit mit China im Rohstoffsektor bleibt dennoch unverzichtbar, etwa wenn es darum geht, Produktions- und Nachhaltigkeitsstandards in den Lieferketten des Bereichs zu etablieren. Auch weil chinesische Firmen häufig wegen Menschenrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung und Intransparenz in der Kritik stehen, arbeitet Peking inzwischen an nationalen und inter­nationalen Nachhaltigkeitsstandards. So kooperieren die China Chamber of Commerce of Metals, Minerals and Chemicals Importers & Exporters (CCCMC) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seit 2015 auf diesem Feld. Im Sommer 2024 verkündete das chinesische Finanz­ministerium, bis 2030 ein »einheitliches nationales Regulierungssystem« im Bereich Nachhaltigkeit auf­bauen zu wollen. Zudem beteiligen sich chinesische Firmen an der Initiative for Responsible Mining As­surance (IRMA), die derzeit den umfassendsten Nach­haltigkeitsstandard im Sektor setzt. Allerdings führen chinesische Bergbauunternehmen in dem Land ledig­lich Eigenevaluierungen durch; Prüfungen durch unabhängige Drittparteien gibt es bislang nicht.

Hier zeigen sich die Grenzen von Chinas Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit im Rohstoffsektor. Während es durchaus positive Entwicklungen in den Bereichen Umwelt, Klima und Korruptionsbekämpfung gibt, bestehen weiterhin erhebliche Mängel bei Arbeits- und Menschenrechten sowie in der Trans­parenz chinesischer Lieferketten.9 Angesichts der engen Verbindungen chinesischer Rohstoffunternehmen zur Regierung in Peking und der erheblichen Dis­krepanzen bei Transparenz- und Nachhaltigkeits­standards sollten es Deutschland und die EU ausschlie­ßen, öffentlich finanzierte Rohstoffprojekte mit chi­nesischen Akteuren zu verfolgen. Gleichzeitig sollte die EU die wachsende Offenheit der Volksrepublik für (ökologische) Nachhaltigkeit in globalen Rohstoff­lieferketten nutzen. Trotz – oder gerade wegen – der steigenden geo- und handelspolitischen Spannungen gilt es Kommunikationskanäle und Arbeitsformate mit China aufrechtzuerhalten, mit denen sich ent­sprechende Standards weiterentwickeln lassen.

Politikempfehlungen

Der steigende Bedarf an kritischen Rohstoffen zwingt die EU und Deutschland dazu, sich mit Partnerschaften breiter aufzustellen. Der Critical Raw Materials Act gibt eine strategische Richtung zur Diversifizierung vor; diese zu erreichen ist angesichts des stark konzentrierten Rohstoffmarktes aber anspruchsvoll. Versorgungssicherheit und nachhaltige Gestaltung mineralischer Rohstofflieferketten müssen daher auch in Wahlkampfzeiten und über Parteigrenzen hinweg ein zentrales Thema bleiben.

Kooperationen mit gleichgesinnten Staaten sind dabei ein wichtiger Baustein; sie allein reichen jedoch nicht aus, um eine resiliente Versorgung zu gewährleisten. Ein Grund dafür ist, dass Deutschland und die EU nicht nur mit China, sondern auch mit anderen Industrieländern und aufstrebenden Rohstoffakteuren im Wettbewerb stehen – sowohl beim Zugang zu kritischen Rohstoffen als auch bei der Frage, wo sich die nachgelagerten Industrien ansiedeln. Dies ist auch mit Blick auf die USA wichtig, denn von der künftigen Administration unter Trump ist ein verstärkt uni­laterales und protektionistisches Vorgehen zu erwar­ten. Dabei dürfte sie den Ausbau des Rohstoff- und Batteriesektors im eigenen Land priorisieren und mit der EU abgestimmte Projekte hintanstellen. Die Bun­desregierung muss sich deshalb gegenüber der EU-Kommission dafür einsetzen, Strategien für den Um­gang auch mit schwierigen Partnern wie systemischen Rivalen zu entwickeln und konsequent zu verwirk­lichen. Kooperationsformate sollten auf die jeweiligen Länderkontexte abgestimmt werden, damit sich über eine gezielte punktuelle Zusammenarbeit auch die Nachhaltigkeitsziele der EU besser erreichen lassen.

Angesichts der hohen Abhängigkeit von Rohstoff­importen aus China muss eine (partielle) Abkopplung von dem Land schrittweise erfolgen. Die sichere Ver­sorgung mit kritischen Rohstoffen ist nicht nur un­abdingbar für Europas Industrie und Wirtschaft; sie ist auch Grundvoraussetzung für das Gelingen der grünen und digitalen Transformation. Dennoch muss die Bundesregierung der deutschen Industrie gegen­über deutlich machen, dass der aktuelle Trend hin zu Rekordinvestitionen in China nicht im Sinne der eigenen Resilienz ist. Auf EU-Ebene sollte die Bundes­regierung darauf hinarbeiten, dass die europäische China-Politik weniger von der konfrontativen Hal­tung westlicher Partner wie den USA geprägt wird, sondern langfristige Konsequenzen für die hiesige Wirtschaft und die Klimatransformation berücksichtigt. Dabei sollten bestehende Kommunikationskanäle nach Peking genutzt werden, um gemeinsam an Transparenz- und Nachhaltigkeitsstandards zu arbei­ten, statt ein geopolitisch motiviertes »race to the bottom« zu befördern. Ähnliches Engagement ist auch gegenüber neuen Akteuren wie den Golfstaaten erforderlich. Deutschland und die EU sollten deren Inklusion in internationale Formate wie die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) unterstützen. Dies würde dazu beitragen, internationale Standards zu etablieren und deren Umsetzung zu überwachen.

Das Jahr 2025 muss genutzt werden, um die Umsetzung der EU-Rohstoffpartnerschaften voranzutreiben. Insbesondere im Falle strukturschwächerer Staa­ten muss es besser gelingen, Industrieprojekte mit europäischer Beteiligung zu verwirklichen und so die Transparenz und Nachhaltigkeit in den Lieferketten zu steigern. Dazu bedarf es einer vertieften Diskus­sion über unterstützende Instrumente zur Finanzierung risiko- und kapitalintensiver Rohstoffvorhaben im Ausland; zugleich sind Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit stärker mit­einander zu verzahnen. Hierzu gehört auch, tech­nische und finanzielle Kooperationen im Rohstoff­sektor auszubauen; dies würde sowohl den Interessen mineralstoffreicher Partnerländer entsprechen als auch der Unterstützung und Begleitung privater Unternehmen in diesen Ländern dienen.

Der deutsche Rohstofffonds ist ein wichtiger Bau­stein zur Umsetzung der deutschen wie auch euro­päischen Rohstoffstrategie und sollte von einer neuen Bundesregierung weiter intensiv unterstützt werden. Die ersten Projekte, die im Rahmen des Fonds aus­gewählt und realisiert werden, dürften richtungs­weisend sein. Angesichts der langen Umsetzungs­dauer entsprechender Planungen ist es entscheidend, politischen Rückhalt für die deutsche Rohstoffpolitik über künftige Legislaturperioden hinweg zu sichern.

Anhang

Abkürzungen

AWG

Außenwirtschaftsgesetz

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BMZ

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

BRICS

Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika

CCCMC

China Chamber of Commerce of Metals, Minerals and Chemicals Importers & Exporters

CEO

Chief Executive Officer

COVAX

COVID 19 Vaccines Global Access

CPAC

Conservative Political Action Conference

CRMA

Critical Raw Materials Act (EU)

CRRF

Comprehensive Refugee Response Framework

DCFTA

Deep and Comprehensive Free Trade Agree­ment (Vertieftes und Umfassendes Freihandels­abkommen)

DIW

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin)

DRK

Demokratische Republik Kongo

EITI

Extractive Industries Transparency Initiative

EU

Europäische Union

EUV

EU-Vertrag

FBI

Federal Bureau of Investigation

G7

Gruppe der Sieben (die sieben führenden westlichen Industriestaaten)

G20

Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer

G77

Gruppe von anfänglich 77 Staaten aus dem Globalen Süden in den Vereinten Nationen

GCR

Global Compact on Refugees (Globaler Pakt für Flüchtlinge)

GEAS

Gemeinsames Europäisches Asylsystem

GIZ

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH

IDOS

German Institute of Development and Sustainability (Bonn)

IfW

Institut für Weltwirtschaft (Kiel)

IGH

Internationaler Gerichtshof

IRMA

Initiative for Responsible Mining Assurance

IStGH

Internationaler Strafgerichtshof

LGBTQIA+

lesbian, gay, bisexual, transgender/transsexual, queer/questioning, intersex, asexual

Mercosur

Mercado Común del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens)

MFR

mehrjähriger Finanzrahmen

MSP

Minerals Security Partnership

Nato

North Atlantic Treaty Organization

NRO

Nichtregierungsorganisation

NSATU

NATO Security Assistance and Training for Ukraine

OAS

Organization of American States (Organisation Amerikanischer Staaten)

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)

OPGA

Office of the President of the United Nations General Assembly

P5

Permanent Five (die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats)

PBC

Peacebuilding Commission (Kommission für Friedenskonsolidierung)

PGA

President of the United Nations General Assembly

PiS

Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtig­keit; Partei; Polen)

PKM

Peacekeeping Ministerial

3RP

Regional Refugee & Resilience Plan

RIGI

Régimen de Incentivo para Grandes Inversio­nes (Programm zur Förderung von Großinves­ti­tionen; Argentinien)

RN

Rassemblement National

SOUTHCOM

U.S. Southern Command

UN

United Nations

UNDP

United Nations Development Programme (UN‑Entwicklungsprogramm)

UNESCO

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

UNGA

United Nations General Assembly (UN‑Generalversammlung)

UNHCR

United Nations High Commissioner for Refugees (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen)

UNIFIL

United Nations Interim Force in Lebanon (UN‑Beobachter- und Unterstützungsmission im Libanon)

VAE

Vereinigte Arabische Emirate

WTO

World Trade Organization (Welthandelsorganisation)

Die Autorinnen und Autoren

Dr. Marianne Beisheim

Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen; Ko-Leiterin der Themenlinie »Koope­ration im Kontext systemischer Rivalität«

Dr. Nadine Biehler

Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Glo­bale Fragen; Mitarbeiterin im Projekt »Strategische Flucht- und Migrationspolitik«

Dr. Raphael Bossong

Stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe EU / Europa; Forschungscluster Cybersicherheit und Digitalpolitik

Inga Carry

Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten

Dr. Hanns Günther Hilpert

Senior Fellow in der Forschungsgruppe Asien; Ko-Leiter der Themenlinie »Wirtschaftliche und technologische Transformationen«

Dr. Ronja Kempin

Senior Fellow in der Forschungsgruppe EU / Europa;
Ko-Leiterin der Themenlinie »Neugestaltung der euro­päischen Sicherheitsordnung«

Dr. Anne Koch

Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen; Leiterin des Projekts »Strategische Flucht- und Migrationspolitik«

Dr. Barbara Lippert

Forschungsdirektorin der SWP

Dr. Sascha Lohmann

Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika; Ko-Leiter der Themenlinie »Wirtschaftliche und technologische Transformationen«

Dr. Stefan Mair

Direktor der SWP

Prof. Dr. Hanns W. Maull

Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika

Dr. Melanie Müller

Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten; Ko-Leiterin der Themenlinie »Kooperation im Kontext systemischer Rivalität«

Dr. Marco Overhaus

Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika

Meike Schulze

Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten

Dr. Susan Stewart

Senior Fellow in der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien; Ko-Leiterin der Themenlinie »Neu­gestal­tung der europäischen Sicherheitsordnung«

Dr. Johannes Thimm

Stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika; Forschungscluster Cybersicherheit und Digitalpolitik

Dr. Paweł Tokarski

Wissenschaftler in der Forschungsgruppe EU / Europa

Dr. Judith Vorrath

Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Sicher­heitspolitik

Dr. Claudia Zilla

Senior Fellow in der Forschungsgruppe Amerika

Endnoten

1

Bundesministerium des Innern und für Heimat, »Rechtsextremismus«, <https://www.bmi.bund.de/DE/themen/ sicherheit/extremismus/rechtsextremismus/rechtsextremis mus-node.html> (Zugriff am 26.11.2024).

2

 Governo Italiano, Presidenza del Consiglio dei Ministri, »Intervento del Presidente Meloni all’incontro ›La Costitu­zione di tutti. Dialogo sul premierato‹«, 8.5.2024, <https:// www.governo.it/it/articolo/intervento-del-presidente-meloni-allincontro-la-costituzione-di-tutti-dialogo-sul> (Zugriff am 26.11.2024).

3

 Governo Italiano, Presidenza del Consiglio dei Ministri, »Comunicato stampa del Consiglio dei Ministri n. 57«, Pressemitteilung, 3.11.2023, <https://www.governo.it/it/ articolo/comunicato-stampa-del-consiglio-dei-ministri-n-57/24163> (Zugriff am 26.11.2024).

4

 Elena Giordano, »›A Dangerous New Phase‹: Under Meloni, Concerns for Press Freedom in Italy Mount«, in: Politico, 7.8.2024, <https://www.politico.eu/article/giorgia-meloni-italy-press-journalists-watchdog-media-eu-politics-rule-of-law-report/> (Zugriff am 9.12.2024).

5

 Angela Giuffrida, »Italian Government Accused of Exert­ing ›Ruthless‹ Influence at State Broadcaster«, in: The Guardian, 23.5.2023.

6

 Amy Kazmin, »Italian Anti-fascist Author Accuses Giorgia Meloni of Censorship after TV Appearance Is Cancelled«, in: Financial Times, 22.4.2024.

7

Osservatorio Balcani e Caucaso Transeuropa / European Federation of Journalists / European Centre for Press and Media Freedom (Hg.), Silencing the Forth Estate: Italy’s Democratic Drift, Media Freedom Rapid Response, Juli 2024 (Mission Report), <https://ipi.media/publications/media-freedom-mission-report-italy-democratic-drift/> (Zugriff am 20.10.2024).

8

 Giulio Vigevani et al., Monitoring Media Pluralism in the Digital Era. Application of the Media Pluralism Monitor in the Euro­pean Member States and Candidate Countries in 2023, Country Report Italy, Florenz: European University Institute, Juni 2024, S. 40, <https://cadmus.eui.eu/bitstream/handle/1814/ 77006/Italy_EN_mpm_2024_cmpf%20%282%29.pdf> (Zugriff am 20.10.2024).

9

 Allan Kaval, »Italy’s Giorgia Meloni Cultivates Her Rela­tionship with Elon Musk«, in: Le Monde, 5.11.2024, <https:// www.lemonde.fr/en/international/article/2024/11/05/italy-s-giorgia-meloni-cultivates-her-relationship-with-elon-musk_ 6731691_4.html> (Zugriff am 2.12.2024).

10

 Europäische Kommission, 2024 Rule of Law Report. Country Chapter on the Rule of Law Situation in Italy, Commission Staff Working Document, SWD(2024) 812 final, Brüssel, 24.7.2024.

11

 Manuela Perrone, »Albania, tribunale Roma rinvia alla Corte Ue e sospende il trattenimento dei migranti: rientreranno in Italia«, in: Il Sole 24 Ore, 11.11.2024.

12

 Der RN stellt den Vizepräsidenten in den Ausschüssen »Kulturelle Angelegenheiten und Bildung«, »Soziales«, »Natio­nale Verteidigung und Streitkräfte«, »Nachhaltige Entwicklung und Entwicklung des ländlichen Raums«, »Finanzen« und »Recht«. Siehe dazu die Internetseite der National­versammlung: <https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/ commissions-et-autres-organes> (Zugriff am 29.11.2024).

13

 Clément Guillou, »Budget 2025: le RN propose des coupes drastiques, au détriment de l’environnement, des collectivités et des missions de l’Etat«, in: Le Monde, 17.10.2024, <https://www.lemonde.fr/politique/article/2024/10/17/budget-2025-le-rn-propose-des-coupes-drastiques-au-detriment-de-l-environnement-des-collectivites-et-des-missions-de-l-etat_ 6353944_823448.html> (Zugriff am 2.12.2024).

14

 Lisa Boudoussier, »Européennes 2024: que disent les programmes sur les institutions et l’élargissement de l’UE?«, in: Libération, 1.6.2024, <https://www.liberation.fr/politique/ europeennes-2024-que-disent-les-programmes-sur-les-institu tions-et-lelargissement-de-lue-20240601_UZPR5PWAIVEY NDQZ4IMANMZKOA/> (Zugriff am 29.11.2024).

15

 Ursula von der Leyen, Mission Letter to Piotr Serafin, Commissioner-designate for Budget, Anti-Fraud and Public Administration, Brüssel: Europäische Kommission, 17.9.2024.

16

 Zselyke Csaky, The EU and the Rule of Law: Much Movement, Little Change, London/Brüssel/Berlin: Centre for European Reform, 7.10.2024, <https://www.cer.eu/insights/eu-and-rule-law-much-movement-little-change>; Europäischer Rechnungshof, Die Berichterstattung der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit, Luxemburg 2024 (Analyse 02/2024), S. 16, <https://www.eca.europa.eu/de/publications/RV-2024-02> (Zugriff jeweils am 2.12.2024).

1

 Johannes Thimm, Vom Ausnahmezustand zum Normal­zustand. Die USA im Kampf gegen den Terrorismus, Berlin: Stif­tung Wissenschaft und Politik, August 2018 (SWP-Studie 16/2018), <https://www.swp-berlin.org/publikation/vom-ausnahmezustand-zum-normalzustand> (Zugriff am 3.12.2024).

2

 The White House, »Remarks by President Trump at Turning Point USA’s Teen Student Action Summit 2019«, 23.7.2019, <https://trumpwhitehouse.archives.gov/briefings-statements/remarks-president-trump-turning-point-usas-teen-student-action-summit-2019/> (Zugriff am 28.11.2024). In Artikel 2 der Verfassung sind die Kompetenzen des Präsi­den­ten aufgeführt. Dass dieser tun kann, was er will, entspricht nicht der vorherrschenden Rechtsauffassung.

3

 Steven Levitsky / Daniel Ziblatt, How Democracies Die. What History Reveals about Our Future, London et al.: Penguin Books, 2019, S. 128–133.

4

 Ebd., S. 20–26. Levitsky und Ziblatt berufen sich auf Juan J. Linz, The Breakdown of Democratic Regimes. Crisis, Break­down, and Reequilibration, Baltimore, MD / London: Johns Hopkins University Press, 1978.

5

 Ausführlicher zur ersten Amtszeit vgl. Johannes Thimm, »Zwei Seiten einer Medaille: Wie Trump die Demokratie unterminierte und die internationale Ordnung schwächte«, in: Johannes Artz / Hakan Akbulut (Hg.), Weltordnung und Weltordnungspolitik der USA von Trump zu Biden, Wiesbaden: Springer VS, 2023, S. 17–40.

6

 Esper zitiert Trump mit den Worten: »Can’t you just shoot them? Just shoot them in the legs or something?« Mark T. Esper, A Sacred Oath. Memoirs of a Secretary of Defense during Extraordinary Times, New York, NY: William Morrow (Harper Collins Publishers), 2022, S. 1.

7

 Josh Dawsey et al., »Trump Told Donors He Will Crush Pro-Palestinian Protests, Deport Demonstrators«, in: The Washington Post (online), 27.5.2024, <https://www.washington post.com/politics/2024/05/27/trump-israel-gaza-policy-donors/> (Zugriff am 21.11.2024); Michelle L. Price, »A Second Trump Administration Will ›Come after‹ People in the Media in the Courts, an Ally Says«, AP News (online), 6.12.2023, <https:// apnews.com/article/trump-2024-second-term-pros ecute-media-b892fd6f3ce721016eb1176e82aa51c3> (Zugriff am 21.11.2024).

8

Vgl. Alexander Cooley / Daniel H. Nexon, Exit from Hegemony. The Unraveling of the American Global Order, New York, NY: Ox­ford University Press, 2020, S. 15.

9

 Vgl. Thomas Risse-Kappen, Cooperation among Democracies. The European Influence on U.S. Foreign Policy, Princeton, NJ: Princeton University Press, 1995.

1

 Claudia Zilla, Ideologie und Politik bei Javier Milei. Libertärer Populismus in Argentinien, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2024 (SWP-Aktuell 43/2024), doi: 10.18449/ 2024A43.

2

 Ihr Nachfolger wurde Gerardo Werthein, der bis dato argentinischer Botschafter in den USA war.

3

 Oficina del Presidente, »El Presidente Javier Milei junto a Laura Richardson en Ushuaia«, 5.4.2024, <http://www. youtube.com/watch?v=dryXcK19rpk> (Zugriff am 7.10.2024). Übersetzung ins Deutsche durch die Autorin.

4

 Siehe hierzu zum Beispiel seine Reden im Januar 2024 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, <https://bit.ly/ 4etUQ9D>, und im September 2024 auf der UN-General­versammlung in New York, <https://bit.ly/4dx6Gyy> (Zugriff jeweils am 7.10.2024).

5

 Siehe Mitteilung von Diana Mondino auf X, <https:// x.com/DianaMondino/status/1838019416610537522> (Zugriff am 7.10.2024).

6

 Der Begriff des Okzidentalismus wird hier in Anlehnung an die Arbeiten von Fernando Coronil verwendet.

1

 Alyona Getmanchuk et al., Priorities and Expectations from Ukraine and Germany: How to Make Bilateral Relations More Sus­tainable, New Europe Center / Institut für Europäische Politik, 2020, <https://bit.ly/4gpxiTL> (Zugriff am 7.12.2024).

2

 Jörn Grävingholt et al., Wiederaufbau in der Ukraine: Was die internationale Gemeinschaft jetzt beachten muss, Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), 2023 (Policy Brief 2/2023), doi: 10.23661/ipb2.2023.

3

 Die Bundesregierung, »So unterstützt Deutschland ukrainische Geflüchtete«, Berlin, 22.2.2024, <https://www. bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/unterstuetzung-gefluechtete-ukraine-2167006> (Zugriff am 7.12.2024).

4

 Zum Begriff »strategische Partnerschaft« bezogen auf Russland siehe Hannes Adomeit, »Russland und der Westen: Von ›strategischer Partnerschaft‹ zur strategischen Gegnerschaft«, in: SIRIUS – Zeitschrift für strategische Analysen, 5 (3.6.2021) 2, S. 107–124, doi: 10.1515/sirius-2021-2002.

5

 Die Bundesregierung, »Diese Waffen und militärische Ausrüstung liefert Deutschland an die Ukraine«, Berlin, 20.11.2024, <https://www.bundesregierung.de/breg-de/ aktuelles/lieferungen-ukraine-2054514> (Zugriff am 7.12.2024).

6

 Vereinbarung über Sicherheitszusammenarbeit und langfristige Unterstützung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine, Berlin, 16.2.2024, <https://www.bundeskanzler.de/ resource/blob/1832584/2260264/8efa1868839ede7609437b341d75c3c5/2024-02-16-ukraine-sicherheitsvereinbarung-deu-data.pdf?download=1> (Zugriff am 7.12.2024).

7

 Siehe insbesondere die folgenden Dokumente: Director­ate-General for Neighbourhood and Enlargement Negotia­tions, Ukraine Report 2023, Brüssel, 8.11.2023, <https:// neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/ukraine-report-2023_en> (Zugriff am 7.12.2024); European Commission, Commission Staff Working Document: Ukraine 2024 Report, Brüssel, 30.10.2024, <https://neighbourhood-enlargement. ec.europa.eu/document/download/1924a044-b30f-48a2-99c1-50edeac14da1_en?filename=Ukraine%20Report%202024.pdf> (Zugriff am 7.12.2024).

8

 Andrea Januta, »We believe that in 5 years, Ukraine’s defense sector will attract half a billion dollars:‹ Q&A with foreign defense investors«, in: The Kyiv Independent, 9.10.2024, <https://kyivindependent.com/we-believe-that-in-5-years-ukraines-defense-sector-will-attract-half-a-billion-dollars-q-a-with-foreign-defense-investors/> (Zugriff am 11.12.2024).

9

 Mehr Informationen zur Geberplattform sind auf deren Webseite zu finden: <https://ukrainedonorplatform.com/> (Zugriff am 7.12.2024).

10

 Bundesministerium der Verteidigung, »Koordinierte Unterstützung für die Ukraine: Pistorius bei NSATU [NATO Security Assistance and Training for Ukraine] in Wiesbaden«, 14.10.2024, <https://www.bmvg.de/de/aktuelles/unter stuetzung-ukraine-pistorius-bei-nsatu-wiesbaden-5847590> (Zugriff am 11.12.2024).

11

 Etliche andere Staaten haben sich der Initiative an­geschlossen. Mittlerweile gibt es 28 bilaterale Sicherheits­vereinbarungen mit der Ukraine (einschließlich jener mit der EU), die unter dem Schirm des sogenannten »Ukraine-Compact« gebündelt sind. Siehe »Security Agreements Ukraine Has Signed with 27 Countries Include Support for Joining NATO«, Espreso, 6.12.2024, <https://global.espreso.tv/ world-about-ukraine-security-agreements-ukraine-has-signed-with-27-countries-include-support-for-joining-nato> (Zu­griff am 7.12.2024). Zum »Ukraine-Compact« siehe Die Bun­des­regierung, »Ukraine-Compact«, Pressemitteilung 171, 12.7.2024, <https://www.bundesregierung.de/breg-de/ aktuelles/ukraine-compact-2298664> (Zugriff am 7.12.2024).

12

 »Bundeswehr in Litauen: In großen Schritten zur deutschen Kampfbrigade«, Bonn: Bundesministerium der Verteidigung, o.D., <https://www.bundeswehr.de/de/ aktuelles/meldungen/bundeswehr-litauen-grosse-schritte-deutsche-kampfbrigade> (Zugriff am 7.12.2024).

13

 Siehe zum Beispiel Aleksandra Krzysztoszek, »Poland Gears Up for EU Leader Role after Trump Win, Instability in Europe«, Euractiv, 11.11.2024, <https://www.euractiv.com/ section/politics/news/poland-gears-up-for-eu-leader-role-after-trump-win-instability-in-europe/> (Zugriff am 7.12.2024); Anna Wieslander, »How the Nordic-Baltic States Are Leading the Way on European Security«, Washington, D.C.: Atlantic Council, 4.12.2024, <https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ new-atlanticist/how-the-nordic-baltic-states-are-leading-the-way-on-european-security/> (Zugriff am 7.12.2024).

14

 Für regelmäßig aktualisierte Daten zu Regierungshilfen an die Ukraine siehe den »Ukraine Support Tracker« des IfW, <https://www.ifw-kiel.de/de/themendossiers/krieg-gegen-die-ukraine/ukraine-support-tracker/> (Zugriff am 7.12.2024).

15

 Siehe hierzu Mykhailo Soldatenko, »Getting Ukraine’s Security Agreements Right«, Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, 8.7.2024, <https:// carnegieendowment.org/research/2024/07/getting-ukraines-security-agreements-right?lang=en> (Zugriff am 7.12. 2024).

*

 Nadine Biehler und Dr. Anne Koch sind tätig in dem vom Bundes­ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekt »Strategische Flucht- und Migrationspolitik« an der Stiftung Wissenschaft und Politik.

1

Schematisch unterscheiden lassen sich die von Flucht­zuwanderung besonders betroffenen Mittelmeeranrainer, die nord- und westeuropäischen Staaten als Zielländer inner­europäischer Sekundärwanderungen und die grundsätzlich migrationsskeptischen osteuropäischen Staaten.

1

 Darunter verstehen wir Länder aus den geografischen Regionen Afrika, Lateinamerika / Karibik und Asien. Im Kern handelt es sich um die G77-Staaten ohne China, das aufgrund seines Aufstiegs als Großmacht nicht mehr unter diese Kategorie fällt.

2

 »Cyril Ramaphosa Says the World Must End Vaccine Apart­heid«, in: The Economist (online), 8.11.2021, <https:// www.economist.com/the-world-ahead/2021/11/08/cyril-ramaphosa-says-the-world-must-end-vaccine-apartheid> (Zugriff am 17.10.2024).

3

 Denis M. Tull / Claudia Zilla, »Den Worten Taten folgen lassen: Außenpolitik gegenüber Afrika und Lateinamerika«, in: Günther Maihold et al. (Hg.), Deutsche Außenpolitik im Wan­del. Unstete Bedingungen, neue Impulse, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2021 (SWP-Studie 15/2021), S. 53–56, doi: 10.18449/2021S15.

4

 Michael Bayerlein / Pedro A. Villarreal, »Strategische Bedeutung mittlerer Mächte im Gesundheitsbereich«, in: Barbara Lippert / Stefan Mair (Hg.), Mittlere Mächte – einfluss­reiche Akteure in der internationalen Politik, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Januar 2024 (SWP-Studie 1/2024), S. 87–90 (88), doi: 10.18449/2024S01.

5

 Gabriel Zucman, A Blueprint for a Coordinated Minimum Effective Taxation Standard for Ultra-high-net-worth Individuals, Juni 2024, <https://gabriel-zucman.eu/files/report-g20.pdf> (Zugriff am 17.10.2024). Für Deutschland wurden Studien zu dieser Thematik unter anderem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und dem Netzwerk Steuer­gerechtigkeit verfasst.

6

 G20 Rio de Janeiro Leader Declaration, November 2024, <https://www.consilium.europa.eu/media/l11hh2mb/g20-rio-de-janeiro-leaders-declaration-final.pdf> (Zugriff am 19.11.2024).

7

 »Former Head of ICJ Explains Ruling on Genocide Case against Israel Brought by S Africa«, BBC, 26.4.2024, <https:// www.bbc.com/news/av/world-middle-east-68906919> (Zugriff am 13.11.2024).

8

International Court of Justice, »Application of the Con­vention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide in the Gaza Strip (South Africa v. Israel)«, Presse­mitteilung, 9.10.2024, <https://www.icj-cij.org/sites/default/ files/case-related/192/192-20241009-pre-01-00-en.pdf> (Zugriff am 13.11.2024).

9

 Kai Ambos, »Staatsräson vor Völker(straf)recht?«, Ver­fassungsblog, 19.8.2024, <https://verfassungsblog.de/amicus-curiae-deutschland-istgh-israel/> (Zugriff am 13.11.2024).

10

 Internationaler Strafgerichtshof (IStGH), »Situation in the State of Palestine: ICC Pre-Trial Chamber I Rejects the State of Israel’s Challenges to Jurisdiction and Issues War­rants of Arrest for Benjamin Netanyahu and Yoav Gallant«, Press Release, 21.11.2024, <https://www.icc-cpi.int/news/ situation-state-palestine-icc-pre-trial-chamber-i-rejects-state-israels-challenges> (Zugriff am 24.11.2024).

11

 »Erklärung der Bundesregierung zum Beschluss des Internationalen Strafgerichtshofs«, Pressemitteilung 293, 22.11.2024, <https://www.bundesregierung.de/breg-de/ aktuelles/erklaerung-der-bundesregierung-zum-beschluss-des-internationalen-strafgerichtshofs-2321638> (Zugriff am 24.11.2024).

12

 Jasko Rust / Martina Schwikowski, »Namibia: ›Deutschland lernt nicht aus der Geschichte‹«, Deutsche Welle (online), 22.1.2024, <https://www.dw.com/de/namibia-deutschland-lernt-nicht-aus-der-geschichte/a-68034829> (Zugriff am 13.11.2024).

1

 Weißrussland, Iran, Nicaragua, Nordkorea, Sudan, Syrien.

2

 Darunter China, Pakistan, Saudi-Arabien und Thailand.

3

 Siehe den Argentinien-Beitrag von Claudia Zilla in diesem Band, S. 19ff.

4

 Marianne Beisheim / Lars Brozus, »Vereinte Nationen«, in: Daniel Voelsen (Koord.), Trump II und die Folgen für die inter­nationale Politik, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 3.12.2024 (360 Grad); siehe auch den Beitrag von Marco Overhaus und Johannes Thimm in diesem Band, S. 14ff.

5

 Elise Stefanik, »If the United Nations Continues Its Anti­semitism, the US Must Withdraw Support«, Washington Exam­iner (online), 25.9.2024, <http://www.washingtonexaminer. com/opinion/3165716/if-the-united-nations-continues-its-antisemitism-the-us-must-withdraw-support/> (Zugriff am 28.11.2024).

6

 Zwei UN-Gipfel im Jahr 2025 werden in der Nachfolge zum Pakt gesehen, auf die wir im Folgenden nicht eingehen: Ende Juni wird in Sevilla die vierte internationale Konferenz zur Ent­wicklungsfinanzierung stattfinden, Anfang November der zweite Weltgipfel zu sozialer Entwicklung in Doha, Katar.

7

 El-Ghassim Wane / Paul D. Williams / Ai Kihara-Hunt, The Future of Peacekeeping, New Models, and Related Capabilities. Independent Study Commissioned by the United Nations Department of Peace Operations, United Nations, Oktober 2024, <https:// peacekeeping.un.org/sites/default/files/the_future_of_peacekeeping_new_models_and_related_capabilities_-_nov1.pdf> (Zugriff am 10.12.2024).

8

 Siehe dazu auch Marianne Beisheim / Constantin Knuhr, »Die Generalversammlung als zentraler Netzwerkknoten einer fragmentierten Global Governance«, Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (online), 12.7.2024, <https://dgvn.de/ meldung/debatte-die-generalversammlung-als-zentraler-netzwerkknoten-einer-fragmentierten-global-governance> (Zugriff am 28.11.2024).

9

 Tomas Anker Christensen, President or Paper Tiger? The Role of the President of the General Assembly of the United Nations, Berlin / New York: Friedrich-Ebert-Stiftung, Januar 2018.

10

 Zu den Prozeduren und Praktiken der Veto-Initiative und den »Uniting for Peace«-Sitzungen siehe Erica Gaston / Adam Day, Assembly for Peace. A Digital Handbook on the UN General Assembly’s Past Practice on Peace and Security, New York: Office of the President of the General Assembly, 2024.

11

 Das »How to UNMute Manual« soll demnächst erschei­nen, »UNMute Manual: Reviewing Civil Society Inputs, Best Practices, and Strategies for Inclusive Global Governance«, UNMute Initiative (online), 20.9.2024, <https://unmute initiative.org/unmute-event-summit-of-the-future/> (Zugriff am 28.11.2024); siehe jedoch UN General Assembly, Letter Dated 21 May 2021 from the Permanent Representatives of Costa Rica and Denmark to the United Nations Addressed to the Secretary-General, 21.5.2021, A/75/893.

12

 Siehe dazu auch den Beitrag von Melanie Müller und Claudia Zilla in diesem Band, S. 33ff.

1

 Vgl. die 2023 erfolgte Namensänderung der Abteilung 4 im Auswärtigen Amt in »Geoökonomie und Klimaaußen­politik« oder das im selben Jahr neu eingerichtete Referat I C 5 »Geoökonomie und Sicherheitspolitik« im Bundes­minis­terium der Finanzen.

1

 Milan Grohol / Constanze Veeh, Study on the Critical Raw Materials for the EU 2023 – Final Report, Luxemburg: Publica­tions Office of the European Union, 2023, doi: 10.2873/ 725585.

2

 Meike Schulze, Rohstoffversorgung in Zeiten geoökonomischer Fragmentierung. Die EU muss die außenpolitische Dimension ihrer Rohstoffpolitik stärken, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2024 (SWP-Aktuell 22/2024), doi: 10.18449/ 2024A22.

3

 Meike Schulze / Mark Schrolle, Saudi-Arabien: Aufstrebender Akteur in mineralischen Lieferketten. Kein sicherer Pfeiler für Europas Diversifizierungsstrategie, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2024 (SWP-Aktuell 54/2024), doi: 10.18449/ 2024A54.

4

 Siehe den Beitrag von Hanns Günther Hilpert, Sascha Lohmann und Hanns W. Maull in diesem Band, S. 43ff.

5

 Inga Carry / Melanie Müller / Meike Schulze, Elemente einer nachhaltigen Rohstoffaußenpolitik. Partnerschaften für lokale Wert­schöpfung in mineralischen Lieferketten, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juni 2023 (Arbeitspapier der SWP-For­schungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten, AP Nr. 01).

6

 Inga Carry / Nadine Godehardt / Melanie Müller, Die Zukunft europäisch-chinesischer Rohstofflieferketten. Drei Szenarien für das Jahr 2030 – und was sich daraus ergibt, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2023 (SWP-Aktuell 15/2023), doi: 10.18449/2023A15.

7

 European Commission, EU Trade Relations with China. Facts, Figures and Latest Developments, <https://policy.trade.ec.europa. eu/eu-trade-relationships-country-and-region/countries-and-regions/china_en> (Zugriff am 7.11.2024).

8

 Agatha Kratz / Max J. Zenglein / Alexander Brown / Gregor Sebastian / Armand Meyer, Dwindling Investments Become More Concentrated – Chinese FDI in Europe: 2023 Update. Report by Rhodium Group and MERICS, Berlin: Mercator Institute for China Studies, 6.6.2024, <https://merics.org/en/report/ dwindling-investments-become-more-concentrated-chinese-fdi-europe-2023-update> (Zugriff am 13.11.2024).

9

 Business & Human Rights Resource Centre, Unpacking Clean Energy. Human Rights Impacts of Chinese Overseas Investment in Transition Minerals, Juli 2023, <https://media.business-humanrights.org/media/documents/2023_China_TM_briefing. pdf> (Zugriff am 5.12.2024).

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