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Neue Kräfteverhältnisse auf der 29. Weltklimakonferenz

Die Zukunft der internationalen Klimapolitik nach den US-Wahlen

SWP-Aktuell 2024/A 65, 12.12.2024, 6 Pages

doi:10.18449/2024A65

Research Areas

Auf der 29. Weltklimakonferenz (COP29) vom 11. bis 24. November 2024 wurde deutlich, dass sich die Kräfteverhältnisse in der internationalen Klimapolitik nach den Wahlen in den USA verschieben. China spielte bei den Verhandlungen zu inter­nationaler Klimafinanzierung eine konstruktive Rolle. Vulnerable Länder waren dennoch zu schmerzhaften Kompromissen bei der Klimafinanzierung gezwun­gen. Saudi-Arabien und andere Schwellenländer blockierten den Themenkomplex Emis­sionsminderung stärker denn zuvor. Die Kritik mittlerer Mächte an Klimaschutz­maßnahmen der EU wuchs. Um eine fortschreitende Isolation der EU und negative Implika­tionen für ihre klima- und wett­bewerbspolitische Agenda zu verhin­dern, muss die neue Europäische Kommission ihre klima­diplomatischen Anstrengungen anders ausrichten.

Die 29. Weltklimakonferenz (COP29) fand unter schwierigen Bedingungen in der aser­baidschanischen Haupt­stadt Baku statt. Mit dem neu­en kollektiven Finanzierungsziel (New Col­lective Quantified Goal, NCQG) im Zentrum wurde ein Thema ver­handelt, das wie kaum ein anderes den Grundkonflikt der multi­lateralen Klima­politik zwischen Industrie- und Entwicklungsländern reprä­sentiert. Die Wahl Donald Trumps kurz vor der Konfe­renz trübte die Voraussetzungen für ein ambi­tioniertes Ergebnis weiter, zusätzlich zu geopolitischen Konflikten und Haushalts­krisen in vielen Ländern.

Der dreijährige Verhandlungsprozess zum NCQG, welches das vorherige Ziel von jährlich 100 Milliarden US-Dollar inter­natio­naler Klimafinanzierung an Entwicklungsländer ersetzt, mündete in eine nomi­nelle Verdreifachung auf 300 Milliar­den US-Dollar pro Jahr ab 2035. Neu ist, dass neben Industrieländern – die gemäß dem Pariser Abkommen »die Führung über­nehmen« (Artikel 9) – auch wohlhabende Entwicklungsländer eingeladen sind, auf freiwilliger Basis beizutragen. Ausdrücklich dazu bereiterklärt haben sich Singapur, Südkorea und China. Auch die von multi­lateralen Entwicklungsbanken (Multilateral Development Banks, MDBs) auf Basis von Einzahlungen der Entwicklungsländer geleistete Klimafinanzierung zählt künf­tig zum 300-Milliarden-Ziel. Davon abge­sehen gab es wenig Neuerungen beim Ziel selbst: Eingerechnet werden neben Zu­schüssen weiterhin Kredite und mobilisiertes privates Kapital. Es wurde kein quan­tifizierter privi­legierter Zugang für vulne­rable Staaten und kein Unterziel für »Schä­den und Verluste« festgelegt. Das zusätzlich beschlossene, breiter angelegte Mobilisierungsziel von 1,3 Billionen US-Dollar spie­gelt die tatsäch­lichen Bedarfe (und Forde­rungen) der Ent­wicklungsländer bis 2035 wider. Bis zur nächsten COP soll es durch einen Prozess (Baku to Belém Roadmap to 1.3T) weiter ausdifferenziert werden.

Beim Themenkomplex Emissionsminderung konnte kein Fortschritt erreicht wer­den. Da die aserbaidschanische Präsidentschaft eine Mantelerklärung ablehnte, kon­zentrierten sich die Bemühungen hier auf einzelne Verhandlungsstränge. Tiefe Gräben zwischen Industrieländern und großen Schwellenländern wegen eines Dialogs zur Umsetzung der ersten Globalen Be­stands­aufnahme (Global Stocktake, GST) führten dazu, dass die Verhandlungen im letzten Moment auf die Zwischenkonferenz im Juni 2025 in Bonn vertagt wurden. Weder das Arbeitsprogramm zu Minderung (Miti­gation Work Programme, MWP) noch das Programm zu einem gerechten Über­gang (Just Transition Work Programme, JTWP) konnten weiterentwickelt werden.

Industrieländer und China werteten die Ergebnisse angesichts der weltpolitischen Lage vorsichtig optimistisch als Erfolg für den Multilateralismus. Ärmere und beson­ders vulnerable Entwicklungsländer, die aus Protest zeitweise die Verhandlungen verließen, zeigten sich über Höhe und Qualität des Finanzierungsziels enttäuscht. Indien legte in der chaotischen Endphase der Verhandlungen vehement Einspruch gegen den Kompromiss zum NCQG ein. In der breiteren Öffentlichkeit mehrten sich Stimmen, die den COP-Prozess als Ganzes in Frage stellten.

Abkehr von der chinesisch-amerikanischen Klima-Détente?

Die Trump-Administration wird sich aller Voraussicht nach aus der internationalen Klimapolitik zurückziehen. Für die Ver­handlungen in Baku bedeutete das, dass die USA letztmalig bis frühestens zur COP34 konstruktiv ver­handeln würden. Ins­gesamt erhielt die COP so einen Über­gangscharak­ter. Einige Koope­rationslinien funktionierten weiter, andere gerade weil der Rückzug der USA bevorzustehen scheint. Gleich­zeitig ließen die Akteurskonstellationen bei den Themen fossi­le Brennstoffe und Finan­zierung bereits erkennen, wie sich die Kräfteverhältnisse verändern.

Die Wahl Trumps war (noch) kein Deal-Breaker

Historisch ist die Rolle der USA in der inter­nationalen Klimapolitik ambivalent. Auf der COP29 behielt die Biden-Administration aber die konstruktive Rolle bei, die sie in den Ver­handlungen der letzten Jahre unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) gespielt hatte. Auf der COP27 (2022) gaben die USA ihren langjährigen Widerstand gegen das Thema Schäden und Verluste auf und leis­teten 2024 erstmals einen nennens­werten – wenn auch angesichts ihrer histo­ri­schen Verantwortung geringen – Beitrag von 11 Mil­liarden US-Dollar zur internationalen Klimafinanzierung. Ihr diploma­ti­sches Gewicht war bedeutend für die Eini­gung zur ersten globalen Bestandsaufnahme im ver­gangenen Jahr in Dubai. Im eigenen Land hat die Biden-Regierung mit dem Inflation Reduction Act (IRA) einen robusten Plan zur Treibhausgasminderung geschaffen, der zumindest den Ausbau erneuerbarer Ener­gien auch unter der Trump-Regierung sicherstellen sollte.

Trotz der wachsenden Rivalität zu China blieb Klimapolitik bis auf eine kurze Unter­brechung im Jahr 2022 als zentrales Koope­rationsfeld der USA und China beste­hen. Abmachungen zwischen den Großmächten bildeten die Basis für wichtige Verhandlungserfolge, etwa die Ziele zu erneuer­baren Energien auf der COP28 und Fort­schritte beim Umgang mit dem Treibhausgas Me­than. Während der COP29 ebneten Ab­sprachen zwischen den beiden Ländern zur Geberbasis als Minimalkonsens den Weg zur Einigung auf das NCQG. Klima­kooperation entspannte so nicht nur das bilate­rale Verhältnis insgesamt, sondern schützte auch den UNFCCC-Prozess davor, selbst zur Arena des sino-amerikanischen System­konflikts zu werden.

China auf dem Weg zu einer Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik?

Der wahrscheinliche US-Rückzug eröffnet China die Möglichkeit, seine über die letzte Dekade aufgebaute Dominanz bei grünen Technologien auch in eine narrative Füh­rungsrolle in den multilateralen Klima­verhandlungen zu übersetzen. China, dessen historische Emissionen erstmals die der EU übertroffen haben, bekundete auf der COP29 grundsätzliche Bereitschaft zu mehr Verantwortung und betonte wie­der­holt sein Engagement für den Multilateralismus.

Beim Thema Finanzierung zeigte China Offenheit. Zum ersten Mal charakterisierte es seine Investitionen in erneuerbare Ener­gien in Entwicklungsländern (24,5 Milliar­den US-Dollar seit 2016) nicht als Süd-Süd-Koopera­tion, sondern benutzte die Termi­nologie, die solche Investitionen im UN-Kon­text als Teil internationaler Klimafinanzierung kennzeichnet. Damit signalisierte China, auf freiwilliger Basis als Entwicklungsland Teil der Geberbasis zu werden. Später unterstützte China auch den Kom­promiss, Einzahlungen von Entwicklungsländern in MDBs freiwillig als Teil des NCQG zählen zu lassen – eben jener Punkt, den Indien wäh­rend des turbulenten Endes der Konferenz als Grund für seinen Einspruch angeführt hatte. Auch mit dem Ver­handlungsteam der EU, geleitet von EU-Kommissar Wopke Hoekstra, koordinierte China konstruktiv beim NCQG und schaffte es hier, große Schwellenländer von Blockaden ab­zuhalten – mit Aus­nahme Indiens.

Dennoch darf das chinesische Engagement nicht überschätzt werden: China war zu keinem Zeitpunktunkt bereit, seinen Status als Entwicklungsland in Frage zu stellen und mehr als freiwillige Beiträge – beruhend auf Geldern, die ohnehin flie­ßen – zu leisten. In den Verhandlungen zu Minderung zeigte China nicht den gleichen Willen oder die Fähigkeit, entscheidenden Einfluss auf blockierende Akteure innerhalb der G77 zu nehmen. Nach vorne blickend stellt sich die Frage, zu welchem Grad Chinas Verhalten vom drohenden Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen geprägt war oder Indikator für einen langfristigen Rollenwechsel ist. Der chine­sische nationale Klimaplan (nationally determined contribution, NDC) wird hier im Jahr 2025 erste Hinweise geben.

Erschwerte Bedingungen für progressive Koalitionen

Die Strategie der EU, progressive Koalitionen zur Energiewende zu bilden, wie zu­letzt auf der COP28 in Dubai geschehen, wird ohne die USA erschwert. Hinzu kommt, dass alliierte Entwicklungsländer, die noch in Dubai eng an der Seite der EU standen, vom Ergebnis der COP29 enttäuscht sind. Die kleinen Inselstaaten (Small Island Developing States, SIDS) und die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDCs) waren in Baku zu schmerzhaften Zugeständnissen gezwungen, um den Fortbestand des multi­lateralen Pro­zesses zu sichern. Sie sind die großen Ver­lierer des auf der COP29 erziel­ten Kompromisses zur Klimafinanzierung. Weder die EU noch China konnten die Interessen der SIDS und der LDCs wirksam vertreten, auch wenn sie diese Länder­gruppen gegenüber der Präsidentschaft im Prozess involvierten. In der Folge konnte auch die High Ambition Coalition (HAC) aus progressiven Industrie- und Entwicklungsländern, die den Ver­handlungen früher häufig zum Durchbruch hatte ver­helfen können, ihre Wirkung nicht entfal­ten.

Zwar setzte die »Dubai-Koalition« aus rund 120 Ländern gegen Ende der ersten Konferenzwoche durch, dass Minde­rung überhaupt Teil des COP29-Gesamt­paketes wurde. Doch leisteten die »gleichgesinnten Entwicklungsländer« (Like-Minded Develop­ing Countries, LMDCs) bis zuletzt nicht nur enormen Widerstand gegen Fort­schritte im Bereich Minderung. Gerade Saudi-Arabien setzte alles daran, die GST-Ergebnisse der COP28 zu unterminieren, und verhinderte die erneute Nennung fossiler Brenn­stoffe. Es war nicht möglich, abermals die Dyna­mik zu entfalten, welche Saudi-Arabi­en in den Verhandlungen zum GST 2023 dazu gebracht hatte, die Ab­kehr von fossi­len Brennstoffen zu akzeptieren. Ein Übri­ges tat die Verhandlungsführung der Präsi­dentschaft, beson­ders die fehlende Konsul­tation vul­nerabler Staaten in der Endphase.

Die gestärkte Rolle mittlerer Mächte

Im Kontext sich wandelnder Kräf­teverhält­nisse haben mittlere Mächte des Globalen Südens entscheidende Bedeutung. Das Engagement Brasiliens – das die COP30 in Belém ausrichten wird – sollte nicht dar­über hinwegtäuschen, dass viele mittle­re Mächte ihre gestärkte Position eher für Blockaden denn für die Formierung pro­gressiver Koalitionen nutzen. Mitt­lere Mächte sind in diversen Verhandlungsgruppen (BASIC, LMDCs, OPEC, Arab Group) vertreten. Das erlaubt ihnen, sich themenspezifisch zu positionieren, wobei die Grup­pe der LMDCs sich vor allem in den Ver­handlungen zu Minderung als Blockierer erweist und den Verhandlungsprozess zu­nehmend prägt. Diese Gruppe pocht auf das Prinzip der gemeinsamen, aber diffe­renzierten Verantwortung und jewei­ligen Fähigkeiten (Common but Differentiated Responsibilities and Respective Capabilities, CBDR-RC), unterstreicht die Trennlinie zwischen Industrie- und Entwicklungs­ländern und betont das Prinzip der natio­nalen Selbstbestimmung zugunsten globa­ler Ziele in allen Bereichen. China, die G77 und die LMDCs dürften sich weiterhin ent­schlossen für Fortschritte in den Bereichen Anpassung und Finanzierung einsetzen, während Minderung immer weiter in den Hinter­grund zu rücken droht.

Zudem wächst der Widerstand mittlerer Mächte gegen die EU-Klimapolitik, wodurch die EU immer mehr unter Druck gerät. Der erneute Versuch auf der COP29, das CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Ad­justment Mechanism, CBAM) als klima­schädliche »unilaterale Handelsmaßnahme« auf die Agenda zu setzen, geht auf Minis­te­rialtreffen im Rahmen der BASIC-Gruppe (Brasilien, Südafrika, Indien und China) und der BRICS+ zurück. Die Trump-Admi­nis­tration könnte ebenfalls feindselig auf den CBAM und andere EU-Klima­maßnah­men wie die Methanverordnung reagieren. Das könnte eine fortschreitende Isolation der EU und eine weitere Einschränkung ihrer Handlungs­fähigkeit nach sich ziehen. Auch über die Klimaverhandlungen hinaus wären die Folgen für die EU problematisch: Die klima- und wett­bewerbspolitische Agenda der neuen Euro­päischen Kommis­sion wäre gefährdet und die EU insgesamt außen­politisch geschwächt.

Empfehlungen für die EU-Legislaturperiode 2024–2029

Damit dieses Szenario nicht eintritt, ist eine wirkmächtige EU-Klima­diplomatie unter der neuen Kommission vonnöten. Sie sollte die klima­politische Ambition und die Wett­bewerbsfähigkeit der EU im Bereich grüner Techno­logien zusammen­denken und zu­sammen kommunizieren.

Den European Green Deal diplomatisch begleiten

Um diplomatische Spannungen wegen Maßnahmen wie des CBAM abzumildern, sollte die EU außen­politische Instrumente wie die Global-Gateway-Initiative und die angekündigten Clean Trade and Investment Partnerships (CTIPs) strategischer nutzen. Zwar konnte die EU auf der COP29 aber­mals einen Tagesordnungspunkt »Uni­late­rale Handelsmaßnahmen« verhindern. Bei der COP30 jedoch, die unter brasilia­nischer Präsidentschaft stattfinden soll und bei der die Unterstützung durch die USA fehlen dürfte, muss die EU mit einem noch vehe­menteren Vorstoß rechnen.

Eine Führungsrolle bei der Umsetzung übernehmen

Durch konsequente Implementierung ihrer Klimaziele kann die EU ihre Vorreiterrolle festigen. Dafür sollte sie ein ambi­tio­niertes Ziel für 2040 formulieren und bald ihren national festgelegten Klimabeitrag (NDC) vorlegen. Zurzeit deutet alles darauf hin­, dass Letzteres wegen EU-interner Gründe wie etwa der polnischen Präsidentschaftswahl im Mai erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 der Fall sein wird – zu spät, um den internationalen Prozess zu beein­flussen. Nach der COP29 könnte sich die Gelegenheit für ein koordiniertes Vorgehen mit China ergeben, um Schwung in den stocken­den Prozess der NDC-Einreichungen brin­gen. Dies sollte ein neuer Anstoß dafür sein, nach Möglichkeiten zu suchen, zu­mindest die Ziel-Elemente des EU-NDCs schon vor der offiziellen Einreichung zu kommunizieren. Vorbild könnte das Ver­einigte Königreich sein, das auf der COP29 als erster Industriestaat bereits den Umriss seines NDCs verkündete.

Chinas klimapolitische Verantwortung einfordern

Will China eine konstruktive Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik ein­nehmen, braucht es die EU als Partner im Lager der Industrieländer. Im Gegenzug sollte die EU Chinas klima­politische Ver­antwortung nachdrücklicher einfordern. Dies umfasst klare Erwartungen hinsichtlich ambitionierter nationaler Klimapläne. Die frühere stabilisierende Funktion der US-China-Klima­kooperation sollte die EU weitest­gehend ersetzen, um den UNFCCC-Prozess und damit auch den UN-basierten Multilateralismus als Ganzes zu stützen. Zu diesem Zweck könnte das 5+1-For­mat euro­päischer Klimabeauftragter mit Chinas Klimabeauftragtem, die sich 2024 erstmals trafen, ausgebaut werden und eine führen­de Rolle im Klima­dialog mit China über­nehmen.

Eine vertiefte EU-China-Kooperation im Klimabereich würde beinhalten, gemeinsame Interessen zu identifizieren sowie poten­tielle Span­nungen, vor allem in den Bereichen Tech­nologie und Geopolitik, frühzeitig zu erkennen und zu bearbeiten. So ließe sich auch verhindern, dass Chinas Alli­anz mit Ländern des Globalen Südens gegen EU-Klimamaßnahmen wie den CBAM weiter an Einfluss gewinnt. Zudem bietet es sich an, die Zusammenarbeit bei der Methanreduktion zu intensivieren, beson­ders im Rahmen des Global Methane Pledge (GMP).

Die EU steht vor der Herausforderung, Chinas etwaige Bereitschaft zu mehr Klima­kooperation mit der EU mit den divergierenden Interessen und Über­zeugungen ihrer Mitgliedstaaten gegenüber China und der wachsenden Anti-China-Rhetorik in Einklang zu bringen. Dafür wird es notwen­dig sein, die Klimakooperation in den brei­teren Kontext der EU-China-Beziehungen einzubetten und Klima­fragen nicht isoliert zu betrachten. Es bedarf einer ganzheit­lichen Strategie, die Klimadiplomatie mit Handel, grüner Technologie und Sicherheit verknüpft. Dabei sollte die EU gezielt nach einem Gleich­gewicht zwischen Zusammenarbeit und Wettbewerb suchen.

Finanzierung vorantreiben

Um den UN-Klimaprozess trotz schwieriger geopolitischer Bedingungen aufrechtzuerhalten, sind Unterstützung für die SIDS und LDCs und Zusammenarbeit mit ihnen un­erlässlich. Ob diesen Ländergruppen weite­re Unterstützung für den multilateralen Pro­zess gewährt wird und ob Fortschritte im Bereich Minderung erzielt werden, hängt maßgeblich vom Erfolg der Baku to Belém Roadmap to 1.3T und der verläss­lichen Einhaltung von Finanzierungszusagen ab. Die EU spielt eine wichtige Rolle in dem Bestreben, die bereits laufenden Refor­men der internationalen Finanzarchitektur und die Arbeit an inno­vativen Quellen voranzutreiben. Gera­de die multilateralen Entwicklungsbanken müssen vor den Auswirkungen der Wahl Donald Trumps abgeschirmt werden.

Dafür sollte die EU ihre diplomatische Präsenz außerhalb der formalen Verhandlungen erhöhen. Progressive Nord-Süd-Koalitionen sind weiter möglich: Auf der COP29 traten Schwellenländer wie Bra­silien, lateinamerikanische Staaten wie Kolumbien und Chile, Kenia sowie das Ver­einigte Königreich als konstruktive Part­ner besonders hervor. Die EU sollte ver­stärkt auf diese Länder zugehen, um gemein­sam Wege zu finden, die multilateralen Ver­handlungen trotz geopolitischer Krisen voranzubringen.

COPs in breiteren Multilateralismus einbetten

Der Prozess und die Ergebnisse der COP29 lösten heftige Kritik aus, die über das übliche Maß hinausging. In der Tat zeigte Baku, dass die bisher recht gut funktionierende Isolation des COP-Prozesses vom durch geopolitische Krisen gezeichneten Weltgeschehen aufgeweicht wird.

Angesichts schwieriger Kooperations­bedingungen und des Konsensprinzips im UNFCCC werden kleinere Club-Formate häufig als vielversprechender betrachtet. Solche Hoffnungen sind indes nur in Maßen berechtigt. Das zeigen die politische Realität allgemein und die Erfahrungen mit dem von Deutschland gegründeten Klima­club, der schnell zur Plattform für Indu­strie-Dekarbonisierung herabgestuft wurde.

Auch die G20 bringt zwar alle großen Emittenten zusammen, doch der Gipfel in Rio während der COP offenbarte, dass trotz der engagierten brasilianischen Präsi­dent­schaft keine ambitionierteren Ergeb­nisse als in Baku möglich waren. Für die näch­sten Jahre scheint die Akteurskon­stellation in der G20 im Klimabereich mit den USA, Saudi-Arabien, Russland und Argen­tinien nur geringen Erfolg zu ver­sprechen. Sie bietet weniger Möglichkeiten für progres­sive Koalitionen als die UNFCCC. Dennoch könnte als Inspiration dienen, dass Brasi­lien den G20-Gipfel für den 18. und 19. No­vember 2024, also zu Beginn der zweiten COP29-Verhandlungswoche angesetzt hatte: Vorausschauende Planung von Präsidentschaften und Ter­minen kann Synergien zwischen multi­lateralen Foren schaffen. Sie wäre ein Mittel, die Klima­konferenzen klug in geopolitische Diskussionen einzubetten, anstatt sie mit wenig Aussicht auf Erfolg zu isolieren.

Jule Könneke ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen und Leiterin des Projekts »Deutsche Klima­diplomatie im Kontext des European Green Deal«. Ole Adolphsen ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen und im Projekt »Klimaaußenpolitik und Mehrebenengovernance«. Beide Autor:innen sind Mitglieder des Forschungsclusters Klimapolitik.

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