FOCAC 2024: Abkehr von großen Infrastrukturprojekten, hin zu China als normative Macht
Megatrends Spotlight 38, 16.09.2024Der FOCAC-Aktionsplan für Peking (2025-2027) enthält konkrete Ziele für die Beziehungen zwischen China und Afrika. Welche aktuellen Trends prägen diese Partnerschaft, und welche Auswirkungen könnten sie auf die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika haben?
Vor wenigen Tagen, Anfang September, versammelten sich Dutzende afrikanischer Staats- und Regierungschefs und andere hochrangige Vertreter in Peking zum Forum für die Zusammenarbeit zwischen China und Afrika (FOCAC). Es war das größte diplomatische Ereignis, das China seit der Wiedereröffnung des Landes nach der Pandemie Januar 2023 inmitten der wachsenden geopolitischen Rivalität zwischen Peking und dem Westen ausgerichtet hat. Die Veranstaltung zog mehr afrikanische Staats- und Regierungschefs an als die UN-Generalversammlung und erregte sowohl in Afrika als auch weltweit große Aufmerksamkeit.
Wir argumentieren, dass das FOCAC zwei aktuelle Trends in den Beziehungen zwischen China und Afrika hervorgehoben hat. In Bezug auf wirtschaftliche Zusammenarbeit und Finanzierung hat sich das FOCAC von groß angelegten Infrastrukturprojekten hin zu „klein, aber feinen“ Projekten verlagert, womit es auf die internationale Kritik an der Schuldentragfähigkeit reagierte und Chinas eigenen wirtschaftlichen Abschwung widerspiegelte. Darüber hinaus zeigte das FOCAC, wie China sich zunehmend als normative und diskursive Macht in Afrika positioniert, indem China seine eigenen Modernisierungserfahrungen als potenzielles Vorbild für afrikanische Länder hervorhob und einen alternativen Diskurs über die chinesisch-afrikanischen Beziehungen sowie China als globale Macht im Gegensatz zum westlichen Entwicklungsansatz förderte.
Die afrikanischen Regierungen sind selbstbewusster geworden, ihre Interessen im Rahmen des FOCAC zu vertreten, und üben offen Kritik, beispielsweise am Handelsungleichgewicht. Insgesamt wird Chinas Kooperationsansatz jedoch von den afrikanischen Vertretern sehr positiv aufgenommen. Während China in Europa zunehmend als strategischer Rivale und Konkurrent (zusätzlich zu der Funktion als Kooperationspartner) bezeichnet wird, wird diese kritischere Perspektive von den afrikanischen Regierungen eindeutig nicht geteilt.
Die Finanzierung von Infrastrukturen steht wieder auf der Tagesordnung, allerdings in wesentlich geringerem Umfang als in den 2010er Jahren. Trotz der jüngsten Debatten über die Schuldentragfähigkeit afrikanischer Länder und des wirtschaftlichen Abschwungs Chinas kündigte Xi Jinping an, dass China in den nächsten drei Jahren 50,7 Milliarden US-Dollar an finanzieller Unterstützung bereitstellen wird. Etwa 30 Milliarden US-Dollar werden in Form von Krediten, etwa 10 Milliarden US-Dollar in Form von Entwicklungshilfe und weitere 10 Milliarden US-Dollar in Form von Investitionen durch chinesische Unternehmen in Afrika bereitgestellt werden.
Man könnte argumentieren, dass die Ankündigung umfangreicher Finanzierungspakete im Einklang mit früheren FOCAC-Gipfeln steht. In den Jahren 2015 und 2018 wurden jeweils 60 Milliarden US-Dollar für einen Zeitraum von drei Jahren zugesagt. Gleichzeitig ist das jetzt angekündigte Paket kleiner und verteilt sich breiter über Kredite, Investitionen und Entwicklungshilfe. Nicht zuletzt angesichts der Verlangsamung der Wirtschaftsentwicklung Chinas ist die Ära der ständig steigenden Finanzierungspakete eindeutig zu Ende gegangen.
Noch wichtiger ist jedoch, dass China die Art und den Bereich der finanzierten Projekte anpasst. Mit dem Start der chinesischen „Belt and Road Initiative“ im Jahr 2013 setzte China mehrere Jahre lang vorrangig auf große Infrastrukturprojekte wie die "Standard Gauge Railway" in Kenia oder die "Addis-Djibouti Railway" in Äthiopien. In letzter Zeit, und zumindest teilweise als Reaktion auf die wachsende Kritik an der BRI, hat China den sogenannten „klein, aber fein“ Ansatz gefördert. Das Ziel besteht nun darin, kleinere und gezielter Projekte zu fördern, die wirtschaftlich rentabel sind und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Umwelt und zur sozialen Entwicklung leisten.
Im FOCAC-Aktionsplan für Peking (2025-2027) wurde angekündigt, dass China in den nächsten drei Jahren 1.000 solcher "klein aber fein" Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen durchführen wird. Frühere Beispiele solcher Projekte sind die "Luban Werkstatt", welche auf die Berufsausbildung und das Training von Fachkräften ausgerichtet ist. Ein weiteres Beispiel ist die Förderung der Juncao-Technologie, die Gras als Ersatz für Holz in der Tierfutterproduktion verwendet, den Anbau von essbaren und medizinischen Pilzen unterstützt und Maßnahmen wie Sandverhütung und Stabilisierung fördert.
Es dürfte interessant sein die Umsetzung dieser Projekte zu verfolgen, da kleinere Projekte einen wesentlich höheren bürokratischen Aufwand erfordern. Afrikanische Länder, die sich auf den Schuldenabbau und die Abkehr von großen Infrastrukturprojekten konzentrieren, könnten diesen neuen Ansatz begrüßen, während die Länder, die noch immer auf umfangreiche Kredite angewiesen sind, um ihre Infrastrukturlücke zu schließen, die Verlagerung mit Frustration betrachten könnten, da kleinere Projekte den Zugang zu den für ein beschleunigtes Wachstum und groß angelegte Infrastrukturprojekte erforderlichen Finanzmitteln einschränken könnten.
Ein Hauptaugenmerk des FOCAC lag darauf, Chinas Erfahrungen mit der Modernisierung als potenzielles Vorbild für afrikanische Länder zu fördern. "Modernisierung" tauchte als Schlüsselwort in verschiedenen Abschnitten des FOCAC Beijing Aktionsplans sowie in Xis FOCAC-Rede immer wieder auf, wird als universelles Ziel anerkannt und als "gemeinsames Bestreben aller Länder der Welt" betrachtet. Dennoch hebt der FOCAC-Diskurs Chinas einzigartigen Ansatz zur Modernisierung hervor und sein Potenzial, als alternatives Modell für Afrika zu dienen.
Der Aktionsplan skizziert verschiedene Bereiche, in denen China seine Modernisierungserfahrungen mit Afrika teilen wird. Dies umfasst die Zusammenarbeit in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Landwirtschaft, Technologietransfers, Armutsbekämpfung und der ländlichen Entwicklung. Darüber hinaus kündigte China an, auch seine "Governance-Erfahrungen" zu teilen. Dieser eher vage Ausdruck bezieht sich auf Xi Jinpings Gedanken zur Regierungsführung und Chinas Modernisierungsprozess. Auch wenn diese Begriffe absichtlich vage bleiben, deuten sie doch eindeutig darauf hin, dass China mittlerweile viel proaktiver versucht, sich als Normgeber und Vorbild für afrikanische Länder zu etablieren.
Verschiedene Arten von Elite-Netzwerken und Austauschprogrammen sollen dazu beitragen, Chinas Modernisierungsansatz zu verbreiten, darunter die Zusammenarbeit zwischen den Parteien, die Einbindung der Medien sowie verschiedene Schulungsprogramme. Die entsprechenden Ankündigungen im FOCAC-Aktionsplan sind keine leeren Versprechungen, sondern dürften umgesetzt werden, da verschiedene chinesische Akteure, die für den Aufbau von Elite-Netzwerken zuständig sind, kontinuierlich um Einfluss und Sichtbarkeit konkurrieren.
Mit der Förderung von Xi Jinpings Konzept einer „Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit“ betonte das diesjährige FOCAC eine „gemeinsame Zukunft“ zwischen China und Afrika. Xi unterstrich auch die Bedeutung der „gemeinsamen Vergangenheit“ und verurteilte die westliche Herangehensweise an Afrika, die „den Entwicklungsländern unermessliches Leid zugefügt hat“. Im Vergleich zu früheren Reden positionierte er Chinas Ansatz für die Zusammenarbeit mit Afrika viel deutlicher als Alternative zum Westen.
Der aktuelle FOCAC-Plan stimmt mit den nationalen Entwicklungsprioritäten vieler afrikanischer Länder überein und konzentriert sich auf Industrialisierung, Landwirtschaft, Sicherheit, Handel, Investitionen, Beschäftigung und Armutsbekämpfung. Die FOCAC-Agenda stellt die China-Afrika-Zusammenarbeit in den breiteren Kontext der Süd-Süd-Zusammenarbeit. Der FOCAC-Plan lehnt ideologiebasierte Blockkonfrontationen ab und fordert Reformen der globalen Governance-Systeme, um die Interessen der Länder des globalen Südens besser zu vertreten. Chinas Betonung der „gemeinsamen Vergangenheit“ und der „gemeinsamen Zukunft“ mit Afrika unterstreicht sein Ziel, sich als wichtigster Partner für Afrika zu positionieren und seine diskursive Macht in der Region zu stärken.
Um eine „gemeinsame Zukunft“ zu erreichen, hat China mehrfach angekündigt, seine Netzwerke mit afrikanischen Politikern, Wirtschaftseliten, Wissenschaftlern, Journalisten, Künstlern und Akteuren der Zivilgesellschaft zu stärken. Diese Initiativen haben das Potenzial, Chinas normative und diskursive Macht umzusetzen, da afrikanische Entscheidungsträger zunehmend mit chinesischen Normen und Erfahrungen sozialisiert werden. Einige frühere Initiativen Chinas zum Aufbau von Elitenetzwerken zur Gestaltung der Diskurse und Sichtweisen haben bereits zu positiven Ergebnissen geführt.
Auf dem diesjährigen FOCAC haben beispielsweise viele afrikanische Staats- und Regierungschefs, Politiker und Wirtschaftseliten öffentlich das Narrativ von der „Schuldenfallen-Diplomatie“ entkräftet und Chinas Entwicklungsmodell sowohl vor dem chinesischen als auch dem internationalen Publikum gelobt. Obwohl der Schuldenerlass für viele afrikanische Länder in den letzten Jahren ein dringendes Thema war, hat China weitgehend davon abgesehen, den von vielen Ländern angestrebten umfassenden Schuldenerlass zu gewähren und sich stattdessen auf den Kapitaleinsatz in Übersee konzentriert. Auf der diesjährigen FOCAC forderte China die Industrieländer und die internationalen Finanzinstitutionen auf, „ihrer Verantwortung gerecht zu werden“ und den afrikanischen Ländern dabei zu helfen, ihre Schuldenlast zu verringern und eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
Obwohl Xi Jinping die Idee der Blockkonfrontation ausdrücklich kritisierte, positionierte seine Rede und die allgemeinen Narrative auf der FOCAC China eindeutig als alternativen Partner im Vergleich zum Westen. China hilft nicht nur bei den wichtigsten Prioritäten Afrikas – der wirtschaftlichen Entwicklung – sondern vermittelt auch Erfahrungen aus dem eigenen Modernisierungsprozess. Im Vergleich zu früheren Jahren, in denen sich Chinas Engagement in Afrika vor allem auf Hilfe, Entwicklungsfinanzierung, Investitionen und den Zugang zu natürlichen Ressourcen konzentrierte, liegt der Schwerpunkt des derzeitigen Engagements auf dem Erfahrungsaustausch. Darüber hinaus bekundete Xi Jinping auch ein starkes Interesse daran, seine politische Ideologie und seine Gedanken bei den afrikanischen Führern zu verbreiten. Westliche Akteure haben ihrerseits dazu beigetragen, verschiedene Arten von externen Partnerschaften mit Afrika als geopolitischen und geostrategischen Wettbewerb zu begreifen, indem sie beispielsweise wichtige Initiativen wie das Global Gateway der EU als Alternative zu Chinas BRI präsentierten.
In Zukunft sollten sowohl chinesische als auch europäische Akteure Schritte unternehmen, um den geostrategischen Wettbewerb nicht weiter anzuheizen. Während unterschiedliche Kooperationsansätze den afrikanischen Akteuren ermöglichen, das zu wählen, was am besten zu ihren Interessen passt, zwingt der geostrategische Wettbewerb sie dazu, sich zu positionieren und verhindert jede Art von Zusammenarbeit zwischen China, der EU und afrikanischen Partnern. Aufgrund des begrenzten Zugangs afrikanischer Länder zum Schuldenerlass, was bereits zu sozialen Unruhen geführt hat, wie beispielsweise die jüngsten Proteste in Kenia gezeigt haben, müssen China und Europa zusammenarbeiten, um diese dringenden Herausforderungen anzugehen. Mit Blick auf die großen entwicklungspolitischen Herausforderungen auf dem gesamten Kontinent sollte dieser eher konfrontative Ansatz keine Option sein.
Dr. Hangwei Li ist Wissenschaftlerin bei Megatrends Afrika und Senior Researcher am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).
PD Dr. Christine Hackenesch ist Projektleiterin bei Megatrends Afrika und Senior Researcher am IDOS.