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Was macht eine gute Digitalpartnerschaft mit Afrika aus?

blog Joint Futures 26, 20.11.2023

Eine erfolgreiche Digitalpartnerschaft mit afrikanischen Ländern baut auf vertrauenswürdigen Datenaustausch, pragmatische Wirtschaftspartnerschaften und den Mittelstand. Um dies zu erreichen, bedarf es von deutscher Seite einer expliziten Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Digitalmarkt ebenso wie einer verstärkten Koordination zwischen den einzelnen mit dem Thema betrauten Ressorts.

 

Das Potenzial digitaler Lösungen erstreckt sich auf Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländer und bietet erhebliche Chancen für Fortschritt und Wachstum. Vor allem in Afrika werden digitale Technologien in den kommenden Jahrzehnten weiterhin große wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche und politische Umwälzungen auslösen. In einem gemeinsamen Bericht von IFC und Google, der sich auf Prognosedaten von Accenture stützt, wird geschätzt, dass die Internetwirtschaft bis 2025 fast 180 Mrd. USD (5,2 % des prognostizierten BIP) und bis 2050 sogar 712 Mrd. USD (8,5 % des prognostizierten BIP) zur afrikanischen Wirtschaft beitragen wird. Zum Vergleich: Oxford Economics und Huawei haben den gegenwärtigen Anteil der Digitalökonomie am globalen BIP auf 15,5% bestimmt (Schätzung für 2025 24,3%). Wir beobachten demnach einerseits einen rasanten Zuwachs des afrikanischen Digitalmarktes, gleichzeitig veranschaulicht der direkte Vergleich mit dem Rest der Welt die bestehenden Ungleichheiten.

Zu beachten ist, dass diese Prognosen großen Unsicherheitsfaktoren unterliegen und von der Etablierung geeigneter politischer Rahmenbedingungen, einem stetigen Infrastrukturausbau und einer weiter zunehmenden Nutzung von Technologien durch Unternehmen abhängen.

Darüber hinaus bedingt eine flächendeckende Konnektivität politische und gesellschaftliche Teilhabe afrikanischer Gesellschaften. Gleichzeitig nehmen digitale Überwachung und Desinformation im digitalen Raum zu und ermöglichen polarisierende und extreme Positionen und Postwahrheiten. Dies ist vor dem Hintergrund des generellen Vertrauensverlust in die Demokratie eine besorgniserregende Entwicklung.

Eine Digitalpartnerschaft zwischen afrikanischen Ländern und Deutschland muss all diesen Dimensionen gerecht werden, dabei Deutschlands eigene Interessen wahren und zugleich Partnerbelange identifizieren und zur sozialmarktwirtschaftlichen Entwicklung in Partnerländern beitragen. Weder eine Replikation des chinesischen, staatszentrierten Modells basierend auf massiven Infrastrukturinvestitionen noch des amerikanischen marktwirtschaftlichen Ansatzes mit seinen Exzessen des Überwachungskapitalismus sind aus deutscher Perspektive umsetzbar oder wünschenswert. Stattdessen muss Deutschlands internationale Digitalpolitik, eingebettet in einen europäischen Rahmen, eigene Stärken herausarbeiten, pragmatische Lösungen anbieten und sich auf positive Alleinstellungsmerkmale konzentrieren.

Datenschutz: Internet, das Vertrauen schafft

Das Internet, einst ein eigenständiger, dezentraler und im wörtlichen Sinne anarchischer Raum, ist heute stärker denn je verschmolzen mit Alltag und Realitäten eines Großteils der Menschheit. Diese Fusion der virtuellen und physischen Realität verlangt Regelwerke, die die Rechte des Einzelnen schützen. Datenschutz kommt in diesem Zusammenhang die Rolle zu, einen Rahmen zu schaffen, der Innovation und Fortschritt begünstigt, ohne dabei Grundrechte, Freiheit und Demokratie feilzubieten.

Datenschutz ist eines der wenigen Gebiete in denen Deutschland, insbesondere qua Europa, eine weltweite Führungsrolle einnimmt. Die Externalisierung eines bestimmten regulatorischen Modells hat sich unterdessen auch als Ausdruck eines zunehmenden Systemkampfs etabliert: basierend auf fundamentalen Grundrechten, Demokratie und Freiheit, bietet das europäische Modell in diesem Bereich einen eigenständigen Ansatz und eine Alternative zu China oder den USA. Ein auf die Endverbraucher zugeschnittenes Datenschutzrahmenabkommen, wie es die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist, und welches einen Binnenmarkt von nahezu 450 Millionen Verbraucher*innen abdeckt und externe Strahl- und Regulierungswirkung hat, ist weltweit einmalig. Darauf aufbauend kann und sollte Deutschland, als Teil von Team Europe und in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und den EU-Delegationen, in interessierten Partnerländern weiter in den Bereichen der Harmonisierung von Regulierung tätig werden.

Während Europa seinen Partnern Instrumente und Prozesse für eine menschzentrierte digitale Transformation vorschlagen kann, hängt der Erfolg in erster Linie von den Initiativen, Bedarfen und Zielen der Partnerländer selbst ab. Nur wenn ein Grundkonsens über Werte im digitalen Raum besteht, hat Zusammenarbeit im Bereich Regulierung auch eine Chance auf Erfolg. Harmonisierung auf regionaler Ebene kann den freien Datenfluss erleichtern und zu wirtschaftlicher und politischer Integration beitragen. Neben der Etablierung lokaler Datenzentren erscheinen zusätzliche Mittel und insbesondere technische Unterstützung zum Aufbau nationaler und insbesondere regionaler Datenschutzkapazitäten hier besonders zielführend. Auch hier kann Deutschland finanziell und mit technischer Expertise unterstützend wirken.

Dabei müssen die lokalen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der jüngsten Ausbreitung von eigenen Datenschutzverordnungen in den meisten afrikanischen Ländern. Einstellungen zum Datenschutz haben eine kulturelle und politische Verwurzelung und divergieren dementsprechend. Auch muss sich der Mehrwert eines europäisch inspirierten Datenschutzes für Partnerländer in der Praxis abzeichnen. Ein ausschließliches Insistieren auf das europäische Regelwerk, auf die Gefahr hin Partnerbelange zu ignorieren und afrikanische KMUs zu benachteiligen und Innovationen im Kern zu ersticken, wäre kontraproduktiv und würde den Eindruck eines neuen Datenimperialismus erwecken. Bereits heute stellt Artikel 45 der DSGVO eine besondere Herausforderung für afrikanische Digitalunternehmen dar. Demnach fällt die Notwendigkeit von weiteren Schutzmaßnahmen bei der internationalen Datenübermittlung – und somit zusätzliche Handelsbarrieren – nur dann weg, wenn das Partnerland von einem sogenannten Angemessenheitsbeschluss umfasst wird.  Zurzeit bestehen derartige Beschlüsse nur für eine Handvoll Länder, darunter die USA, Kanada, Israel, die Schweiz, das Vereinigte Königreich oder Neuseeland. In allen anderen Fällen bedarf es zusätzlicher Garantien. Angesichts der negativen Effekte und hohen Anforderung der Maßnahme sollte im Gegenzug verstärkt auf den technischen Austausch und nicht ausschließlich auf den auf Konditionalität des Binnenmarktes basierenden Brussels Effect gesetzt werden.

Digitale Zusammenarbeit als Teil der Wirtschaftsaußenpolitik

Angesichts des schnellen Wachstums der Internetwirtschaft ist eine Digitalpartnerschaft vor allem auch Wirtschaftsaußenpolitik. Dieses Verständnis ist jedoch in der deutschen Afrikapolitik noch nicht weit verbreitet. In vielen afrikanischen Ländern ist nach wie vor die GIZ einer der ersten Referenzpunkte deutscher Digital(entwicklungs)politik. Die Organisation verrichtet im Namen der Bundesregierung und der EU wertvolle Arbeit und die zahlreichen vom BMZ unterstützen Initiativen stellen essentielle Wegbereiter für nachhaltiges digitales Wirtschaften dar. Doch bedarf es einer über die entwicklungspolitische Zusammenarbeit hinausgehenden flächendeckenden Skalierung privaten Kapitals.

Letzteres kann mit Hilfe von staatlichen Garantien und Mischfinanzierung leichter mobilisiert werden. Damit diese funktionieren, ist ein ausgezeichnetes Verständnis des Marktumfeldes notwendig, das die Identifikation tatsächlicher Opportunitäten ermöglicht. Eine solche kritische Auseinandersetzung führt auch zu Abwägungen zwischen Ländern und Sektoren in welchen sich Investitionen lohnen und solchen in denen das Risiko Gewinn Verhältnis rentable Unternehmungen ausschließt. Ein ehrlicher Umgang mit dieser Differenzierung und eine Anerkennung auch langfristiger Rentabilität sind hier essentiell.

Ein gängiges Missverständnis im europäischen Diskurs beruht auf der engen Verwendung des Innovationsbegriffs. Das Potential afrikanischer Innovationen im digitalen Raum liegt im derzeitigen Technologiestadium noch nicht primär in Neuerungen, die den Weltmarkt durchdringen (auch wenn sich dies zeitnah ändern kann und in einigen Fällen bereits geändert hat), sondern vielmehr in kreativen Anwendungen bereits existierender Produkte. Investitionen, die auf inkrementelle Innovationen und Anwendungen für den lokalen Markt abzielen, haben demnach bessere Erfolgschancen als Risikokapital auf der Suche nach dem nächsten Einhorn.

Obgleich Künstliche Intelligenz (KI) einen neuen Innovationssprung darstellt, bietet sich eine Partnerschaft an, die sich nicht ausschließlich der kapitalintensiven Forschung und Entwicklung im Bereich KI bezieht. Hier hat Europa selbst noch einen langen Weg zu gehen, bevor es mit den USA und China gleichziehen kann. Das Augenmerk sollte auf die Anwendung und Kommerzialisierung existierender digitaler Technologien im afrikanischen Umfeld gelegt werden.

Fokus auf kleine- und mittlere Unternehmen

Das positive Bild Deutschlands in der Welt baut auf einige zentrale Merkmale mit starkem Wiedererkennungseffekt auf. Darunter fällt auch die Erfolgsgeschichte kleiner und mittlerer Unternehmen – dem sogenannten German Mittelstand, welche gerade im Medium-Hightech Bereich – Anwendungen kurz unterhalb der Schwelle zur Spitzentechnologie – oftmals zu den Weltmarktführern zählen. Auf diese positive Strahlwirkung gilt es aufzubauen. Im Gegensatz zu großen Infrastrukturinvestitionen, welche auf europäischer Ebene im Rahmen von Global Gateway besser abgegolten werden können, kann sich die deutsche Wirtschaft verstärkt auf die Zusammenarbeit mit ausgewählten Innovations- und Technologiehubs, wie dem Otigba Computer Valley in Lagos oder Silicon Savannah in Nairobi, konzentrieren. Nach wie vor ist die Kooperation zwischen diesen Hubs und internationalen Unternehmen begrenzt. Interessant ist die Tatsache, dass es sich auch hier oftmals um mikro- oder Kleinunternehmen handelt, mit denen Kooperationen zu ganz spezifischen Herausforderungen oder Produkten möglich ist. Bestenfalls führen derartige Kooperationen zu einem bidirektionalen Wissenstransfer. Auf jeden Fall wären sie für afrikanische Unternehmen aufgrund des möglichen Wissens- und Technologietransfers von Bedeutung, während deutsche Unternehmen von der Erschließung neuer Märkte profitieren können.

Ressortgemeinsam Denken und Handeln

Kohärenz im Außenhandeln ist auch im Digitalsektor eine Herausforderung. Die digitale Außenpolitik ist zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und nicht zuletzt – qua digitaler Diplomatie – dem Auswärtigen Amt (AA) aufgeteilt. Die derzeit unter Federführung des BMDV in Erarbeitung befindliche Strategie für internationale Digitalpolitik basiert auf einem breiten Stakeholder-Dialog. Eine derartige Strategie sollte sowohl die oben aufgeführten Ansätze widerspiegeln, als auch auf erfolgreichen Initiativen der anderen Ressorts aufbauen. Gerade im Bereich der Allianzbildung kann hier an bereits bestehende Initiativen von BMZ und GIZ, zum Beispiel Smart Africa, angeknüpft werden. Angesichts der parallellaufenden Überarbeitung der afrikapolitischen Leitlinien gilt es, die beiden Strategieprozesse aufeinander abzustimmen.

Die strategische Überarbeitung eröffnet neue Möglichkeiten, um Synergien zwischen Deutschlands Engagement im Rahmen des AU-EU Digital for Development (D4D) Hubs und einer neuen internationalen Digitalpolitik zu eruieren und bestehende Praktiken zu hinterfragen. Welche Herausforderungen sollten auf supranationaler Ebene und welche bilateral adressiert werden?

Deutschland zusammen mit Europa kann afrikanischen Partnern ein pragmatisches und auf Synergien konzentriertes Angebot machen, das zugleich Grundrechte und –freiheiten im Blick hat. Es ist eine nennenswerte Alternative zu anderen Modellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich deutsche Digitalpolitik ausschließlich als Gegenmodell zu den digitalen Großmächten definieren sollte. Ein solches, ausschließlich auf Systemkonkurrenz geschmiedetes Narrativ, würde wenig Zugkraft im Globalen Süden erzeugen. Einen Mehrwert erlangt eine deutsche (europäische) Offerte nur dann, wenn sie sich auf die von afrikanischen Partnern bereits definierten Prioritäten stützt.

Die Verantwortung für die in den Beiträgen und Interviews vorgetragenen Inhalte, Meinungen und Quellen liegt bei den jeweiligen Autor*innen.

Dr. Benedikt Erforth ist Wissenschaftler im Forschungsprogramm „Inter- und transnationale Zusammenarbeit“ am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und ein Projektleiter von Megatrends Afrika.