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Konditionalität als Instrument europäischer Governance

Typen, Ziele, Implementierung

SWP-Studie 2022/S 06, 17.05.2022, 35 Pages

doi:10.18449/2022S06

Research Areas
  • Das Konditionalitätsprinzip hat sich in der Europäischen Union von einem Element ihrer auswärtigen Politik zu einem Instrument der Governance in der EU entwickelt.

  • Dabei können verschiedene Typen der Konditionalität in der EU unter­schieden werden: a) die Eintrittskonditionalität; b) die Governance-Konditionalität, die mit Hilfe der europäischen Ausgabenpolitiken gesteuert wird, und c) die Hebelkonditionalität, mit der verschiedene Politikbereiche miteinander verknüpft werden.

  • Gegenwärtig ist insbesondere die Hebelkonditionalität heftig umstritten. Diesem Typus ist auch die Rechtsstaatskonditionalität zuzuordnen.

  • Um angesichts dieser Konflikte das Konditionalitätsprinzip als Instrument europäischer Governance zu festigen, sollte sich die Europäische Union auf verschiedene Anpassungen des Prinzips verständigen.

  • Hierzu gehören die Verankerung des Konditionalitätsprinzips in den europäischen Verträgen und darauf aufbauend die Konkretisierung der Anwendung des Prinzips im europäischen Sekundärrecht. Darüber hinaus sollte die Verpflichtung zur Umsetzung von vereinbarten Konditio­nalitäten auf der gleichen politischen Entscheidungsebene und in enger Zusammenarbeit zwischen der EU als Konditionalitätsanbieter und dem jeweiligen Konditionalitätsnehmer erfolgen.

Problemstellung und Schlussfolgerungen

Es waren zunächst die internationalen Finanzinstitutionen, die zur Absicherung ihrer Kreditvereinbarungen das Prinzip der Konditionalität entwickelten. Auch die Europäische Union nutzt inzwischen dieses Prinzip in unterschiedlichen Formen und Anwendungsgebieten. Während sie es zunächst als Instrument zur Steuerung ihrer externen Handelsbeziehun­gen und entwicklungspolitischen Programme ein­setzte, wurde es mit der Zeit zu einem bestimmenden Element ihrer Erweiterungspolitik. Mittlerweile greift die EU auf den Konditionalitätsansatz jedoch vornehm­lich in den internen Politiken der EU zurück. Kon­ditionalität hat sich zu einem durchaus erfolgreichen und produktiven Werkzeug der europäischen Politik entwickelt, denn sie führt zu einer Angleichung der politischen Ziele und Maßnahmen. Dabei nutzt die EU ihre finanziellen Förderprogramme durchaus wirk­sam als Hebel gegenüber den Mitgliedstaaten, um poli­tische oder ökonomische Anpassungen durchzusetzen oder zu beschleunigen. Sie setzt ihre Fördergelder zum einen als finanzielle Anreize im Rahmen ihrer Aus­gabenpolitiken ein, zum anderen aber auch dazu, um Verstöße gegen das europäische Recht oder eine feh­lende oder unzureichende Implementierung gemein­sam vereinbarter Maßnahmen durch einzelne Mit­gliedstaaten mit finanziellen Sanktionen zu belegen. Die Förderprogramme der EU fungieren dann als Sanktionsinstrumente und somit als finanzielle Hebel zur Durchsetzung der Konditionalität. Konditionalität ist also grundsätzlich eine Quid-pro-quo-Vereinbarung.

Die Umsetzung der jeweiligen Auflagen überwacht die EU in der Regel mit einem umfassenden Monitoring. Die europäische Konditionalitätspolitik hat sich so zu einer prozessorientierten Auflagenpolitik ent­wickelt; der Anspruch, der mit ihr verknüpft wird, reicht über eine punktuelle Anpassung spezifischer Entscheidungen hinaus. Sie soll vielmehr dauerhafte Veränderungen der nationalen Politiken in den Mit­gliedstaaten bewirken, die Beachtung eingegangener Verpflichtungen gewährleisten und sicherstellen, dass die gemeinsamen europäischen Ziele verfolgt werden. Mit der Anwendung des Konditionalitätsprinzips er­öff­nen sich somit zusätzliche Möglichkeiten zur Governance im EU-Rahmen und zur Initiierung un­abdingbarer politischer Anpassungen in einzelnen Mitgliedstaaten; die auferlegten Vorgaben können dabei auf die speziellen Bedingungen und Anforderungen in den betroffenen Mitgliedstaaten zugeschnit­ten werden. Konditionalität ist also ein differenziert und flexibel zu handhabendes Instrument, das als Teil des europapolitischen Werkzeugkastens geeignet ist, präventiv die Regelkonformität der Mitglied­staaten herzustellen und zu festigen.

Insbesondere die politikfeldübergreifende Anwendung des Konditionalitätsprinzips hat gleichwohl Kritik hervorgerufen und Spannungen und Konflikte zwischen der EU und den betroffenen Mitgliedstaaten ausgelöst. Während der Eurozonen-Krise vor einem Jahrzehnt gab es Stimmen, die die Verknüpfung von Zuwendungen aus den europäischen Strukturfonds mit einer soliden Fiskalpolitik in den Mitglieds­ländern ablehnten. Derzeit führt der Rechtsstaats­mechanismus, also die Nichtauszahlung europäischer Fördergelder an Polen und Ungarn wegen der rechts­staatlichen Mängel in diesen Staaten, zu heftigen Auseinandersetzungen, die trotz der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im März 2022 nicht beigelegt sind. Darüber hinaus hat die Form, in der verschiedene Politikfelder mit dem Instrument der Konditionalität miteinander in Beziehung gesetzt werden, durchaus Einfluss auf die Wirkung, auf die Möglichkeiten zur Um- und Durchsetzung und auf den allgemeinen Charakter des Prinzips als politisches Steuerungs- und Sanktionsinstrument. Zum einen werden rechtlich und politisch zu unterscheidende Regelungsbereiche über die Konditionalität miteinander verknüpft und in der Folge der Radius europäischer Governance auf bislang vornehmlich mitgliedstaatlich regulierte Bereiche ausgeweitet. Zum anderen geht mit dem Funktionswandel des Konditionalitätskonzepts in der EU und der adminis­trativen Begleitung und Überwachung der Auflagen eine Stärkung der europäischen Verwaltung, das heißt insbesondere der Europäischen Kommission, gegenüber den Mitgliedstaaten einher.

Das Ergebnis einer Analyse der Anwendung des Konditionalitätsprinzips in der Europäischen Union sollte sein, dass diese Konflikte minimiert werden und das grundsätzlich erfolgreiche Instrument euro­päischer Governance gefestigt wird. Insofern stellen sich einige elementare Fragen zur Praxis der Kondi­tionalität in der europäischen Politik neu:

  1. Wie kann die Legitimität des veränderten Einsatzes europäischer Konditionalität auch in den betroffenen Mitgliedstaaten gesichert und der Einsatz selbst damit akzeptabel gemacht werden?

  2. Wie kann die Angemessenheit und Verhältnis­mäßig­keit der Sanktionen gewahrt und erklärt werden – sowohl gegenüber dem jeweils betroffenen Mitgliedstaat als auch gegenüber den anderen Mitgliedstaaten, die sich rechts- und regelkonform verhalten?

  3. Wie kann bei einer differenzierten Anwendung von Konditionalität in der EU die Berücksichtigung nationaler Situationen vor dem Vorwurf der poli­tisierten Beliebigkeit geschützt werden?

Um die Spannungen, die der Rückgriff auf das Kon­ditionalitätsprinzip in der Europäischen Union aus­löst, zu mildern und zugleich einen erfolgreichen, er­gebnisorientierten und effizienten Einsatz des Prinzips weiterhin zu ermöglichen, sollte es reformiert werden.

Zunächst sollte der Konditionalitätsmechanismus nur auf einer gesicherten europarechtlichen Grund­lage und gemeinsam verabschiedeter Umsetzungs­regeln eingesetzt werden. Darüber hinaus gilt es, die Konditionalitätsvereinbarungen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten in einer engen, transparenten und konstruktiven Zusammenarbeit zu treffen. Dabei soll­ten die beiden Elemente der Konditionalität, also einer­seits die Gewährung finanzieller Hilfen respek­tive die Androhung finan­zieller Sanktionen durch die EU, so­wie andererseits die Implementierung der vereinbar­ten Maßnahmen auf der jeweils gleichen politischen Entscheidungsebene erfolgen. Darüber hinaus sollte die europäische Governance-Konditionalität von einem ebenfalls gemeinsam abzustimmenden dichten, trans­parenten und wirkungsvollen Monitoring begleitet werden. Diese enge Kooperation bei der Vereinbarung eines Konditionalitätszusammenhangs und beim ent­sprechenden Monitoring dient dem Ziel, die Funktio­nalität und Legitimität des Konditionalitätskonzepts innerhalb des EU-Rahmens zu stärken. Denn die wichtigste Funktion der europäischen Governance-Konditionalität ist sicherlich ihre präventive Funk­tion, mit anderen Worten das Ziel, dass ihr Sanktions­mechanismus nicht angewandt werden muss.

Zunächst ist deshalb zu prüfen, wie das Konzept der Konditionalität bisher in der EU genutzt wurde und wo dessen besondere Stärken, aber auch Schwä­chen für die Politik in der Europäischen Union liegen. Welche Typen der Konditionalität haben sich heraus­gebildet und welche Besonderheiten kennzeichnen den jeweiligen Typus? Aufbauend auf dieser Analyse kön­nen dann Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung des Konzepts vorgeschlagen werden.

Annäherung an den Begriff der Konditionalität

Das Konzept der Konditionalität ist keineswegs neu.1 Es hat nach dem Zweiten Weltkrieg eine facetten­reiche Entwicklung durchlaufen von einem Baustein zur Absicherung internationaler Finanzhilfen und Kredite zu einem Instrument der internationalen Handels- und Entwicklungspolitik und schließlich zu einem Steuerungselement der Governance in der Europäischen Union. Ganz grundsätzlich wird unter dem Begriff der »Konditionalität« das Verfahren ver­standen, bei dem die Gewährung bestimmter Leistun­gen, insbesondere finanzieller Hilfen, an die Umset­zung spezifischer politischer Maßnahmen bzw. die Erfüllung konkreter Bedingungen geknüpft wird. Zunächst wurde diese Politik von internationalen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Wäh­rungsfonds (IWF) und der Weltbank verfolgt, die ihre Kredite und finanziellen Hilfen an die Voraussetzung banden, dass der Empfängerstaat bestimmten poli­tischen oder wirtschaftlichen Auflagen nachkam.

Eine besondere Rolle bei der Entwicklung des Kon­ditionalitätskonzepts kam dabei dem IWF zu.2 Sinn und Zweck der IWF-Konditionalität war es zunächst, der Washingtoner Organisation eine gewisse Form der Absicherung zu geben, dass der Empfänger von Finanzhilfen die gewährten Kredite auch zurück­zahlen kann und wird. Darüber hinaus sollte mit den Konditionen gewährleistet werden, dass der Adressat die Mittel erfolgreich, möglichst effizient und nach­haltig verwendete.3 Mit der Zeit wurde das Instrument der Konditionalität breiter eingesetzt und politisch relevanter, indem es Eingang fand in bilaterale Han­delsabkommen4 – nahezu jedes internationale Handelsabkommen beinhaltet inzwischen Konditionalitäten wie die Achtung der allgemeinen Menschen­rechte, sozialer Grundrechte oder auch umwelt- und klimapolitischer Vorgaben.5 Zu Beginn der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts rekurrierten inter­natio­nale Institutionen dann auf das Konditio­nalitätskonzept, wenn sie ihre Finanzhilfen in entwicklungspolitische Programme einbanden.6

Beide Seiten müssen von der Sinnhaftigkeit der Konditionalität überzeugt sein, damit die Umsetzung der Konditionalitätsvereinbarung ein Erfolg wird.

Grundsätzlich verbindet Konditionalität also die Handlungen zweier voneinander unabhängiger poli­tischer Akteure, wobei diese Verbindung in der Regel von einer Asymmetrie der politischen Durchsetzungsfähigkeit bzw. von ungleichen politischen Abhängigkeiten oder Autonomiegraden geprägt ist. In der Im­plementierung setzt das Konzept dabei eine utilitaris­tische Rationalität beider Partner, des Gebers und des Empfängers, voraus. Bei der Vereinbarung der Kondi­tionalitäten wägen sie ökonomische und politische Veränderungen gegen die in Aussicht gestellten poli­tischen oder finanziellen Hilfen ab; sie nehmen dem­nach eine rationale Kosten-Nutzen-Kalkulation vor.

Wenn die Umsetzung der Konditionalitätsvereinbarung, also insbesondere die politische, wirtschaft­liche oder rechtliche Veränderung im Empfängerstaat, effektiv, dauerhaft oder gar irreversibel sein soll, dann müssen beide Akteure von der Sinn- und Vorteilhaftigkeit der Konditionalität überzeugt sein. Häufig wird deshalb gefordert, die sogenannte owner­ship mit den Konditionalitäten zu verstärken – das heißt die Einsicht auf Seiten des Adressaten, dass die auferlegten Anpassungen erforderlich sind und er selbst für deren erfolgreiche Implementierung die Verantwortung trägt.7 Demnach sollten in erster Linie Reformen oder Entwicklungen gefördert werden, die der Empfänger von Finanzhilfen ohnehin geplant oder als notwendig erachtet hat.

Der Begriff der Konditionalität wird inzwischen in ganz unterschiedlichen Kontexten verwendet und mit vielen verschiedenen Zielen, Inhalten und Funktionen verknüpft.8 So lässt sich das Verhalten des Emp­fän­gers von finanziellen Unterstützungsleistungen durch Belohnungen oder umgekehrt durch den um­fassenden oder teilweisen Entzug von Hilfen beein­flussen, das heißt durch positive oder negative Kon­ditionalität. Positive Konditionalität, also eine auf An­reizen basierende Politik, bedeutet, dass eine Prämie ausgezahlt wird, wenn der Empfänger der Vergünstigungen das zuvor vereinbarte Konditionalitätsziel erfüllt. Negative oder punitive Konditionalität hingegen bedeutet, dass im Falle der Nichteinhaltung oder Nichterfüllung der Vorgaben oder Ziele Belohnungen ein­behalten oder Sanktionen verhängt werden, um den Adressaten zu zwingen, seine Politik zu ändern oder anzupassen. Dabei kann es durchaus sein, dass Sanktionen über die eigentliche Konditionalitäts­vereinbarung hinausreichen und auch nur indirekt Beteiligte mit dem Entzug oder der Nichtgewährung einer in Aussicht gestellten Unterstützung belegt wer­den. Auch der Zeitpunkt, zu dem die jeweilige Kon­ditionalität angewendet wird, charakterisiert den Konditionalitätsmechanismus. Im Falle einer Ex-ante-Konditionalität müssen gewisse Bedingungen erfüllt sein, bevor eine Belohnung geleistet wird oder eine Sanktionierung erfolgt. Bei Ex-post-Konditionalitäten hingegen setzt der Hebel erst nach der Entscheidung des Empfängers an, seine Politik zu ändern oder an ihr festzuhalten.

Mit dem Begriff »Konditionalität« kann also ein bestimmtes Ziel verbunden werden oder ein länger andauernder politischer Anpassungsprozess, dessen Umsetzung Teil der Vereinbarung ist. Es können je­doch auch spezifische politische Maßnahmen infolge eines Anreizes von außen damit bezeichnet werden oder weitreichende Reformentscheidungen bzw. ein umfassendes Anpassungsprogramm oder eine breite Reformstrategie.

Obwohl dieses Konzept klar und einleuchtend erscheint und seine Anwendung in der politischen Praxis beständig zugenommen hat, ist es nach wie vor umstritten. Der häufige Einsatz und die politische Reichweite der Konditionalitäten werden ebenso kritisiert wie die Effektivität und Effizienz des An­satzes. Hinterfragt wird auch die Kausalität zwischen den Konditionalitäten und den politischen Veränderungen. Schließlich gibt es Stimmen, die die Legi­timität und die Transparenz des Konzepts sowie die Dauerhaftigkeit bzw. Nachhaltigkeit der Anpassungen in Zweifel ziehen.

Konditionalität in der Europäischen Union

Die Europäische Union übernahm zunächst das ent­wicklungspolitische Konditionalitätskonzept der internationalen Finanzinstitutionen für ihre eigene Entwicklungszusammenarbeit und dehnte die Stra­tegie dann auf weitere Politiken gegenüber Dritt­staaten aus.9 In der Folge übertrug sie den Ansatz zu­nehmend auf den Bereich ihrer internen Governance; so wurde das Konditionalitätsprinzip zu einem wich­tigen Element der Finanzbeziehungen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten. Mittlerweile greift die Union mehr und mehr auf das Mittel zurück, ihre Fördergelder an Konditionen zu knüpfen, um die Politik in den Mitgliedsländern zu beeinflussen. Diese Ausweitung des Konditionalitätskonzepts auf nahezu alle Ausgabensparten des EU-Budgets hat zur Bildung einer »permanent conditionality culture inside the EU«10 geführt.

Die Anwendung des Konditionalitätsmechanismus in der Europäischen Union lässt sich daher bei sehr unterschiedlichen externen und internen Politiken und Prozessen nachweisen: in der Erweiterungs­politik der EU, in der europäischen Wirtschafts- und Wäh­rungsunion, in der europäischen Kohäsions­politik und in der Frage, ob und wie europäische Grundwerte mit dem Instrument der Konditionalität in den Mit­gliedstaaten durchgesetzt werden können.

Die Erweiterungs- oder Beitrittskonditionalität

Die Erweiterungskonditionalität wird häufig als erfolg­reichste Anwendung des Konditionalitäts­mechanis­mus durch die Europäische Union angesehen.11 Die wissenschaftliche Aufmerksamkeit hat sich bislang allerdings vornehmlich auf die Analyse der Konditionen gerichtet, die die EU während des langen Pro­zesses der Osterweiterung von Anfang der 1990er Jahre bis zur Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Kandidaten in den Jahren 2004 und 2007 fest­gelegt hat; die früheren Erweiterungsprozesse wurden hingegen nicht mit diesem Konzept ausgeleuchtet.12 Dabei ist das Prinzip der Konditionalität für den Bei­trittsprozess nicht im europäischen Vertragsrecht verankert; Artikel 49 des EU-Vertrags (EUV) erwähnt zwar zwei Bedingungen für die Beantragung der EU-Mitglied­schaft: der beitretende Staat muss ein euro­päischer Staat sein und das in Artikel 2 EUV formulierte Wertefundament der EU achten. Aber die dif­ferenzierte Form der Konditionalität, die im Zuge der Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Reform­staaten schrittweise entwickelt wurde, war Resultat einer politischen, keiner rechtlichen Festlegung.

Die Beitrittskonditionalitäten der EU‑Osterweiterung beinhalteten eine umfassende politische, ökonomische und gesellschaftliche Transformation.

Die Konditionalitäten, die im Rahmen der Aufnahme eines neuen Mitglieds zu beachten sind, wurden 1993 im Vorfeld der EU-Osterweiterung vom Europäischen Rat von Kopenhagen formuliert: die sogenannten Kopenhagener Beitrittskriterien.13 Diese politischen und ökonomischen Kriterien für die Beitrittsreife bedeuteten für die Kandidaten, dass sie ihre politischen, ökonomischen, sozialen und recht­lichen Strukturen und Systeme grundlegend trans­formieren mussten.14 Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten wurden zum Vorbild und Modell sowie zur Messlatte für diese Reformprozesse. Die Erweiterungskonditionalitäten waren umfassend und betrafen alle Politikfelder. Ihre Formulierung blieb insofern zwangsläufig relativ unbestimmt und offen für Anpassungen und Interpretationen. Die Konditionalitäten veränderten sich während der langjährigen Vorbereitungsphase der EU-Osterweiterung mehrfach und unterlagen einem evolutiven politischen Prozess, den die Europäische Union dominierte.15 Die EU nutzte dabei erfolgreich ihre »power of ultimate agree­ment«16; sie gab die politischen Ziele vor, bestimmte die Bedingungen und auch das Tempo der Umsetzung. Sie konkretisierte im Laufe der Zeit ihre zunächst sehr allgemeinen Beitrittskriterien und entwickelte neue Koordinierungsgremien und ‑instrumente, mit denen sie den Kandidaten zugleich half, ihre Poli­tiken anzupassen, die Kriterien zu erfüllen und damit ihrer Mitgliedschaft in der Union näher zu kommen.17

Während der Beitrittsverhandlungen verband die EU dann die Öffnung oder den vorläufigen Abschluss einzelner Verhandlungskapitel mit spezifischen Kon­ditionali­täten. Im Zuge eines kontinuierlichen Moni­toringprozesses wurden die Entwicklungen – Fort­schritte, Stagnation oder auch Verschlechterungen – in den Kandidatenländern verfolgt, analysiert und regel­mäßig in Länderberichten bewertet. Im weiteren Verlauf der Beitrittsverhandlungen wuchs allerdings auch der politische Druck auf die EU selbst, diese er­folgreich abzuschließen. Brüssel beendete den Kon­ditionalitätsmechanismus indes erst mit der tatsäch­lichen Aufnahme der zehn mittel- und osteuropäischen Kandidaten in die Europäische Union.

Die EU nutzte also ihre starke Position im Zuge dieser Ex-post-Konditionalität, um Vorbedingungen für die Aufnahme zu formulieren und um endgültig und autonom die jeweilige Beitrittsreife zu bewerten und dann zu entscheiden. Das Kriteriengerüst war dennoch keineswegs unpolitisch oder objektiv mess­bar – weder für die Kandidaten noch für die EU und ihre Mitgliedstaaten. Das Aufnahmeverfahren verlief auch nicht nach den Regeln einer rein ergebnis­bezoge­nen Ex-post-Konditionalität, sondern war ein kom­plexer, flexibel handhabbarer Prozess, der ständigen Anpassungen und Veränderungen unterworfen war.

Konditionalität in der Wirtschafts- und Währungsunion

Das Konditionalitätskonzept für die europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist im europäischen Primärrecht verankert. Die Teilnahmebedingungen an der Wirtschafts- und Währungsunion sind in Artikel 140 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) definiert und werden mit dem Protokoll über die Konvergenzkriterien konkre­tisiert.18 Diese Kriterien dienten (und dienen noch immer) als Beitrittsvoraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Eurozone: Die Mitgliedstaaten der EU müssen ihre wirtschaftliche Konvergenz nachweisen und deren Nachhaltigkeit belegen, um der Eurozone beitreten zu können.

Das Konditionalitätskonzept für die europäische Wirtschafts- und Währungsunion entspricht dem­zufolge der Form einer Ex-ante-Konditionalität; mit anderen Worten, es fußt auf der bereits bestehenden Erfüllung der Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrags. Mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Verpflichtung der Mitgliedstaaten in Artikel 126 AEUV, ein übermäßiges Defizit ihrer öffentlichen Haushalte zu vermeiden, sowie mit dem Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit wurden diese Konvergenzkriterien zu dauerhaft ein­zuhaltenden Bedingungen für die Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Konditionali­täten wurden darüber hinaus mit Sanktionen verbun­den. Sollte ein Mitgliedstaat sein übermäßiges Defizit nicht abbauen, so kann der Rat weitere Informationen und Prüfungen anordnen und sogar Geldbußen verhängen.19

Die Mitgliedschaft in der Eurozone setzt die Akzeptanz von fiskalpoli­tischen Vorgaben voraus, deren Nichtbeachtung mit Sanktionen verbunden ist.

In der Eurozone bedeutet Konditionalität also nicht, dass ein spezifisches politisches Ziel erreicht oder eine zuvor definierte politische, rechtliche oder ökonomische Reform implementiert werden muss und dafür Anreize oder Belohnungen angeboten werden. Vielmehr erfordert die Mitgliedschaft in der Euro­zone die Akzeptanz und Einhaltung von fiskal­politischen Vorgaben, deren Nichtbeachtung mit Sank­tionen verbunden ist. Aus einer positiven Ex‑ante-Konditionalität wird also nach dem Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion eine dauerhafte punitive Konditionalität.

Obwohl der Stabilitäts- und Wachstumspakt in­zwischen mehrfach reformiert wurde, blieb das grund­sätzliche Konzept der negativen Konditionalität und des dauerhaften Monitorings unverändert. Mit der präventiven und korrektiven Komponente, die Teil des Paktes ist, wurde die kontinuierliche Über­wachung der Einhaltung der Konditionalität zugleich weiter spezifiziert und konkretisiert. Im Ergebnis wurde die negative Konditionalität in der Wirtschafts- und Währungsunion zu einem grundlegenden Steue­rungsinstrument, das über einzelne fiskalpolitische Maßnahmen oder Bedingungen hinausreicht.20

Allerdings war die Konditionalität in der Wirtschafts- und Währungsunion bei weitem nicht so erfolgreich, wie es die Erweiterungskonditionalität im Fall der Ostweiterung war. Der Nachweis der Ex-ante-Konditionalitäten für die Mitgliedschaft in der Euro­zone wurde in einigen Fällen geschönt. Darüber hinaus blieben bereits die ersten Konditionalitäts­verstöße durch Deutschland und Frankreich 2003 unsanktioniert und die Einhaltung des mehrfach reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts ist bis heute nicht zufriedenstellend – Sanktionen wurden noch nicht verhängt.

Während der Finanz- und Bankenkrise 2008, die sich dann ab 2010 zur Staatsschuldenkrise in der Euro­zone weiterentwickelte, legten die EU und ihre Mitgliedstaaten sowie die Europäische Zentralbank (EZB) gemeinsam mit dem Internationalen Währungs­fonds umfangreiche Hilfspakete für angeschlagene Mitgliedstaaten auf. Diese wurden mit einer klassischen IWF-Konditionalität verbunden: Im Gegenzug für die Finanzhilfen mussten die Empfänger sich in Memoranda of Understanding zu weitreichenden und schmerzhaften Reformen und insbesondere drastischen Kürzungen ihrer staatlichen Ausgaben sowie zu tiefen Einschnitten in ihre nationalen Sozialsysteme verpflichten. Die EZB weitete diese Konditionalitäten im Verlauf der Krise aus und bezog auch Mitglied­staaten der Eurozone in ihre Reformvorgaben mit ein, die keine Finanzhilfen erhielten oder angefragt hat­ten. Sie machte ihre Finanzhilfen nicht nur abhängig von harten Sparprogrammen in den Empfänger­ländern; sie erwartete sogar von den Oppositions­parteien des jeweiligen Landes, dass sie sich im Fall eines Regierungswechsels ebenfalls an die Verein­barungen halten würden, und sie drängte auf die Übernahme der Zahlungsverpflichtungen privater Banken und die Entschädigung privater Gläubiger.21 EZB-Präsident Jean-Claude Trichet versandte darüber hinaus im Sommer 2011 Briefe an die Regierungen Italiens und Spaniens, die keine Finanzhilfen erhiel­ten und also keinem akuten und förmlichen Kondi­tionalitätsverfahren unterlagen. In diesen Schreiben mahnte Trichet Struktur- und Arbeitsmarktreformen, Privatisierungen und sogar Lohnkürzungen an, um das Vertrauen der Finanzmärkte in die fiskalpolitische Stabilität der beiden Staaten wiederherzustellen. Diese Briefe wurden als vorgezogene Konditionali­täten für potentielle Finanzhilfen der EZB inter­pre­tiert. Jacoby und Hopkin sprechen in diesem Zusam­menhang von »implied conditionality«.22

Im Zuge der Krise wurden darüber hinaus eine Reihe neuer Instrumente geschaffen, insbesondere der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM). Zum anderen führte die EU zusätzliche Monitoring- und Kontrollmechanismen ein, um die Einhaltung der ursprünglichen Konditionalität der europäischen Ver­träge zu gewährleisten, das heißt die Selbstverpflich­tung auf eine stabile und nachhaltige Haushalts­politik in allen Mitgliedstaaten der EU.23 Damit wurde neben der spezifischen Konditionalität von Finanz­hilfen und Sparprogrammen für einzelne Krisen­staaten in der EU und der Eurozone auch die all­gemeine und grundsätzliche Konditionalität in der Wirtschafts- und Währungsunion geschärft. Diese Ausweitung der präventiven Konditionalitätsmechanismen fußte sowohl auf politischen Selbstverpflichtungen als auch auf zusätzlichen europarechtlichen Konditionalitäten durch neue Verordnungen und Richtlinien der EU.

Im Zuge der europäischen Staatsschul­denkrise nach 2008 wurde das Instru­mentarium der EU-internen Kon­ditionalität erheblich ausgeweitet.

Im März 2011 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der damals 17 Mitgliedstaaten der Euro­zone und sechs weiterer Staaten (Bulgarien, Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien) auf den sogenannten »Euro-Plus-Pakt«.24 In diesem Übereinkommen verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten dazu, in Politikbereichen, »die in die einzelstaatliche Zuständigkeit fallen und die für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Ver­meidung schädlicher Ungleichgewichte von entscheidender Bedeutung sind«, vier konkrete Ziele zu ver­wirklichen: die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die langfristige Trag­fähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten und die Finanzstabilität zu stärken. Die Europäische Union weitete demzufolge den Anwendungsbereich ihrer wirtschafts- und währungspolitischen Konditionalität in zweifacher Richtung aus: Sie verpflichtete, erstens, Mitglieder der EU, also nicht nur die Euro­zonen-Teilnehmer, zu stabilitätsorientierten natio­nalen Fiskalpolitiken und zu wachstumsorientierten Wirtschaftspolitiken. Damit dehnte sie, zweitens, den materiellen Anwendungsbereich der europäischen Konditionalitätspolitik auf Politikfelder aus, die nur mittelbar auf die europäische Währungspolitik ein­wirken und zu deren Regulierung die Europäische Union nur über eingeschränkte Kompetenzen verfügt.

Mit dem sogenannten »Fiskalpakt«, der am 1. Januar 2013 in 25 EU-Mitgliedstaaten in Kraft trat, wurde der Konditionalitätsmechanismus in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion nochmals erheblich verschärft.25 Mit diesem Vertrag verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten auf die Verabschiedung ausgeglichener Haushalte und, wenn möglich, auf die Fixierung nationaler Schuldenbremsen in ihren nationalen Verfassungen. Sollte ein Mitgliedstaat die Defizit­grenzen überschreiten und er den Empfehlungen der Europäischen Kommission zum Abbau seiner Schulden nicht nachkommen, kann er vor dem Euro­päischen Gerichtshof (EuGH) verklagt werden. Dieser kann dann finanzielle Sanktionen gegen den Mit­glied­staat in Höhe von maximal 0,1 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts verhängen.

Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise in der EU und insbesondere in der Eurozone das Instrumentarium der EU-internen Konditionalität deutlich vergrößert wurde. Neue Formen der negativen Konditionalität wurden eingeführt und neue Institutionen und Instrumente geschaffen. Mit dem Fiskalpakt und der darin fixierten Selbstverpflichtung zur Einführung nationaler Schuldenbremsen wurde schließlich das europäische Konditionalitätskonzept der strikten Haushaltsdisziplin in der Eurozone auf die nationalen Fiskalpolitiken und sogar auf die nationalen Verfas­sungsordnungen ausgeweitet.

Die wirtschaftspolitische Koordinierung und das Konzept der Konditionalität

Als Reaktion auf die tiefe Staatsschuldenkrise 2010/11 verabschiedete die EU darüber hinaus zwei umfangreiche Gesetzespakete: das sogenannte »Sixpack«, das sechs Legislativakte umfasste und im Dezember 2011 in Kraft trat, und das »Twopack« vom Mai 2013, das zwei weitere Gesetzgebungsakte beinhaltete. Beide Legislativpakete sollten den Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzen und die Überwachung der natio­nalen Haushalte und der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU verbessern.

Insbesondere mit dem neuen Modus zur Identifizierung makroökonomischer Ungleichgewichte wur­den neue Konditionalitätskriterien und ‑indikatoren in das wirtschaftspolitische Monitoring eingeführt.26 Dieses Ungleichgewichteverfahren wurde mit der Möglichkeit von Sanktionen verbunden, sollte ein Staat nicht den Empfehlungen der EU zur Anpassung seiner nationalen Fiskal-, Wirtschafts- und Sozial­politiken folgen.27 Die zusätzliche negative Konditio­nalität sollte der EU dabei helfen, frühzeitig Risiken für die nationalen Fiskalpolitiken und damit mittel­bar für die Stabilität der gemeinsamen Währung zu erkennen. Mit dem Twopack wurde darüber hinaus vorgegeben, dass die Mitgliedstaaten der Eurozone ihre Haushaltsentwürfe vorab der Europäischen Kom­mission zur Prüfung und Stellungnahme vorlegen müssen. Teil dieser verstärkten fiskalpolitischen Über­wachung war das Recht der Kommission, dem Mit­gliedstaat Änderungen an dessen Etatentwurf vor­zuschlagen, falls sie schwere Verstöße gegen die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts feststellt. Damit erhielt die Kommission zwar nicht die Kompetenz, im Namen der EU in die beanstandeten nationalen Haushaltsentwürfe einzugreifen, und die Mitgliedstaaten müssen auch nicht zwangsläufig die Änderungswünsche aus Brüssel umsetzen. Der Kommission öffneten sich dadurch jedoch zusätzliche Wege, um auf die nationalen Fiskalpolitiken Einfluss zu nehmen: Sie konnte fortan die einzelstaatlichen Budgetplanungen deutlich enger und genauer über­wachen und auf deren Gestaltung einwirken; auch die mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt ohnehin schon bestehenden Instrumente der negativen Kon­ditionalität im Rahmen der Haushaltsüberwachung wurden mit dem Twopack noch weiter verschärft.

Darüber hinaus werden seit 2011 in einem jähr­lichen Verfahren – dem Europäischen Semester – die nationalen Fiskalpolitiken und die mitgliedstaatlichen Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozial­politiken intensiver überwacht und aufeinander ab­gestimmt.28 Mit diesem präventiven Koordinierungs- und Monitoringverfahren werden nahezu alle Politik­bereiche, die auf die nationalen Ökonomien der Mit­gliedstaaten und somit mittelbar auch auf die EU und die gemeinsame Währung einwirken können, einer Vorabkontrolle durch die EU-Kommission unter­zogen. Seither verfügt die Kommission mit dem In­strument der sogenannten länderspezifischen Empfeh­lungen über eine weitere Möglichkeit, die Mitgliedstaaten zu Anpassungen und Reformen ihrer jeweiligen Wirt­schafts-, Beschäftigungs- oder Sozialpolitiken auf­zufordern und die Umsetzung der Empfehlungen zu überwachen. Der Anwendungsbereich der ursprünglich auf fiskalpolitische und makroökonomische Fragen begrenzten Konditionalität in der Wirtschafts- und Währungsunion wurde so inhaltlich stark aus­geweitet.

Mit dem Europäischen Semester wurde eine besondere Form einer prozessorientierten impliziten Konditionalität geschaffen.

Mit dem Europäischen Semester wurde auch ein technisch-administrativer Mechanismus entwickelt, um ein kontinuierliches Monitoring der Politiken der Mitgliedstaaten zu gewährleisten und spezifische Reformempfehlungen zu formulieren. Es wurde also eine besondere Form einer prozessorientierten impli­ziten Konditionalität geschaffen.29 Der wirtschafts­politische Konditionalitätsmechanismus beschränkt sich dabei nicht auf konkrete und eingrenzbare Pro­gramme oder spezifische Politikbereiche, sondern hat sich zu einem kontinuierlichen, politikfeldübergreifenden Monitoring-und-Governance-Mechanismus weiterentwickelt – zu einem Instrument der »gover­nance by conditionality«.30 Das Monitoring im Rah­men des Europäischen Semesters dehnt Konditio­nalität zu einem dauerhaften Prozess aus, ohne dass dabei ein Ziel oder ein Endpunkt definiert würde.

Konditionalität in den europäischen Ausgabenpolitiken

Das Instrumentarium der Konditionalität – sowohl der positiven und negativen als auch der Ex-ante- und Ex-post-Varianten – war stets Teil der europäischen Aus­gaben- und Förderpolitiken. Die europäischen Förderprogramme und Fördergelder wurden durch­gängig mit der Umsetzung spezifischer Vorgaben ver­bunden, sowohl die Zahlungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik an die landwirtschaftlichen Betriebe und in der Fischereipolitik als auch die aus den europäischen Strukturfonds.31 Unkonditionierte EU-Förder­programme, also reine Finanztransfers, die an keine Bedingungen der Förderungsfähigkeit oder an be­stimmte Förderziele gebunden wären, gibt es nicht.32

Dennoch unterscheidet sich das Konzept der Kon­ditionalität mit Hilfe der europäischen Ausgaben­politiken und Förderprogramme von der eigentlichen Zweckbestimmung dieser Gelder. Denn dieser Ansatz verbindet verschiedene Entscheidungsebenen und Verantwortlichkeiten und verfolgt zunehmend auch weiterreichende Intentionen. Inzwischen werden die Fördergelder der EU immer öfter zu finanziellen Hebeln, um politische Ziele zu erreichen, die über das eigentliche Förderziel hinausgehen. So hat die EU mittlerweile eine besondere Form der europäischen »Ausgabenkonditionalität« oder »Haushaltskonditionalität« entwickelt.33

Die Grundlagen für diese »power of the purse«34 wurden bereits mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2014–2020 geschaffen und mit dem neuen MFR 2021–2027 weiter ausgebaut. Insbesondere die Gelder aus dem europäischen Strukturfonds bilden einen starken finanziellen Hebel. John Bachtler und Carlos Mendez sprechen im Kontext der europäischen Kohäsionspolitik deshalb von einer »institutionalisation of conditionality«.35

In der sekundärrechtlichen Dachverordnung,36 die allgemeine Bestimmungen für die europäischen Struk­turfonds enthält, wurden drei Formen der Konditionalität für die Strukturfonds verankert:37

a) Die Ex-ante-Konditionalitäten

Bereits bevor die EU-Fördergelder bewilligt werden, müssen die nationalen Verwaltungen in den Emp­fängerstaaten nachweisen, dass zufriedenstellende ordnungspolitische und institutionelle Rahmen­bedingungen geschaffen wurden, die eine möglichst effiziente Verwendung der EU-Mittel garantieren. Diese Vorbedingungen sollen sicherstellen, dass strukturelle Probleme oder institutionelle Schwächen in den Förderregionen vor Beginn der Auszahlung der Gelder beseitigt werden. In der neuen Förderperiode werden diese Ex-ante-Konditionalitäten nun als »grund­legende Voraussetzungen« bezeichnet.38 Diese reichen von vergaberechtlichen und beihilferecht­lichen Erfordernissen über die Achtung und Anwen­dung der Charta der Grundrechte bis zur Umsetzung des UN-Übereinkommens zum Schutz von Menschen mit Behinderungen.

b) Die Ex-post- oder Performance-Konditionalitäten

Auch mit den Ex-post- oder Performance-Konditio­nalitäten soll die Ergebnisorientierung der europäischen Förderinstrumente gestärkt und somit die Ef­fek­tivität und Effizienz der europäischen Kohäsionspolitik insgesamt verbessert werden. Mit diesem strate­gischen und leistungsorientierten Ansatz wurde zugleich ein Überwachungs- und Bewertungssystem eingeführt, um die erfolgreiche und nachhaltige Implementierung der Strukturpolitik sicherzustellen. Für die Förderperiode 2021–2027 haben die Mitglied­staaten deshalb die Erstellung eines Leistungsrahmens mit festen Output- und Ergebnis-Indikatoren verein­bart und so ein administrativ-technisches Steuerungsinstrument entwickelt. Empfänger europäischer Fördergelder müssen für jedes Förderprogramm einen Leistungsrahmen erstellen und hierfür geeignete In­dikatoren entwickeln sowie messbare Zwischenziele und Endziele fixieren. Damit dient der Leistungs­rahmen der Bilanzierung der Förderprogramme und im Endeffekt zur Rechtfertigung für die Auszahlung von leistungsbezogenen Reserven im letzten Jahr der Förderperiode; darüber hinaus soll der Rahmen dazu nutzen, »die Leistung des Programms während dessen Durchführung zu begleiten und zu evaluieren und darüber Bericht zu erstatten«.39 Auf diese Weise trägt das Instrument zur Bemessung einer erfolgreichen europäischen Strukturförderung bei.

Mit der Performance-Konditionalität soll also grundsätzlich die Effizienz und Effektivität der euro­päischen Fördergelder verbessert werden. Allerdings hat die EU auf eine ergebnisbezogene negative Kon­ditionalität und die Option der Sanktionierung ver­zichtet. Der Verlust von eingeplanten Fördergeldern droht den Regierungen in den EU-Ländern damit nicht. Diese negative Konditionalität war ohnehin höchst umstritten, sie wurde von den Mitgliedstaaten grundsätzlich abgelehnt und war in der Praxis der Fondsverwaltung nicht umsetzbar. An die Stelle einer solchen negativen Konditionalität ist ein Mechanismus der kontinuierlichen Begleitung und Über­wachung der Förderprogramme getreten mit der Auf­gabe, eine umfassende Programmevaluation zu er­mög­lichen. Das permanente Monitoring, das der inhalt­lichen Steuerung der Förderprogramme dient, erfor­dert neben der ununterbrochenen Datenerhebung auch die Etablierung entsprechender administrativer Strukturen in den Empfängerstaaten und ‑regionen.

c) Die makroökonomische Konditionalität und die enge Verknüpfung mit dem Europäischen Semester

Bereits in der Förderperiode 2014–2020 wurde mit der sogenannten makroökonomischen Konditiona­lität (MöK) die Auszahlung der europäischen Förder­gelder aus den Strukturfonds an die Einhaltung der Konvergenzkriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts geknüpft.40 Damit wurde die im europäischen Vertragsrecht bereits verankerte makroökonomische Konditionalität des europäischen Kohäsionsfonds auf alle Strukturfonds ausgeweitet und der Bezug von Leistungen aus diesen Töpfen darüber hinaus von der Befolgung der Empfehlungen abhängig gemacht, die die Kommission im Rahmen des Europäischen Semes­ters ausspricht. Die Strukturfonds wurden als Hebel zur Stärkung der haushaltspolitischen und fis­kalischen Stabilität und zugleich als zusätzliche wirt­schaftspolitische Lenkungsinstrumente eingesetzt.

Auch in der Förderperiode 2021–2027 hielt die EU an der direkten Anbindung der Auszahlung der europäischen Fördergelder an die relativ unverbind­liche Koordinierung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken fest. Die Kommission kann demnach einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung und Anpassung seiner Förderprogramme auffordern, wenn diese im Widerspruch zu den wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Zielen der EU stehen. Ihr steht da­mit ein wirksames Instrument zur Verfügung, um die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, die länder­spezifischen Empfehlungen, die sie im Rahmen des Europäischen Semesters aus Brüssel erhalten, auch wirklich umzusetzen oder makroökonomische Un­gleichgewichte zu korrigieren. Sollte die betreffende Regierung keine Anpassungen vornehmen, kann die Kommission dem Rat vorschlagen, dass die Auszahlung der europäischen Fördergelder an den Mitgliedstaat teilweise oder vollständig ausgesetzt wird. Sie kann darüber hinaus dem Rat ähnliche Sanktionen empfehlen, wenn ein Mitgliedstaat keine Maßnahmen zur Vermeidung übermäßi­ger öffentlicher Defizite ergreift.41 Dieses Verfahren zur Auslösung der makro­ökonomischen Konditionalität wurde mit der Ein­führung des Abstimmungsmodus der »umgekehrten qualifizierten Mehrheit« zudem deutlich erleichtert.42

Die Fördergelder und Strukturfonds dienen der EU als Hebel, um die Nicht-Umsetzung ihrer wirtschafts- und fiskalpolitischen Ziele mit finanziellen Sanktionen zu belegen.

Das Ziel der makroökonomischen Konditionalität ist es also, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Haushalts­defizite strenger zu handhaben und die Verfahren zur wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Ko­ordi­nierung deutlich zu straffen und zu verschärfen.

Mit dieser Konditionalität werden zwei unterschiedliche Politikbereiche miteinander kombiniert, die sich zwar überlappen, aber doch unterschied­lichen Rationalitäten folgen: Einerseits dienen die Strukturfonds der Stärkung der europäischen Soli­darität und der wirtschaftlichen Konvergenz in der EU sowie der Umverteilung von finanziellen Res­sourcen. In der Verbindung mit den fiskalpolitischen Zielen der Nachhaltigkeit der nationalen Haushaltspolitiken und der Vermeidung übermäßiger öffent­licher Defizite andererseits sehen Beobachter einen radikalen Paradigmenwechsel beim Konzept der euro­päischen Solidarität.43 Es gibt Stimmen, die die MöK als Bestrafung von Regionen in Mitgliedstaaten mit schlechter und nicht-nachhaltiger Fiskalpolitik kriti­sieren.44 Die Konditionalität wirke in Krisenzeiten potentiell prozyklisch und ihr fiskal­politischer Effekt verursache damit eher größeren Schaden, als dass er den Zielen der europäischen Förderpolitik diene.45

Die Umsetzungskonditionalität in der neuen Aufbau- und Resilienzfazilität

Auch die zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Covid-19-Pandemie in der EU neu eingerichtete einmalige und befristete Aufbau- und Resilienzfazilität46 beinhaltet eine Verknüpfung mit den wirtschafts- und sozialpolitischen Zielen der EU.47 Ebenso wie die Verordnung mit den gemeinsamen Bestimmungen der EU-Strukturfonds operiert diese Fazilität mit einer deckungsgleichen makroökonomischen Konditionalität. Diese erlaubt es, bei Verstößen gegen das Gebot der Vermeidung eines übermäßigen Defizits und bei fehlender Umsetzung der EU-Empfeh­lung die Mittelbindungen oder Zahlungen aus der Fazilität an den Mitgliedstaat vollständig oder teil­weise auszusetzen.48 Neben dieser spezifischen makro­ökonomischen Konditionalität enthält die Verordnung zusätzlich eine sehr weitreichende wirtschafts- und klimapolitische Konditionalität.49

Darüber hinaus verknüpft die Fazilität die Aus­zahlung der europäischen Fördergelder mit der Erstel­lung von nationalen Aufbau- und Resilienzplänen. Diese Pläne müssen den Zielen und Vorgaben des Europäischen Semesters zur wirtschaftspolitischen Koordinierung entsprechen; zugleich müssen sie die länderspezifischen wirtschafts-, sozial- und beschäftigungspolitischen Reformempfehlungen der EU und auch die energie- und klimapolitischen Ziele der Union berücksichtigen. Die Kommission prüft und bewertet die Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne kontinuierlich, das heißt sie beobachtet, ob ihre materiellen Vorgaben wirksam, effizient und untereinander kohärent befolgt werden. Sollte sie zu dem Schluss kommen, dass das Agieren eines Mitgliedstaats unzureichend ist, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen, kann sie dem Rat vorschlagen, keine Gelder an den Mitgliedstaat auszuzahlen.50 Da­rüber hinaus beinhaltet die Aufbau- und Resilienz­fazilität auch eine Verbindung mit der Rechtsstaatskonditionalität zum Schutz des EU-Budgets.51

Die Konditionalitäten, die mit der Aufbau- und Resilienzfazilität verknüpft sind, dienen also ebenso dem Ziel, die effektive und effiziente Verwendung der Fördergelder zu garantieren. Mit den Konditionalitäten ist notwendigerweise ein permanentes Monitoring in den (und durch die) Mitgliedstaaten verbunden. Die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne müssen konkrete und messbare Etappen- und Endziele ent­halten, deren Erreichen regelmäßig von den Mitgliedstaaten gemeldet und von der Europäischen Kommission geprüft wird. Sollte die Kommission feststellen, dass die Leistungsberichterstattung eines Mitgliedstaats fehlerhaft oder unvollständig war und die ver­einbarten Etappenziele nicht erreicht wurden, kann sie die Auszahlung der Fördergelder ganz oder teil­weise stoppen.

Auch hier wurden also mit dem Konzept der Kon­di­tionalität verschiedene Politikbereiche mit unter­schiedlichen politischen Zielen und Aufgaben mit­einander verkoppelt und darüber hinaus ein differen­ziertes Monitoringsystem zur Überwachung der Um­setzung geschaffen. Ein End- oder Zielpunkt der Kon­ditionalität ist kaum mehr zu erkennen; statt­dessen wird ein kontinuierliches Monitoring mitgliedstaat­licher Politiken im Gegenzug zur Gewährung euro­päischer Fördergelder installiert.

Die politische Konditionalität der Rechtsstaatlichkeit

Die im Rahmen der Verhandlungen über den mehr­jährigen Haushalt der EU (MFR 2021–2027) ein­geführte Rechtsstaatskonditionalität verbindet die Achtung der politischen Grundwerte der europäischen Verträge mit der Auszahlung von Fördergeldern. Die Europäische Kommission hatte diese Konditionalität bereits 2018 vorgeschlagen52 und war damit dem Drängen insbesondere einiger westeuropäischer Re­gierungen und des Europäischen Parlaments nach­gekommen, die die Einführung einer »politischen Konditionalität« für den Bezug europäischer Fördergelder forderten.53 Die Kommission argumentierte, dass die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips und der Gewaltenteilung, die Rechenschaftspflichtigkeit der Regierung, eine demokratische und freiheitliche Gesetzgebung, die Unabhängigkeit der Justiz und Rechtssicherheit Grundvoraussetzungen für den Schutz der finanziellen Interessen der EU seien.54 In den Fällen, in denen diese Voraussetzungen in einem Mitgliedstaat gefährdet oder in Frage gestellt wären, sollte die Kommission das Recht haben, die Auszahlung europäischer Fördergelder auszusetzen. Mit der Ausgestaltung als nega­tive Ex-post-Konditio­nalität hatte die Rechtsstaatskonditio­nalität also die präven­tive Funktion, zum Schutz des EU-Budgets die Beach­tung rechtsstaatlicher Strukturen in den Mitglied­staaten zu sichern.

Allerdings gab es gegen den Legislativvorschlag aus grundsätzlichen Beweggründen heraus Einwände.55 Neben den deutlichen inhaltlichen Überlappungen mit dem Verfahren nach Artikel 7 EUV zur Aussetzung von Rechten eines Mitgliedstaats und den Zwei­feln an der vorgeschlagenen Rechtsgrundlage56 wurde kritisiert, dass der Bewertungs- und Handlungs­spielraum der Europäischen Kommission in diesem Ver­fahren zu stark ausgeweitet werde.57

Im weiteren Verlauf des Legislativverfahrens zwi­schen Rat und Europäischem Parlament wurde der Vorschlag der Europäischen Kommission verändert.58 Im Juli 2020 war die Rechtsstaatskonditionalität ein harter Streitpunkt in den Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs über den MFR 2021–2027 und erst im Dezember 2020, nach einer erneuten Zuspit­zung und einer zwischenzeitlichen Blockade der Ver­handlungen über die Haushaltsgesetzgebung, ge­langte der Europäische Rat zu einer politischen Klar­stellung und zu einem Verfahrenskompromiss.59 Die eigentliche Verordnung, die rechtliche Grundlage der neuen Konditionalität, wurde nicht mehr modifiziert. Sie war nach einer politischen Ver­ständigung zwi­schen der deutschen Ratspräsidentschaft und den Ver­tretern des Europäischen Parlaments im November 2020 mit Mehrheit und gegen die Stimmen Ungarns und Polens im Rat verabschiedet worden und trat zum 1. Januar 2021 in Kraft.60 Sie verbindet Verstöße gegen die Grund­sätze der Rechtsstaatlichkeit, die die finanziellen Interessen der EU und eine sparsame und rechtmäßige Ausführung des EU-Haushalts beinträchtigen könnten, mit der Möglichkeit von finanziellen Sanktionen.61 Die Europäische Kommission kann nach einem mehrstufigen Verfahren dem Rat die voll­ständige oder teil­weise Aussetzung oder Verringerung von Zahlungen aus dem EU-Haushalt an den Mitglied­staat empfehlen.

Wie im Europäischen Rat zugesagt, wartete die Kom­mission zunächst die Urteile des Europäischen Gerichtshofs zu den Klagen Polens und Ungarns gegen die Rechtmäßigkeit der Verordnung im Februar 2022 ab und legte anschließend Leitlinien zur An­wendung der Konditionalität vor. Der EuGH hatte in zwei Grundsatzurteilen62 die juristischen Einwände gegen die Verordnung zurückgewiesen. Die Klagen hatten deren Rechtsgrundlage in Zweifel gezogen, sich gegen vermeintliche Unklarheiten bei der Defini­tion der Rechtsstaatlichkeit gerichtet und Überschnei­dungen des Konditionalitätsmechanismus mit dem in Artikel 7 EU-Vertrag festgelegten Verfahren zur Sus­pen­dierung der EU-Mitgliedschaft thematisiert. Mit Rückgriff auf frühere Urteile argumentierte das Ge­richt, dass die Europäische Union und ihre Mitglied­staaten durchaus ein gemeinsames Verständnis des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit teilen. Die Verordnung setze zudem einen engen und echten Zusammenhang zwischen einer Missachtung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips und einer Bedrohung oder einem Verstoß gegen die finanziellen Interessen der EU voraus. Die Europäische Kommission hat darauf­hin die Anwendung des Konditionalitätsmechanismus in ihren Leitlinien weiter konkretisiert.63 Darin präzisiert sie, welche Bedingungen und Voraussetzungen für den Vorschlag von Sanktionsmaßnahmen bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gegeben sein müssen und an welchen Kriterien sie sich bei der Bewertung orientiert, ob die finanziellen Interessen der EU beeinträchtigt sind.

Mit der Rechtsstaatskonditionalität wird die Achtung politischer Grund­werte zur Bedingung für die Auszah­lung von Fördergeldern gemacht.

Obwohl in der Konditionalitätsverordnung besonders betont wird, dass diese nur dem Schutz der finan­ziellen Interessen der Europäischen Union und ihres Haushalts diene, hat sie im Kern doch die politische Funktion, eine argumentative Brücke zwischen der Auszahlung europäischer Fördergelder und der Ver­pflichtung auf die gemeinsamen Grundwerte der EU, insbesondere die Rechtsstaatlichkeit, zu schlagen. Die fehlende Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat ist ein Indiz dafür, dass eine ökonomische Haushalts­führung und die sachgemäße Verwendung der euro­päischen Fördergelder nicht gewährleistet sind. Um­gekehrt ist indes der Betrug mit europäischen Förder­geldern jedoch kein ausreichendes Indiz für eine Gefähr­dung der rechtsstaatlichen Fundamente und Strukturen in einem Mitgliedstaat.

Mit der normativen Rechtsstaatskonditionalität werden also innenpolitische Grundsatz- und Struk­tur­entscheidungen und die Achtung politischer Grund­werte, die für die Mitgliedschaft in der Euro­päischen Union konstitutiv sind, zu Bedingungen für die Aus­zahlung europäischer Fördergelder gemacht. Beobach­ter kritisieren allerdings, dass in der Konsequenz mit dieser umfassenden materiellen Interpretation von Konditionalität die europäische Kompetenzordnung verändert werden könne.64 Die europäische Konditionalitätspolitik könne eine »›federalizing‹ force«65 ent­falten und ein Momentum erzeu­gen zur weiteren Konstitutionalisierung der EU.66

Versuch einer Typisierung der europäischen Konditionalitäts­politik

Die Anwendung des Konditionalitätsprinzips in der Europäischen Union unterscheidet sich deutlich von der der internationalen Finanzinstitutionen. Deren Interesse besteht vornehmlich darin, die Rückzahlung der von ihnen ausgereichten Kredite und finanziellen Hilfen durch die Empfänger sicherzustellen. Die Kon­ditionalitäten sind insofern ein Mittel zum Zweck der Rückzahlung.67 Im Unterschied dazu verfolgt die Euro­päische Union mit ihrer Konditionalitätspolitik das Ziel, die Um- und Durchsetzung von vereinbarten Regeln und Zielen zu garantieren oder zumindest zu fördern. Die Konditionalitäten sind für die EU also ein Mittel zum Zweck der Gewährleistung von Regel­konformität.

Diese europäische Konditionalitätspolitik hat in den letzten Jahrzehnten einen Wandlungsprozess durchlaufen der von Differenzierungen und Anpassungen ihrer Instrumente gekennzeichnet war. Die vorgestellten Anwendungsfälle des Konditionalitätsmechanismus in der Europäischen Union machen deutlich, dass die Konditionalität in der EU verschiedene Formen angenommen hat: Von einem zunächst auf die europäische Entwicklungshilfe und die Han­delspolitik begrenzten Instrument der auswärtigen Politik der EU wurde sie zu einem Konzept, mit der die Union die Bedingungen zur Aufnahme in die euro­päische Integrationsgemeinschaft und in die europäi­sche Wirtschafts- und Währungsunion definiert und die Beitrittsreife der Kandidatenländer bewertet. Aus­gehend von dieser eher punktuellen Form der Kon­ditionalität, entwickelte sich die europäische Kondi­tionalitätspolitik dann zu einem wichtigen Governance-Instrument der europäischen Politik.

Der Anwendungsbereich der Konditionalitätspolitik hat sich also erheblich vergrößert und auch die damit verbundenen Ziele und Funktionen haben sich ver­ändert. Mit Hilfe mehrerer Merkmale bzw. Indika­to­ren der Anwendung des Konditionalitätsprinzips in der europäischen Politik lassen sich unterschiedliche Grundtypen europäischer Konditionalität heraus­arbei­ten; dazu gehören die Form und der Zeitpunkt der Anwendung, der rechtliche Status, die Reichweite und Wirkungsweise und die Funktion bzw. das Ziel der Konditionalität (siehe Tabelle 1).

Ausgehend von den vorgestellten Anwendungs­fällen, der Weiterentwicklung des Konditionalitätsprinzips in der Europäischen Union und der Differen­zierung anhand der aufgeführten Kriterien können drei Typen europäischer Konditionalität unterschieden werden:

1)

die Eintrittskonditionalität, mit der der Beitritt zur EU oder auch der Eintritt in die europäische Wirtschafts- und Währungsunion konditioniert werden;

2)

der Typus der Governance-Konditionalität, mit der die EU versucht, die Mitgliedstaaten in der EU zur dauerhaften Einhaltung und Beachtung der jeweiligen rechtlichen Vorgaben und politischen Regeln in einem Politikbereich zu bringen; und schließlich

3)

eine politikfeldübergreifende Hebelkonditionalität, mit der die EU versucht, ihre politischen Ziele und Werte mit dem Hebel der europäischen Förder­politik durchzusetzen.

Die Eintrittskonditionalität

Aufbauend auf ihre Erfahrungen mit der Konditio­nalität in ihren handels- und entwicklungspolitischen Abkommen mit Drittstaaten nutzte die Europäische Union das Konzept der Konditionalität zunächst als Instrument ihrer Assoziierungs- und Erweiterungs­politik. Ähnlich wie sie in der Handelspolitik die Öffnung des Binnenmarkts an die Beachtung euro­päischer Regulierung knüpfte, verband sie die Auf­nahme neuer Mitglieder mit der Bedingung, dass diese den gesamten Rechtsbestand übernehmen.68

Tabelle 1 Kennzeichen der Konditionalität in der Europäischen Union

Form der Anwendung

  • positive Konditionalität, d. h. finanzielle oder politische Anreize

  • negative (punitive) Konditionalität, d. h. Sanktionen bzw. Einfrieren oder Entzug von Förderung oder Unterstützung

Zeitpunkt der Anwendung

  • ex ante, d. h. die vereinbarte Anpassungsleistung muss vom Adressaten der Konditionalität vor der Gewährung von Anreizen oder der Durchsetzung von Sanktionen implementiert werden

  • ex post, d. h. nach der Implementierung der vereinbarten Anpassungsleistung und der Überprüfung durch den Anbieter der Konditionalität

Rechtscharakter und Status der Konditionalität

  • primärrechtliche Verankerung der Konditionalität in den europäischen Verträgen

  • sekundärrechtliche Verankerung der Konditionalität in Verordnungen oder Richtlinien der EU

  • implizite Konditionalität in Form politischer Verpflichtungen

Häufigkeit der Anwendung

  • singuläre Anwendung der Konditionalität

  • mehrmalige Anwendung der Konditionalität

  • periodische Anwendung der Konditionalität

  • kontinuierliche Anwendung der Konditionalität

Materielle Reichweite

  • regulative Konditionalität (bezogen auf ein Politikfeld)

  • politikfeldübergreifende Konditionalität

  • grundsätzliche Konditionalität (bezogen auf System- und Struktur­fragen)

Prozessuale Reichweite

  • ergebnisorientierte Konditionalität

  • prozess- bzw. handlungsbezogene Konditionalität

Entscheidungsebene

  • Europäische Kommission

  • Rat der Europäischen Union und Europäisches Parlament

  • Europäischer Rat

Dauer der Konditionalität

  • einmalige Konditionalität

  • längere Dauer, aber befristete Konditionalität

  • dauerhafte und unbefristete Konditionalität

Funktion der Konditionalität

  • Umsetzungsfunktion

  • Regulierungsfunktion

  • Politikimplementierungsfunktion (Governance-Funktion)

  • Institutionelle Funktion

  • Kompetenzerweiterungsfunktion

Der Mechanismus der Eintrittskonditionalität wurde zu einem politischen Instrument, um die Einhaltung der politisch-normativen Grundlagen der EU sicherzustellen und die Systementscheidungen und Strukturprinzipien der Union zu festigen, mit anderen Worten, um die geschriebenen und un­geschriebenen »Clubregeln« durchzusetzen. Das gleiche Prinzip wendet die Europäische Union auch für die Aufnahme in den Kreis der engsten Integra­tion – die Eurozone – an. Im Unterschied zu den Konditionalitäten für den Beitritt zur Europäischen Union, für die sich im europäischen Vertragsrecht lediglich sehr allgemeine Formulierungen finden, sind die Konditionalitäten für die Aufnahme in die europäische Wirtschafts- und Währungsunion kon­kret im europäischen Primärrecht aufgeführt.

Die Eintrittskonditionalität ist eine positive, Anpassungen stimulierende Ex-post-Konditionalität.

Die europäische Eintrittskonditionalität arbeitet mit der Belohnung für die Umsetzung politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Anpassungen. Der Anreiz der Aufnahme in die Europäische Union oder in die Eurozone entfaltet in der Kosten-Nutzen-Ab­wägung der jeweiligen Kandidaten eine so starke Wirkung, dass die prognostizierten Vorteile der Mit­gliedschaft in der jeweiligen Integrationsgemeinschaft die möglichen politischen oder ökonomischen Kosten der erforderlichen Transformation deutlich über­wiegen. Die Eintrittskonditionalität ist demnach eine positive, Anpassungen stimulierende Ex-post-Kondi­tio­nalität. Das Ziel, das mit ihr verbunden wird, ist die Aufnahme des jeweiligen Kandidaten. Sie ist so­mit auf eine abschließende politische Entscheidung fokussiert – die Anerkennung der Beitrittsreife. Der Weg zu dieser finalen Entscheidung kann zwar ein langwieriger Prozess mit einer Vielzahl an Zwischenstationen und vorläufigen Konditionalitätsprüfungen sein – ausschlaggebend ist jedoch ebenjener ultima­tive Beschluss. Bis dahin kann das Verfahren flexibel gestaltet werden und von der EU mit zusätzlichen Anreizen und Hilfen ergänzt werden.

Insofern ist es ein besonderes Charakteristikum der europäischen Eintrittskonditionalität, dass sie von einer auffälligen Machtasymmetrie zwischen den beiden Akteuren der Konditionalitätsvereinbarung gekennzeichnet ist. Das letzte Wort über die jeweils erreichte Eintrittsreife hat stets die Europäische Union. Die umfassende Reichweite dieser Konditio­nalität – und damit deren politische, rechtliche und institutionelle Bedeutung – macht es nahezu un­abdingbar, dass die politische Entscheidung, die den Prozess abschließt, vom Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs getroffen wird. Die Eintritts­konditionalität ist somit eine politische Konditionalität mit konstitutioneller Wirkung und Bedeutung.

Die Governance-Konditionalität

Die Governance-Konditionalität, die die EU mit Hilfe ihrer Förderprogramme anwendet, wirkt grundsätzlich als regulative, politikfeldspezifische positive Kon­ditionalität. Die einzuhaltenden Regeln sind dabei zum Teil primär- oder zumindest sekundärrechtlich vorgegeben und verankert. So ist die Auszahlung europäischer Fördergelder aus den Strukturfonds oder über die Gemeinsame Agrarpolitik stets an Voraussetzungen wie die Förderfähigkeit und die besonderen Förderziele gebunden. Die Governance-Konditio­nalität dient dann als Instrument, um die jeweiligen Förderprogramme in den Mitgliedstaaten und ihren Regionen zielorientiert umzusetzen und die europäischen Fördergelder möglichst effizient und effektiv zu verwenden.

Die Governance-Konditionalität erweitert zugleich auch die Handlungsmöglichkeiten der EU (und ins­besondere der Europäischen Kommission). Diese kann mit Hilfe des Hebels die rechtskonforme Umsetzung der europäischen Ausgabenpolitiken und den öko­nomischen und produktiven Einsatz der europäischen Fördergelder durch die Mitgliedstaaten besser überwachen. Denn üblicherweise teilen sich die Kom­mission und die Mitgliedstaaten bei der Mehrzahl der europäischen Förderpolitiken und Förderprogramme die Verantwortung für die Mittelverwendung. Wäh­rend die Mitgliedstaaten eigene Verwaltungs- und Kontrollsysteme aufbauen, den Endbegünstigten über ihre Förderrichtlinien und Förderprogramme die Fördermittel zukommen lassen und diese dann gegen­über der Kommission abrechnen, beschränkt sich die Kommission auf eine Aufsichtsfunktion über die nationalen Verwaltungen. Die Governance-Konditio­nalität bietet bei dieser Form der sogenannten geteil­ten Mittelverwaltung eine zusätzliche Handhabe zur Kontrolle der regelkonformen Mittelverwendung. Die nationalen Förderpolitiken in den Mitgliedstaaten werden nicht mehr nur mit den Instrumenten des europäischen Rechts (und den daraus resultierenden Sanktionierungsoptionen durch Entscheidungen der europäischen Gerichte) auf ihre Ordnungsmäßigkeit hin beurteilt, sondern zunehmend auch mit dem Mechanismus der Konditionalität. Die EU setzt diese Möglichkeit der Einflussnahme auf die nationalen und regionalen Förderpolitiken darüber hinaus ein, um ihre Lesart der Förderziele und ihre Festlegung der Förderprioritäten gegenüber den Empfängern der Gelder durchzusetzen. Die europäische Konditio­nalitätspolitik als eine besondere Form der europäischen Governance zielt so auf eine Lenkung der mit­gliedstaatlichen Politiken im gemeinsamen Interesse. Die Ausgabenpolitiken werden zu Politiken des »goldenen Zügels«.

Innerhalb dieses Typus der Governance-Konditio­nalität entwickeln sich inzwischen vermehrt neue Varianten, bei denen die europäischen Förderpolitiken mit weiterreichenden Vorgaben verknüpft wer­den. So wird ein Teil der Fördermittel der Gemein­samen Agrarpolitik, die den europäischen landwirtschaftlichen Betrieben zugutekommen, mit den klima- und umweltpolitischen Zielen der EU ver­bun­den. Auch die erwähnten »grundlegenden Voraus­setzungen« bzw. die früheren Ex-ante-Konditio­nali­täten, die die Bedingung zum Bezug von Geldern aus den europäischen Strukturfonds sind, reichen über die engen strukturpolitischen Förderziele hinaus. Allerdings besteht noch immer ein sachlicher und funktionaler Zusammenhang zwischen diesen neuen Konditionalitäten und den eigentlichen Intentionen der Förderpolitik. Der Zweck dieser Konditionalitäten ist erkennbar der, die Effektivität und die Effizienz der europäischen Förderprogramme zu erhöhen; es sollen keine sachfremden Vorhaben in anderen Politikbereichen mit europäischen Fördermitteln ver­folgt werden. Langfristiges Ziel dieser europäischen Konditionalitätspolitik ist es, dauerhafte Veränderungen der Politiken in den Mitgliedstaaten auszulösen.

Um überwachen und bewerten zu können, ob die nachhaltigen Konditionalitäten der europäischen Ausgabenpolitiken erfüllt werden, bedarf es eines zusätzlichen Monitorings, angepasster Indikatoren und regelmäßiger Berichte. Insbesondere für dieses dauerhafte oder regelmäßige Monitoring der Imple­mentierung ist eine Zusammenarbeit der EU mit den Empfängern der konditionierten Fördergelder erfor­derlich: zum einen, um die Kriterien und Indikatoren zu vereinbaren, und zum anderen, um die Daten und Messwerte, die im Zuge der Umsetzung der Förderprogramme erhoben werden, gemeinsam zu bewer­ten. Dabei wird auf Seiten des Empfängers eine ge­wisse politische ownership bzw. eine grundsätzliche Zustimmung und Einsicht in die Notwendigkeit und die Legitimität der Ziele und Vorgaben der Governance-Konditionalität vorausgesetzt. Allerdings ist eine formal-rechtliche ownership des jeweiligen Ziel­staats schon gegeben, denn der Adressat der Konditio­nalität ist als Teil der europäischen Rechtsgemeinschaft bereits rechtlich gebunden.

Die politikfeldübergreifende Hebelkonditionalität

Der Typus der politikfeldübergreifenden Konditio­nalität ist eine besondere Form der europäischen Konditionalitätspolitik. Er verbindet den finanziellen Hebel der EU-Förderpolitiken mit Zielen in anderen Politikfeldern oder mit fundamentalen politisch-kon­stitutionellen Entscheidungen in den Mitgliedstaaten. Die Drohung, die Auszahlung von Fördergeldern im Fall einer nicht-ausreichenden Umsetzung europäischer Regeln oder vereinbarter Ziele zu sperren, zu kürzen oder zu verzögern, dient als punitive Kondi­tionalität. Sie soll die Mitgliedstaaten zu Anpassungen an die EU-Vorgaben bewegen. Allerdings greift diese spezielle Form der Hebelkonditionalität über die Sanktionierung begrenzter politischer Entscheidungen in den Mitgliedstaaten weit hinaus. Dies gilt sowohl für die politische Konditionalität zur Achtung des Grundwerts der Rechtsstaatlichkeit als auch für die finanzpolitischen und makroökonomischen Kon­ditionalitäten, mit denen die EU umfassend auf die nationalen Haushaltspolitiken einwirkt. Die EU ver­sucht die nationalen Politiken zu beeinflussen und diese auf einen gemeinsam vereinbarten Politikpfad zu lenken.

Die Art der Anwendung dieses Typus europäischer Konditionalitätspolitik hat sich von der einer posi­tiven Konditionalität, die mit finanziellen Anreizen operiert, zu der einer vornehmlich negativen oder punitiven Konditionalität gewandelt. Da es keinen spezifischen (Ziel)Punkt gibt, an dem sich die Einhal­tung oder Umsetzung der eingegangenen Verpflichtung feststellen lässt, kann diese Form der Governance-Konditionalität auch weder ex ante noch ex post eingesetzt werden – sie muss vielmehr dauer­haft wirksam sein und die Umsetzung der mit ihr verknüpften Ziele muss demzufolge auch beständig geprüft und dann sanktioniert bzw. belohnt werden. Die Hebelkonditionalität fungiert also als kontinuierliches Druckmittel zur Einflussnahme auf die Politik in den Mitgliedstaaten. Diese Form der Konditionalität ist somit zwangsläufig stärker prozessorientiert und weniger auf das Erreichen eines konkreten För­derziels ausgerichtet. Konditionalitätspolitik wird in der Europäischen Union zu einem Prozess der Politik­steuerung.69

Die Europäische Kommission setzt diese Hebel­konditionalität inzwischen in Politikfeldern ein, in denen die Europäische Union nicht die alleinige und ausschließliche Rechtsetzungs- und Regulierungskompetenz besitzt.70 Im Gegenzug zur Gewährung finanzieller Hilfen erwartet die EU also die Umsetzung von Maßnahmen und Anpassungen auch in Politikbereichen, in denen sie nur über ergänzende oder subsidiäre Rechtssetzungszuständigkeiten und somit begrenzte rechtliche Sanktionsmöglichkeiten verfügt. Mit der Verknüpfung der europäischen Strukturfonds und des neuen Wiederaufbau- und Resilienzfonds mit dem Europäischen Semester zur wirtschaftspolitischen Koordinierung verfügt die Kommission nun über einen wirksamen Hebel. Sie kann die Beachtung der gemeinschaftlichen fiskal-, wirtschafts-, sozial-, beschäftigungs- und klimapolitischen Ziele und die Umsetzung der jeweiligen Reform­empfehlungen der EU in den Mitgliedstaaten mit der Auszahlung europäischer Fördergelder verknüpfen und damit besser durchsetzen.

Die Rechtsgrundlagen dieser Form der Konditio­nalität sind nicht immer eindeutig. So wird die Be­achtung der Rechtsstaatlichkeit bei der Auszahlung von EU-Fördergeldern in den europäischen Verträgen nicht weiter konkretisiert. Die Kommission beruft sich vielmehr auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, also auf europäisches Einzelfallrecht, und hat zur Anwendung der Rechtsstaats­konditionalität inzwischen eigene Leitlinien ent­wickelt.71 Auch die wirtschaftspolitische Konditio­nalität, die im Kontext der Staatsschuldenkrise in der Eurozone entwickelt wurde, ist nach dem sogenannten Pringle-Urteil des EuGH nur rechtens, weil »sie für die Wahrung der Finanzstabilität des gesamten Euro-Währungsgebiets unabdingbar«72 ist; sie stellt »kein Instrument zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten dar«, das in den Verträgen nicht vorgesehen wäre.73

Die jeweilige Konditionalität und die mit der Ver­gabe der europäischen Fördergelder verbundenen Auflagen werden nur in den jeweiligen sekundärrechtlichen Verordnungen verankert, also zum Bei­spiel in der speziellen Verordnung über eine all­gemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union oder in den Regelungen zur makroökonomischen Konditionalität in den allgemei­nen Strukturfondsverordnungen. Dort werden nicht nur die einzuhaltenden europarechtlichen Vorgaben, zum Beispiel in Bezug auf die Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten, die sparsame und möglichst effi­zien­te Verwendung europäischer Fördergelder oder die Ver­folgung sozial- und klimapolitischer Ziele festgeschrie­ben; auch die möglichen Sanktionen und das jewei­lige Verfahren zu deren Auslösung werden dort recht­lich verbindlich fixiert. Hinzu kamen während der Finanz- und Verschuldungskrise in der Eurozone auch Formen der impliziten Konditionalität, zum Beispiel in den Fällen, in denen die EU und die EZB ihre Hilfszusagen für einige von der Krise betroffene oder potentiell betroffene Mitgliedstaaten von tief­greifenden finanzpolitischen Reformen abhängig machten, ohne auf eine bestehende rechtliche Grund­lage zurückgreifen zu können.74 Gerade diese Einzel­fälle »impliziter Konditionalität« zeigen, dass die EU mit der Konditionierung europäischer Fördergelder durchaus über einen starken Hebel verfügt.

Über die Hebelkonditionalitäten entscheidet zumeist der Europäische Rat mit politischer Intention.

Angesichts der politischen Bedeutung und Tragweite dieser Konditionalität für die konstitutionelle Kohärenz und Stabilität der Europäischen Union ist es in der Regel der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs, der de facto über die Ausgestaltung dieser Form der politischen Konditionalität entscheidet. So wurde für die fundamentalen Beschlüsse zur Stabilisierung und Weiterentwicklung der Eurozone im Zuge der Finanz- und Verschuldungskrise auch der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Mit­gliedstaaten der Eurozone als neue Institution etabliert. Die Entscheidungen über die Konkretisierung und Anwendung der Rechtsstaatskonditionalität musste ebenfalls der Europäische Rat treffen, wenn­gleich das formale Legislativverfahren zu der Verord­nung im üblichen Prozedere zwischen Rat und Euro­päischem Parlament bereits abgeschlossen war.

Tabelle 2 Typologie der europäischen Konditionalitäten

Eintrittskonditionalität

Governance-Konditionalität

politikfeldübergreifende
Hebelkonditionalität

Form der Anwendung

positive Konditionalität

positive Konditionalität

punitive Konditionalität

Zeitpunkt der Anwendung

ex post

kontinuierlich

kontinuierlich

Häufigkeit der Anwendung

singulär

kontinuierlich

kontinuierlich

Rechtscharakter bzw. recht­liche Verankerung

Primärrecht und impli­zite Konditionalität

Sekundärrecht

Sekundärrecht und implizite Konditionalität

Materielle Reichweite

grundsätzliche und konstitutionelle Fragen; politikfeldübergreifend

Politikfeldbezogen, regulative Politiken

politikfeldübergreifende und konstitutionelle Fragen

Prozessuale Reichweite

ergebnisorientiert

prozessbezogen

prozessbezogen

Entscheidungsebene

Europäischer Rat; Europäische Kommission und Legislativorgane

Europäische Kommission und Legislativorgane

Europäischer Rat; Europäische Kommission

Dauer / Wirkungsweise der Konditionalität

einmalige Konditio­nalität

längerfristige Konditionalität (während einer Förderperiode)

dauerhafte und unbefristete Konditionalität

Funktion der Konditio­nalität

institutionelle Festigung; Implementierung (Club­regeln)

Implementierung und Regulierung

institutionelle Festigung (Clubregeln); Kompetenzerweiterung

Fallbeispiele

EU-Erweiterung; Beitritt zur WWU

Ausgabenpolitiken der EU (Kohäsionspolitik, Gemeinsame Agrar­politik)

Rechtsstaatskonditionalität;
Makroökonomische Kondi­tionalität;
Fiskal- und Budgetpolitik (während der Krise in der Eurozone); Wirtschaftspolitische Koordi­nierung und Europäisches Semester

Mit dieser Verschiebung der Funktion und der Ziele sowohl der europäischen Förderpolitiken als auch der jeweiligen Konditionalitäten ändern sich auch die Bewertungsmaßstäbe für die Bedingungen, die im Rahmen dieser Politiken auferlegt werden: Die Strukturfonds werden zum Hebel für die Durchsetzung einer stabilen Fiskalpolitik und sind eben nicht mehr nur ein Instrument europäischer Solidarität oder ein Mittel zum Zweck, um ökonomische Aufhol­prozesse in rückständigen Regionen anzustoßen. Sie sind – mit dieser Form der Konditionalität – nur noch Ausdruck einer »konditionierten Solidarität«.75 Der Erfolg dieser Strategie des Förderns und Forderns bemisst sich dann nicht mehr nur am Aufschwung einer strukturschwachen Region, sondern auch an der Einhaltung der fiskalpolitischen Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts oder an der Um­setzung der bildungs- oder klimapolitischen Ziel­vorgaben im Rahmen des Europäischen Semesters zur wirtschaftlichen Koordinierung.

Die Weiterentwicklung der europäischen Konditionalitäts­politik

Konditionalität ist aus der Politik der Europäischen Union nicht mehr wegzudenken. Die Nutzung des Prinzips für neue Ziele ist ein deutliches Zeichen da­für, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten das Kondi­tionalitätskonzept grundsätzlich positiv bewerten. Allerdings sollten die Effektivität und die Effizienz der Konditionalität in der Europäischen Union nicht überbewertet werden.76 Diskutiert wird zumeist darüber, ob die gewählte Konditionalität die an­gestrebte Wirkung erreichen kann und wie hoch die mit ihr verbundenen Kosten oder Nachteile sind – sowohl für die EU als Anbieter der Fördergelder als auch für die Mitgliedstaaten, die Beitrittsstaaten oder private Empfänger.

Stärken und Schwächen – eine vorläufige Bilanz

Die Wirkung des Prinzips Konditionalität für die euro­päische Politik unterscheidet sich je nach Konditio­nalitätstypus. Durch die Verknüpfung verschiedener Politikbereiche mit dem Konzept der Konditionalität ändern sich Bewertungsmaßstäbe und somit auch die Einschätzung dessen, was als Erfolg gelten kann. Die Beurteilung der Effektivität und Effizienz des Kon­zepts unterscheidet sich auch je nach Betrachtungsweise zwischen Anbieter und Empfänger der Kondi­tionalitätsvereinbarung.

Die Eintrittskonditionalitäten und die politikfeldbezogene Governance-Konditionalität gelten als Erfolg.

Grundsätzlich haben sich die Eintrittskonditionalitäten und die politikfeldbezogene Governance-Kondi­tionalität bewährt. Beide Varianten werden über­wiegend als erfolgreich bewertet.77 Die Eintrittskonditionalität kommt zwar vergleichsweise selten zum Einsatz. Doch sie wurde im Zuge der verschiedenen Erweiterungsprozesse mehrfach angepasst und das Verfahren reformiert.78 Dieser Typus scheint inzwi­schen den Bedürfnissen der europäischen Politik und den Ansprüchen der EU und auch der Eurozone an die Steuerung eines Beitrittsverfahrens und an die Sicherung der »Clubregeln« zu entsprechen. Die EU verfügt bei diesem Typus der Eintrittskonditionalität über den starken Hebel, am Ende eines Prozesses auto­nom über die Beitrittsreife entscheiden zu kön­nen. Sie kann sich somit einer positiven Ex-post-Kon­ditionalität bedienen – aller­dings nur bis zum finalen Beschluss.

Die Governance-Konditionalitäten werden oft kritisiert. Ihr Einsatz sei übermäßig komplex, häufig zu bürokratisch und wenig intransparent.79 Das lang­wierige und umständliche Verfahren, mit dem diese Konditionalität zur Beeinflussung und Steuerung politischer Prozesse in den Mitgliedstaaten aktiviert wird, sei unangemessen, wenig effektiv und die Er­geb­nisse häufig sogar kontraproduktiv.

Die Umsetzung erfolgt gewöhnlich durch die Mit­gliedstaaten oder deren Regionen; die Organe der Europäischen Union überwachen lediglich die Ein­haltung der Vorgaben. Bei der Implementierung der im Rahmen der Konditionalitätsvereinbarung ein­gegangenen Anpassungs- oder Reformverpflichtungen verfügt der Mitgliedstaat deshalb in der Regel über einen gewissen Informationsvorsprung gegenüber der kontrollierenden EU-Kommission. Er entscheidet, wann und welche Zwischenstände oder Ergebnisse der Umsetzung nach Brüssel gemeldet werden. Hinzu kommt, dass die spezifischen Konditionalitäten zwi­schen der Europäischen Union und der jeweiligen Zentralregierung ausgehandelt werden. Deshalb können die institutionelle Zuständigkeit und die politische Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Vorgaben auf unterschiedlichen staatlichen Entscheidungsebenen liegen. Ein abweichendes Verständnis oder eine uneinheitliche Interpretation der Bedeutung der Konditionalitätsvereinbarungen ist häufig bereits in dieser Diskrepanz von Verantwortlichkeiten und Implementierungszuständigkeiten angelegt. Auch dass Ziele und Interessen divergieren und es Unstimmigkeiten bei der Umsetzung gibt, ist im europäischen Mehrebenensystem, in dem regionale, lokale und private Empfänger europäischer Fördergelder in die Durchführung der Förderprogramme und damit zugleich auch in die Konditionalitäten eingebunden sind, unvermeidlich. Die Bedingungen werden allerdings regelmäßig im Zuge der Verhandlungen über die jeweiligen sekundärrechtlichen Basisrechtsakte vor jeder neuen Förderperiode auf veränderte Herausforderungen, neue Bedürfnisse oder Erfordernisse angepasst. Dies zeigt, dass die Kommission im Wissen um ihren begrenzten Infor­mations- und Wissensstand über die Umsetzung der Förderprogramme ihre Lehren gezogen hat. Für die Auszahlung der Fördergelder aus der europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität hat sie mit den Mit­glied­staaten einen engmaschigen Prozess der Imple­mentierung vereinbart, sowohl in Bezug auf die In­dikatoren und die Kriterien dessen, was zu erreichen ist, als auch im Hinblick auf die Zeitpunkte der zu meldenden Zwischen- und Endergebnisse.

Die verschiedenen Anwendungsformen der politikfeldübergreifenden Hebelkonditionalität wurden bereits zum Zeitpunkt ihrer Etablierung heftig kriti­siert – sowohl die makroökonomische Konditionali­tät, mit der die europäischen Strukturfonds operie­ren, als auch zuletzt die Rechtsstaatskonditionalität. Das Europäische Parlament und der Ausschuss der Regio­nen haben die makroökonomische Konditio­nalität zum Beispiel grundsätzlich abgelehnt. Der Stopp oder sogar der Verlust europäischer Förder­gelder, weil eine Bedingung nicht erfüllt oder eingehal­ten wurde, sei dysfunktional und könne in einer Krise die Dramatik der Situation noch verschärfen.80

Die Anwendung der Hebelkonditionalität erfordert politische Flexibilität.

Die Hebelkonditionalität wird vornehmlich in Bereichen angewendet, in denen sich Zuständigkeiten zum Teil überlappen, die Mittelverwaltung geteilt ist und die EU und die Mitgliedstaaten gemeinsam ver­antwortlich sind für die sachgerechte und effiziente Implementierung der Förderprogramme. Sie greift also vor allem in Fällen, die potentiell eine größere politische Flexibilität in der Auslegung, Anwendung und Durchsetzung erfordern. Die Kehrseite einer regelbasierten europäischen Konditionalität und deren automatischer Anwendung in den Politikbereichen geteilter Zuständigkeit ist jedoch oft eine redu­zierte politische Flexibilität mit nur begrenzten Er­messensspielräumen. Die Europäische Kommission, die in der Regel für den Einsatz der jeweiligen Kondi­tionalität verantwortlich ist, versucht allerdings ins­besondere in Bereichen oder Kontexten, die politisch sensibel sind, sich gewisse Reaktionsoptionen offen­zuhalten. Dies gilt umso mehr, wenn die einzige Möglichkeit der Kommission, einen Mitgliedstaat zur Einhaltung eingegangener Verpflichtungen zu drän­gen, in der punitiven Konditionalität besteht, also der Verhängung finanzieller Sanktionen im Namen der Europäischen Union. Gerade in diesen Fällen, in denen die Kommission im Namen des Rates, also der anderen Mitgliedstaaten, agiert und sie häufig wegen der präzise vorgegebenen Verfahrensschritte zur Aus­lösung der Sanktion über nur begrenzte eigene Ermes­sensspielräume verfügt, stellt diese Form der Anwen­dung des Konditionalitätsprinzips die Ver­antwort­lichen in Brüssel vor ein schwieriges Dilemma: Die Kommission sieht sich einerseits der Forderung gegen­über, die Konditionalität möglichst automatisch und technokratisch durchzusetzen, und will andererseits dem Bedürfnis entsprechen, auf den Einzelfall und die spezifischen Umstände in dem Mitgliedstaat zu reagieren. Ein allzu strikter Einsatz der jeweiligen politischen Konditionalität ist dann angesichts der Konsequenzen für die EU und die Mitgliedstaaten kaum zu erwarten. Eine rein technisch-bürokratische Anwendung der jeweiligen Konditionalität und der damit verknüpften Sanktionen ohne Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls und der individuellen politischen Umstände könnte ansonsten zu natio­nalen Abwehrreflexen führen. Bestehende politische Konflikte könnten sich eher verschärfen, wenn »Brüssel« eine punitive Konditionalität unsensibel aktivieren und kompromisslos durchsetzen würde. Eine solche »Rally around the flag«-Reaktion ver­schlechtert dann nicht nur die Chancen, dass die vereinbarten Anpassungen und Reformen tatsächlich implementiert werden; die zumeist innenpolitisch begründeten Mechanismen der Politisierung oder der populistischen Frontbildung können auch Ansätze einer grundsätzlichen Europaskepsis verschärfen oder gar in Richtung einer Europafeindlichkeit eskalieren lassen.

Dennoch ist das Prinzip der Konditionalität in der Europäischen Union mit vier grundsätzlichen Vor­teilen verbunden:

Zum einen stärkt das Konzept die Kooperation der Europäischen Union mit ihren Mitgliedstaaten auch (und speziell) in den Politikbereichen, in denen die EU nur über nachrangige Zuständigkeiten verfügt bzw. in denen zunächst die nationalen Regierungen die Politik bestimmen. Mit diesem zusätzlichen In­strument der »soft governance« ist die EU in der Lage, die nationalen Politiken besser und zielführender aufeinander abzustimmen. Zumindest potentiell kann das Konditionalitätskonzept somit zu einer effektiveren und effizienteren europäischen Politik beitragen. Über die Umsetzungsergebnisse der Konditionalitäten hinaus setzt der Mechanismus die Übertragung spezifischer Ziele in objektive und mess­bare Kriterien und Bewertungsfaktoren voraus. Die Aufgaben und Ziele europäischer Politik werden kon­kretisiert und somit für politische Entscheidungen handhabbarer. Dies kann wiederum die Effektivität und die Effizienz der vereinbarten Maßnahmen er­höhen und in der Folge die jeweilige Politik ins­gesamt verbessern.81

Der primäre Anspruch der europäischen Konditionalitätspolitik ist es, präventiv zu wirken.

Zum Zweiten ist die europäische Konditionalität in der Regel justiziabel; sie ist zumindest im europäischen Sekundärrecht in Form von Verordnungen verankert. Damit können die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre politischen Ziele und Interessen auch gegenüber innerstaatlichen Akteuren wie Regionen oder Kommunen und sogar gegenüber privaten Be­günstigten europäischer Fördergelder durchsetzen. Umgekehrt können die Konditionalitätsempfänger ihrerseits die jeweilige Anwendung einer positiven Konditionalität, also die Auszahlung europäischer Fördergelder, auf dem Rechtsweg einklagen oder eine punitive Konditionalität vor den europäischen Gerich­ten prüfen lassen.

Drittens ist es der Anspruch der europäischen Kon­ditionalitätspolitik, zunächst präventiv zu wirken. Das vorrangige Ziel auch der punitiven Konditionalität ist es, dass erforderliche Veränderungen frühzeitig angestoßen werden und Sanktionen nicht angewandt werden müssen – und wenn, dann nur als letztes Mittel. Um das Potential dieses präventiven Effekts der Konditionalität auszuschöpfen, sind oft politische Absprachen und begrenzte Anpassungen der Kondi­tionalitätsvereinbarungen hilfreich; außerdem ist es sinnvoll und erfolgversprechend, vorhandene Inter­pretations- und Handlungsspielräume auszunutzen.82 Eine solche Implementierungsflexibilität widerspricht auf den ersten Blick dem Anspruch, mit möglichst objektiven und vorab klar fixierten Kriterien die ver­einbarte Konditionalität durchzusetzen – und somit die unbedingt erforderliche Glaubwürdigkeit des Konditionalitätsprinzips zu festigen. Mehr Implementierungsflexibilität führt so zu geringerer Implementierungsverlässlichkeit. Um diesem Manko entgegenzuwirken, sollten die Empfänger von konditionierten Hilfen eine ownership gegenüber den Konditionali­täten entwickeln, also ein eigenes Interesse an Refor­men und eine begründete Einsicht in deren Notwendigkeit.

Viertens, schließlich, verfügt die EU mit dem Kon­ditionalitätskonzept in Form einer Lenkung, Beglei­tung und eines Monitorings von Anpassungsvorhaben über einen zusätzlichen und mit einem finanziellen Sanktionshebel ausgestatteten Kontrollmechanismus über nationale Politiken.83 Dieser funktioniert im Gegensatz zu den förmlichen Verfahren vor den europäischen Gerichten und den Strafen, die dort gegebenenfalls ausgesprochen werden, nach einer anderen, einer politischen Logik. Im Hinblick auf die Durchsetzung europäischer Vor­gaben und Regeln wirkt das Instrument der Konditionalität früher, flexibler und weniger einschneidend als formelle Vertragsverletzungsverfahren.

Anpassungen der europäischen Konditionalitätspolitik

Die EU hat mit Hilfe des Konditionalitätsmechanismus verschiedene Formen der kontinuierlichen Politiksteuerung entwickelt. Allerdings lässt sich mit diesem besonderen Ansatz der prozessualen und politischen Anwendung des Konditionalitätsprinzips nicht garantieren, dass in den Mitgliedstaaten tat­sächlich eine Politikanpassung stattfindet. Im Zuge der Entwicklung des Konditionalitätsprinzips hat sich die Inanspruchnahme des Quid-pro-quo-Mechanismus zur Durchsetzung politischer Ziele verändert:

  1. Wenn sich die Nutzung des Konditionalitäts­prinzips zu einem kontinuierlichen Prozess der Politiksteuerung wandelt, wird die Umsetzung der vereinbarten Bedingungen nicht mehr an punk­tuellen politischen Entscheidungen festgemacht werden können. Finanzielle Anreize bzw. Sanktionen können nicht durch einzelne politische Maßnahmen und das Erreichen eines zuvor definierten Ziels ausgelöst werden. Sie verlieren ihre direkte Wirkung, denn Konditionalität ist nicht mehr mit einem konkreten, erreichbaren Ziel verbunden, sondern mit einem präventiven Dauermonitoring mitgliedstaatlicher Politik.

  2. Die Transformation der Funktionsweise und der Ziele der Konditionalität in der EU haben zu einer Ausweitung und Dominanz der punitiven Kondi­tionalität geführt, also zu einer Sanktionierung der Mitgliedstaaten durch die Sperrung europäischer Fördergelder. Die Möglichkeit, positive Anreize zur Umsetzung von ohnehin vertraglich vorgegebenen Regulierungen und gemeinsam verabschiedeten Regeln zu setzen, ist hingegen begrenzt.

  3. Bei dieser Form europäischer Prozesskonditionalität entfällt zugleich ein Element der erfolgreichen Anwendung, nämlich die Machtasymmetrie zwischen Konditionalitätsanbieter und ‑nehmer. Die europäische Konditionalitätspolitik verbindet die Organe der EU und die Exekutiven der Mitgliedstaaten. Bei dieser Konstellation ist eine Über- oder Unterordnung nicht zu erkennen, vielmehr begegnen sich beide Akteure politisch auf Augenhöhe. Die Machtasymmetrie ermöglichte es hingegen dem dominierenden Konditionalitätsanbieter, ein­seitig seine Auslegung der Konditionalität, seine Definition der Kriterien und damit seine Lesart der erfolgreichen Umsetzung zur Geltung zu bringen. Mittlerweile sind die Verhandlungen über die Konditionalitätsvereinbarung zu einem Schauplatz der Kompromisssuche und der Abstimmung einer gemeinsamen Auslegung der jeweiligen Bedingungen geworden – was potentiell zu einer Aufweichung der Konditionalität führt.

  4. Eine weitere Folge dieser Funktionsänderung des Konditionalitätskonzepts ist, dass auch die Anreize oder Sanktionen ihren Charakter ändern. Denn mit der Form der Hebelkonditionalität werden unterschiedliche Politiken miteinander verbunden. Diese beruhen jedoch nicht auf den gleichen rechtlichen und politischen Ausgangsbedingungen und verfolgen nicht die gleichen Ziele. Die politikfeldübergreifende Verknüpfung löst in der Regel mindestens Spannungen, zum Teil auch Zielkonflikte aus und führt zu widersprüchlichen Bewertungen.

  5. Kennzeichnend für diesen Typus der politik­bereichs­übergreifenden Hebelkonditionalität ist das immanente Missverhältnis zwischen der Flexibilität, mit der die Kommission den Mechanismus anwendet, und dessen grundsätzlicher Glaubwürdigkeit und Objektivität. Diese Diskrepanz tritt durch die poli­tische Verwendung des Konditionalitätsinstruments noch deutlicher hervor. Denn diese stärkt einerseits zweifellos die Einwirkungsmöglichkeiten der EU auf zusätzliche Politikbereiche; auf der anderen Seite werden aber die bei Rechtsverstößen und der Nichtbeachtung europäischer Vorgaben eigentlich anzuwendenden rechtlichen Sank­tionierungen implizit relativiert und zum Teil aufgeweicht. Diese Ausweitung der Grauzone bei der Anwendung europäischen Rechts kann den Boden bereiten für die populistische Instrumentalisierung eines Konflikts zwischen der EU und einzelnen europaskeptischen nationalen Regierungen.

  6. Es zeichnet sich darüber hinaus klar ab, dass die Verkoppelung unterschiedlicher Politikbereiche auch mit institutionellen Verschiebungen in der EU einhergeht. Zum Beispiel rückt die Europäische Kommission nahezu zwangsläufig ins Zentrum der wirtschaftspolitischen Koordinierung, indem sie die europäischen Strukturfonds als Instrument der punitiven Konditionalität nutzt mit dem Ziel, die Umsetzung und Durchsetzung der Empfehlungen des Europäischen Semesters zu verbessern. Die Kommission dominiert inzwischen diese Form der Politiksteuerung. Sie formuliert die Empfehlungen der EU an die Mitgliedstaaten zu wirtschafts-, be­schäftigungs- und sozialpolitischen Reformen und überwacht deren Umsetzung. Mit dem Instrument der Konditionalität verfügt sie über einen wirk­samen Mechanismus, um in Form einer indirekten Governance neue Politikbereiche zu beeinflussen.

  7. Die Rolle der Europäischen Kommission als Exeku­tive der EU wird mit der Anwendung des Konditionalitätsprinzips deutlich gestärkt. Konditionalität verstärkt die Tendenz der schleichenden Kom­petenzausweitung auf zusätzliche Politikbereiche. Darüber hinaus kann die Kommission ihre diskretionären Handlungs- und politischen Interpreta­tionsspielräume insbesondere in den Feldern aus­dehnen, in denen sie Kompetenzen mit den Mitgliedstaaten teilt. Die Spielräume für nationale Sonderwege werden enger.

  8. Ein politisches Ziel, das mit dieser Form der euro­päischen Konditionalität verknüpft wird, ist auch die mittelbare Europäisierung von Politikbereichen, in denen die EU primärrechtlich nur über begrenzte Handlungsoptionen verfügt. Diese Aus­weitung der Zuständigkeiten und politischen Lenkungsmöglichkeiten auf die Europäische Union und vor allem die Europäische Kommission erfolgt dabei ohne formelle Kompetenzübertragung im Zuge einer Änderung der europäischen Verträge.

  9. Die Exekutivlastigkeit und die damit einhergehende geringe (oder gar fehlende) parlamentarische Beteiligung stellt die demokratische Legitimität des Konditionalitätsprinzips in Frage. Ohnehin scheint die Legitimität der Konditionalität grundsätzlich gering zu sein.

Die Politik der Konditionalität mit Hilfe europäischer Fördergelder hat also eine durchaus weiter­reichende integrationspolitische Funktion. Mit dieser Nutzung des Konditionalitätskonzepts wird der Pro­zess einer schleichenden Kompetenzerweiterung unter Verweis auf funktionale Notwendigkeiten und regulatorische Erfordernisse fortgesetzt, dessen An­fänge bereits in den 1990er Jahren zu beobachten waren.84 Konditionalität ist ein durchaus bekanntes Instrument in föderalen politischen Systemen – die zentrale politische Ebene verknüpft häufig ihre finan­zielle Unterstützung für einzelne Gliedstaaten mit gemeinschaftlichen Zielen oder eigenen politischen Interessen.85 Dies dient der Festigung und Weiter­entwicklung des föderativen Staatsverbands und liegt somit im kollektiven Interesse aller seiner Entitäten.

Bei der Ausweitung des Konditionalitätsprinzips zu einem Mittel der europäischen Governance sollten deshalb drei zusätzliche Voraussetzungen beachtet werden:

Erstens sollte der Einsatz der Hebelkonditionalität auf der Basis des europäischen Vertragsrechts und gemeinsam verabschiedeter Anwendungsregeln mög­lich sein. Ideal wäre eine Verankerung des jeweiligen Politikziels – verbunden mit spezifischen Maßstäben oder Kriterien – in den europäischen Verträgen, wie mit den primärrechtlich abgesicherten Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrags zur Wirtschafts- und Währungsunion. Bei dauerhaften Konditiona­litäten, die von einem Mitgliedstaat weitreichende politische Anpassungen erfordern, würde mit einer solchen primärrechtlichen Verankerung eine stabile rechtliche Grundlage geschaffen, die unabhängig von kurzfristigen politischen Veränderungen oder abwei­chenden Interpretationen die Anwendung der Kondi­tionalität sichern und legitimieren würde.

Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob eine allgemeine, horizontale Konditionalitätsklausel in die euro­päischen Verträge aufgenommen werden könnte. Eine solche primärrechtliche Verankerung des all­gemeinen Konditionalitätsprinzips könnte den Emp­fang jeglicher europäischer Fördergelder explizit an die Einhaltung europäischen Rechts und die Beach­tung europäischer Werte und Ziele binden. Die Rege­lung der konkreten Einzelheiten der Anwendung, die Spezifizierung der Konditionalitätsziele, der Kriterien und Indikatoren zur Umsetzung der Konditionalität, der möglichen Sanktionen und des Entscheidungsprozesses zur Auslösung der punitiven Konditio­nalität könnten dann in sekundärrechtlichen Rechts­grund­lagen erfolgen. Diese sollten wie bei den Gover­nance-Konditionalitäten regelmäßig zu Beginn neuer Förderperioden überarbeitet und angepasst werden können.

Zweitens sollte bei jedem Versuch der politischen Einflussnahme der EU auf die Mitgliedstaaten mit Hilfe des Konditionalitätsmechanismus beachtet werden, dass die beiden Kernelemente der Konditionalität – die Gewährung finanzieller Hilfen respek­tive die Androhung finanzieller Sank­tionen und die Implementierung der vereinbarten Konditionalitäten – auf der jeweils gleichen politischen Entscheidungs- und Verantwortlichkeitsebene abgewickelt werden. Wenn die EU als Konditionalitätsanbieter also eine Vereinbarung mit einer Zentralregierung trifft, dann sollte die Umsetzung der beschlossenen Konditio­nalitäten auch durch die Zentralregierung erfolgen müssen. Wenn aber eine Androhung, europäische Fördergelder zu sperren, auf regionale Förder­programme zielt und die Regionen weder verantwortlich sind noch Einfluss auf die Umsetzung der jewei­ligen Konditionalität haben, dann kann die punitive Konditionalität ihre Hebelwirkung nicht entfalten. Es wären also Fördergelder, die in den Zentralhaushalt fließen, mit der jeweiligen punitiven Konditionalität zu belegen.

Drittens sollte es die wichtigste Funktion der nega­tiven Konditionalität bleiben, dass sie nicht angewandt werden muss – also ihre präventive Funktion. Die europäische Konditionalitätspolitik mit ihrer zwangsläufig vorherrschenden punitiven Form sollte das letzte Mittel der politischen Einflussnahme der Europäischen Union bleiben, bevor diese juristische Wege zur Durchsetzung von Regelkonformität be­schreitet. Die präventive Funktion kann sich indes nur dann voll entfalten, wenn Konditionalitäts­nehmer und -anbieter eng und transparent zusam­menarbeiten. Die gemeinsame Fixierung der Kriterien und Indikatoren für die Erfüllung, Nicht-Erfüllung oder nur teilweise Erfüllung der Konditionalität erfordert eine dauerhafte und vertrauensvolle Koope­ration beider Akteure. Der Erfolg der Konditionalitäts­vereinbarung setzt nicht nur die Nachvollziehbarkeit und, wenn möglich, Messbarkeit der Umsetzung der vereinbarten Leistungen voraus, sondern häufig auch die Verständigung auf ein langfristig eingesetztes Monitoringsystem, mit dem die Erfüllung der Anfor­derungen über den gesamten Verlauf der eingegan­genen Konditionalitätsvereinbarung beobachtet wer­den kann. Bereits wenn ein solches System verabredet wird, müssen die nationalen Exekutiven dazu bereit sein, der EU die erforderlichen Informationen über die Ergebnisse der Implementierung für das jeweilige Monitoring zur Verfügung zu stellen – zum Teil auch, um die Skepsis auf Seiten anderer Mitglied­staaten abzubauen.

Diese Bereitschaft zur engen Kooperation mit der EU beruht zunächst auf einem gemeinsamen Ver­ständ­nis über die Sinnhaftigkeit und Angemessenheit des Konditionalitätsprinzips im Allgemeinen und der jeweiligen Maßnahmen im Besonderen. Ein gesichertes Eigeninteresse der Mitgliedstaaten an einer effek­tiven Umsetzung festigt die jeweilige Konditionalität – auch für den Fall potentiell negativer Implementierungsfolgen.

Zugleich erhöht eine solche kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Mitgliedstaat bei der Implementierung und der Überwachung die für eine erfolgreiche Konditionalität unverzichtbare ownership des Empfänger­staats. Dies wiederum stärkt die Legitimität des Konditionalitätsprinzips insgesamt und der spezifischen Konditionalitäts­absprache. Das Gleiche gilt für die direkte Einbindung innenpolitischer, von der jeweiligen Konditionalität betroffener Akteure in die Verhandlungen zur Ver­ein­barung einer spezifischen Konditionalität und des jeweiligen Monitorings. Hierzu gehören das natio­nale Parlament, die betroffenen Regionen und die jeweiligen Interessenverbände. Ihre Integration in die genannten Prozesse steigert nicht zuletzt auch die Effizienz der Konditionalität.

Sind diese Voraussetzungen für eine Ausweitung und eine horizontale Nutzung des Konditionalitätsprinzips gegeben, so könnten damit drei elementare Anforderungen erfüllt werden:

a)

Alle Akteure können auf die Vereinbarung und auf die Um- und Durchsetzung der Konditionalitäten und somit auf ein gemeinsames Verständnis der Konditionalität verpflichtet werden. Hilfreich für die erfolgreiche Implementierung ist dann eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union als Konditionalitäts­anbieter und dem jeweiligen Konditionalitäts­nehmer in den Mitgliedstaaten.

b)

Damit würde nicht nur die grundsätzliche Akzep­tanz der mit dem Prinzip der Konditionalität zwangsläufig verbundenen potentiellen Sanktionierung mitgliedstaatlicher Politik gefestigt, die im Fall einer fehlerhaften oder nicht ausreichenden Umsetzung einer Konditionalitätsvereinbarung eintritt.

c)

Auch die grundsätzliche Legitimität des politischen Instruments könnte auf diese Weise gestärkt wer­den.

Nicht alle Konflikte, die – wie derzeit an der Rechtsstaatskonditionalität sichtbar wird – im Zu­sammenhang mit der Anwendung und Auslegung des Konditionalitätsprinzips entstehen, können so ausgeräumt werden. Aber zumindest lassen sie sich dämpfen.

Abkürzungen

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

BIP

Bruttoinlandsprodukt

ESM

Europäischer Stabilitätsmechanismus

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EUV

EU-Vertrag

EZB

Europäische Zentralbank

IWF

Internationaler Währungsfonds

MFR

Mehrjähriger Finanzrahmen der EU

MöK

Makroökonomische Konditionalität

WWU

Wirtschafts- und Währungsunion

Endnoten

1

 Bereits der sogenannte Marshallplan für den wirtschaft­lichen und politischen Wiederaufbau Europas nach 1948 war an Bedingungen geknüpft, zum Beispiel an den Abbau von Handelshemmnissen, die Stabilisierung der nationalen Währung oder die zwischenstaatliche Kooperation der Empfängerstaaten, siehe Sarah L. Babb / Bruce G. Carruthers, »Conditionality: Forms, Functions, and History«, in: Annual Review of Law and Social Science, 4 (2008), S. 13–29; Roland Rich, »Applying Conditionality to Development Assistance«, in: Agenda, 11 (2004) 4, S. 321–334.

2

 Schon das Abkommen zur Gründung des IWF, die Articles of Agreement, vom 22.7.1944 machte die Finanz­hilfen des Fonds abhängig von »adequate safeguards«; International Monetary Fund, Articles of Agreement, Washington 1944, hier Artikel 1(v) und Artikel 5(3a).

3

 Axel Dreher, »IMF Conditionality: Theory and Evidence«, in: Public Choice, 141 (2009) 1/2, S. 233–267; Graham Bird, »Reforming IMF Conditionality. From ›Streamlining‹ to ›Major Overhaul‹«, in: World Economics, 10 (2009) 3, S. 81–104; Quintin H. Beazer / Byungwon Woo, »IMF Conditionality, Government Partisanship, and the Progress of Economic Reforms«, in: American Journal of Political Science, 60 (2016) 2, S. 304–321; Graham Bird / Thomas D. Willett, »IMF Conditionality, Implementation and the New Political Economy of Ownership«, in: Comparative Economic Studies, 46 (2004), S. 423–450.

4

 Siehe mit weiteren Literaturhinweisen Maike Sippel / Karsten Neuhoff, »A History of Conditionality: Lessons for International Cooperation on Climate Policy«, in: Climate Policy, 9 (2009) 5, S. 481–494, und Lachlan McKenzie / Katharina L. Meissner, »Human Rights Conditionality in European Union Trade«, in: Journal of Common Market Studies, 55 (2017) 4, S. 832–849.

5

 Ein weiterer Bereich, in dem das Prinzip der Konditionalität zum Tragen kommt, ist das innerstaatliche Beziehungsgeflecht in Föderalstaaten. So werden häufig Finanzhilfen der bundesstaatlichen Ebene an die Gliedstaaten mit der Umsetzung spezifischer Aufgaben oder mit politischen Zie­len und (zum Teil auch sachfremden) Auflagen verbunden. In den USA zum Beispiel wurden Leistungen des Bundesstaats, die sogenannten grants, wiederholt an die Erfüllung bestimmter Vorgaben gekoppelt. Diese bis in die Gründungsjahre der Vereinigten Staaten zurückreichende Praxis er­möglicht es der bundesstaatlichen Ebene seit jeher, durch eine an Bedingungen geknüpfte Vergabe von Geldern eine Reihe gesamtstaatlicher politischer Agendapunkte durch­zusetzen, insbesondere in Politikfeldern und zu spezifischen Anliegen, in denen die Gesetzgebungszuständigkeit und die Implementierungsmöglichkeiten des Bundes begrenzt sind. Ähnliche Anbindungen von Mittelzusagen des Bundes an die Umsetzung politischer Vorhaben durch die Länder gibt es auch im deutschen Föderalismus, siehe Paul Bernd Spahn, Conditioning Intergovernmental Transfers and Modes of Interagency Cooperation for Greater Effectiveness of Multilevel Government in OECD Countries, Paris 2012 (OECD Workshop on Effective Public Investment at Sub-National Level in Times of Fiscal Constraints: Meeting the Co-ordination and Capacity Challenges, 21.6.2012); Viorica Viță, The Rise of Spending Conditionality in the EU: What Can EU Learn from the U.S. Conditional Spend­ing Doctrine and Policies?, Florenz: European University Insti­tute (EUI), 2017 (EUI Working Paper LAW, 2017/16).

6

 Stefan Koeberle et al. (Hg.), Conditionality Revisited: Concepts, Experiences, and Lessons Learned, Washington, D.C.: The World Bank, 2005.

7

 Willem H. Buiter, »›Country Ownership‹: A Term Whose Time Has Gone«, in: Development in Practice, 17 (2007) 4–5, S. 647–652.

8

 Vgl. Svea Koch, »A Typology of Political Conditionality beyond Aid: Conceptual Horizons Based on Lessons from the European Union«, in: World Development, 75 (2015), S. 97–108.

9

 Siehe McKenzie / Meissner, »Human Rights Conditionality in European Union Trade« [wie Fn. 4]; Katharina L. Meissner/ Lachlan McKenzie, »The Paradox of Human Rights Conditionality in EU Trade Policy: When Strategic Interests Drive Policy Outcomes«, in: Journal of European Public Policy, 26 (2019) 9, S. 1273–1291.

10

 Viorica Viță, »Revisiting the Dominant Discourse on Con­ditionality in the EU: The Case of EU Spending Conditionality«, in: Cambridge Yearbook of European Legal Studies, 19 (2017), S. 116–143 (120).

11

 Frank Schimmelfennig / Ulrich Sedelmeier, »Governance by Conditionality: EU Rule Transfer to the Candidate Countries of Central and Eastern Europe«, in: Journal of European Public Policy, 11 (2004) 4, S. 661–679; Ulrich Sedelmeier, »Is Europeanisation through Conditionality Sustainable? Lock-in of Institutional Change after EU Accession«, in: West European Politics, 35 (2012) 1, S. 20–38; ders., »After Conditionality: Post-accession Compliance with EU Law in East Central Europe«, in: Journal of European Public Policy, 15 (2008) 6, S. 806–825; Frank Schimmelfennig / Hanno Scholtz, »Legacies and Leverage: EU Political Conditionality and Democracy Promotion in Historical Perspective«, in: Europe-Asia Studies, 62 (2010) 3, S. 443–460.

12

 Dies verwundert insofern, als auch die zweistufige Süd­erweiterung um zunächst Griechenland 1981 und dann um Spanien und Portugal 1986 durch eine besondere Form der Konditionalität gekennzeichnet war. Mit dem Anreiz der Integration in die Europäische Gemeinschaft und der Aus­sicht auf umfangreiche finanzielle Hilfen aus den europäischen Strukturfonds reformierten die drei Kandidaten ihre politischen Systeme nach den langen Jahren der Militär­diktatur zu stabilen Demokratien und Rechtsstaaten.

13

 Die Kandidaten mussten sich zu stabilen und reifen Demokratien und Rechtsstaaten und zu funktionierenden Marktwirtschaften entwickeln, die dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften des Binnenmarkts standhalten kön­nen. Darüber hinaus wurden die vollständige Übernahme des Acquis Communautaire, also des gemeinschaftlichen Rechts­bestands, und die Verpflichtung auf die finalité politique, also auf die Vertiefung zur Politischen Union und zur Wirtschafts- und Währungsunion, als Konditionalitäten auf­geführt, Europäischer Rat Kopenhagen, 21.–22. Juni 1993 – Schlussfolgerungen des Vorsitzes.

14

 Alan Mayhew, Recreating Europe. The European Union’s Policy towards Central and Eastern Europe, Cambridge 2005.

15

 Heather Grabbe hat die Herausforderung, vor der die EU gestanden habe, als »moving target problem« bezeichnet: »The conditions are not fixed and definite, and new conditions have been added and old ones redefined at the bi­annual summits of EU leaders«, Heather Grabbe, »European Union Conditionality and the Acquis Communautaire«, in: International Political Science Review, 23 (2002) 3, S. 249–268 (251). Hughes, Sasse und Gordon haben von einer »fluid nature of conditionality« gesprochen, James Hughes / Gwen­dolyn Sasse / Claire Gordon, »Conditionality and Compliance in the EU’s Eastward Enlargement: Regional Policy and the Reform of Sub-national Government«, in: Journal of Common Market Studies, 42 (2004) 3, S. 523–552 (523).

16

 Geoffrey Pridham, »Change and Continuity in the Euro­pean Union’s Political Conditionality: Aims, Approach, and Priorities«, in: Democratization, 14 (2007) 3, S. 446–471 (453).

17

 Heather Grabbe, The EU’s Transformative Power: Euro­peanization through Conditionality in Central and Eastern Europe, Basing­stoke: Palgrave, 2006; Eli Gateva, »Post-accession Conditionality – Translating Benchmarks into Political Pressure?«, in: East European Politics, 29 (2013) 4, S. 420–442.

18

 Die Konvergenzkriterien sind eine niedrige durchschnittliche Inflationsrate, die Entwicklung der Verschuldung der öffentlichen Haushalte im Verhältnis zum jähr­lichen Haushaltsdefizit und der Höhe des Schuldenstands, die Entwicklung des Wechselkurses der nationalen Währung und das Niveau der langfristigen Zinssätze.

19

 So Artikel 126, Absatz 11 AEUV.

20

 Lorenzo Bini Smaghi, »Governance and Conditionality. Toward a Sustainable Framework?«, in: Journal of European Integration, 37 (2015) 7, S. 755–768.

21

 David M. Woodruff, »Governing by Panic: The Politics of the Eurozone Crisis«, in: Politics and Society, 44 (2016) 1, S. 81–116 (100). Welchen immensen Druck die EZB auf die irische Regierung ausübte, ist in den inzwischen veröffentlichten »Irish Letters« nachzulesen, <https://www.ecb.europa. eu/press/html/irish-letters.en.html> (Zugriff am 11.5.2022).

22

 Wade Jacoby / Jonathan Hopkin, »From Lever to Club? Conditionality in the European Union during the Financial Crisis«, in: Journal of European Public Policy, 27 (2020) 8, S. 1157–1177 (1167).

23

 André Gilles, Die Konditionalität der Finanzhilfen für Euro­staaten, Tübingen 2019.

24

 Schlussfolgerungen der Staats- und Regierungschefs der Mitglied­staaten des Euro-Währungsgebietes, Anlage 1: Ein Pakt für den Euro. Stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Hinblick auf Wett­bewerbsfähigkeit und Konvergenz, Brüssel, 11.3.2011.

25

 Der Fiskalpakt heißt formal »Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Wäh­rungsunion«. Bis auf Tschechien und das Vereinigte Königreich unterschrieben ihn alle Mitgliedstaaten; Kroatien hat den Vertrag nach seinem Beitritt ebenfalls noch nicht unterzeichnet.

26

 »Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, (23.11.2011) L 306/25, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R1176&from=EN> (Zugriff am 11.5.2022). Zur Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte wurde ein Scoreboard mit elf Indika­toren entwickelt, die von Leistungsbilanzindikatoren über Lohnstückkosten bis hin zu Hauspreis-Indizes und dem Aus­maß der privaten Verschuldung reichen.

27

 Im korrektiven Arm des Verfahrens kann von einem Staat, der die empfohlenen Korrekturmaßnahmen nicht umsetzt, verlangt werden, dass er eine verzinsliche Einlage hinterlegt. Diese Maßgabe kann in eine Geldstrafe von 0,1 Prozent des BIP überführt werden, falls der betreffende Staat die Empfehlungen auch weiterhin nicht befolgt.

28

 Peter Becker, Wirtschaftspolitische Koordinierung in der Europäischen Union. Europäisierung ohne Souveränitätsverlust, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, November 2014 (SWP-Studie 19/2014).

29

 Stefano Sacchi, »Conditionality by Other Means: EU Involvement in Italy’s Structural Reforms in the Sovereign Debt Crisis«, in: Comparative European Politics, 13 (2015) 1, S. 77–92.

30

 Fabrizio Di Mascio et al., »Influence of the European Semester on National Public Sector Reforms under Conditions of Fiscal Consolidation: The Policy of Conditionality in Italy 2011–2015«, in: Public Policy and Administration, 35 (2020) 2, S. 201–223 (218).

31

 Viorica Viță, Conditionalities in Cohesion Policy – Research for REGI Committee, Brüssel: European Parliament, Policy Depart­ment for Structural and Cohesion Policies, Directorate-General for Internal Policies, September 2018 (PE 617. 498), <https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2018/617498/IPOL_STU(2018)617498_EN.pdf> (Zugriff am 11.5.2022).

32

 Peter Becker, Die EU auf dem Weg in eine »Transferunion«? Ein Beitrag zur Entdramatisierung, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juni 2018 (SWP-Studie 8/2018); Ronald L. Watts, The Spending Power in Federal Systems: A Comparative Study, Kingston/Canada 1999.

33

 Viță, »Revisiting the Dominant Discourse on Conditionality in the EU« [wie Fn. 10]; Pola Schneemelcher / Jörg Haas, Rules Enforcement in the EU: »Conditionality« to the Rescue?, Güters­loh: Bertelsmann Stiftung, 28.5.2019.

34

 Willem Molle, »EU Membership and Budget Allocation Conditionality«, in: Studia Europejskie – Studies in European Affairs, 22 (2018) 4, S. 167–182 (174); Friedrich Heinemann, »Going for the Wallet? Rule-of-Law Conditionality in the Next EU Multiannual Financial Framework«, in: Inter­economics, 53 (2018) 6, S. 297–301.

35

 John Bachtler / Carlos Mendez, »Cohesion and the EU’s Budget: Is Conditionality Undermining Solidarity?«, in: Ramona Coman / Amandine Crespy / Vivien A. Schmidt (Hg.), Governance and Politics in the Post-crisis European Union, Cambridge: Cambridge University Press 2020, S. 121–139 (130).

36

 »Verordnung (EU) Nr. 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 mit gemein­samen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds, den Fonds für einen gerechten Übergang und den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aqua­kulturfonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visum­politik«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, (30.6.2021) L231, S. 159–706, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/?uri=CELEX%3A32021R1060> (Zugriff am 11.5.2022).

37

 Peter Becker / Ronny Müller, »Die Kraft der Krise – die europäische Kohäsionspolitik und ihre Reform«, in: Integra­tion, 38 (2015) 3, S. 231–247.

38

 Artikel 15 und Absatz III der »Verordnung (EU) Nr. 2021/1060« [wie Fn. 36].

39

 »Verordnung (EU) Nr. 2021/1060« [wie Fn. 36], Artikel 16, Absatz 1.

40

 Vgl. Stijn Verhelst, Makroökonomische Konditionalitäten der Kohäsionspolitik – Themenpapier, Luxemburg: Europäisches Parlament, Generaldirektion Interne Politikbereiche, Fach­abteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik, Regionale Ent­wicklung, Dezember 2012 (PE 474.552).

41

 Artikel 19 der »Verordnung (EU) Nr. 2021/1060« [wie Fn. 36].

42

 Nach Artikel 19, Absatz 10 der Verordnung Nr. 2021/ 1060 gilt der Vorschlag der Kommis­sion für einen Beschluss des Rates zur Aussetzung der Mittelbindungen der europäischen Fördergelder als angenommen, sofern eine qualifizierte Mehrheit im Rat ihm nicht widerspricht. Allerdings wurde das maximale Volumen der auszusetzenden europäischen Fördergelder auf 25 Prozent der Mittelzuweisungen oder maximal 0,25 Prozent des nominalen BIP des betreffenden Mitgliedstaats begrenzt.

43

 Viță, »Revisiting the Dominant Discourse on Conditionality in the EU« [wie Fn. 10].

44

 Marjorie Jouen, The Macro-economic Conditionality. The Story of a Triple Penalty for Regions, Paris/Berlin: Notre Europe/ Jacques Delors Institute, 31.3.201 (Policy Paper 131); Mario Kölling, Policy Conditionality – A New Instrument in the EU Budget Post-2020?, Stockholm: Sieps – Swedish Institute for Euro­pean Policy Studies, November 2017 (European Policy Analy­sis 10/2017).

45

 Martin Sacher, »Macroeconomic Conditionalities: Using the Controversial Link between EU Cohesion Policy and Economic Governance«, in: Journal of Contemporary European Research, 15 (2019) 2, S. 179–193; Kölling, Policy Conditionality [wie Fn. 44]; Paweł Tokarski / Stijn Verhelst, Macroeconomic Conditionality in Cohesion Policy: Added Value or Unnecessary Burden?, Brüssel: Egmont Institute, November 2012 (Euro­pean Policy Brief 13); John Bachtler / Martin Ferry, »Conditionalities and the Performance of European Structural Funds: A Principal-Agent Analysis of Control Mechanisms in European Union Cohesion Policy«, in: Regional Studies, 49 (2015) 8, S. 1258–1273.

46

 »Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität«, in: Amtsblatt der Euro­päischen Union, (18.2.2021) L 57, S. 17–74, <https://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX: 32021R0241&from=DE> (Zugriff am 11.5.2022).

47

 In Erwägungsgrund 4 der Verordnung heißt es: »Auf Unionsebene bildet das Europäische Semester für die Ko­ordinierung der Wirtschaftspolitik (im Folgenden »Europäisches Semester«), einschließlich der Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte, den Rahmen für die Ermittlung nationaler Reformprioritäten und die Überwachung ihrer Umsetzung.«

48

 »Verordnung (EU) 2021/241« [wie Fn. 46], Artikel 10.

49

 Ebd., Artikel 17.

50

 Ebd., Artikel 20.

51

 Ebd., Artikel 8.

52

 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten, KOM(2018) 324 final, Brüssel, 2.5.2018.

53

 Das Europäische Parlament hatte in einer Entschließung vom 14. März 2018 die Kommission aufgefordert, »ein Ver­fahren vorzuschlagen, durch das Mitgliedstaaten, die den in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Werten nicht gerecht werden, finanzielle Kon­sequen­zen auferlegt werden können«, Europäisches Parlament, Der nächste MFR: Vorbereitung des Standpunkts des Parlaments zum MFR nach 2020, P8_TA-PROV(2018)0075, 14.3.2018, Ziffer 119.

54

 Justyna Łacny, »The Rule of Law Conditionality under Regulation No 2092/2020 – Is It All about the Money?«, in: The Hague Journal on the Rule of Law, 13 (2021), S. 79–105; Dimitry Kochenov, »Elephants in the Room: The European Commission’s 2019 Communication on the Rule of Law«, in: The Hague Journal on the Rule of Law, 11 (2019), S. 423–438.

55

 Marco Fisicaro, »Rule of Law Conditionality in EU Funds: The Value of Money in the Crisis of European Values«, in: European Papers, 4 (2019) 3, S. 695–722.

56

 Jens Brauneck, »Gefährdung des EU-Haushalts durch rechtsstaatliche Mängel in den Mitgliedstaaten?«, in: Europarecht, 54 (2019) 1, S. 37–60.

57

 Europäischer Rechnungshof, »Stellungnahme Nr. 1/2018 (gemäß Artikel 322 Absatz 1 Buchstabe a AEUV) zu dem Vorschlag vom 2. Mai 2018 für eine Verordnung des Euro­päischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, (17.8.2018) C 291, S. 1–7.

58

 Europäisches Parlament, Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. April 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten (COM(2018)0324 – C8-0178/2018 –2018/0136(COD)), P8_TA(2019)0349, 4.4.2019.

59

 Demnach sollte die Anwendung des neuen Konditio­nalitätsmechanismus »objektiv, fair, unparteiisch und fakten­gestützt erfolgen«. Die in diesem Rahmen ergriffenen Maßnahmen sollten nur als ultima ratio zur Anwendung kommen. Dabei werde insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen zu Verstößen gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit beachtet; die bloße Feststellung einer Verletzung der Rechtsstaatlichkeit reiche nicht aus, um den Mechanismus auszulösen. Die Konditionalität gelte insofern nicht für generelle rechtsstaatliche Mängel. Vorab sagte die Europäische Kommission die Vorlage von Leitlinien zu, Tagung des Europäischen Rates (10. und 11. Dezember 2020) – Schlussfolgerungen, Ziffern1–4.

60

 »Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haus­halts der Union«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, (22.12.2020) L 433 I, S. 1–10.

61

 Łacny, »The Rule of Law Conditionality under Regulation No 2092/2020« [wie Fn. 54].

62

 Europäischer Gerichtshof, Urteil des Gerichtshofs (Plenum) vom 16. Februar 2022, Ungarn gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rechtssache C-156/21, und ders., Urteil des Gerichtshofs (Plenum) vom 16. Februar 2022, Republik Polen gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rechtssache C-157/21.

63

 Europäische Kommission, Leitlinien für die Anwendung der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 über eine allgemeine Kondi­tionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union, C(2022) 1382 final, Brüssel, 2.3.2022, <https://ec.europa.eu/info/sites/ default/files/about_the_european_commission/eu_budget/c_2022_1382_3_de_act_part1_v1.pdf> (Zugriff am 11.5.2022).

64

 So auch das Gutachten des Europäischen Rechnungshofs zum ersten Entwurf der Europäischen Kommission, Europäischer Rechnungshof, »Stellungnahme Nr. 1/2018 (gemäß Artikel 322 Absatz 1 Buchstabe a AEUV) zu dem Vorschlag vom 2. Mai 2018 für eine Verordnung des Euro­päischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, (17.8.2018) C 291, S. 1–7.

65

 Antonia Baraggia / Matteo Bonelli, »Linking Money to Values: The New Rule of Law Conditionality Regulation and Its Constitutional Challenges, in: German Law Journal, 23 (2022) 2, S. 131–156 (154).

66

 Armin von Bogdandy et al., »A Potential Constitutional Moment for the European Rule of Law: The Importance of Red Lines«, in: Armin von Bogdandy et al. (Hg.), Defending Checks and Balances in EU Member States. Taking Stock of Europe’s Action, Berlin 2021, S. 385–401.

67

 Bird / Willett, »IMF Conditionality« [wie Fn. 3].

68

 Heather Grabbe, »European Union Conditionality and the Acquis Communautaire«, in: International Political Science Review, 23 (2002) 3, S. 249–268.

69

 Bachtler / Ferry, »Conditionalities and the Performance of European Structural Funds« [wie Fn. 45]; Stefano Sacchi, »Conditionality by Other Means: EU Involvement in Italy’s Structural Reforms in the Sovereign Debt Crisis«, in: Comparative European Politics, 13 (2015) 1, S. 77–92.

70

 Viță, The Rise of Spending Conditionality in the EU [wie Fn. 5].

71

 Europäische Kommission, Leitlinien für die Anwendung der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 [wie Fn. 63].

72

 Europäischer Gerichtshof, Urteil des Gerichtshofs (Plenum) vom 27. November 2012 (Vorabentscheidungsersuchen des Supreme Court — Irland) — Thomas Pringle / Government of Ireland, Ireland and the Attorney General, Rechtssache C-370/12, Randnummer 136.

73

Ebd., Randnummer 111.

74

 Jacoby / Hopkin, »From Lever to Club?« [wie Fn. 22].

75

 Viță, »Revisiting the Dominant Discourse on Conditionality in the EU« [wie Fn. 10], S. 119; auch Molle, »EU Member­ship and Budget Allocation Conditionality« [wie Fn. 34].

76

 Dimitry Kochenov, Overestimating Conditionality, Gro­ningen: University of Groningen, Faculty of Law, Januar 2014 (Research Paper Series 3/2014).

77

 Sedelmeier, »Is Europeanisation through Conditionality Sustainable?« [wie Fn. 11]; ders., »After Conditionality« [wie Fn. 11]; Schimmelfennig / Scholtz, »Legacies and Leverage« [wie Fn. 11]; Peter Berkowitz / Ángel Catalina-Rubianes / Jerzy Pieńkowski, The European Union’s Experiences with Policy Conditionalities, 28.4.2017 (EC-OECD Seminar Series on Designing Better Economic Development Policies for Regions and Cities). Anderer Meinung ist jedoch Linka Toneva-Metodieva, »Beyond the Carrots and Sticks Paradigm: Rethinking the Cooperation and Verification Mechanism Experience of Bulgaria and Romania«, in: Perspectives on European Politics and Society, 15 (2014) 4, S. 534–551.

78

 Eli Gateva, European Union Enlargement Conditionality, Basingstoke / New York 2015; Gateva, »Post-accession Conditionality« [wie Fn. 17].

79

 Bachtler / Mendez, »Cohesion and the EU’s Budget« [wie Fn. 35]; Kölling, Policy Conditionality [wie Fn. 44]; Schnee­melcher / Haas, Rules Enforcement in the EU [wie Fn. 33]; Nico­laus Heinen, Bedingt tauglich. Konditionalität im EU-Finanz­rahmen 2014–2020, Frankfurt a.M.: DB Research, 11.3.2013 (Research Briefing, Europäische Integration).

80

 Sacher, »Macroeconomic Conditionalities« [wie Fn. 45]; Tokarski / Verhelst, Macroeconomic Conditionality in Cohesion Policy [wie Fn. 45]; Kölling, Policy Conditionality [wie Fn. 44].

81

 Spahn, Conditioning Intergovernmental Transfers [wie Fn. 5].

82

 Sacher, »Macroeconomic Conditionalities« [wie Fn. 45]; Kevin Featherstone, »Conditionality, Democracy and Institutional Weakness: the Euro-crisis Trilemma«, in: Journal of Common Market Studies, 54 (2016), Annual Review, S. 48–64.

83

 Bachtler / Ferry, »Conditionalities and the Performance of European Structural Funds« [wie Fn. 45].

84

 Mark A. Pollack, »Creeping Competence: The Expanding Agenda of the European Community«, in: Journal of Public Policy, 14 (1994) 2, S. 95–145; Sacha Garben, »Competence Creep Revisited«, in: Journal of Common Market Studies, 57 (2019) 2, S. 205–222.

85

 Viță, The Rise of Spending Conditionality in the EU [wie Fn. 5]; Spahn, Conditioning Intergovernmental Transfers [wie Fn. 5]; Watts, The Spending Power in Federal Systems [wie Fn. 32].

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