Der Klimawandel führt sowohl zu wachsender Migration, Flucht und Vertreibung als auch zu unfreiwilliger Immobilisierung von Menschen. In den internationalen Klimaverhandlungen wurden die damit einhergehenden Herausforderungen und Kosten lange vernachlässigt. Bisherige Bemühungen, selbstbestimmte Mobilitätsentscheidungen auch im Kontext von Klimawandelfolgen zu ermöglichen, sind chronisch unterfinanziert. Einen wichtigen Ansatzpunkt, dies zu ändern, bietet die explizite Berücksichtigung menschlicher Mobilität im neu einzurichtenden Fonds für Verluste und Schäden. Finanzielle Ressourcen und Angebote technischer Unterstützung allein reichen aber nicht aus. Um der Zukunftsaufgabe klimabedingter menschlicher Mobilität zu begegnen, bedarf es zuallererst ambitionierter migrationspolitischer Lösungen, inklusive geplanter Umsiedlungen und der Beachtung von Klimawandelbetroffenheit in der Steuerung von Arbeitsmigration.
Der Klimawandel beeinflusst menschliche Mobilität auf vielfältige Art und Weise. Zum einen werden Menschen durch schnell einsetzende Katastrophen wie Stürme oder Überschwemmungen, deren Häufigkeit und Intensität infolge des Klimawandels steigt, gezwungen, ihre Häuser und Wohnorte zu verlassen. Die Flutkatastrophe in Pakistan oder der Hurrikan Ian in Florida im Sommer 2022 haben dies in aller Deutlichkeit gezeigt. Zum anderen können auch langsam eintretende Umweltveränderungen aufgrund des Klimawandels – einschließlich des Meeresspiegelanstiegs, der Versalzung landwirtschaftlicher Flächen oder eines veränderten Niederschlagsmusters – Lebensgrundlagen zerstören und Abwanderung nach sich ziehen. So werden zum Beispiel Inselstaaten im Pazifik wie Kiribati voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten Schritt für Schritt unbewohnbar werden und bis Ende dieses Jahrhunderts vom Meer vollständig überflutet sein. Der überwiegende Teil unfreiwilliger Wanderungsbewegungen findet dabei allerdings innerhalb von Ländern statt. Darüber hinaus können klimatische Veränderungen Gewaltkonflikte verstärken und dadurch zur Vertreibung von Menschen beitragen.
Sichere, geordnete und reguläre Migration gilt dagegen als mögliche Strategie der Anpassung an den Klimawandel, da hierdurch Haushaltseinkommen diversifiziert und Lebensbedingungen verbessert werden können. Nicht immer ist diese Strategie erfolgreich, was Armut und Not samt einem Verlust kultureller und sozialer Bezüge mit sich bringen kann. In anderen Fällen erodieren finanzielle und soziale Ressourcen wegen des Klimawandels in einem Maße, dass Menschen nicht mehr in der Lage sind zu migrieren. Diese erzwungene Immobilität trifft häufig die ärmsten und vulnerabelsten Gruppen in vom Klimawandel stark betroffenen Ländern.
Um der Vielfalt und Komplexität der Bezüge zwischen Klimawandel und Migration Rechnung zu tragen, wird in der Fachdebatte immer häufiger der Begriff »menschliche Mobilität im Kontext des Klimawandels« (Human Mobility in the Context of Climate Change, HMCCC) verwendet.
Die Datenlage
Das Internal Displacement Monitoring Center (IDMC) erhebt seit 2008 systematisch Daten zu Vertreibungen im Kontext von Naturkatastrophen. Obwohl das IDMC nur Wanderungen innerhalb von Ländern berücksichtigt, lassen sich hieraus einige wichtige Trends ablesen. So übersteigt die Zahl katastrophenbedingter Binnenvertreibungen diejenige konfliktbedingter Vertreibungen Jahr für Jahr deutlich. 2022 etwa kam es zu 32,6 Millionen neuen Fällen katastrophenbedingter Binnenvertreibung, 28,3 Millionen waren auf gewaltsame Konflikte zurückzuführen. Von den katastrophenbedingten Vertreibungen wiederum gingen 2022 fast 98 Prozent auf Extremwetterereignisse zurück. Allerdings besteht hier ein doppeltes Attributionsproblem: Zum einen ist unklar, welcher Anteil an Extremwetterereignissen durch den menschengemachten Klimawandel verursacht wird und welcher Anteil auch ohne diesen stattfände. Zum anderen lassen sich aufgrund der Multikausalität von Migration einzelne Wanderungsbewegungen nur in Ausnahmefällen eindeutig Klima- und Umweltveränderungen zuordnen. Dies gilt besonders für langsam einsetzende Umweltveränderungen wie Wüstenbildung und Anstieg des Meeresspiegels.
Trotz dieser Einschränkungen besteht in der Wissenschaft mittlerweile Konsens darüber, dass unfreiwillige Wanderungsbewegungen durch Extremwetterereignisse hervorgerufen werden und dass sich dieser Trend mittel- bis langfristig verstärken wird – möglicherweise nicht linear, sondern sprunghaft, wenn bestimmte Schwellenwerte erreicht sind. Modellierungen der Weltbank zufolge könnten bis 2050 bis zu 216 Millionen klimawandelbedingte Binnenvertreibungen zu verzeichnen sein, 86 Millionen davon in Subsahara-Afrika, 48 Millionen in der Region Ostasien und Pazifik.
Unverhältnismäßig stark betroffen sind in der Regel Entwicklungsländer, kleine Inselstaaten und Regionen in der Arktis, die in der Vergangenheit am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben und nur spärliche Ressourcen zur Unterstützung ihrer Bevölkerung haben. Das gilt auch für marginalisierte Gruppen und Haushalte mit niedrigem Einkommen, die oft nur über geringe Bewältigungskapazitäten und unzureichende Anpassungsstrategien verfügen.
Flucht und Migration in der klimapolitischen Debatte um Verluste und Schäden
Im Fokus der internationalen Klimaverhandlungen stehen seit Jahrzehnten Maßnahmen zum Klimaschutz (mitigation) und zur Anpassung an klimawandelbedingte Veränderungen (adaptation) sowie ihre Finanzierung. In dem Maße, in dem die Staatengemeinschaft hinter ihren selbstgesteckten Zielen in diesen beiden Bereichen zurückbleibt, gewinnt ein dritter Bereich an Bedeutung: die Minimierung und Bewältigung klimawandelbedingter Verluste und Schäden (loss and damage). Dies ist eng mit dem Prinzip Klimagerechtigkeit verbunden, dem zufolge die armen und vom Klimawandel besonders in Mitleidenschaft gezogenen Länder einen normativen Anspruch auf Ausgleich der von wohlhabenden Staaten verursachten negativen Effekte haben.
Als »Schaden« gilt etwas, das wiederhergestellt werden kann, beispielsweise Gebäude oder Straßen, während »Verluste« unwiederbringlich sind, zum Beispiel Todesopfer oder zerstörte Ökosysteme. Der jüngste Synthesebericht des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) hat die vielfältigen Verluste und Schäden unterstrichen, die zahlreiche Menschen schon heute durch den Klimawandel erleiden: So hat die Zunahme extremer Wetter- und Klimaereignisse für Millionen Menschen zu akuter Ernährungs- und Wasserunsicherheit und zur Zerstörung von Infrastrukturen geführt, während der Anstieg extremer Hitzeereignisse mit einer erhöhten Sterblichkeits- und Erkrankungsrate einherging. Die hierdurch entstehenden Kosten wiederum drohen arme und vom Klimawandel besonders betroffene Länder in Schuldenfallen zu treiben, die ihnen keine Spielräume für präventive und resilienzfördernde Maßnahmen lassen. Hinzu kommen nichtwirtschaftliche Schäden und Verluste, etwa wenn soziale Gefüge zerstört werden oder kulturelles Erbe verlorengeht.
Klimawandelbedingte Flucht und Vertreibung wird zunehmend als Teilaspekt des Themenkomplexes Verluste und Schäden betrachtet. Bei den internationalen Klimaverhandlungen im November 2022 (COP27) im ägyptischen Scharm El-Scheich fand dies erstmals Eingang in die Abschlusserklärung. Allerdings ist es schwierig, die beiden Themenkomplexe konzeptionell zur Deckung zu bringen. Erstens kann menschliche Mobilität eine Reaktion auf erlittene Verluste und Schäden darstellen, wenn beispielsweise Häuser oder Lebensgrundlagen zerstört wurden. Zweitens kann sie als Strategie fungieren, Schlimmeres zu vermeiden, wenn Bleiben mit Gefahr für Leib und Leben einherginge. Drittens kann sie ein Prozess sein, in dessen Verlauf weitere Verluste und Schäden entstehen oder verschärft werden, etwa in Form von sozialer Isolation, Entrechtung oder Verarmung.
Lösungsansätze
Sowohl nationale Behörden als auch internationale Organisationen versuchen den Gefahren von Umweltereignissen und der von ihnen verursachten Vertreibung entgegenzuwirken. Dazu nutzen sie unter anderem Maßnahmen aus den Bereichen Zivil- und Katastrophenschutz, humanitäre Hilfe, Katastrophenrisikomanagement und ‑minimierung und Entwicklungszusammenarbeit. Zu den relevanten internationalen Rahmenwerken gehören die Action Agenda der Nansen Initiative, das Sendai Framework for Disaster Risk Reduction und die Action Agenda des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) zu Binnenvertreibung. Die Landschaft der internationalen Akteure, die in diesem Bereich tätig sind, ist ebenfalls vielfältig. Nicht nur etablierte internationale Organisationen wie das VN-Flüchtlingskommissariat (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR), die Internationale Organisation für Migration (IOM) und die Weltbank widmen sich dem Thema klimawandelbedingte Migration, Flucht und Vertreibung oder bestimmten Teilaspekten. Auch zwischenstaatliche Zusammenschlüsse sind zunehmend in diesem Bereich aktiv, wie die Platform on Disaster Displacement (PDD) oder die Migrants in Countries in Crisis Initiative (MICIC) und thematisch fokussierte regionale Initiativen wie die erst vor einem Jahr gegründete African Climate Mobility Initiative.
Die Vielfalt der Tätigkeitsbereiche und die fragmentierte Akteurslandschaft erschweren es, kohärente Lösungsansätze zu entwickeln. Hilfreich ist die von der IOM vorgeschlagene Unterscheidung zwischen »solutions for people to move«, »solutions for people on the move«, »solutions for people to stay« – also Lösungen, um (sichere) Migration zu ermöglichen, um Menschen unterwegs zu unterstützen und um Voraussetzungen für (sicheres) Bleiben zu schaffen. Diese Kategorisierung unterschiedlicher Handlungsfelder orientiert sich an den Mobilitätspräferenzen der Betroffenen und gestattet einen differenzierten Überblick darüber, wo es bereits Lösungsansätze gibt und wo noch Lücken bestehen. So existiert vor allem in den beiden letztgenannten Bereichen ein breites Repertoire erprobter Maßnahmen. Bei der Unterstützung von Menschen »on the move« zählen dazu etwa Preparedness, also Vorbereitung auf schlimmer werdende Katastrophen und vorausschauende humanitäre Hilfe. Frühwarnsysteme oder klimaresilienter Wiederaufbau hingegen sollen Menschen das Bleiben ermöglichen.
Auch im Bereich »solutions for people to move« gibt es schon vielversprechende Ansätze. Sie beschränken sich aber bisher auf vereinzelte Pilotprojekte, deren Umsetzung noch am Anfang steht, etwa in Fidschi, oder das kürzlich verkündete australische Angebot, den Staatsangehörigen Tuvalus schrittweise das Aufenthaltsrecht zu gewähren. In dem Maße, in dem unterschiedliche Regionen unwiderruflich unbewohnbar werden – sei es aufgrund steigenden Meeresspiegels oder extremer Hitze – werden solche geplanten Umsiedlungen und die Schaffung legaler Migrationsmöglichkeiten weiter an Bedeutung gewinnen.
Finanzierungslücken und politische Hürden
In allen drei Bereichen bestehen immense Finanzierungsbedarfe. Dies liegt zunächst an der generellen, sich weiter verschärfenden Mittelknappheit des chronisch unterfinanzierten humanitären Hilfesystems, die regelmäßig in Hilfsaufrufen offenbar wird. Hinzu kommt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel meist in akuten Krisen eingesetzt werden. Langfristige Anpassungsmaßnahmen dagegen werden vernachlässigt. Zudem mangelt es an spezifischen Finanzierungsmechanismen und -institutionen, mit denen klimawandelbedingte Verluste und Schäden minimiert oder bewältigt werden können, vor allem im Kontext langsam eintretender Umweltveränderungen. Diese Engpässe in der (Klima-)Finanzierung bedeuten auch knappe Mittel für den Umgang mit menschlicher Mobilität im Zusammenhang mit dem Klimawandel.
Abgesehen von den finanziellen Bedarfen fehlt es auch an technischer Unterstützung und politischem Willen für migrationspolitische Lösungsansätze, gerade wenn es darum geht, sichere und geregelte Mobilitätsoptionen zu schaffen. Bislang gibt es weder ein effektives Schutzregime für Menschen, die aufgrund des Klimawandels gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, noch adäquate internationale Rahmenwerke, die Migration als Anpassungsstrategie erlauben. Hier sind nicht nur internationale Akteure und Finanzinstrumente gefragt, sondern vor allem nationale Regie-rungen und Innenressorts. Sie stehen vor der komplexen Aufgabe, Evakuierungen und Umsiedlungen zu organisieren und interne ebenso wie grenzüberschreitende Vertreibung infolge von Umweltereignissen zu bewältigen.
Neue Finanzierungsarchitektur für Verluste und Schäden
Ein zentrales Ergebnis der COP27 war die Einigung der Staatengemeinschaft, neue Finanzierungsstrukturen für den Umgang mit Verlusten und Schäden ins Leben zu rufen, darunter einen eigenständigen Fonds. Diese als historisch gefeierte Übereinkunft war auch ein wichtiges vertrauensbildendes Zeichen: Die für das Gros schädlicher Emissionen verantwortlichen Industriestaaten signalisierten so den Ländern des sogenannten Globalen Südens ihre grundsätzliche Bereitschaft, zumindest finanziell Verantwortung für die Folgen des maßgeblich von ihnen verursachten Klimawandels zu übernehmen. Tatsächliche Haftung (»liability«) darüber hinaus lehnen die Industrieländer jedoch ab.
In der Folge wurde ein mit 24 Staatenvertretern und ‑vertreterinnen besetztes Übergangskomitee, an dem auch Deutschland beteiligt war, mit der Aufgabe betraut, bis zur COP28 im Dezember 2023 in Dubai Vorschläge zur Operationalisierung dieser Beschlüsse zu erarbeiten. Die schwierige Arbeit des Komitees war geprägt von langjährigen Konfliktlinien der internationalen Klimaverhandlungen. Uneinigkeit zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern herrschte vor allem über die institutionelle Verortung des Fonds, den Kreis der Einzahlenden und Zugriffsberechtigten sowie die Festlegung thematischer Unterfonds.
Grundstruktur und Funktionen des neuen Fonds
Das Abschlussdokument, das den Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention bei der diesjährigen VN-Klimakonferenz in Dubai zur Abstimmung vorgelegt wird, skizziert die Grundstruktur der neuen Finanzierungsmechanismen und des Fonds für Verluste und Schäden. Dabei spiegelt es eine Reihe von Kompromissen wider.
Zu begrüßen sind die konkrete Benennung möglicher Anwendungsbereiche, die explizit auch die Themen Vertreibung, Umsiedlung und Migration einschließt, sowie die gleichwertige Berücksichtigung wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Verluste und Schäden. Grundsätzlich soll der Fonds Prioritätenlücken in der bisherigen Finanzierungsarchitektur kompensieren. Er soll dabei sowohl kurzfristige Nothilfe als auch längerfristigen Wiederaufbau oder Unterstützung im Fall langsam einsetzender Umweltveränderungen finanzieren.
Gemäß den Präferenzen der Industrieländer, allen voran der USA, soll der Fonds bei der Weltbank angesiedelt werden – allerdings zunächst nur für vier Jahre und abhängig von zahlreichen Bedingungen, welche die Unabhängigkeit des Fonds sichern und seine Effektivität erhöhen sollen. So soll der Fonds nicht nur Kredite finanzieren, sondern auch Zuschüsse vergeben und für betroffene Länder und Gemeinden sowie lokale Gemeinschaften und indigene Gruppen direkt zugänglich sein. Dies ist ein wichtiger Baustein zum Schutz und zur Unterstützung marginalisierter Menschen. Eine zwischenzeitlich diskutierte Festlegung auf thematische Unterfonds, von denen einer dem Thema menschliche Mobilität hätte gewidmet sein können, scheiterte an der Ablehnung der Entwicklungsländer. Diese sahen hierdurch die Autonomie des noch zu besetzenden Verwaltungsrats des Fonds gefährdet.
Die Rechte des Zugriffs auf den Fonds sind breit formuliert. Statt einer Fokussierung auf die am wenigsten entwickelten Staaten und kleine Inselstaaten wird diesen zwar ein noch festzulegender Prozentsatz des Fondsvolumens zugesichert. Grundsätzlich zugriffsberechtigt sind aber alle Entwicklungsländer, die den Auswirkungen des Klimawandels gegenüber besonders vulnerabel sind. Diese vage Formulierung bietet Raum für unterschiedliche Interpretationen, die in der Folge zu Konflikten, etwa um die Rolle von Schwellenländern als Geber bzw. Empfänger, führen können.
Unbeantwortet bleibt die entscheidende Frage, wer welchen Beitrag zu dem neuen Fonds leisten soll. Potentiell ist der Kreis der Beitragenden groß: Industrieländer werden »aufgefordert« einzuzahlen, andere Länder »ermutigt«, zusätzlich sind auch Beiträge privater Geber sowie aus innovativen Quellen möglich. Entgegen der Forderung der Entwicklungsländer, ein angestrebtes Finanzvolumen von zunächst 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu vereinbaren, enthält die Beschlussvorlage keine finanzielle Zielgröße. Angesichts der dadurch entstehenden Konkurrenz zwischen verschiedenen Klimafinanzierungsinstrumenten ist es umso wichtiger, dass einzelne Geberländer durch eigene Beiträge und aktives Werben um die Beteiligung anderer Impulse setzen, die dem Fonds zu praktischer Wirkung verhelfen.
Von zivilgesellschaftlicher Seite werden diese Beschlüsse kritisch beurteilt. Neben der Verortung bei der Weltbank und dem unklaren finanziellen Ambitionsniveau bezieht sich die Kritik besonders darauf, dass in der Beschlussvorlage des Übergangskomitees der zwischenzeitlich vorgesehene feste Zivilgesellschaftssitz im Verwaltungsrat ebenso fehlt wie ein klarer Menschenrechtsbezug.
Zusätzlich zu seiner Kernfunktion soll der Fonds eine wichtige Koordinierungsfunktion innerhalb der breiteren Finanzierungsarchitektur zu Verlusten und Schäden erfüllen sowie Komplementarität und Kohärenz stärken. Hierzu gehören der Global Shield against Climate Risk mit der bei der Weltbank angesiedelten Global Shield Financing Facility, genauso wie Vorschläge zur Reform der Kreditvergaberegeln der Bridgetown-Initiative im Kontext klimawandelbedingter Verluste und Schäden und zu neuen Finanzierungsansätzen für die Unterstützung Binnenvertriebener.
Berücksichtigung menschlicher Mobilität
Nach aktuellem Verhandlungsstand wird Vertreibung, Umsiedlung und Migration sowohl in dem neuen Fonds als auch in der übergreifenden Finanzierungsstruktur eine zentrale Rolle zugesprochen. Diese lange beklagte Lücke in der Klimafinanzierung erfährt damit nun endlich mehr Aufmerksamkeit. In Anbetracht der unübersichtlichen und zersplitterten Akteurslandschaft im Bereich Klima und Migration birgt die Koordinierungsfunktion des Fonds zusätzliches Potential: Sie kann gewährleisten, dass klimawandelbedingte menschliche Mobilität beim Umgang mit Verlusten und Schäden gezielter berücksichtigt wird.
Hinsichtlich der Operationalisierung bleiben aber viele Fragen offen. Es fehlt eine allgemein gültige und international anerkannte Terminologie bzw. ein gemeinsames Verständnis der unterschiedlichen Formen menschlicher Mobilität im Kontext des Klimawandels, das für die Bewertung von Verlusten und Schäden unerlässlich wäre. Komplex ist zudem die Bezifferung der Verluste und Schäden, die durch Vertreibung und Umsiedlung entstehen. Bisher gibt es weder allgemein akzeptierte Richtwerte und Berechnungsgrundlagen, unter welchen Umständen Regionen als unbewohnbar gelten, noch eine systematische Datenerhebung zu den Kosten, die durch menschliche Mobilität verursacht oder verstärkt werden. Dies gilt vor allem für langsam eintretende Szenarien. Darüber hinaus sind insbesondere nichtwirtschaftliche Verluste und Schäden wenig dokumentiert und schwer zu quantifizieren. Die Bezifferung der tatsächlichen wirtschaftlichen Kosten von Flucht und Vertreibung ist aber essentiell: Sie kann dazu beitragen, der Debatte über die Ausweitung legaler Migrationswege für vom Klimawandel betroffene Personen neue Impulse zu geben, gerade auch im Kontext der wachsenden Vorbehalte gegen Zuwanderung in vielen Industrieländern.
Handlungsempfehlungen
Die Bewältigung klimawandelinduzierter menschlicher Mobilität ist eine herausfordernde Zukunftsaufgabe. Um die Handlungsfähigkeit der direkt von klimawandelbedingter Vertreibung, Migration und Umsiedlung Betroffenen zu stärken und ihnen tragfähige Perspektiven zu eröffnen, bedarf es des Zusammenspiels adäquater Finanzierungsinstrumente, technischer Unterstützungsangebote und innovativer migrationspolitischer Lösungsansätze.
Migrationsbezogene Finanzierungsbedarfe konkretisieren
Die Verankerung menschlicher Mobilität in der Klimafinanzierung schafft Ansatzpunkte, um die schon bestehenden Bemühungen mit finanziellen Ressourcen in neuer Größenordnung auszustatten. Die Umsetzung in die Praxis erfordert allerdings eine weitere inhaltliche Ausgestaltung der mobilitätsbezogenen Anwendungsbereiche in allen Phasen klimawandelbedingter Mobilität, einschließlich Prävention, Schutz und dauerhafter Lösungen. Große und perspektivisch weiter wachsende finanzielle Bedarfe bestehen insbesondere in drei Bereichen.
Erstens steigt der Bedarf an Evakuierungen und geplanten Umsiedlungen. Einwohnerinnen und Einwohnern von Regionen, die durch schleichende Umweltveränderungen graduell unbewohnbar werden, sollen sozial verträgliche, menschenrechtskonforme und gemeinsam mit den Betroffenen gestaltete Zukunftsperspektiven eröffnet werden. Der für Umsiedlungsprojekte aufgesetzte Fonds in Fidschi hat Vorbildcharakter, ist aber nicht ausreichend finanziert. Hier könnten Mittel aus dem neuen Fonds für Verluste und Schäden einen wesentlichen Beitrag leisten. Auf lange Sicht werden Ausgestaltung und Finanzierung freiwilliger Umsiedlungen als Betätigungsfeld von Entwicklungspolitik im Bereich Klimamobilität immer wichtiger werden.
Ein zweiter Bereich mit hohem Handlungs- und Finanzierungsdruck ist die klimawandelbedingte Binnenvertreibung. Hier besteht nicht nur Bedarf an der Förderung dauerhafter Lösungen wie lokaler Integration. Es geht auch darum, Binnenvertriebene systematisch in Maßnahmen der Katastrophenrisikominderung sowie in Klimaanpassungs- und Entwicklungsplänen zu berücksichtigen.
Ein dritter Anwendungsbereich ist die Unterstützung für Städte. Im Zuge des Klimawandels verstärken sich Urbanisierungstrends. In den dadurch entstehenden informellen Siedlungen sind Basisdienstleistungen häufig gar nicht oder nur eingeschränkt verfügbar; ein Leben in Sicherheit und Würde ist nicht gewährleistet. Hier bedarf es vorausschauender Planung für adäquaten Wohnraum sowie für quantitativen Ausbau und klimaangepassten Umbau städtischer Infrastruktur und von Dienstleistungen wie Wasserversorgung oder Nahverkehr.
Technische Unterstützungsstrukturen stärken
Neben der Bereitstellung von Finanzierung ist technische Unterstützung ausschlaggebend dafür, einen effektiven Einsatz der Mittel zu ermöglichen. Dazu sollten regionale, staatliche und subnationale Anstrengungen zu Aufbau und Stärkung institutioneller Kapazitäten und lokaler Systeme, etwa für Katastrophenrisikominderung, unterstützt werden. Gerade jene Länder und Bevölkerungsgruppen, die am dringendsten auf Unterstützung angewiesen sind, verfügen meist über nur geringe Kapazitäten, auf internationale Fonds zuzugreifen und eingeworbene Mittel fristgerecht und regelkonform abfließen zu lassen. Betroffenen Gemeinden direkte Finanzierung bereitzustellen bietet Potential für einen besonders zielgerichteten und bedarfsorientierten Mitteleinsatz. Gleichzeitig wird hierbei die große Bedeutung technischer Begleitung über den gesamten Projektzyklus ersichtlich – vom Projektentwurf über die Antragstellung bis hin zur Umsetzung konkreter Maßnahmen.
Eine Schlüsselrolle kommt hier dem 2019 gegründeten Santiago Network on Loss and Damage zu. Es hat den Auftrag, besonders gefährdeten Ländern Zugang zu technischer Expertise und Ressourcen zu eröffnen, um klimawandelbedingte Verluste und Schäden abzuwenden oder ihre Auswirkungen zu minimieren. Bei der finanziellen Ausstattung des Netzwerks muss sichergestellt werden, dass es nicht nur punktuelle Unterstützung leisten, sondern auch zum Kapazitätsaufbau beitragen kann. Um die Unterstützungsmaßnahmen nachhaltiger zu gestalten, sollte das Netzwerk in seiner Arbeit darüber hinaus auf partizipative Methoden aus der Entwicklungszusammenarbeit zurückgreifen. Dies schließt ein, indigene Expertise in Entscheidungsprozesse einzubinden und die unterschiedlichen Risiken, Verwundbarkeiten und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen sowie marginalisierten Personengruppen wie indigenen Bevölkerungen, LGBTQIA+-Personen oder Menschen mit Behinderungen systematisch zu beachten.
Migrationspolitische Lösungen bereitstellen
Die Berücksichtigung menschlicher Mobilität im neuen Fonds für Verluste und Schäden vergrößert den finanziellen Handlungsspielraum, Voraussetzungen für sicheres Bleiben zu schaffen oder Menschen auf der Flucht zu unterstützen. Das reicht aber nicht aus, um weitgehend selbstbestimmte Mobilitätsentscheidungen zu ermöglichen und Migration als Anpassungs- und Risikominderungsstrategie zu unterstützen: Im Einklang mit den Zielen des Globalen Pakts für sichere, geordnete und reguläre Migration müssen hierfür legale Migrationswege für vom Klimawandel besonders betroffene Personen ausgeweitet werden.
Folgende Handlungsfelder bieten sich an: Für Schutzbedürftige stehen sichere Zugangswege in Staaten des Globalen Nordens im Vordergrund, etwa in Form des häufig diskutierten Klimapasses. Auch die Förderung regionaler Freizügigkeit kann dazu beitragen, dass gefährdete Menschen sichere und reguläre Mobilität als Anpassungsstrategie zur Verfügung haben. Zusätzlich sollte Klimawandelbetroffenheit bei der Arbeitskräfteanwerbung aus Partnerländern als wichtiges Auswahlkriterium hinzugezogen werden, um den bestehenden Migrationsdruck mit Hilfe selbstbestimmter Mobilität abzufedern.
Angesichts der polarisierten Debatte über Flüchtlingsschutz und der Widerstände gegen Zuwanderung in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten sind derartige Initiativen politisch voraussetzungsvoll. Vor dem Hintergrund des weiter wachsenden Migrationsdrucks sind sie aber unerlässlich, um Zuwanderung aktiv zu gestalten. Die derzeit von vielen Regierungen verfolgte Politik der Migrationsabwehr ist keine dauerhaft tragfähige Alternative. Abgesehen von den hohen menschenrechtlichen und wirtschaftlichen Kosten ist sie in Anbetracht der bevorstehenden klimatischen Veränderungen letztlich zum Scheitern verurteilt.
Nadine Biehler, Nadine Knapp und Dr. Anne Koch sind Wissenschaftlerinnen in der Forschungsgruppe Globale Fragen der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das Aktuell wurde verfasst im Rahmen des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekts »Flucht- und Migrationspolitik jenseits des Krisenmodus: Entwicklungsorientierte Strategiebildung im Kontext längerfristiger Herausforderungen durch Gewalt und Fragilität, Klimawandel und wirtschaftliche Disparitäten«.
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ISSN (Online) 2747-5018
DOI: 10.18449/2023A60