Die US-Regierung erklärt in ihrer neuen Handelsstrategie, dass sie bereit ist, mit WTO-Regeln zu brechen und unilateral Strafzölle auf Waren aus China und anderen Ländern zu erheben. Aus Wahlkampfrhetorik könnte bald Ernst werden, meint Laura von Daniels.
Kurz gesagt, 03.03.2017 Research AreasDie US-Regierung erklärt in ihrer neuen Handelsstrategie, dass sie bereit ist, mit WTO-Regeln zu brechen und unilateral Strafzölle auf Waren aus China und anderen Ländern zu erheben. Aus Wahlkampfrhetorik könnte bald Ernst werden, meint Laura von Daniels.
Während Donald Trumps Rede vor dem Kongress in dieser Woche von vielen als versöhnlich beschrieben wurde, setzten die USA aggressive Töne aus dem Wahlkampf des Präsidenten in die Tat um: Die gerade erschiene Handelsstrategie der neuen US-Regierung ermöglicht es Washington, bestehende Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu übergehen und Strafzölle gegen Waren aus China und anderen, auch europäischen, Ländern, zu verhängen. In dem Dokument taucht ein möglicher Bruch mit WTO-Regeln erstmals schwarz auf weiß als politische Option auf. Damit schaden die USA als Gründungsmitglied und als maßgebliche Kraft in der WTO nicht nur der Durchsetzungskraft einer wichtigen internationalen Organisation: Die WTO soll als »Hüterin der Handelsregeln« die Interessen verschiedener Nationen ausgleichen. Sie ist mit dem Zweck gegründet worden, protektionistische Politikansätze, die in der Vergangenheit bis zu »Handelskriegen« führten, zu verhindern. Die Ankündigung der US-Regierung schadet auch dem eigenen Ruf als verlässlicher Handelspartner. Erstmals seit der Gründung der WTO im Jahr 1995 erklärt Washington, dass es bereit ist, eigene wirtschaftliche und politische Interessen über geltendes internationales Handelsrecht zu stellen.
Ankündigung einer »aggressiveren« Handelspolitik
Anlass für die Neuausrichtung der Handelspolitik hin zu einem laut Strategiedokument »aggressiveren Ansatz« gibt nach Aussage der US-Regierung das »unfaire Verhalten« ihrer Handelspartner. Die WTO wird für den »untragbaren« Status quo des Welthandels verantwortlich gemacht. In einem Abschnitt der über 300 Seiten umfassenden, turnusmäßig Anfang März erscheinenden Handelsstrategie, der die »Handelspolitische Agenda des Präsidenten« darlegt, beschuldigt Washington die WTO indirekt, Chinas Aufstieg zur Handels- und Wirtschaftsmacht zugelassen zu haben, ohne von Peking zu verlangen, dass es die eigene Wirtschaft öffne. Das bestehende Konfliktbewältigungssystem der WTO wird kritisiert, da es US-Interessen geschädigt habe. Priorität hat laut Dokument die »Verteidigung der Souveränität in der US-Handelspolitik«. Dazu wird explizit der Rückgriff auf einen Abschnitt eines nationalen Handelsgesetzes von 1974 (Trade Act, Section 301) vorgeschlagen.
Erster »Warnschuss« an die Handelspartner
Auf Basis des Trade Act (Section 301) kann der US-Präsident ohne Zustimmung des Kongresses und auf unbestimmte Dauer Strafzölle auf Waren anderer Länder erheben und die Einfuhrmengen begrenzen. Diese Schritte wären zulässig, wenn ein anderes Land den USA Rechte versagt, die aus einem zuvor abgeschlossenen Freihandelsabkommen erwachsen, oder wenn ein Land Maßnahmen ergreift, die »ungerechtfertigt, unangemessen oder diskriminierend« sind. Die neue US-Regierung preist das unter Präsident Richard Nixon eingeführte Handelsgesetz als »wirkungsvollen Hebel, um fremde Länder zu ermutigen, eine marktfreundlichere Politik zu verfolgen«. Welche konkreten Maßnahmen die USA gegenüber China oder anderen Ländern ergreifen wollen, liegt im Ermessen des Präsidenten, der den Leiter der US-Handelsbehörde (USTR) mit der Umsetzung beauftragt. Bisher ist noch kein US-Handelsbeauftragter berufen, mit dem der Präsident konkrete Schritte vereinbaren kann. Voraussichtlich ab Anfang April wird jedoch der erfahrene Vertragsjurist und China-Kritiker, Robert Lighthizer, dem Amt ein Gesicht geben.
Ein Doppelbeschluss in der EU-Handelspolitik
Die Regierungen der US-Handelspartner sollten die bereits veröffentlichten Eckpunkte der neuen US-Handelsstrategie inklusive der Androhung, geltende WTO-Regeln zu brechen, als eindeutigen Warnschuss verstehen. Die EU darf nun nicht länger in einer Beobachtungspose verharren, sondern muss sich über Gegenmaßnahmen und Verhandlungsstrategien gegenüber den USA klar werden. Da die Handelspolitik bei der Europäischen Kommission angesiedelt ist und schon längst nicht mehr von den Hauptstädten der Mitgliedstaaten aus dirigiert wird, muss Brüssel zügig eine gemeinsame Strategie vorlegen. Um klar zu machen, dass die Kommission auch in möglicherweise schwierigen Verhandlungen mit den USA die Interessen aller EU-Mitgliedstaaten vertritt, sollte der Europäische Rat der Kommission hierfür ein klares Mandat erteilen. Auch das Parlament sollte hierzu seinen Segen geben. Notwendig und sinnvoll wäre eine klarer Auftrag an die Kommission in Form eines Doppelbeschlusses, der einerseits auf die Bereitschaft der EU abstellt, auf Strafzölle anderer Länder mit Gegenmaßnahmen zu reagieren, und andererseits den Wunsch nach einer Verhandlungslösung und Deeskalation unterstreicht. Die Tür für einen Dialog über faire Regeln des Handels muss unbedingt offen bleiben. Letzteres kann gelingen, wenn die USA und die EU ihre Verhandlungen über ein transatlantisches Handelsabkommen wieder aufnehmen. Die Kommission sollte die US-Seite zu Gesprächen einladen, sobald die Führungspositionen in der US-Handelsbehörde besetzt sind. Zur EU-Verhandlungsstrategie sollte auch eine klare Vorstellung gehören, welche Kompromisse man in zentralen, bisher ungeklärten Fragen des Abkommens (Investitionsschutz, Vergabe öffentlicher Aufträge, genmanipulierte Organismen) eingehen kann, ohne die Zustimmung der EU-Mitgliedsländer und des Europäischen Parlaments zu gefährden. Bis man an den Verhandlungstisch zurückkommen kann, wird die EU jedoch nicht darum herumkommen, der US-Regierung und den US-Unternehmen aufzuzeigen, mit welchen negativen Konsequenzen die Partner rechnen müssen, wenn Washington europäische Waren mit hohen Strafzöllen belegt.
Dieser Text ist auch bei Handelsblatt.com erschienen.
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