Jump directly to page content

Die Neuvermessung der amerikanisch-europäischen Sicherheitsbeziehungen

Von Zeitenwende zu Zeitenwende

SWP-Studie 2024/S 15, 21.05.2024, 36 Pages

doi:10.18449/2024S15

Research Areas

Dr. habil. Markus Kaim ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik.
Dr. Ronja Kempin ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe EU / Europa.

Redaktionsschluss der Studie war der 30. April 2024.

  • Seit Beginn des russischen Angriffskrieges durchläuft die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine Zeitenwende: Verteidigungsausgaben werden erhöht, kritische Fähigkeitslücken geschlossen. Die Nato stellt ihre Vitalität unter Beweis, im Rahmen der EU handeln die Mitgliedstaaten mutig und geschlossen.

  • Gleichwohl werden nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen weitere Anpassungsleistungen erbracht werden müssen: Wenngleich unterschiedlich hergeleitet, sehen die außenpolitischen Programmatiken der Kontrahenten Biden und Trump vor, dass die Schutzmacht USA ihre Beteiligung an der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik reduziert.

  • Deutschlands wichtigste sicherheits- und verteidigungspolitische Aufgabe wird es künftig sein, gemeinsam mit seinen Verbündeten und Partnern die politische Souveränität und territoriale Integrität aller EU- und Nato-Mitglieder umfassend gegen Russland zu schützen. Daher wird Berlin vom internationalen Krisenmanagement Abstand nehmen müssen.

  • Die politische Dimension der transatlantischen Lastenteilung sollte sich in einem europäischen Pfeiler der Nato manifestieren. Den Finanzbedarf der Bundeswehr muss Berlin ernsthaft abdecken, wohl wissend, dass das vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel nur noch die unterste Grenze des Not­wendigen darstellt.

  • In der EU sollte Deutschland darauf hinwirken, dass die Mitgliedstaaten den von der EU-Kommission geforderten finanziellen Rücklagen für Ver­teidigungsausgaben ihre Zustimmung erteilen. Berlin sollte die EU‑Kom­mis­sion dabei unterstützen, einen Rüstungsbinnenmarkt zu schaffen. Da die USA eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine langfristig ablehnen dürften, sollte die EU in Betracht ziehen, den Geltungsbereich ihrer Bei­standsklausel auszudehnen.

Problemstellung und Empfehlungen

Russlands Krieg gegen die Ukraine leitete eine Zeiten­wende in der europäischen Sicherheits- und Vertei­digungspolitik ein. In Europa steigen seitdem die Verteidigungsausgaben, lange Zeit vernachlässigte strategische Kernfähigkeiten werden aufgebaut. Die Bündnis- und Landesverteidigung ist endgültig ins Zentrum der sicherheitspolitischen Strategien zurück­gekehrt. Unter Präsident Joe Biden steht Washington fest an der Seite der Ukraine. Auch in der Europäischen Union (EU) hat Russlands Angriffskrieg un­geahnte Kräfte freigesetzt. Vor allem in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik haben die EU-Staaten seit Februar 2024 Quantensprünge vollzogen.

Ende des Jahres 2024 werden Europa und die USA mit einer weiteren Zeitenwende konfrontiert sein. Am 5. November 2024 wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Mit den Kontrahenten Joe Biden und Donald Trump stehen sich dann nicht nur zwei Kandidaten, sondern zwei Denkschulen gegenüber, die die Rolle der USA mit Blick auf die amerikanische Politik in und gegenüber Europa sehr unterschiedlich definieren. Das Joe Biden nahestehende Lager der Primacists gründet auf die in den USA bisher domi­nan­te außenpolitische Strategie des Internationalismus. Demnach seien die USA verpflichtet, ihre geo­politi­sche Vormachtstellung aufrechtzuerhalten. Grund­lage der globalen Vorherrschaft sei die kon­kurrenz­lose militärische Überlegenheit des Landes. Staaten wie China, die diese Überlegenheit zu schmälern versuchen, werden als Bedrohung empfun­den. Die amerikanische sicherheitspolitische Führungsrolle in Europa zu bewahren gilt den Primacists als Investi­tion, aus der die USA umfangreiche Vorteile ziehen können. Gleichzeitig trauen sie den Europäern nicht zu, ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik eigen­ständig zu organisieren.

Im Unterschied dazu favorisieren die Restrainers einen Rückzug der USA aus der Welt und plädieren für ein selektives Engagement Washingtons in der internationalen Politik. Das Eingreifen solle sich an den nationalen Interessen der USA orientieren. Akti­vismus oder den Ehrgeiz, andere Länder gemäß west­lichen Vorstellungen zu transformieren, lässt dieses Lager für die internationale Politik der USA nicht gelten. In diesem Sinne machen sich die Restrainers dafür stark, die Bündnisverpflichtungen der USA zu verringern. Insbesondere die Nato-Mitgliedschaft und eine fortgesetzte amerikanische Truppenpräsenz in Europa lägen nicht länger im Interesse des Landes. Die europäischen Staaten seien wohlhabend genug, den Fortbestand des Kräftegleichgewichts in Europa selbständig zu sichern. Ein Rückzug der USA oder zumindest die Drohung damit werde die europäischen Staaten dazu veranlassen, mehr Geld für ihre Ver­teidigung auszugeben.

Der Ausgang der amerikanischen Präsidentschafts­wahlen wird nahezu zwangsläufig eine Neujustierung der amerikanisch-europäischen Sicherheitsbeziehungen zur Folge haben. Denn auch eine hierzulande befürwortete Wiederwahl Joe Bidens darf nicht den Blick dafür verstellen, dass die Außenpolitik der Biden-Administration derjenigen von Donald Trump sehr ähnlich war. Die gesellschaftlichen Strömungen und Bindekräfte drängen die außenpolitische Pro­gram­matik beider Kandidaten in dieselbe Richtung. Das gegenwärtige Engagement in Europa ist auch für die Biden-Administration die Ausnahme. Zu keinem Zeitpunkt hat sie verheimlicht, dass ihr geopolitischer Fokus auf dem indopazifischen Raum liegt.

Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, welche An­passungsleistungen die Europäer in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der Atlantischen Allianz und mehr noch in dem der EU erbringen müssen, um eine unter Umständen nachlassende Rolle der Schutzmacht USA kompensieren zu können. Diese Frage ist besonders relevant, weil es den Euro­päern in den zurückliegenden zwei Jahren trotz ver­schiedenartiger Bemühungen nicht gelungen ist, die grundlegenden Defizite ihrer Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik zu beheben. Dazu zählen in erster Linie die Unterfinanzierung der Rüstungsentwicklung, die fehlende Harmonisierung der Rüstungs­planung und -beschaffung sowie die Schaffung eines Binnenmarkts für Rüstungsgüter.

Die Antworten auf die oben formulierte zentrale Fragestellung der Studie lassen sich wie folgt zusam­menfassen:

Im Falle eines Wahlsiegs von Donald Trump müs­sen sich Deutschland und Europa auf die Forderung nach einer massiven Lastenverlagerung (burden shift­ing) einstellen – weg von den USA, hin zu Europa. Die USA dürften einen Großteil ihrer Truppen aus Europa zurückziehen und in der Nato darauf hin­wirken, dass die europäischen Mitgliedstaaten ihre eigene territoriale Integrität sichern. Das würde zu einer europäisierten Nato führen, in der die USA lediglich als eine Art »Logistikdienstleister letzter Instanz« sowie als Garant für freie Seewege und Han­delsrouten fungieren würden. Da das vordringliche Ziel der Restrainers lautet, Europa zu mehr Eigen­ständigkeit zu zwingen, könnte eine Präsidentschaft Trump 2.0 auch Bemühungen um größere sicherheits­politische Autonomie erheblich befördern – vermut­lich mehr, als dies eine amerikanische Politik täte, die der Vorstellung von einer amerikanischen Vorherrschaft verpflichtet bleibt. Dabei darf gleichwohl nicht übersehen werden, dass auch eine Wiederwahl Joe Bidens mehr sein wird als die traditionelle Heraus­forderung für die europäische Politik: Eine Biden-Administration 2.0 wird auf eine deutlich stärkere Lastenteilung hinwirken. Sie weiß, dass Washington nicht zwei Kriege – denjenigen Russlands gegen die Ukraine und einen potentiellen zwischen China und Taiwan – gleichzeitig bewältigen kann. Im Zweifelsfall werden die USA einem Konflikt in der Straße von Taiwan Priorität einräumen.

Aus diesen Ergebnissen leiten sich folgende Empfehlungen für die deutsche und europäische Sicher­heits- und Verteidigungspolitik ab:

Für einen nicht absehbaren Zeitraum wird es die Hauptaufgabe deutscher Sicherheitspolitik sein, den Schutz der politischen Souveränität und territorialen Integrität aller Mitglieder der EU und der Nato umfas­send gegen ein aggressiv-revisionistisches Russland zu sichern. Zu diesem Zweck wird die militärische Prä­senz der Bundeswehr auf den euroatlantischen Raum zu konzentrieren sein. Darüber hinaus werden Deutschland und Europa weitaus mehr in ihre Sicher­heit und Verteidigung investieren müssen. Dazu ge­hören ein faires Angebot zur Lastenteilung innerhalb der Nato, eine auf Dauer angelegte Ausrüstung und Ausstattung der europäischen Streitkräfte und Schritte in Richtung eines europäischen Binnenmarkts für Rüstungsgüter. Ein militärisches Eingreifen außer­halb Europas werden die USA von ihren europäischen Partnern nicht verlangen. Deren Aufgabe wird folg­lich darin bestehen, die in Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags von Lissabon enthaltene EU-Beistandsklausel zu konkretisieren. Eine parallele Erweiterung von EU und Nato um die Ukraine werden die USA auch künf­tig ablehnen. Schließlich werden Deutschland und die EU nicht umhinkommen, einen neuen Anlauf bei der institutionellen Diversifizierung zu unternehmen. Das gilt sowohl für das Binnenverhältnis in der Nato wie für das Verhältnis zwischen EU und Nato.

Einleitung

Der Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 beendete die europäische Sicherheitsordnung, wie wir sie seit 1990 im normativen wie institutionellen Sinne kennen. Sie gründete auf der 1990 unterzeichneten Charta von Paris. Für die Bundesrepublik Deutschland und ihre wichtigsten sicherheits- und verteidigungspolitischen Handlungsrahmen – die Nato und die Europäische Union – markierte die Rückkehr des Krieges nach Europa eine Zäsur mit weitreichenden Folgen: Deutsch­land leitete eine sicherheits- und verteidigungspolitische Zeitenwende ein. Die EU schärfte ihr Profil als »Anbieterin von Sicherheit« deutlich. So nutzen Deutschland und die übrigen Mitgliedstaaten den EU-Rahmen, um der Ukraine neben wirtschaft­licher und humanitärer Hilfe Waffen und Munition zur Verfügung zu stellen und ukrainische Soldaten für den Kampf auszubilden. Bei der Produktion von Munition für die ukrainischen Streitkräfte können die EU-Staaten auf finanzielle Mittel zurückgreifen, die ihnen die Europäische Kommission zur Ver­fügung stellt. Die Kommission will die Mitglied­staaten auch dazu bringen, mit ihren seit Februar 2022 steigenden Verteidigungsausgaben langjährig bestehende Fähigkeitslücken zu schließen. Auch hierfür stellt sie finanzielle Unterstützung bereit. Parallel dazu hat die Nato, der nach dem Ende ihres Afghanistan-Einsatzes und internen Auseinander­setzungen mit der Türkei eine Krise attestiert wurde, ihre Vitalität unter Beweis gestellt. Durch massive Truppenverlagerungen an die Ostflanke trägt die Allianz maßgeblich zur Abschreckung Russlands bei. Schließlich sind auch die USA mit Macht auf den europäischen Kontinent »zurückgekehrt«: Präsident Joe Biden ließ zu keinem Zeitpunkt des Krieges Zwei­fel an seiner entschlossenen Unterstützung für die Ukraine sowie dem Schutz der europäischen Ver­bündeten aufkommen.

In den zurückliegenden Monaten haben sich gleichwohl die Anzeichen gemehrt, dass sicherheitspolitisches Engagement der USA in und für Europa keineswegs mehr Teil eines überwölbenden außen­politischen Konsenses in den USA ist. Ein Indikator dafür ist zum Beispiel, dass die Frage der Fortsetzung finanzieller Hilfen an die Ukraine zumindest eine gewisse Rolle beim Sturz von Kevin McCarthy, dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses, im Oktober 2023 gespielt hat.1 Sie ist einer der Gründe, warum die europäischen Staaten den für den 5. November 2024 anberaumten amerikanischen Präsidentschaftswahlen besondere Aufmerksamkeit schenken. Deren Ausgang ist für die europäischen Staaten aber auch deshalb von entscheidender Bedeutung, weil der Kon­tinent ohne die politische Führung und die militärischen Fähigkeiten der USA auf absehbare Zeit gegen einen Angriff Russlands wohl nur sehr schwer zu verteidigen sein wird.

Obschon vor allem die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU seit Beginn des Ukraine-Krieges vielfältige Anpassungsleistungen erbracht hat, agiert Europa in der Verteidigungspolitik nach wie vor nicht als integrierte politische Einheit. Das sicherheitspolitische Handeln der EU bleibt intergouvernemental organisiert und die militärische Stärke Europas daher immer noch weitaus geringer als die Summe ihrer Teile. Dies ist zuvorderst ein europäisches Versagen, denn es wäre Aufgabe der Regierungen der EU gewesen, ihren zahlreichen Bekundungen, eine euro­päische Armee bzw. eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion schaffen zu wollen, auch Taten folgen zu lassen. So ähnelt der Befund des Jahres 2024 denen früherer Jahre: Es ist nur unzureichend gelungen, die Kooperation in der Gemein­samen Sicherheits- und Vertei­digungspolitik (GSVP) zu vertiefen und die für mehr Wirksamkeit notwendigen Integrationsschritte einzuleiten. Dem stehen weiterhin unterschiedliche Bedrohungsvorstellungen, differierende strategische Prioritäten und nationale Souveränitätsvorstellungen entgegen.

Darüber hinaus sind die europäischen Streitkräfte seit dem Ende des Ost-West-Konflikts in einem quan­titativen wie qualitativen Niedergang begriffen. Aus­schlaggebend hierfür war eine veränderte sicherheitspolitische Bedrohungswahrnehmung, die unter der Überschrift »Friedensdividende« dazu geführt hat, dass die verfügbaren Finanzmittel und die militärischen Fähigkeiten erheblich reduziert wurden. Ohne nationale Unterschiede zu verkennen, lässt sich konstatieren, dass weite Teile der militärischen Aus­rüstung Europas sich heute in einem Zustand der Ver­wahrlosung befinden und die Einsatzfähigkeit vieler europäischer Streitkräfte fragwürdig ist: Europas Kampfflugzeuge und Hubschrauber sind nur bedingt flugbereit, seine Schiffe und U-Boote nur eingeschränkt seetüchtig und seine Fahrzeuge und Panzer nur teil­weise einsatzbereit. Entscheidende Fähigkeiten für eine moderne Kriegsführung fehlen: Luftbetankung zur Unterstützung von Kampfflugzeugen, Transportflugzeuge für die Verlegung von Truppen sowie hoch­wertige Aufklärungs- und Überwachungsdrohnen.

Erst als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine wurden erste Schritte zur Verbesserung dieser Situation eingeleitet. Das findet seinen Aus­druck in gestiegenen Verteidigungsausgaben und neuen Beschaffungsvorhaben auf nationaler Ebene sowie einer Reihe von Kooperationsanreizen auf der EU-Ebene. Aber bis zur materiellen Unterfütterung der gestiegenen militärischen Gestaltungsansprüche ist es noch ein weiter Weg.2 So hängt die militärische Verteidigung Europas auch künftig von den USA ab. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Platz Europa künftig im globalen strategischen Kalkül der USA einnehmen wird und welche verteidigungspolitischen Lasten diese im Rahmen der transatlan­tischen Sicherheitsbeziehungen zu schultern bereit sein werden.3

Um beide Fragen zu beantworten, wird in dieser Studie in sechs Schritten vorgegangen: Als Startpunkt der Diskussion werden erstens die außenpolitischen Prioritäten der amerikanischen Regierung unter Präsi­dent Joe Biden rekapituliert. Zweitens wird dargelegt, in welche Richtung sich die amerikanischen Debatten über eine »Grand Strategy« gegenwärtig entwickeln und welche Rolle Europa in diesen als Partner der USA sowie als Ort amerikanischer Sicherheitspolitik spielt. Drittens wird in diesem Kontext Präsident Bidens Europapolitik angesichts des Ukraine-Krieges analysiert. Komplementär dazu wird viertens die Ent­wicklung der europäischen Sicherheits- und Vertei­digungspolitik nach dem russischen Angriff auf die Ukraine untersucht. Fünftens werden die möglichen Entwicklungspfade der amerikanischen Europapolitik nach den Präsidentschaftswahlen im November 2024 skizziert. Daraus werden sechstens Handlungsempfeh­lungen für die deutsche und europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik abgeleitet.

Die außenpolitischen Prioritäten der Regierung Biden

Präsident Biden trat sein Amt 2021 mit einer ehr­geizigen außenpolitischen Agenda an, die er mit einem zentralen Leitmotiv aus dem Wahlkampf zusammenfasste: »America is back.« Bidens Ziel bestand zuvorderst darin, den Schaden zu beheben, den sein Vorgänger dem Ansehen der USA in der Welt zugefügt hatte. Denn während seiner vierjährigen Amtszeit hatte Donald Trump die Beziehungen zu Amerikas Verbündeten in Europa und Asien belastet,4 die Spannungen mit Gegnern wie Iran und Venezuela erhöht und einen Handelskrieg mit China angezettelt, der die bilateralen Beziehungen zu Bei­jing auf den schlechtesten Stand seit Jahrzehnten gebracht hatte. Im Prinzip beruhte Bidens außen­poli­tische Agenda daher auf der Ablehnung von Trumps »America First«-Vermächtnis und dem Bemühen, die multilaterale Ordnung unter amerikanischer Führung wiederherzustellen. Dies spiegelte sich in seinen ersten Schritten wider, als die USA dem Pariser Klima­abkommen und der Weltgesundheits­organisation erneut beitraten. Zudem bot die Covid-19-Pandemie Biden die Gelegenheit, Amerikas globale Führungsrolle zu bekräftigen.

Die transatlantischen Flitterwochen waren nur von kurzer Dauer.

Die erhofften Flitterwochen in den transatlantischen Beziehungen waren indes nur von kurzer Dauer.5 Innenpolitische Priorisierungen und eine Reihe internationaler Ereignisse behinderten Bidens angepeilten Neustart mit den europäischen Verbündeten. Das wurde durch einzelne Entscheidungen des US-Präsidenten im Bündnismanagement verstärkt, zum Beispiel das Vorgehen der Regierung Biden im Kontext des Abzugs aus Afghanistan, der im August 2021 erfolgte, und im Vorlauf des AUKUS-Abkom­mens, das im September 2021 geschlossen wurde.6 Bei seiner ersten Europareise als Präsident hatte Biden im Juni 2021 mit Zusicherungen an die Nato-Verbün­deten aber den erhofften Ton angeschlagen. Den USA und der EU gelang es während dieser Reise zudem, den seit langem schwelenden Streit über Subventionen für die Flugzeugbaukonzerne Boeing und Airbus beizulegen.7

Diese Annäherung darf gleichwohl nicht den Blick dafür verstellen, dass auch für die Biden-Adminis­tra­tion das schnelle Wachstum der wirtschaftlichen und militärischen Macht Chinas die wichtigste struktu­relle Veränderung in der internationalen Politik seit dem Ende des Ost-West-Konflikts bleibt. China gilt den USA als die zentrale machtpolitische Heraus­forderung, die zahlreiche Dimensionen umfasst, näm­lich militärische, wirtschaftliche, institutionelle und technologische. Diese Haltung speist sich vor allem aus der Befürchtung, dass China versuche, die USA als führende Macht im internationalen System zu über­holen. Washington stützt diese Einschätzung auf verschiedene Indizien, darunter die autoritäre Wende unter Präsident Xi Jinping seit 2012, die immer aggres­sivere Selbstbehauptung Beijings in seiner Nachbarschaft, seine gewaltigen Investitionen in die Verteidigung, handelsverzerrende Praktiken und die Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen sowohl im eigenen Land als auch im internationalen Kontext.8

Auch wenn Präsident Biden überwiegend den Be­griff »strategischer Wettbewerb« statt des Terminus »Wettbewerb der Großmächte« seines Vorgängers verwendet, bleibt die Botschaft ähnlich: Längerfristig richtet sich der strategische Kompass der Vereinigten Staaten weiter zum Indopazifik aus. Laut Außen­minister Blinken wird die Beziehung zwischen den USA und China »kompetitiv, wenn sie es sein sollte, kooperativ, wenn sie es sein kann, und konfrontativ, wenn sie es sein muss«.9

Die Biden-Administration war in diesem Zusammen­hang darauf bedacht, Verbündete und Partner über verschiedene Foren in eine gemeinsame Front gegen den Einfluss Beijings einzubinden. Die Vierer­gruppe Quad, der die USA, Japan, Indien und Austra­lien angehören, hat während Bidens Amtszeit bereits mehrere Gipfeltreffen abgehalten und dabei ihre gemeinsame Vision eines »freien und offenen indo­pazifischen Raums« unterstrichen.10 Am 15. Septem­ber 2021 kündigten die USA, Großbritannien und Australien außerdem die Gründung der trilateralen Sicher­heits­partnerschaft AUKUS an, die Australien Zugang zu Nuklearantriebstechnologie für die Ent­wicklung seiner U-Boot-Flotte gewährt.

In diesen Kontext gehört auch, dass die Regierung Biden die Demokratie als Regierungsform gegen Anfeindungen schützen und weltweit wiederbeleben will. Anders als Trump ist Biden von der unverzichtbaren Rolle Amerikas bei der Aufrechterhaltung einer liberalen internationalen Ordnung überzeugt. Biden hat den Wettstreit zwischen demokratischen und autoritären Regierungssystemen immer wieder als zentrale Determinante für die Weltpolitik des 21. Jahr­hunderts bezeichnet. Damit schlug er eine Brücke zwischen dem Motiv des strategischen Wettbewerbs und seiner Demokratie-Agenda. Bidens häufige Ver­weise auf die Tugenden der Demokratie fügen sich damit in den breiteren Rahmen des strategischen Wett­bewerbs, in dem sich die Vereinigten Staaten sehen.

Dennoch wies Bidens Außenpolitik nach einem Jahr im Amt ein hohes Maß an Kontinuität zu jener der Trump-Jahre auf.11 Bidens Prämisse »Außenpolitik für die Mittelschicht«, welche die amerikanische Weltpolitik an Stabilität und Prosperität im eigenen Land binden sollte, erschien als gemäßigtere Version von Trumps Maßgabe, die Interessen der USA über ihre globalen Verpflichtungen zu stellen. Die Ver­besserung des Lebens der »normalen« Amerikaner wurde als gleichbedeutend mit dem Wiederaufbau der inländischen Quellen amerikanischer Macht betrachtet. Ein damit verbundenes Signal des ersten Amtsjahres wurde in den europäischen Hauptstädten aber nur unzureichend wahrgenommen: Washington würde sich unter Präsident Biden zwar nicht voll­stän­dig aus der Weltpolitik zurückziehen, aber die Zeiten einer traditionellen Weltordnungspolitik, welche die USA über mehr als 70 Jahre verfolgt haben, seien mit Blick auf die drängenden innenpolitischen Prioritäten endgültig vorbei.

Primacy vs. Restraint – Europa in der außenpolitischen Debatte der USA

Europa rückte erst mit dem russischen Angriff auf die Ukraine als Priorität auf die außenpolitische Agenda des amerikanischen Präsidenten. Mit der Rückkehr des Krieges nach Europa sah sich Biden – entgegen seinen ursprünglichen Absichten – zu einer aktiven und entschlossenen Krisenpolitik in Europa gezwungen. Im Nahen Osten ist mittlerweile dasselbe Phäno­men festzustellen: Die militärische Eskalation zwischen Israel und der Hamas zwingt die Regierung Biden seit Oktober 2023 dazu, sich politisch wie militärisch wie­der dieser Region mit dem israelisch-palästinensischen Kernkonflikt zuzuwenden. Die konfliktive Dynamik zieht die USA gleichsam in diese Region hinein.

Über die globalpolitische Rolle der Vereinigten Staaten und die sich daraus ableitenden außenpolitischen Prioritäten wird in jüngster Zeit zunehmend kontrovers diskutiert, ohne dass die verschieden­artigen Positionen, welche die politischen Diskussionen in den USA beherrschen, in Europa immer aus­reichend zur Kenntnis genommen würden. Teils aus­gesprochen, teils unausgesprochen geht es in dieser Debatte auch um die Frage, welchen Stellenwert Europa im globalstrategischen Kalkül der Vereinigten Staaten einnimmt und wie stark sich diese künftig auf dem Kontinent politisch wie militärisch zu engagieren gedenken. Anders formuliert: Angesichts des russischen Imperialismus einerseits und des chinesischen Nationalismus andererseits leitet sich die Neujustierung der transatlantischen Sicherheitsbeziehungen aus amerikanischer Sicht direkt aus den veränderten geopolitischen Machtverhältnissen ab.12

Der außenpolitische Konsens in den USA erodiert.

Etwas vereinfacht stehen sich in den USA zwei Gruppen gegenüber. Auf der einen Seite finden sich die eher traditionellen Anhänger einer außenpolitischen Strategie des Internationalismus, die auf einer amerikanischen Vorherrschaft (Primacy) beruht. Auf der anderen Seite verorten sich die Befürworter eines zurückhaltenden Ansatzes (Restraint), dem zufolge sich die amerikanische Außenpolitik wieder darauf konzen­trieren soll, nationale Interessen der USA zu verfolgen.13

Primacy

Die Befürworter der Primacy-Strategie setzen seit 1945 auf eine dominante Machtposition sowie ein starkes Engagement bei der Gestaltung der internationalen Beziehungen. Diese Politik stützt sich auf einen im Vergleich zu anderen Ländern gewaltigen Verteidigungshaushalt, militärische Präsenz auf den wich­tig­sten regionalen Schauplätzen, vor allem in Europa, Ostasien und dem Nahen Osten, auf die Kontrolle der globalen See- und Luftwege und auf ein weltweites Netzwerk amerikanisch geführter Militärallianzen. Im wirtschaftlichen Bereich basiert das Konzept der Vorherrschaft (oder auch Vormachtstellung) auf einem nachdrücklichen Engagement für Freihandel, das durch multilaterale Institutionen und Vertrags­regelungen unterlegt ist.14

Die Vertreter dieser Strömung in der amerikanischen Debatte argumentieren, dass die USA trotz erkennbarer Rückschläge, hoher Kosten und rivalisie­render innenpolitischer Prioritäten weiterhin eine globale Vorherrschaft bzw. geopolitische Dominanz anstreben sollten. Dafür müsse vor allem eine kon­kurrenzlose militärische Überlegenheit aufrecht­erhalten werden. Versuche anderer Staaten, die USA militärisch einzuholen oder gar zu überholen, gelten daher als Gefahr für die amerikanische Vorherrschaft. Die Anhänger der Primacy-Schule stehen für einen einstmals parteiübergreifenden Konsens in den USA, dem zufolge die Vereinigten Staaten als »unverzichtbare Nation« der Welt keine andere Wahl hätten, als in der internationalen Politik ihre unangefochtene Machtstellung zu verteidigen und eine Agenda in den internationalen Beziehungen zu verfolgen, die weit über die nationalen Interessen der USA im engsten Sinne hinausgeht.15

Die sicherheitspolitische Führungsrolle der USA in Europa zu erhalten gilt den Primacists als langfristige Investition. So verweisen sie auf eine Reihe von Sicherheitsvorteilen, die Amerika aus seiner mili­tä­rischen Präsenz in Europa ziehe, nämlich:

  • mehr regionale Sicherheit angesichts eines wieder­erstarkenden Russlands und ein größeres Verhandlungsgewicht Washingtons gegenüber Moskau;

  • einen institutionellen Rahmen in Gestalt der Nato für die Koordinierung und Förderung der trans­atlantischen Sicherheitskooperation;

  • Unterstützung bei Militäroperationen außerhalb Europas;

  • den Zugang der USA zu ständigen Stützpunkten, logistischen Mitteln, Überflugrechten und anderem;

  • wichtige Infrastrukturen und Kommunikations­wege zur Unterstützung von Militäraktionen der USA im Nahen Osten oder in Afrika;

  • mehr Einfluss der USA auf Verbündete in Fragen der Kooperation mit Dritten, beispielsweise China;

  • eine verstärkte nachrichtendienstliche Zusammenarbeit.16

Darüber hinaus betonen sie, dass die Sicherheitspartnerschaft der USA mit den Europäern die Zusam­menarbeit auch in anderen Bereichen als der Sicher­heitspolitik erleichtere und den wirtschaftlichen Interessen der USA diene.17 Umgekehrt lässt sich aus dieser Liste von Vorteilen eine Art Katalog mit Krite­rien ableiten, die erfüllt sein müssten, um die USA auch zukünftig in Europa zu halten.

Auch in der Frage der erweiterten nuklearen Abschreckung bewegen sich Primacists entlang der traditionellen Pfade amerikanischer Sicherheitspolitik. So hat Präsident Biden mit der jüngsten Nuclear Posture Review entschieden, die US-Atomwaffen­politik nicht grundlegend zu ändern, nachdem euro­päische Verbündete Druck ausgeübt hatten, ihre Sicherheit angesichts der nuklearen Bedrohung durch Russland nicht zu untergraben. Nach einer monatelangen Überprüfung entschloss sich Biden im Oktober 2022, die deklaratorische Politik fortzuführen, wonach der Hauptzweck von Atomwaffen darin bestehe, einen Gegner von einem nuklearen Angriff auf die USA oder ihre Verbündeten abzuschrecken oder auf einen solchen zu reagieren.18

Skeptisch bleiben die Verfechter einer amerikanischen Vorrangstellung, ob Europa in der Lage ist, eine größere Rolle bei der eigenen Verteidigung zu über­nehmen. Sie verweisen auf politische Meinungs­verschiedenheiten zwischen den Europäern über die Bedrohungswahrnehmung, auf Defizite bei den militärischen Fähigkeiten sowie auf eine zersplitterte militärisch-industrielle Basis. Auch hegen sie Zweifel daran, dass eine Schwächung der US-Sicherheits­garantien das strategische Kalkül der Europäer positiv verändern würde. Weder werde dies eine gemeinsame europäische Position gegenüber Moskau schaffen noch Europa dazu veranlassen, die militärischen Ressourcen besser zu bündeln oder mehr zu investieren, um bestehende Defizite auszugleichen. In An­betracht der bekannten Beschränkungen in der Außen- und Sicherheitspolitik gilt ihnen auch eine institutionelle Weiterentwicklung der GSVP als un­wahrscheinlich. Deshalb begrüßen Primacists euro­päische Stimmen, die sich dafür aussprechen, die derzeitige militärische Position der USA zu akzeptieren oder zu stärken, etwa durch eine deutlich akzentuierte europäische Rolle innerhalb der Nato.19

Restraint

Infolge der politisch-militärischen Niederlagen der USA in Afghanistan und im Irak wird diese bislang dominierende Perspektive der Primacy zunehmend herausgefordert. Während der Amtszeiten der Präsi­denten Obama, Trump und jetzt Biden haben Kritiker Ideen der Vorherrschaft immer vehementer in Frage gestellt und sich für einen mehr oder weniger weit­reichenden Rückzug der USA aus der Welt eingesetzt. Diese Gruppe plädiert dabei nicht für einen Isolationismus im historischen Sinne, sondern für ein selek­tives Engagement der USA in der internationalen Politik. Es solle sich an dem orientieren, was als natio­nale Interessen der USA verstanden wird. Gefragt sei eine Strategie der Zurückhaltung (Restraint), ein weniger aktivistischer Ansatz, der sich vor allem auf diplomatisches und wirtschaftliches Engagement statt auf militärische Interventionen und transfor­mative Impulse in der Außenpolitik konzentriert. Das gelte für den Krieg gegen den Terrorismus ebenso wie für den Kampf von Demokratien gegen Autokratien.20

Nach Jahrzehnten des globalen Engagements seien die Amerikaner einer überambitionierten Außen­politik überdrüssig und verlangten mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen für Herausforderungen im eigenen Land. Sie bevorzugten nunmehr einen zu­rückhaltenden Internationalismus. Im militärischen Bereich fordern Restrainers ein Offshore-Balanc­ing, das heißt eine Neu­gruppierung der mili­tärischen Präsenz der USA, indem militärische Fähig­keiten von Europa nach Asien verlagert werden. Aus­gehend von der Idee, dass eine weniger aktivistische Außenpolitik besser für die Sicherheit der USA sei, drängen diese Stimmen auch darauf, deren Bündnisverpflichtungen zu verringern, mit entsprechenden Folgen für Verbündete und Allianzpartner der Ver­einigten Staaten.

Dies hätte fundamentale Folgen für Europa, denn Restrainers sind sich darin einig, dass die Mitgliedschaft der USA in der Nato und ihre Truppenpräsenz in Europa nicht mehr amerikanischen Interessen dienten und dass es an der Zeit sei, sich vollständig aus Europa zurückzuziehen. Die europäischen Staaten – so in aller Kürze das Argument – seien groß und wohlhabend genug, um der militärischen Bedrohung durch Russland eigenständig zu begegnen.21 Falsch sei zum Beispiel die Vorstellung, die EU habe nicht die Mittel, sich gegen Russland zu ver­teidigen, da die Länder der Europäischen Union rund 450 Millionen Menschen beherbergen und ein jähr­liches Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 17 Billio­nen Euro (2023) generieren, während Russland nur 144 Millionen Einwohner und ein jährliches BIP von lediglich 2,24 Billionen Dollar (2022) habe. Eine Koalition aus zwei beliebigen europäischen Großmächten – Deutschland, Frankreich oder Groß­britannien – könne Russland leicht einhegen.22 Für die Vertreter der Restraint-Schule besteht das Kern­problem darin, dass die Vereinigten Staaten den Euro­päern über Jahrzehnte ein so hohes Maß an Sicherheit geboten haben, dass diese die Gelegenheit nutz­ten, ihre Streitkräfte stetig zu verkleinern und ihre Verteidigung nach Washington auszulagern. Mit ihrem hohen BIP könnten es sich diese europäischen Verbündeten eigentlich leisten, mehr Geld für Vertei­digung auszugeben, doch sie hätten keinen An­reiz, dies zu tun. Das sei »Wohlfahrt für die Reichen«.23

Daher plädieren einige Befürworter der Zurück­haltungsthese dafür, dass die USA ständige Bündnisse ganz aufkündigen sollten. Andere würden sich mit einer weniger drastischen Neuverhandlung der Arbeitsteilung zwischen den USA und ihren europäischen Verbündeten zufriedengeben. So oder so wird jedoch erwartet, dass eine Reduzierung transatlantischer Bündnislasten oder sogar der Abzug der US-Truppen die Verbündeten in Europa dazu veranlassen würden, die notwendigen Investitionen zu tätigen, um das Kräftegleichgewicht in Europa selbständig aufrechtzuerhalten.24

Das Argument beruht nicht zuletzt auf einer opti­mistischeren Einschätzung der notwendigen Fähig­keiten und der politischen Dynamik in der EU. Die Europäer, reiche Industrienationen und bislang sicherheitspolitische »Trittbrettfahrer« auf Kosten der USA, würden auf den Entzug der Hilfe Washingtons reagieren, indem sie die politischen, rechtlichen, finanziellen und militärischen Schritte einleiten, die für eine eigenständige Verteidigung Europas unerläss­lich seien. Daher würden die Restrainers Bemühungen um größere strategische Autonomie der EU begrüßen.

Die amerikanische Politik hinsichtlich einer stärkeren sicherheitspolitischen Rolle Europas ist nicht frei von einer gewissen Ambivalenz. Noch jeder US-Präsi­dent hat die Europäer aufgefordert, mehr Geld für die Verteidigung auszugeben. Aber das übergreifende Ziel der US-Politik lautete bisher nicht, Europa auch zu einer eigenständigeren politischen Rolle zu drän­gen. Im Jahr 2000 machte Lord George Robertson, der damalige Nato-Generalsekretär, auf diese Ambivalenz aufmerksam: »Die Vereinigten Staaten leiden unter einer Art von Schizophrenie. Auf der einen Seite sagen die Amerikaner: ›Ihr Europäer müsst mehr von der Last tragen.‹ Und wenn die Europäer dann sagen: ›OK, wir werden mehr von der Last tragen‹, sagen die Amerikaner: ›Moment mal, wollt ihr uns sagen, wir sollen nach Hause gehen?‹«25 Als der französische Präsident Emmanuel Macron in den vergangenen Jahren den Vorstoß für eine größere sicherheitspolitische Rolle unter dem Schlagwort »strategische Auto­nomie« anführte, befürchtete Washington einen er­neuten Versuch, Europa von der Nato abzukoppeln.26 Infolgedessen haben die Vereinigten Staaten ihren Einfluss in Europa letztlich darauf verwendet, jene Bemühungen zu blockieren, die Europa sicherheits­politisch unabhängiger hätten machen können.27

Präsident Bidens Europapolitik und der Ukraine-Krieg

Ohne Zögern sind die USA unter Präsident Joe Biden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ihren sicherheitspolitischen Verpflichtungen in und für Europa nachgekommen. Kraftvoll haben sie ihre Rolle als »europäische Macht« unterstrichen. Seit Februar 2022 unterstützt die Biden-Administration Kiew mit massiven Waffenlieferungen. Sie hat den Westen auf Wirtschaftssanktionen nie dagewesenen Umfangs eingeschworen und ihre Truppenpräsenz in Europa aus­gebaut.28 Ein Schwerpunkt der US-Truppenverstär­kungen ist dabei die Ostflanke der Nato. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben die USA die Zahl ihrer Soldaten in Europa von rund 80.000 im Jahr 2021 auf mehr als 100.000 erhöht. Der Regierung in Kiew hat der US-Kongress finan­zielle Hilfen in einer Gesamthöhe von 75,4 Mil­liarden US-Dollar, davon 46,3 Milliarden US-Dollar Militär­hilfe gewährt.29

Die Bundesregierung folgt im Krieg der Politik Bidens.

Die Bundesregierung hat sich mit ihren Entscheidungen im Kontext der »Zeitenwende« unmissverständ­lich an die Seite der Regierung Biden gestellt. Das wäre nicht zwingend zu erwarten gewesen. War die Regierung von Angela Merkel in ihrer Sicherheitspolitik dem etwas diffusen Paradigma »Europäischer werden, um transatlantisch zu bleiben« gefolgt, ließ Bundeskanzler Olaf Scholz keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Krise nur im Schulterschluss mit Washington angegangen werden könne. Seine Politik, der Ukraine nur solche Waffensysteme zur Verfügung zu stellen, zu deren Lieferung auch Washington bereit war, illustriert diesen Punkt bei­spielhaft. Diese transatlantische Färbung der deut­schen Sicherheitspolitik ist ein direktes Ergebnis des russischen Krieges gegen die Ukraine und der ameri­kanischen Reaktion darauf.30

Darüber hinaus hat sich während Joe Bidens Amts­zeit ein zunehmend entwickelter und zugleich aus­differenzierter Korpus von Konsultations- und Koope­rationsformaten herausgebildet. In seinem Mittelpunkt fungiert nach wie vor die nordatlantische Allianz als wichtigstes institutionelles Forum, dessen Bedeutung im Kontext des russischen Krieges gegen die Ukraine erheblich gestiegen ist. Schwerpunkt war hier zuletzt die politische und militärische Adaption des Bündnisses an die veränderte russische Außen- und Sicher­heitspolitik, mit dem neuen strategischen Konzept vom Juli 2022 als zentralem Dokument der Transformation.31 Hinzu trat seit Februar 2022 die Unterstützung für die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen die russische Aggression, indem militärische Güter geliefert und mit der Gründung des Nato-Ukraine-Rates die politischen Beziehungen vertieft wurden.

Doch mittlerweile trägt die Regierung Biden auch stärker der Tatsache Rechnung, dass die EU – wenn auch bislang in begrenztem Umfang – als eigenständiger sicherheitspolitischer Akteur in Erscheinung tritt. Vor diesem Hintergrund sind aus der jüngsten Vergangenheit die Verwaltungsvereinbarung zwi­schen der Europäischen Verteidigungsagentur (European Defence Agency, EDA) und dem Pentagon vom April 2023 hervorzuheben, welche die Kooperation der beiden Seiten erleichtern soll.32 Hinzu kam im Mai 2021 die amerikanische Beteiligung am Projekt Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation, PESCO). Mit dessen Hilfe soll die militärische Mobilität in Europa in technischer wie bürokratischer Hinsicht verbessert werden. Diese Kooperation gilt als Test­ballon für die zukünftige Einbindung der USA in derartige europäische Projekte.33 Die amerikanische Partizipation bedeutet insofern einen Politikwechsel der USA, als sich die Regierung Trump während ihrer Amtszeit 2017–2021 sehr skeptisch gegenüber der PESCO und ihrer Wirkung auf die transatlantischen Beziehungen gezeigt hatte.34

Überwölbt wird diese Zusammenarbeit durch den im Dezember 2021 ins Leben gerufenen EU-US Dia­logue on Security and Defense, der im Dezember 2023 zum zweiten Mal stattfand.35 Daneben existieren die jährlichen Konsultationen des EU-US Counter­terrorism Dialogue36 sowie des EU-US Cyber Dia­logue37 als weitere sicherheitspolitische Kooperationsformate. Der Vollständigkeit halber erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang die Koordination der multilateralen Wirtschaftssanktionen gegen Russland zwischen dem amerikanischen Office of Foreign Assets Control und der EU-Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarkt­union.

Das US-Engagement zugunsten Europas ist nur eine Momentaufnahme.

Doch das Engagement der Regierung Biden zugunsten der Ukraine und der europäischen Sicherheit ist nur eine Momentaufnahme, über die man sich in den Hauptstädten Europas zwar freuen darf, die man jedoch nicht als Grundlage für die eigenen strategischen Planungen verwenden sollte. Gewiss werden Russland und der Krieg in der Ukraine in den kom­menden Monaten und vielleicht sogar Jahren ein wichtiges Thema für Washington bleiben. Aber das derzeitige Niveau des diplomatischen Engagements, der Truppenentsendungen und der Ressourcen­ausstattung für Europa wird Washington langfristig nicht aufrechterhalten können und wollen.38 US-Außenminister Antony Blinken hat den Europäern im Mai 2022 unmissverständlich signalisiert, dass die politische Hinwendung der USA zum indopazifischen Raum fortgesetzt wird und Chinas machtpoli­tischer Aufstieg die Aufmerksamkeit der USA bereits wieder auf den Pazifik lenkt.39

Der Ausbruch eines militärischen Konflikts in Asien, bei dem China Taiwan angreifen könnte, würde die Prioritäten der USA sogar noch tiefgreifender und schneller verändern.40 Vor diesem Hintergrund werden die aktuelle US-Regierung, aber auch ihre Nachfolgerin mit dem Dilemma konfrontiert sein, gleichermaßen die politischen Erwartungen ihrer Verbündeten in Europa und Asien zu erfüllen und gleichzeitig die zur Abschreckung Russlands und Chinas erforderliche Truppenpräsenz aufrecht­zuerhalten. Somit drohen eine politische Überlastung und militärische Überdehnung der USA, die aus zahlreichen innenpolitischen Gründen auf Widerstände stoßen.41 Bislang ist es der Regierung Biden nicht gelungen, die neu entdeckte Fokussierung Europas auf sicherheitspolitische Fragen für die eigene geopolitische Entlastung nutzbar zu machen.

Sicherheits- und Verteidigungs­politik der EU seit Beginn des Ukraine-Krieges

In der EU – dem Rahmen, in dem die europäischen Staaten während Donald Trumps Präsidentschaft ihre sicherheits- und verteidigungspolitischen Anstrengun­gen zu bündeln begonnen haben – hat Russlands Krieg gegen die Ukraine gewichtige Änderungen an­gestoßen. Bereits am 24. Februar 2022 verurteilten die Mitglieder des Europäischen Rates »die grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine aufs Schärfste«.42 Sie betonten, dass die russische Anwendung von Gewalt und Zwang im 21. Jahrhundert keinen Platz habe; mit seinen »grundlosen und un­gerechtfertigten Militäraktionen« verstoße Moskau »massiv gegen das Völkerrecht« und untergrabe »die Sicherheit und Stabilität in Europa und weltweit«.43 Der Ukraine werde politisch, finanziell und humanitär geholfen, denn: »Die EU steht in diesem Krieg fest an der Seite der Ukraine und ihrer Bevölkerung.«44

Im Schulterschluss mit den USA brachte die EU ihre Solidarität zum einen dadurch zum Ausdruck, dass sie ihre Sanktionen gegen Russland kontinuierlich ausweitete. Auf diese Weise versucht sie zu ver­hindern, dass Russland seinen Angriffskrieg fortsetzt. Die EU und ihre Mitgliedstaaten konzentrieren sich vor allem darauf, Russlands Zahlungsmöglichkeiten einzuschränken und seine Wirtschaft gezielt zu schwächen. Zudem verhängten die Mitglieder des Europäischen Rates im Juni 2022 ein weitreichendes Ölembargo gegen Russland, obwohl klar war, dass dies die Energiekosten und die Inflation in den EU-Staaten in die Höhe treiben würde.45

Zum anderen bekräftigten die EU-Mitgliedstaaten zwei Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges, dass die Ukraine »Teil unserer europäischen Familie« sei.46 Am 28. Februar 2022 hatte der ukrai­nische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Antrag der Ukraine auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union übermittelt. Nachdem die Europäische Kom­mission am 17. Juni 2022 eine positive Stellung­nahme zum EU-Beitrittsgesuch des Landes abgegeben hatte,47 gewährten die Staats- und Regierungschefs der EU nur eine Woche später der Ukraine den Status eines Bewerberlandes.48 Am 12. Dezember 2023 ent­schieden sie, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen.

Ferner unterstützen EU und Mitgliedstaaten die Ukraine durch umfangreiche wirtschaftliche Hilfen. Seit Beginn des Krieges haben sie dafür mehr als 38 Milliarden Euro aufgewandt.49 Die bisher von den EU-Staaten geleistete Militärhilfe beläuft sich auf 28 Milliarden Euro. Für 2024 sind weitere 21 Milliar­den veranschlagt, die von 13 Mitgliedstaaten geschul­tert werden (Stand: Januar 2024).50 Am 1. Februar 2024 beschlossen die EU-Mitgliedstaaten zudem die sogenannte Ukraine Facility: Mittels dieses neuen Finanzierungsinstruments werden der Ukraine für den Zeitraum von 2024 bis 2027 finanzielle Unterstützungsleistungen in Höhe von 50 Milliarden Euro garantiert.51 Die Ukraine Facility war auch eine Reak­tion auf das Ausbleiben eines amerikanischen Hilfs­pakets in vergleichbarer Höhe. Dessen Freigabe hatte die Republikanische Partei über Monate blockiert.

Die EU vollführt einen sicherheits- und verteidigungspolitischen Quantensprung.

Auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik unternahmen die EU und Mitgliedstaaten einen »Quantensprung«,52 in seinem Ausmaß vergleichbar mit den Sanktionen gegen Russland und dem EU-Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine. Erstmals entschieden die EU-Staaten, einem Land im Krieg tödliche Waffen zur Verfügung zu stellen. Im jüng­sten verteidigungspolitischen Dokument der EU, dem Strategischen Kompass, versprachen die Mit­glied­staaten, ihre militärische Handlungsfähigkeit bis zum Jahr 2030 deutlich zu steigern. Für eine weitere Premiere sorgten die Staats- und Regierungschefs: Sie gaben einer GSVP-Operation grünes Licht, in der ukrainische Soldatinnen und Soldaten in taktischer und operativer Kriegsführung sowie an militärischem Großgerät ausgebildet werden, die anschließend direkt in Kampfhandlungen eingebunden sind. Schließlich greift die EU-Kommission zum ersten Mal auf Haushaltsmittel zurück, um die gemeinsame Beschaf­fung militärischen Geräts zu unterstützen.

Europäische Friedensfazilität

Im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität (Euro­pean Peace Facility, EPF) haben die EU-Mitgliedstaaten der Ukraine schwere militärische Ausrüstung und Munition im Wert von bislang 6,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.53 Bereits am 27. Februar 2022, also drei Tage nach der russischen Invasion, hatten sich die EU-Außenministerinnen und ‑minister darauf geeinigt, erstmals gemeinschaftliche finanzielle Mittel ein­zusetzen, um tödliche Waffen an einen Drittstaat zu liefern.54 Möglich wurde dies, weil die neutralen EU-Staaten Österreich, Irland und Malta von der vertrag­lich verankerten Möglichkeit der »konstruktiven Ent­haltung« Gebrauch machten – auch dies ein Novum in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU.55

Die am 22. März 2021 eingerichtete EPF ist ein haushaltsexternes Instrument, mit dessen Hilfe die EU-Mitgliedstaaten die Fähigkeit der Union zur Kon­fliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Stärkung der internationalen Sicherheit verbessern wollen. Über die Säule »Unterstützungsmaßnahmen« der EPF können Kapazitäten von Drittstaaten sowie regionalen oder internationalen Organisationen im Militär- und Ver­teidigungsbereich gestärkt und militärische Aspekte von Friedensunterstützungsoperationen gefördert werden.56 Ursprünglich hatten die Mitgliedstaaten den EPF bis zum Jahr 2027 mit einem finanziellen Gesamtvolumen von knapp 5,7 Milliarden Euro aus­gestattet. Sie zahlen ihre EPF-Beiträge gemäß einem festgelegten Verteilungsschlüssel. Der Kriegsverlauf und der mit ihm einhergehende Bedarf der ukrainischen Streitkräfte an militärischen Fähigkeiten ver­anlasste die Mitgliedstaaten dazu, diese Obergrenze mehrmals zu erhöhen. Nach einem vorerst letzten Beschluss vom 26. Juni 2023 liegt sie nunmehr bei 12 Milliarden Euro.57

Strategischer Kompass der EU

Russlands Krieg gegen die Ukraine dominiert auch das erste verteidigungspolitische Dokument der EU. In ihrem Strategischen Kompass benennt sie Russland als zentrale Bedrohung für die europäische Sicherheit. Die Erarbeitung dieses Dokuments hatte unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 begonnen. Ursprüngliches Ziel war es, die EU-Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Bedrohungswahrnehmung zu bringen. Kurz vor der Fertigstellung des Textes brachte Russland den Krieg zurück nach Europa – und die EU-Staaten dazu, ihren Strategischen Kompass fundamental zu über­arbeiten.

Auf der Grundlage der Erklärung von Versailles, welche die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten auf ihrer informellen Tagung vom 10. und 11. März 2022 zur Aggression Russlands gegen die Ukraine abgegeben hatten, enthält der Strategische Kompass ehrgeizige Ziele, um die Verteidigungsfähigkeiten zu stärken.

In Versailles kamen die EU-Staaten überein, »mehr und besser in Verteidigungsfähigkeiten und innovative Technologien [zu] investieren«.58 Sie verpflichteten sich, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen und insbesondere die bekannten strategischen Fähig­keitsdefizite »auf kooperative Weise« zu beheben.59 Im Strategischen Kompass, der zwei Wochen später von den Staats- und Regierungschefs gebilligt wurde, werden dazu zahlreiche Vorhaben genannt. Sie sollen bis zum Jahr 2030 umgesetzt, viele Ziele bereits 2025 erreicht sein. Dazu zählt im Krisenmanagement etwa die Rapid Deployment Capacity von bis zu 5.000 Ein­satzkräften. Sie soll aufgebaut werden und regel­mäßig gemeinsam üben, damit die EU bei Ausbruch einer Krise rasch und entschlossen handeln kann – »nach Möglichkeit mit Partnern und notfalls allein«.60 Darüber hinaus sollen die militärischen Kommando- und Kontrollstrukturen der EU gestärkt und finanzielle Anreize für die Mitgliedstaaten geschaffen werden, Streitkräfte für zivile und militärische Missionen im Rahmen der GSVP bereitzustellen.

Mit einem verbesserten Krisenmanagement in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft wollen die EU-Staaten Washington entlasten. Zudem misst der Strategische Kompass dem Themenkomplex »Fähigkeiten« große Bedeutung zu. Besonders nachdrücklich verpflichten sich die Mitgliedstaaten dazu, auf volle Interoperabilität ihrer Streitkräfte hinzuwirken, kritische Fähigkeitslücken gemeinsam zu schließen sowie eine resiliente, wettbewerbsfähige und inno­vative industrielle und technologische Basis der euro­päischen Verteidigung zu schaffen.61

Ausbildungsmission EUMAM UA

Auch mit der Ausbildungsmission EUMAM UA (Euro­pean Union Military Assistance Mission in Support of Ukraine) betrat die EU sicherheits- und verteidigungspolitisches Neuland. Mit dem Beschluss zur Einrichtung der Mission stimmte der Rat für Allgemeine Angelegenheiten am 17. Oktober 2022 erstmals zu, dass die EU-Mitgliedstaaten auf ihrem Hoheitsgebiet Truppen ausbilden, die im Anschluss aktiv an Kampf­handlungen beteiligt sein werden.62 Damit zeigte sich die EU »mutiger« als die Nato, die strikt auf nicht letale Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte setzt. Bis Februar 2024 haben die 24 an der Mission beteiligten EU-Staaten rund 40.000 ukrainische Sol­da­tinnen und Soldaten aus- und weitergebildet. Bis zum Ende des Sommers soll diese Zahl bei 60.000 liegen. Die EU-Mitgliedstaaten stellen die dafür erforderliche Ausrüstung zur Verfügung; die Kosten für die Mission in Höhe von 250 Millionen Euro werden über die Europäische Friedensfazilität finanziert.63

Deutschland leitet neben Polen eines der beiden multinational aufgestellten Kommandos der Mission, das Special Training Command (ST-C) in Strausberg.64 In der zurzeit zahlenmäßig größten Mission unterstützt die Bundeswehr ukrainische Soldatinnen und Soldaten bis auf Brigadeebene unter anderem bei der Bedienung von Waffensystemen und militärischem Gerät einschließlich dessen taktischem Einsatz sowie in den Bereichen Wartung, Instandhaltung und Logi­stik, ABC- und Minenabwehr. Bei Waffensystemen und militärischen Großgerät bildet die Bundeswehr vor­rangig am Flugabwehrsystem Patriot, an der Panzerhaubitze 2000, am Schützenpanzer Marder und an den Kampfpanzern Leopard 1 und 2 aus.65

Gesetz zur Unterstützung der Herstellung von Munition (ASAP)

Um die ukrainischen Streitkräfte schneller mit drin­gend benötigter Artilleriemunition versorgen zu kön­nen, forderte Estlands Premierministerin Kaja Kallas ihre EU-Kolleginnen und -Kollegen am 9. Februar 2023 auf, gemeinsam binnen zwölf Monaten eine Million Stück Artilleriemunition vom Kaliber 155 mm zu produzieren.66 Auf der Münchner Sicherheits­konferenz im Februar 2023 wiederholte Kallas ihre Forderung: »Die russische Militärindustrie arbeitet im Dreischichtbetrieb – Russland verschießt an einem Tag die monatliche europäische Produktion von Artilleriegranaten – die monatliche Produktion – und die europäische Rüstungsindustrie hat ihre Pro­duktion nicht erhöht.«67 Wenige Tage später einigte sich der Europäische Rat auf ein dreigleisiges Vor­gehen. Am 23. März 2023 beschloss er, (a) der Ukraine Artilleriemunition aus vorhandenen Beständen zu liefern, (b) gemeinschaftliche Bestellungen an die Rüstungsindustrie abzugeben, damit es sich für diese lohne, ihre Produktion hochzufahren, und (c) dafür Sorge zu tragen, dass die Produktionskapazitäten deutlich ausgeweitet werden.68 Am 3. Mai 2023 mach­te sich die EU-Kommission für das Anliegen der Mitgliedstaaten stark: Sie schlug ein Gesetz zur Unter­stützung der Herstellung von Munition vor. Darin enthalten ist ein finanzieller Rahmen von 500 Millio­nen Euro. Er soll den Mitgliedstaaten einen Anreiz bieten, die Produktionskapazitäten von Boden-Boden- und Artilleriemunition zu steigern. Bereits im Juli 2023 stimmten die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament diesem Gesetz zu.69

Im November 2023 erwies sich jedoch, dass die EU ihr selbstgestecktes Ziel weit verfehlen wird. Bei einem Treffen der EU-Verteidigungsminister gab der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius zu: »Die eine Million werden [sic] nicht erreicht, davon muss man ausgehen.«70 Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gab an, dass die EU-Staaten bis zum Ablauf der Jahresfrist im März 2024 nur 520.000 Granaten an die Ukraine abgegeben hätten, davon 330.000 aus Beständen und 190.000 aus neuer Pro­duk­tion.71 Bis Ende 2024 wollen die EU-Mitglieder ihre Zielvorgabe dennoch erfüllen. Sie haben dem EU‑Außenbeauftragten weitere 630.000 Granaten zu­gesagt. Im Rahmen des ASAP-Gesetzes haben sie im Oktober 2023 überdies ein Arbeitsprogramm erlassen und Ausschreibungen für die Produktion von Muni­tion vorgenommen.72

Instrument zur Stärkung der Euro­päischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (EDIRPA)

Damit die Mitgliedstaaten ihre Arsenale möglichst schnell wieder auffüllen und ihre Verteidigungsfähig­keit erhöhen, hatte die EU-Kommission den Mitgliedstaaten bereits am 19. Juli 2022 das Instrument zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung (European Defence Industry Reinforcement through Common Procure­ment Act, EDIRPA) präsentiert.

Erstmals stellt die EU Haushaltsmittel für Verteidigung bereit.

Für Mitgliedstaaten, »die bereit sind, gemeinsame Beschaffungen durchzuführen, um die dringendsten und kritischsten Lücken auf kooperative Weise zu schließen, insbesondere diejenigen, die durch die Reaktion auf die derzeitige Aggression entstanden sind«,73 stellt die EU-Kommission erstmals Mittel aus dem EU-Haushalt zur Verfügung. Artikel 41 Absatz 2 des EU-Vertrages schließt die Verwendung von EU-Haushaltsmitteln explizit aus für »Ausgaben aufgrund von Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungs­politischen Bezügen […].«74 Die Gemeinschaftsfinanzierung von EDIRPA begründet die EU-Kommission jedoch über Artikel 173 (Unterstützung der Wett­bewerbsfähigkeit der europäischen Industrie) des Ver­trages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).75 Bis zum 31. Dezember 2025 sieht die Ver­ordnung 300 Millionen Euro für jene Mitglied­staaten vor, die sich bereit erklären, ihre Nachfrage zu bün­deln und Verteidigungsgüter über Konsortien aus mindestens drei Ländern gemeinsam zu beschaffen. Ursprünglich hatte die EU-Kommission einen Betrag von 500 Millionen Euro für EDIRPA vorgeschlagen,76 und das Europäische Parlament empfahl sogar, EDIRPA mit einer Milliarde Euro auszustatten. Nach langen Verhandlungen setzten die Mitgliedstaaten im Juni 2023 den deutlich geringeren finanziellen Rah­men von 300 Millionen Euro durch.77 Am 9. Oktober 2023 trat das Instrument in Kraft.78

Programm über europäische Verteidigungsinvestitionen (EDIP)

In ihrer gemeinsamen Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen haben die Europäische Kommission und der Hohe Vertreter das Programm EDIRPA als Wegweiser hin zu einem EU-Rahmen für die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungs­gütern (European Defence Investment Programme, EDIP) betrachtet. Dieser soll EDIRPA Ende des Jahres 2024 ablösen. Entsprechend verpflichtete sich die EU-Kommission, »bis zum dritten Quartal 2022 eine Ver­ordnung über europäische Verteidigungsinvestitionen vor[zu]schlagen, mit der die Bedingungen und Krite­rien für die Bildung Europäischer Konsortien für Verteidigungsfähigkeiten festgelegt werden und die als Grundlage für Mehrwertsteuerbefreiungen für die gemeinsame Beschaffung und als Instrument (ein­schließlich einer möglichen Kofinanzierung) für euro­päische Verteidigungsprojekte von hohem gemeinsamen Interesse dient«.79

Weil die Mitgliedstaaten postwendend Vorbehalte gegen diese Initiative geltend machten, verschob die EU-Kommission deren Vorstellung mehrfach.80 Am 5. März 2023 präsentierte sie schließlich die Strategie (European Defence Investment Strategy, EDIS) und das Programm (EDIP) für die EU-Verteidigungsindus­trie. Damit reagierten die Kommission und der Hohe Vertreter auf die Erkenntnis, dass Russlands Krieg gegen die Ukraine immer stärker zu einem Krieg der Lagerhäuser wird. Die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, »mehr, besser, gemeinsam und in Europa« zu investieren. Bis zum Jahr 2030 sollen sie mindestens 40 Prozent der Verteidigungsgüter auf kooperative Weise beschaffen und mindestens 50 Prozent ihres Beschaffungshaushalts im Verteidigungsbereich innerhalb der EU ausgeben. Sie werden dafür im Zeitraum von 2025 bis 2027 mit EU-Geldern in Höhe von 1,5 Mil­liarden Euro unterstützt. Die regulatorischen Dimensionen von EDIP sehen vor, die Verfügbarkeit von Verteidigungsgütern und den Zugang zu kriti­schen Rohstoffen zu garantieren, die Zusammen­arbeit der Mitgliedstaaten im Bereich Verteidigungsgüter zu erleichtern und europäische Verteidigungsvorhaben von gemeinsamem Interesse bevorzugt zu behandeln. Die Ukraine wird in die Initiativen ein­bezogen.81

Defizite der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU

Diese bemerkenswerten Maßnahmen, welche die EU und ihre Mitgliedstaaten im Lichte des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ergriffen haben, dürfen gleichwohl nicht den Blick dafür verstellen, dass die grundlegenden Defizite der verteidigungs­politischen Zusammenarbeit in den vergangenen beiden Kriegsjahren nicht angegangen wurden.82

Die Defizite der verteidigungs­politischen EU-Zusammenarbeit wurden nicht angegangen.

Dazu gehören im Besonderen die geringen Rüstungs­ausgaben, die Fragmentierung des Rüstungs­sektors und der Rückgriff auf nationale Rüstungs­firmen, der einen Wettbewerb in diesem Sektor ver­hindert, sowie die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten über die Entwicklung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik.

Unterfinanzierung

Wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine erklärten zahlreiche EU-Mitgliedstaaten, dass sie ihre Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren deutlich erhöhen wollen. 15 EU-Staaten beabsichtigten, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen. Estland, Lettland, Litauen und Rumänen streben den Wert von 2,5 Prozent des BIP für Vertei­digung an, Polen gar 4 Prozent.83 Halten die Mitgliedstaaten diese Zusagen ein, steigen die kollektiven Verteidigungsausgaben der EU bis zum Jahr 2028 um 61 Prozent oder 400 Milliarden Euro.84 Im Durchschnitt gäben die EU-Staaten dann 1,8 Prozent ihres BIP für Verteidigung aus.85 Im Jahr 2021 beliefen sich die Verteidigungsausgaben der 26 Mitglieder der Euro­päischen Verteidigungsagentur86 auf 214 Milliarden Euro.87

Diesen deutlichen Steigerungen vorausgegangen waren zwei Jahrzehnte, in denen die EU-Staaten ihre Verteidigungsausgaben zunächst aufgrund der Friedens­dividende, dann infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2007/08 erheblich eingeschränkt hatten. Allein zwischen 2008 und 2014 sanken sie von 183 auf 159 Milliarden Euro. Ihr Vorkrisenniveau erreichten die Ausgaben erst wieder 2018/19.88

Diese einschneidenden Sparmaßnahmen haben im Wesentlichen vier problematische Konsequenzen. Erstens haben die EU-Mitgliedstaaten ein Investitions­defizit von rund 160 Milliarden Euro gegenüber ihrem Ausgabenniveau von 2008 verursacht,89 während die USA und Russland ihre Verteidigungsausgaben im vergangenen Jahrzehnt erheblich gesteigert haben.90 Zweitens haben die EU-Länder ihre Streitkräfte per­sonell verkleinert, Lagerbestände abgebaut und die Erneuerung von Ausrüstung vernachlässigt. Von 1992 bis 2021 haben sie etwa die Zahl ihrer Kampfpanzer um 80 Prozent und den Bestand an Artillerie­munition der Kaliber 152 mm/155 mm um 64 Prozent verringert.91 Drittens haben sie »bestehende Mängel und fehlende Hochleistungsfähigkeiten nötigenfalls durch nicht der EU angehörende Nato-Verbündete, insbesondere die Vereinigten Staaten, ausgeglichen«.92 Viertens schließlich sind die Ausgaben für Forschung und Technologie (F&T) ungenügend. Als die Außen- und Verteidigungsminister von 25 EU-Mitgliedstaaten am 11. Dezember 2017 die Vereinbarung zur Stän­digen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) unter­zeich­neten, verpflichteten sie sich, jährlich zwei Pro­zent ihrer Verteidigungsausgaben für F&T zu ver­wen­den. 2021 wandten die Mitgliedstaaten zusammen­genommen erstmals etwa 1,7 Prozent auf – und blieben dennoch um 725 Millionen Euro unter dem Ziel ihrer Vereinbarung aus dem Jahr 2017.93 Die EU-Staaten drohen den Anschluss an Innovationen vor­nehmlich der USA zu verpassen. Damit wären nicht nur ihre militärischen Fähigkeiten begrenzt. Auch die Interoperabilität mit den amerikanischen Streit­kräften dürfte in Gefahr geraten, sollte sich die »trans­atlantische Innovationslücke« weiter vergrößern.94

Fragmentierung

Die massiven Kürzungen bei den Verteidigungs­ausgaben der Mitgliedstaaten schlugen auch deshalb besonders drastisch zu Buche, weil diese nach wie vor einen übergroßen Anteil ihrer Beschaffungsvorhaben national verwirklichen. Im November 2022 stellte die EDA fest: »Die Mitgliedstaaten setzen ihre Pläne weit­gehend auf nationaler Ebene um, nur 18 Prozent aller Investitionen in Verteidigungsprogramme werden in Zusammenarbeit getätigt.«95 Mitgliedstaaten arbeiten dann zusammen, wenn Kooperationslösungen mit ihren nationalen Plänen übereinstimmen, ihrer natio­nalen Industrie zugutekommen oder eine strategische Partnerschaft festigen. Sehr häufig sind es Nachbarstaaten, die miteinander kooperieren. Umfassendere europäische Kooperationsansätze jedoch vermeiden die Mitgliedstaaten. In ihrer Mehrheit halten sie Kooperations­ansätze für zeitaufwändiger und kom­plexer und ent­scheiden sich oft für nationale Lösun­gen oder Anbie­ter außerhalb der EU. Einer umfassenden Zusam­menarbeit stehen komplizierte rechtliche Verein­barungen, knappe Fristen sowie begrenzte Haushalts­mittel entgegen. Um ihr selbst­gestecktes Ziel zu erreichen, 35 Prozent ihrer Verteidigungs­ausgaben für gemeinsame Projekte aufzuwenden, müssten die Staaten der EU ihre Zusammenarbeit ver­doppeln. Daher hält die Europäische Verteidigungs­agentur in ihrem Bericht fest, dass »Kooperation die Ausnahme und nicht die Regel ist«.96

Ergebnis dieser mitgliedstaatlichen Politik der nationalen Verteidigungsplanung ist eine fragmentierte europäische Verteidigungslandschaft, die zahl­reiche Redundanzen aufweist. So nutzen die EU-Staa­ten 29 verschiedene Typen von Zerstörern, 17 Typen von Kampfpanzern und 20 Typen von Kampfflug­zeugen. Zum Vergleich: Die USA verfügen über vier Typen von Zerstörern, einen einzigen Typ Kampf­panzer und sechs Typen von Kampfflugzeugen.97 Darüber hinaus verweigern Mitgliedstaaten allzu oft notwendige Standardisierungen: Aufgrund unterschiedlicher Einsatzanforderungen wurde bei­spiels­weise der Tiger-Hubschrauber in vier verschiedenen Modellen entwickelt.98 Die Folgen dieser verteidigungspolitischen Uneinigkeit haben zurzeit besonders die ukrainischen Streitkräfte zu tragen. In einem Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz bezeichnet der ehemalige ukrainische Verteidigungs­minister Oleksij Resnikow die Armee seines Landes als »mili­täri­schen Zoo«: Von den EU-Mitgliedsländern hat die Ukraine fünf unterschiedliche Typen an Kampfpanzern erhalten, nicht zuletzt unterschiedliche Varianten der Kampfpanzer Leopard 1 und 2.99 Mitten im Krieg stellt diese Fragmentierung der europäischen Rüstungsbeschaffung die Ukraine vor eine logistische Herkulesaufgabe: Kiew muss Wartung und Reparatur der unterschiedlichen Waffensysteme mit verschieden­artigen Ersatzteilen organisieren.100

Mit ihren Investitionen werden die EU-Staaten die Fragmentierung euro­päischer Rüstungsbeschaffung fortführen.

Mit ihren im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine getätigten Verteidigungsinvestitionen werden die EU-Staaten die Fragmentierung fort­führen. Zwischen dem Beginn des Jahres 2022 und Mitte 2023 erwarben sie militärische Ausrüstung im Wert von 100 Milliarden Euro. Etwa 70–75 Prozent dieser Ausgaben können auf den Ukraine-Krieg zu­rückgeführt werden. Für fast 80 Milliarden Euro haben die EU-Staaten dabei Waffensysteme von außerhalb der EU beschafft, an erster Stelle aus den USA für etwa 63 Milliarden Euro.101 Damit wollen die Euro­päer die USA möglichst langfristig an die euro­päi­schen Verbündeten binden. Die Lebensdauer mili­tärischer Systeme beläuft sich auf durchschnittlich 30 bis 40 Jahre. In diesem Zeitraum werden die meisten EU-Mitgliedstaaten wenig Interesse aufbringen, die Rüstungsbeschaffung stärker im europäischen Rahmen zu organisieren. Und auch die Mehr­heit der europäischen Rüstungsunternehmen dürfte sich auf absehbare Zeit gegen Konsortiallösungen aus­sprechen, denn ihre Auftragsbücher sind gut gefüllt.

Fehlender Wettbewerb

Um Wettbewerb im Rüstungsbereich zu verhindern, nutzen die EU-Staaten regelmäßig Artikel 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Danach sind die »wesentlichen Sicher­heitsinteressen« eines Mitgliedstaates zu beachten, unter die auch seine nationalen Souveränitäts­vor­rechte fallen. In diesen Vorrechten sind die mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten und die Möglich­keiten verankert, Ausnahmeregelungen für den Sonder­bereich der Rüstungsgüter zu treffen. Obgleich dieser Artikel restriktiv anzuwenden ist, scheitert die EU-Kommission daran, den übermäßigen Rückgriff der Mitgliedstaaten auf ihn zu unterbinden: Lediglich 9 Prozent aller in der EU ausgeschriebenen Rüstungsprojekte gehen an Auftragnehmer aus anderen EU-Ländern; mehr als drei Viertel werden national ver­geben.102 Daher ist die EU-Kommission bestrebt, die nationalen Rüstungsmärkte mit Hilfe der Artikel 173 und 182 AEUV zu öffnen. Darin sind industrie­poli­tische und forschungspolitische Förderung als Mög­lichkeit vorgesehen. Die Kommission versucht auf diese Weise, die Begrenzungen der europäischen Verteidigungspolitik und die bestehenden mitgliedstaatlichen Vorbehalte zu umgehen und ihre Legis­lativvorschläge mit binnenmarktbezogenen Ansatzpunkten zu begründen.

Diesem Vorgehen stehen weiterhin die verschiedenen nationalen Rüstungsexportkontrollen entgegen. Als rechtliche Hindernisse setzen sie zum einen dem Waffenhandel innerhalb der EU enge Grenzen. Zum anderen machen sie eine gemeinsame EU-Rüstungs­exportpolitik unmöglich. Seit Dezember 2008 gilt für die EU-Staaten der Gemeinsame Standpunkt für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern. Allerdings legen die Mitgliedstaaten ihn unterschiedlich aus. Das Thema Rüstungsexporte greifen die EU-27 auch im Strategischen Kompass auf. Darin verpflichten sie sich, »die Arbeiten zur Straf­fung und schrittweisen Angleichung unserer Verfah­ren zur Ausfuhrkontrolle von Waffen für – ins­beson­dere im EU-Rahmen – gemeinsam entwickelte Verteidigungsfähigkeiten voran[zu]bringen […].«103 Ein greifbares Ergebnis dieser Verpflichtung steht nach wie vor aus.

Politische Differenzen

Ein weiterer großer Hemmschuh ist die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten darüber, wie die EU in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen fortentwickelt werden sollte. Sie hindert die EU daran, mehr Ver­antwortung für ihre Sicherheit zu übernehmen und damit die USA zu entlasten oder gar – im Falle einer Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus – ihren Rückzug aus Europa zu kompensieren. Wäh­rend Trumps Präsidentschaft wurde darüber eine Grundsatzdiskussion geführt. Das Schlagwort lautete »stra­tegische Autonomie«, später umbenannt in »stra­te­gische Souveränität« der EU in Bezug auf die USA.

Die meisten Initiativen zur sicher­heits­politischen Fortentwicklung der EU drohen zu versanden.

Gegenwärtig bewegt sich ein Großteil der Initia­ti­ven, die im Zuge des russischen Angriffskrieges ge­star­tet wurden, auf einen Stillstand zu. Weder kön­nen sich die Länder der EU darauf verständigen, wie militä­rische Fähigkeiten beschafft werden sollen, noch darauf, wie viel gemeinsame Finanzierung not­wendig ist, um die eklatanten Fähigkeitslücken zu schließen.

EDIRPA etwa kam erst nach langen Verhandlungen zustande. Das Instrument ist finanziell weit spärlicher ausgestattet als ursprünglich vorgesehen. Grund dafür waren Streitigkeiten der Mitgliedstaaten, ob das Instru­ment ausschließlich der europäischen Verteidigungsindustrie oder auch Drittstaaten zugutekommen solle. Es setzten sich jene Staaten durch, die einer schnellen Wiederauffüllung der Vorräte Priori­tät ein­räumten und die Sicherung der technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung (EU’s Defence Technological and Industrial Base, EDTIB) hintanstellten. Die Frage der Drittstaaten­betei­ligung hat auch die Veröffentlichung der Europäischen Stra­tegie für die Rüstungsindustrie (Euro­pean Defence Industrial Strategy, EDIS) und das In­vestitionspro­gramm für Verteidigung (EDIP) ver­zögert. Allen voran Frankreich besteht darauf, dass die Gelder nur inner­halb der EU verwendet werden. Deutschland wiederum bremst bei der Gemeinschafts­finanzierung. Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik schlug im Juli 2023 vor, der Ukraine zwischen 2024 und 2027 jährlich 5 Milliarden Euro für den Kauf von Waffen, Munition und Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Doch Berlin blockierte diesen Vorschlag, da nicht alle Mit­gliedstaaten ihre Aufwendungen an die Ukraine korrekt über die EPF abgerechnet hatten und sich natio­nale Vertrags­bestimmungen oftmals schneller erfüllen ließen. Deutschland setzte durch, dass die EPF reformiert wird. Die Erstattung von Lieferungen aus eigenen Beständen und nationalen Bestellungen soll schrittweise auslaufen. Stattdessen soll die EPF ein Instrument für die gemeinsame Beschaffung durch die europäische Industrie werden, um die dringendsten Bedarfe der Ukraine strukturiert an­zugehen.

Auch die beginnenden Verhandlungen über EDIS und EDIP werden von diesen Differenzen bestimmt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die europäische Rüstungsindustrie an neues privates und öffentliches Kapital gelangen kann. Während Frankreich, Polen und Estland eine schuldenfinanzierte Lösung der Finanzfrage mit Hilfe von Eurobonds anstreben, lehnen Deutschland, die Niederlande sowie einige ost- und mitteleuropäische Staaten dies strikt ab.104 Bei der Suche nach einer für alle Mitgliedstaaten akzep­tablen Formel dürfte erneut viel Zeit verloren gehen – Zeit, die weder die Ukraine noch die Europäer haben, wenn sie Russlands Angriffen Einhalt gebieten wollen. Solange diese Defizite der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht überwunden werden, bleibt die EU in der verteidigungspolitischen Abhän­gigkeit von den USA.

Die US-Präsidentschaftswahlen 2024 und ihre möglichen Folgen für Europa

Mit welchen Herausforderungen werden Deutschland und die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen vom November 2024 umgehen müssen? Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, auf die wesentlichen Triebkräfte der amerikanischen Sicher­heitspolitik zu verweisen, die auf beide Kandidaten wirken, und noch einmal die beiden Grundströmungen der Debatte, Primacists und Restrainers, unter die Lupe zu nehmen.

Exkurs: Ist Donald Trump ein Restrainer?

Ähnlich wie seine Bilanz in anderen Politikfeldern beschreiben Beobachter rückblickend auch die Außen­politik der Amtszeit Donald Trumps als »populistisch« und als grundlegenden Bruch mit der Tradition der amerikanischen Außenpolitik seit 1945. So hat sich Präsident Trump von den traditionellen amerikanischen Verpflichtungen zum »liberalen Internationalismus« entfernt. Die Wiederherstellung des angeblich lange verloren gegangenen Respekts für die Ver­einigten Staaten hingegen, die von anderen Staaten in der internationalen Politik bewundert oder gefürchtet werden sollten, war ein zentraler Anspruch, der Trumps außenpolitische Position seit seiner Präsident­schaftskandidatur im Jahr 2016 bestimmt hat. Ent­sprechend düster zeichnete er das Bild der USA als einer Macht, deren Hilfe und Wohlwollen von anderen Staaten seit Jahrzehnten ausgenutzt werde und die sich nunmehr wieder auf ihre nationale Sicherheit bzw. ihre nationalen Interessen konzentrieren müsse.

Bedient man sich einer eingeführten Klassifizierung außenpolitischer Strömungen in den USA, steht Trump am ehesten in der Tradition des »Jacksonian­ism«, benannt nach Andrew Jackson, dem siebten Präsidenten des Landes.105 Außenpolitisch legt diese Schule den Schwerpunkt auf die Wahrung natio­naler Souveränität und postuliert, dass das Hauptziel der amerikanischen Außenpolitik vor allem Sicher­heit und wirtschaftliche Prosperität des amerikanischen Volkes sein müsse. Obwohl ihre Vertreter Verbündete und Allianzen prinzipiell zu schätzen wissen und glau­ben, dass die Vereinigten Staaten ein verlässlicher Partner in der internationalen Politik sein sollten, akzeptieren sie nicht die sich daraus ergebenden Beschränkungen der Handlungsspielräume Amerikas.106

Heute ist diese Strömung eher ein amorpher Aus­druck der populistischen Haltungen in den USA gegen das »Establishment« als eine in sich geschlossene intellektuelle oder politische Bewegung. Daher scheint der Eindruck zutreffend, dass eine eindeutige Zuordnung Trumps zu einem außenpolitischen Lager kaum möglich ist. Angesichts seines transaktionalen Politikansatzes stellt sich zumindest die Frage, ob er nicht vielmehr Positionen der Restrainers in einzelnen Fällen übernimmt und in anderen gemäß opportunistischen Erwägungen über Bord wirft.

US-Sicherheitspolitik ab 2025 unter den Vorzeichen des Restraint – Von der Lastenteilung zur Lastenverlagerung

Die Vertreter des Restraint-Lagers halten den Konflikt in der Ukraine für einen peri­pheren Krieg in den östlichen Ausläufern Europas, der die strategischen Kerninteressen Amerikas nicht beeinträchtige. Sie sind allgemein der Ansicht, dass die USA in der Vergangenheit im globalen Maßstab zu viele sicher­heitspolitische Verpflichtungen ein­gegangen seien, dabei unverhältnismäßig große Lasten geschultert hätten und diese nunmehr redu­zieren sollten. Das gängige Angebot einer Lastenteilung (burden sharing) durch eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben, mit dem die Europäer die USA auf dem europäischen Kontinent zu halten ver­suchen, lehnen Vertreter dieser Schule, die zum Teil dem Trump-Lager nahestehen, ab. Sie fordern viel­mehr eine mas­sive Lastenverlagerung (burden shifting) – weg von den USA, hin zu Europa. Die sicherheitspolitische Rolle der USA in Europa solle in diesem Sinne minimiert werden, um die Europäer zu zwin­gen, die Verantwortung für die Sicherheit des Kon­tinents selbst zu über­nehmen. Bis zu welchem Grad und in welchem Zeit­raum dies zufriedenstellend erfolgen soll, bleibt dabei unbestimmt.107

Jedenfalls solle die Nato künftig auf Krisenmanage­mentoperationen außerhalb des Bündnisgebietes und auf neue Erweiterungsrunden verzichten. Vorwiegend die europäischen Mitglieder der Allianz sollten die politische Souveränität und territoriale Integrität der europäischen Staaten sichern. Ein erstes Handlungsfeld wäre die schnelle Eingreiftruppe der Al­li­anz, die ausschließlich mit europäischer Infanterie und Logi­stik unter einem europäischen Kommando besetzt werden solle. Da die russischen konventionellen Streitkräfte durch den Ukraine-Krieg geschwächt seien, bestehe für die Vereinigten Staaten keine Not­wendigkeit mehr, gepanzerte Infanterie- oder Kampf­unterstützungstruppen in Osteuropa zu unterhalten.

Als Alternative zu der in 75 Jahren gewachsenen Nato skizzieren Vertreter der Restraint-Schule eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa ohne die USA im Mittelpunkt. Dies würde bedeuten, die meisten US-Truppen aus Europa abzuziehen, um eine struk­turell vollständig veränderte Nato zu schaffen. In ihren Konturen sehen die entsprechenden Vorschläge, die in Washington kursieren, ein von den Europäern geführtes Bündnis vor, in dem die Vereinigten Staaten nur noch eine unterstützende Rolle spielen. Washington würde als eine Art »Logistikdienstleister letzter Instanz« sowie als Garant für freie Seewege und Handelsrouten fungieren und seine Priorität auf den asiatisch-pazifischen Raum legen. Lediglich eine begrenzte amerikanische Marine- und Luftpräsenz verbliebe in Europa. Alle anderen Strukturen und Ver­teidigungskosten müssten von den Europäern auf­gebaut bzw. getragen werden. Die zaghaften Versu­che mancher Verbündeter, eine europäische Truppen­präsenz im indopazifischen Raum zu demonstrieren, so politisch bedeutsam sie auch immer sein mögen, werden von dieser Schule daher auch als Vergeudung knapper Ressourcen zurückgewiesen.108 Die so geform­te »europäisierte« Nato wäre in dieser Sicht der wich­tigste Sicherheitsanbieter für den euro­päischen Kon­tinent. Äußerungen, die lediglich auf die Stär­kung des europäischen Pfeilers der Nato ab­heben, wie bei­spielsweise zuletzt von Bundeskanzler Scholz, dürf­ten deshalb bei den Restrainers wenig Gehör finden.109 Um die Europäer zu dieser Lasten­verlagerung zu zwingen, wird auch die ultimative Drohung, nämlich mit dem Austritt der USA aus der Atlantischen Alli­anz, nicht ausgeschlossen.110

Allerdings wäre das Argument, die militärische Stärkung der EU-Mitglieder diene der Festigung des europäischen Pfeilers der Nato, mit den Vorstellungen der Restrainers kompatibel. Europäische Ideen von einer eigenen sicherheitspolitischen Autonomie dürften auf offene Ohren bei den Restrainers stoßen, sofern diese Überlegungen finanziell und militärisch ernsthaft unterlegt sind und sich auf die Verteidigung Europas konzentrieren. Zwar spielt in solchen euro­päischen Autonomievorstellungen die GSVP der EU keine explizite Rolle, doch liegt ihnen ein insgesamt positives Bild von der EU zugrunde. Sie gehen näm­lich davon aus, dass amerikanischer Druck eine Inte­grationsdynamik in Gang setzen werde, welche die EU zu einem vollwertigen Sicherheitsanbieter machen werde. So merkwürdig es klingen mag: In diesem Fall könnte eine amerikanische Sicherheits­politik im Sinne der Restraint-Schule die europäischen Bemühungen um größere sicherheitspolitische Auto­nomie erheblich befördern, vielleicht sogar mehr als eine amerikanische Politik, welche die Vorherrschaft der USA bewahren will.

Weil die USA Europa zu mehr Verantwortung für Frieden und Stabilität in seiner unmittelbaren Nach­barschaft bewegen wollen, sollten die EU-Mitglied­staaten erstens ihre Zusammenarbeit in der Rüstungs­produktion beschleunigen und die dafür von der EU-Kommission vorgeschlagenen Programme nachdrücklicher unterstützen. Zweitens sollten in diesem Fall die unlängst zum Erliegen gekommenen Debatten wieder aufgenommen werden, die über Mehrheitsentscheidungen in der Außen-, Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik der EU sowie über die Ein­richtung eines europäischen Sicherheitsrates geführt wurden. Denn die EU wird in Zukunft deutlich schnel­ler über die Ausrichtung ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik entscheiden müssen. Drit­tens werden die EU-Staaten Einigkeit über die Auf­gabe und Größe der militärischen Strukturen der Union herstellen müssen. Dies betrifft in besonderem Maße den Mili­tärischen Planungs- und Durchführungs­stab (MPCC) der EU. Viertens schließlich werden sich die EU-Staaten darauf vorbereiten müssen, den Kampf der Ukraine gegen Russland weitgehend allein zu unter­stützen. Zum einen gilt dies für die finanziellen Auf­wendungen: Mit ihrer Entscheidung vom 1. Februar 2024, Kiew bis zum Jahr 2027 50 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen,111 haben die EU-Mitgliedstaaten ein klares Signal der Rückendeckung gesendet. Zum anderen betrifft das die Militärhilfe. Hier wird Deutschland die Forderungen an seine EU-Partner aufrechterhalten müssen, die Waffenlieferungen an die Ukraine merklich zu erhöhen.

Die nukleare Frage

Es bleibt eine Leerstelle, denn etwas vage umgehen die Restrainers die Frage der amerikanischen Nuklear­garantien für Europa. Aber wer die Mitgliedschaft der USA in der Allianz grundsätzlich zur Disposition stellt, wird auch diese Garantien nicht länger gewäh­ren wollen, so die naheliegende Schlussfolgerung. Man kann trefflich darüber streiten, wie glaubwürdig die erweiterte nukleare Abschreckung durch die USA überhaupt ist oder sein kann. Aber nach Lage der Dinge werden die europäischen Staaten nicht auf diese Komponente ihrer Sicherheitspolitik verzichten wollen.

Eine europäische nukleare Abschreckung ist kaum realistisch.

Eine Reaktion auf eine veränderte US-Politik wäre daher, nukleare Abschreckung künftig europäisch zu organisieren. Die erste Variante sähe eine »Europäisierung« des französischen Kernwaffenarsenals vor, das rund 300 Sprengköpfe umfasst. Konkret verlangen vor allem deutsche Politiker, dass Frankreich seine nukleare Abschreckung auf Europa ausweiten und die Verbündeten zu einer Form der nuklearen Teilhabe einladen solle.112 Doch diesen Erwartungen hat Präsident Macron mehrfach eine klare Absage erteilt: Zwar hat er in allgemeiner Form Berlin zu einem strategischen Dialog über die Rolle der fran­zösischen Atomwaffen in der kollektiven Verteidigung Europas gebeten. Ein solcher Austausch könne dazu beitragen, die Entwicklung einer europäischen strategischen Kultur voranzutreiben. Die Entscheidung über den Einsatz französischer Nuklearwaffen verbleibe jedoch beim Staatspräsidenten. Eine sub­stantielle Beteiligung Verbündeter sei nicht möglich, da sie dem Prinzip der nationalen Unabhängigkeit Frankreichs widerspreche.113

Eine zweite, weiter reichende Variante sähe vor, eine genuin europäische Nuklearstreitkraft zu schaf­fen, wobei sich die Details der existierenden Vorschläge unterscheiden: Zum Teil solle die technische Verfügung über den Einsatz der Kernwaffen zwischen den europäischen Hauptstädten wechseln.114 Offen bleibt in diesem Modell, welches Gremium unter welchen Umständen den Einsatzbefehl erteilen sollte. Dies würde schnell zu Konflikten führen, denn trotz wechselnder Befehlsgewalt müssten diese Waffen­systeme durch die EU beschafft oder entwickelt wer­den. Für die deutsche Sicherheitspolitik erscheint es nicht akzeptabel, dass Berlin europäische Atom­waffen mitbezahlt, aber keinerlei Einfluss auf ihren Einsatz hätte.

Diese Kluft wäre in der dritten Variante noch größer, wenn sowohl Waffensysteme als auch Befehlsgewalt in den Händen der Europäischen Union lägen.115 Denkt man diese Option zu Ende, offenbart sich, welch gewaltiger Integrationsschritt damit ver­bunden wäre: Sollte ein EU-Kommissar für Sicherheit und Verteidigung – dieses Amt müsste noch geschaf­fen werden – oder der Präsident der EU-Kommission Russland mit nuklearer Vergeltung drohen können, wäre der Schritt zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion, ja im Kern zu den Vereinigten Staaten von Europa vollzogen.116 Dies ist ein sehr unwahrscheinliches Szenario – selbst wenn man die politische Dynamik nicht unterschätzt, die Donald Trumps Rückkehr ins Präsidentenamt in der EU aus­lösen könnte.117

Aufgrund der enormen politischen wie rechtlichen Hürden wäre die EU wohl kurzfristig nicht in der Lage, ihre sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit zu verbessern. Die Option einer europäischen nukle­aren Abschreckung ist also nicht realistisch, auch wenn Stimmen aus der deutschen Außenpolitik das Gegenteil behaupten.118

US-Sicherheitspolitik ab 2025 unter den Vorzeichen der Primacy – Europa bleibt Juniorpartner

Auf den ersten Blick scheinen die innenpolitischen Voraussetzungen für eine Politik der globalen ameri­ka­nischen Vorherrschaft nicht günstig, denn die öffentliche Unterstützung in den USA für die Über­nahme der damit verbundenen Kosten ist bestenfalls als ambivalent einzuschätzen. Die Tonalität der Innenwende der Bidenschen Außenpolitik unterstreicht dies deutlich. Dennoch sind diese Ideen in Washingtons außenpolitischem Establishment tief verwurzelt. Der Verlockung einer jahrzehntelangen politischen Orthodoxie lässt sich schließlich nur schwer widerstehen.

Heruntergebrochen auf die Zeit ab 2025 würde diese sicherheitspolitische Ausrichtung – kurzgefasst – weiterhin hohe US-Investitionen in Europa, große Erwartungen an die Loyalität der europäischen Ver­bündeten und zugleich wenig Vertrauen in die Ent­wicklung der europäischen militärischen Fähigkeiten bedeuten. Dies ist der Ansatz, der am ehesten der traditionellen und in europäischen Hauptstädten bekannten amerikanischen Führung des westlichen Bündnisses entspricht. Es wäre jedoch zu einfach, die US-Sicherheitspolitik ab 2025 unter den Vorzeichen der amerikanischen Dominanz schlicht als Fort­führung der transatlantischen Sicherheitsbeziehungen seit 1945 zu betrachten, auch wenn dies viele europäische Staaten nach wie vor erhoffen. Auch in dieser strategischen Perspektive würden die Ziele der Vereinigten Staaten neu priorisiert und würden sich die Beziehungen zwischen Washington und seinen europäischen Verbündeten signifikant verändern, was politische Aufmerksamkeit, institutionelle Nähe und finanzielle Verpflichtungen betrifft. Dies wäre die zweite Zeitenwende, auf die Deutschland und Europa zusteuern: ihr sicherheitspolitisches Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.119

Der China-Faktor

Die Verwerfungen, die aus dem Abzug aus Afghanistan und der Schaffung von AUKUS resultieren, haben aufgrund des russischen Krieges gegen die Ukraine einem neuen Transatlantizismus Platz gemacht. Un­verkennbar zeichnet sich dabei jedoch das überwölbende Motiv der amerikanischen Europa-Politik der kommenden Jahre ab: Das bilaterale Ver­hältnis wird zunehmend in die Ausgestaltung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen integriert und der Wert des Ersteren an der Bedeutung für die Letzteren ge­messen werden.

Denn immer stärker schiebt sich der machtpolitische Aufstieg Chinas in das geostrategische Bild. Dieser Anpassungsprozess hat schon vor einigen Jahren begonnen und mit dem Strategischen Konzept der Nato aus dem Jahr 2022 auch das Bündnis erfasst. Zum ersten Mal hat sich die Allianz, vor allem auf Druck der USA, in diesem Kontext ausführlich zu ihrer Sicht auf Chinas Politik geäußert: »Die erklärten Ambitionen der Volksrepublik China und ihre aggres­sive Politik stellen unsere Interessen, Sicherheit und Werte in Frage.«120

Diese Analyse zeichnet den Entwicklungspfad der kommenden Jahre vor: Die Vertreter der Primacy-Schule halten einen militärischen Konflikt in der Straße von Taiwan mittelfristig für sehr wahrscheinlich. Sie erwarten aber nicht, dass Europa in eine solche Krise militärisch verwickelt werden würde, selbst wenn es gegebenenfalls Waffen und Munition an Taiwan liefern würde, sofern sich die militärische Konfliktaustragung über einen längeren Zeitraum erstrecken könnte.121 Vielmehr fordern die Primacists, dass sich Europa an den Bemühungen der USA be­teiligt, China technologisch und wirtschaftlich ein­zudämmen. Sie verlangen auch, dass die europäischen Streitkräfte die militärischen Ressourcen der USA in Europa ersetzen, falls Washington Fähigkeiten in den indopazifischen Raum verlegen muss.

Zudem erwarten sie in der Frage, wie der Westen mit dem machtpolitischen Aufstieg Chinas politisch umgeht, mehr politische Loyalität von ihren euro­päischen Verbündeten. Allerdings bestehen zwischen Europa und den USA nach wie vor Meinungsverschie­denheiten über das Ausmaß der Herausforderung und auch innerhalb der EU über das gewünschte Maß an wirtschaftlichem und politischem Engagement mit China. Vor diesem Hintergrund könnte eine Regierung Biden 2.0 zu dem Schluss kommen, dass die Europäer ohne amerikanisches Drängen den chine­sischen Verlockungen nachgeben würden, sich von den USA zu distanzieren, wie dies die chinesische Diplomatie immer wieder fordert.

Ein ziemlich realistisches Szenario in diesem Zusammenhang wäre die Verhängung westlicher Sank­tionen gegen China, sollte die Volksrepublik Taiwan angreifen: Im Falle einer solchen Krise wür­den die G7 wahrscheinlich auf Druck der USA Sank­tionen und andere wirtschaftliche Gegenmaßnahmen vis-à-vis China in mindestens drei Bereichen beschließen: erstens gegen Chinas Finanzsektor, zweitens gegen Personen und Organisationen, die mit der politischen und militärischen Führung Chinas in Verbindung stehen, und drittens gegen chinesische Industrie­sektoren, die mit dem Militär verknüpft sind. Auch wenn die europäischen Verbündeten militärisch wahrscheinlich keine Rolle spielten, würde Washington dann wohl erwarten, dass sie dessen Maßnahmen mit einem eigenen Sanktionsregime unterstützen.122 Vorstellungen einer »souveränen« deutschen oder europäischen China-Politik wären in dieser Hinsicht hinfällig. Damit wäre auch die Hoffnung vergeblich, dass ausschließlich umfangreichere und verbesserte europäische militärische Fähigkeiten, in erster Linie außerhalb der Nato, die EU außenpolitisch auto­nomer von Washington machen würden. Zur vertei­digungspolitischen Abhängigkeit käme eine Gefolgschaft in einer zentralen Frage der EU-Außenbezie­hungen hinzu.

Dabei sind die Vertreter der Primacy-Denkschule entschlossen, die globale Führungsrolle der USA und ihre Präsenz in Europa gleichermaßen aufrecht­zuerhalten. Sie sehen aber auch, dass die daraus ent­stehenden Kosten auf Dauer nicht mehr zu tragen sein werden, unter anderem weil starke innenpolitische Kräfte in den USA das amerikanische Engagement begrenzen wollen. Deshalb drängen auch die Primacists auf eine veränderte Form transatlantischer Lastenteilung. Sie bilden damit eine eher traditionelle Herausforderung für die europäischen Politiker, doch ihre Haltung ist zugleich Ausdruck einer Veränderung gegenüber dem Ansatz der tradierten Europa-Politik der USA. Diese hat in Anbetracht des Nutzens globaler Bündnissysteme für die amerikanische Politik bis heute weitgehend klaglos akzeptiert, dass die Vereinigten Staaten gut 68 Prozent (2023) der Ver­teidigungsausgaben der Nato-Mitglieder aufbringen.

Was die Entwicklung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU anbelangt, lassen sich die Prima­cists als »skeptische Realisten« beschreiben: Sie for­dern größere Leistungen von den einzelnen EU-Mit­gliedstaaten, besitzen aber aufgrund der bisherigen Erfahrungen kein Vertrauen in eine stärkere Integra­tionsdynamik in diesem Politikfeld. Deshalb gehen die Primacists davon aus, dass die USA auch künftig als Sicherheitsgarant Europas fungieren müss­ten. In diesem Fall würde auch die nächste amerikanische Regierung die Führungsrolle der USA weiter­hin als »unverzichtbar« für die Aufrechterhaltung der eta­blierten internationalen Ordnung ansehen, auch wenn dies mit erheblichen Investitionen ver­ bunden wäre.

In der EU könnten sich dann diejenigen Kräfte durchsetzen, die eine eigenständigere Rolle der EU als Anbieterin von Sicherheit ablehnen. Symbolisch auf­geladene Rüstungskooperationen, wie die zwischen Deutschland und Frankreich, dürften an Legitimation einbüßen. Zudem liefen die Kooperationsprogramme der EU-Kommission Gefahr, von den Mitgliedstaaten ungenutzt zu bleiben. Mindestens müssten die Pro­gramme für Drittstaaten, allen voran die USA, geöffnet werden. Washington behielte so einen starken Fuß­abdruck in der Entwicklung der europäischen rüstungs­industriellen Basis. Der Zwang, eine gleichzeitig nach­lassende amerikanische militärische Präsenz in Europa zu kompensieren, könnte dazu führen, dass die EU ihre Politik der Delegierung von Sicherheit ausweitet: Drittstaaten wie auch regionale Organisationen dürf­ten mit Ausstattungs- und Ausrüstungs­mitteln der Europäischen Friedensfazilität befähigt werden, Kon­flikte in ihrem Umfeld eigenverantwortlich zu be­arbeiten.

Empfehlungen für deutsche und europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Die Annahme im Folgenden lautet, dass die wichtigste politische Aufgabe für Deutschland und Europa in den kommenden Jahren darin besteht, die transatlantischen Sicherheitsbeziehungen neu zu justieren, aber nicht darin, einen – zumindest nicht völlig unwahrscheinlichen – Bruch abzufedern. An­genom­men wird weiterhin, dass EU und Nato die zentralen Handlungsformate deutscher Sicherheits­politik blei­ben. Mögliche Optionen, die theoretisch auch vorstell­bar wären, würden an dieser Stelle den Rahmen sprengen, zum Beispiel eine unfreiwillige »Renationalisierung« deutscher Sicherheitspolitik als Ergebnis eines politischen Zerfalls der Nato oder eine Bilateralisierung der deutsch-amerikanischen Sicherheits­beziehungen als Reaktion auf die US-Präsident­schafts­wahlen 2024.

Funktionale Priorisierung: Die Hauptaufgabe der deutschen Sicherheitspolitik wird für einen nicht absehbaren Zeitraum sein, den Schutz der politischen Souveränität und territorialen Integrität aller Mit­glieder der EU und der Nato umfassend gegen ein aggressiv-revisionistisches Russland zu sichern. An diesem Ziel haben sich alle Aspekte der Planungen für die Bundeswehr auszurichten – Finanz-, Perso­nal-, Rüstungs- und Streitkräfteplanung. Die deutsche Beteiligung am internationalen Krisenmanagement wird hingegen auf ein absolutes Minimum reduziert werden müssen, auch wenn Instabilität, Terrorismus und Krisen in der europäischen Peripherie die Regel bleiben werden. Auch hier wird gegebenenfalls die Frage der Lastenteilung mit den USA bei der Auswahl und Ausgestaltung möglicher Missionen ausschlag­gebend sein.

Geografische Priorisierung: Damit einhergehend ist die militärische Präsenz der Bundeswehr auf den euroatlantischen Raum zu konzentrieren. Es hat ver­einzelte Versuche gegeben, die Bundeswehr mittels einer Streitkräftepräsenz und Manövern im Indo­pazifik (so die Fahrt der Fregatte Bayern 2021/22 und das Luftwaffenmanöver Rapid Pacific 2022 mit 13 Flug­zeugen) zu einem Anbieter von Sicherheit zu stilisie­ren. Dies kann kein Ausdruck einer ernst­haften Orien­tierung der deutschen Sicherheitspolitik sein, wenngleich Sicherheit im Indopazifik weit wich­tiger für die Wirtschaftskraft Deutschlands ist als der Krieg in der Ukraine. Solche symbolischen Aktionen mögen den Partnern in der Region den Eindruck poli­tischer Solidarität vermitteln. In den USA löst dieses Gebaren eher Kopfschütteln auf beiden Seiten des politischen Spektrums aus angesichts der unstrittigen materiellen Defizite der Bundeswehr.

Institutionelle Diversifizierung: Je nach Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen wird es um eine Lastenverlagerung im Rahmen einer »europäisier­ten Nato« oder um eine Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato gehen. Das klingt sehr ähnlich, ist aber nicht dasselbe. Letztlich könnten unter einem Präsidenten Trump sogar größere Handlungsspielraume für die deutsche Politik entstehen, da dieser keine institutionellen Erwartungen an die Europäer hat. Die Handlungsoptionen für die konkrete Form der Lastenteilung könnten daher vielfältig sein. Ein Integrationsschub innerhalb der GSVP wäre grundsätzlich genauso vorstellbar wie eine Aktivierung der deutsch-französischen Kooperation oder die Nutzung des Weimarer Dreiecks als Bindeglied zwischen EU und Nato.

Lastenteilung umsetzen: Um die USA auch weiterhin an Europa zu binden, sollte Deutschland seine Sicher­heitspolitik noch entschlossener darauf ausrichten, die USA militärisch und finanziell in Europa zu ent­lasten. Es bedeutet auch, die Struktur der Bundeswehr und die Streitkräfteplanungen so auszugestalten, dass sie der Konzentration auf die Bündnis- und Landesverteidigung und dem Kriterium einer erhöh­ten Einsatzbereitschaft Genüge tun. Die bereits ein­geleitete dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen ist in diesem Zusammenhang ein erster wichtiger Schritt. Übernimmt Deutschland größere Lasten in Osteuropa, können die USA ihre Truppen für andere Zwecke einsetzen.123

Finanzierung sichern: Der genaue Finanzbedarf der Bundeswehr in den kommenden Jahren und seine Folgen für die deutschen Verteidigungsausgaben lassen sich aus heutiger Sicht nicht seriös prognostizieren. Dies hängt von vielen Variablen ab, zum Bei­spiel vom Kurs der amerikanischen Sicherheitspolitik in Europa, vom Verlauf des russisch-ukrainischen Krieges und anderem. Die Aufgaben, die aus einem politischen Rückzug der USA aus der Allianz erwüch­sen, geben eine ungefähre Vorstellung dessen, was in den nächsten Jahren auf Deutschland zukommen könnte: Selbst mit in der Nato stark engagierten Ver­einigten Staaten lagen die deutschen Verteidigungsausgaben im Jahr 1963 bei 4,9 Prozent des deutschen BIP (erst im Jahr 1992 fielen sie unter zwei Prozent). Diese Zahlen ließen sich in Deutschland wohl nur als Reaktion auf einen außenpolitischen Schock noch einmal erreichen.

Allein aus politischen Gründen werden jedoch die bereits im Jahr 2014 vereinbarten zwei Prozent des BIP die untere Grenze des Notwendigen bilden. Für die Zeit nach dem Auslaufen des Sondervermögens ab dem Jahr 2028 würde dies einen regulären Vertei­digungshaushalt im Umfang von 75–80 Milliarden Euro jährlich bedeuten. Da gegenwärtig nichts auf eine kooperative Entwicklung in den Beziehungen mit Russland hindeutet und der Nachholbedarf an Investitionen bei der Bundeswehr auf Jahre anhalten wird, ist sogar ein noch größerer Finanzbedarf zu vermuten.

Parallel ist Deutschland gefordert, in der EU dafür Sorge zu tragen, dass der Verteidigungspolitik dauer­haft finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Die Kommission hat den Weg dafür geebnet, im Rahmen der Verträge Gelder aus dem mehrjährigen Finanzrahmen für die gemeinsame Verteidigung nutzbar zu machen. Damit die EU jedoch zu einer glaubwürdigen Anbieterin von Sicherheit werden kann, werden die Mitgliedstaaten finanzielle Rücklagen bilden müssen, die es ihnen ermöglichen, jedem Gegner das Signal eines »langen Atems« zu senden.

EU-Beistandsklausel weiterdenken: Nach Lage der Dinge wird es in den kommenden Jahren keine neuen Erweiterungsrunden der Nato geben, etwa für die Ukraine, Georgien, Moldau oder die Länder des West­balkans. Deswegen entfällt hier die bei den Ost­erweite­rungen der 1990er Jahre praktizierte Abfolge »Erst Nato, dann EU«. Daher könnte der EU eine wich­tigere Rolle bei der sicherheitspolitischen Heran­führung der genannten Staaten an den »Westen« zukommen, in­dem die sogenannte Beistandsklausel des Lissabonner Vertrages (Artikel 42 Absatz 7 EUV) eine zusätzliche Bedeutung erhielte: Zu fragen wäre, ob sie in modi­fizierter Form nicht auch für Beitrittskandidaten gelten kann.124 Dabei wird weniger von einer voll aus­gebildeten Beistandspflicht auszugehen sein, sondern eher von einem genuin europäischen Beitrag zur Ver­teidigungsfähigkeit dieser Länder, der den deutschen Sicherheitszusagen für die Ukraine ähneln könnte.

Mehr Supranationalität in der Rüstungsbeschaffung zulassen: Um mehr Fähigkeiten für sein Geld zu bekom­men, muss Deutschland die EU-Kommission in ihrem Vorhaben unterstützen, einen europäischen Rüstungs­binnenmarkt zu schaffen. Dafür sollte Berlin eine Ini­tiative starten, den übermäßigen Rückgriff auf Artikel 346 Absatz 1b AEUV zu unterbinden. Im Bereich der Landesverteidigung etwa könnte Deutschland dem Europäischen Rat vorschlagen, die Liste von Waffen, Munition und Kriegsmaterial, auf die Absatz 1b An­wendung findet, zu ändern. Theoretisch wäre auch möglich, die Ausnahmeregelung für nationale Ver­teidigung im Rahmen einer begrenzten Vertragsänderung abzuschaffen. Vorbild wäre hier der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM).

Abkürzungsverzeichnis

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

ASAP

Act in Support of Ammunition Production

AUKUS

Australia, United Kingdom, United States

BIP

Bruttoinlandsprodukt

CAT-C

Combined Arms Training Command

CER

Centre for European Reform

CRS

Congressional Research Service (Washington, D.C.)

CSIS

Center for Strategic and International Studies (Washington, D.C.)

ECFR

European Council on Foreign Relations (London)

EDA

European Defence Agency (Europäische Verteidigungsagentur)

EDIP

European Defence Investment Programme (Investitionsprogramm für Verteidigung)

EDIRPA

European Defence Industry Reinforcement through Common Procurement Act

EDIS

European Defence Industrial Strategy

EDTIB

EU’s Defence Technological and Industrial Base

EPF

European Peace Facility (Europäische Friedensfazilität)

ESM

Europäischer Stabilitätsmechanismus

EU

Europäische Union

EUMAM UA

European Union Military Assistance Mission in Support of Ukraine

EUV

Vertrag über die Europäische Union

F&T

Forschung und Technologie

FIIA

The Finnish Institute of International Affairs (Helsinki)

GSVP

Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungs­politik

IRIS

Institut de relations internationales et straté­giques (Paris)

MPCC

Military Planning and Conduct Capability (Militärischer Planungs- und Durchführungsstab)

Nato

North Atlantic Treaty Organization

PESCO

Permanent Structured Cooperation (EU)

ST-C

Special Training Command

Literaturhinweise

Markus Kaim

»Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)«

In: Raphael Bossong / Nicolai von Ondarza (Hg.), Stand der Integration. Zehn zentrale politische Projekte der EU und wie sie die Union verändern

SWP-Studie 11/2024, April 2024, S. 93–102, doi: 10.18449/2024S11

Liviu Horovitz / Elisabeth Suh

Trump II und die nukleare Rückversicherung der Nato. Lösungsansätze statt Alarmismus

SWP-Aktuell 21/2024, April 2024, doi: 10.18449/2024A21

Marco Overhaus / Johannes Thimm

Die USA auf dem Weg in die Systemkrise.
Warum demokratische Institutionen erodieren

SWP-Aktuell 16/2024, März 2024, doi: 10.18449/2024A16

Eckhard Lübkemeier

Die Vermessung europäischer Souveränität. Analyse und Agenda

SWP-Studie 5/2024, Februar 2024, doi: 10.18449/2024S05

Laura von Daniels

Wirtschaft und nationale Sicherheit. US-Außen­wirtschaftspolitik unter Trump und Biden

SWP-Studie 4/2024, Februar 2024, doi: 10.18449/2024S04

Endnoten

1

 Vgl. Karoun Demirjian, »Opposition to Ukraine Aid Becomes a Litmus Test for the Right«, in: New York Times, 5.10.2023, <https://www.nytimes.com/2023/10/05/us/politics/ republicans-ukraine-aid.html>.

2

 Vgl. dazu »Can Europe Defend Itself without America?«, in: The Economist, 18.2.2024; Max Bergmann/Sophia Besch, »Why European Defense Still Depends on America. Don’t Believe the Hype – the War in Ukraine Has Led to Little Change«, in: Foreign Affairs (online), 7.3.2023, <https://www. foreign affairs.com/ukraine/why-european-defense-still-depends-america>, sowie ausführlich Hugo Meijer/Stephen G. Brooks, »Illusions of Autonomy: Why Europe Cannot Provide for Its Security If the United States Pulls Back«, in: International Security, 45 (2021) 4, S. 7–43.

3

 Vgl. dazu Kjell Engelbrekt, »Beyond Burdensharing and European Strategic Autonomy: Rebuilding Transatlantic Security After the Ukraine War«, in: European Foreign Affairs Review, 27 (2022) 3, S. 383–400.

4

 Zur amerikanischen Europapolitik unter Präsident Trump vgl. Linde Desmaele, »Unpacking the Trump Administration’s Grand Strategy in Europe: Power Maximisation, Relative Gains and Sovereignty«, in: European Security, 31 (2022) 2, S. 180–199.

5

 Vgl. für diese frühen, sehr hohen Erwartungen beispielhaft Amedeo Gasparini, »Challenges under the Biden Administration in the US-EU Transatlantic Relations«, in: Global Affairs, 7 (2021) 3, S. 411–417.

6

 Vgl. Jamal Barnes/Samuel M. Makinda, »Testing the Lim­its of International Society? Trust, AUKUS and Indo-Pacific Security«, in: International Affairs, 98 (2022) 4, S. 1307–1325.

7

 Vgl. Joe Biden, »My Trip to Europe Is about America Rallying the World’s Democracies«, in: Washington Post, 5.6.2021.

8

 Vgl. aus der umfangreichen Literatur zum amerikanisch-chinesischen Großmachtwettbewerb zuletzt Evan S. Medei­ros (Hg.), Cold Rivals. The New Era of US-China Strategic Competition, Washington, D.C., 2023; Joseph S. Nye, Soft Power and Great-Power Competition. Shifting Sands in the Balance of Power between the United States and China, Singapur 2023, sowie Graham Allison/Alyssa Resar/Karina Barbesino, The Great Diplomatic Rivalry: China vs. the U.S., Cambridge 2022.

9

 »Our relationship with China will be competitive when it should be, collaborative when it can be, and adversarial when it must be.« Antony J. Blinken, »A Foreign Policy for the American People«, Rede, Washington, D.C., 3.3.2021, <www.state.gov/a-foreign-policy-for-the-american-people/>.

10

 Vgl. Felix Heiduk/Christian Wirth, Der Quadrilaterale Sicherheitsdialog (Quad) zwischen Australien, Indien, Japan und den USA. Mehr Symptom als Lösung des Problems wachsender Instabilität im Indo-Pazifik, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juni 2023 (SWP-Aktuell 35/2023), doi: 10.18449/2023A35.

11

 Vgl. Edward Wong, »On U.S. Foreign Policy, the New Boss Acts a Lot Like the Old One«, in: New York Times, 24.7.2022, <https://www.nytimes.com/2022/07/24/us/politics/ biden-trump-foreign-policy.html>, sowie Elise Labott, »When the White House Changed Hands, It Changed Tone but Not Policies«, in: Foreign Policy, 22.9.2021, <https://foreignpolicy. com/2021/09/22/biden-us-policy-trump-legacy-foreign-policy-aukus/>.

12

 Vgl. zum Folgenden den guten Überblick bei Garret Martin/Ville Sinkkonen, »Past as Prologue? The United States and European Strategic Autonomy in the Biden Era«, in: European Foreign Affairs Review, 27 (2022), Special Issue 1, S. 99–120 (109ff).

13

 Eine leicht veränderte Aufteilung findet sich bei Majda Ruge/Jeremy Shapiro, Polarised Power: The Three Republican Tribes That Could Define America’s Relationship with the World, London: European Council on Foreign Relations (ECFR), 17.11.2022 (ECFR Commentary), <https://ecfr.eu/article/pola rised-power-the-three-republican-tribes-that-could-define-americas-relationship-with-the-world/>.

14

 Vgl. stellvertretend für diese Strömung Thomas Wright, »The Folly of Retrenchment. Why America Can’t Withdraw from the World«, in: Foreign Affairs, 99 (2020) 2, S. 10–18; Evan Braden Montgomery, »Primacy and Punishment: US Grand Strategy, Maritime Power, and Military Options to Manage Decline«, in: Security Studies, 29 (2020) 4, S. 769–796, sowie Stephen G. Brooks/William C. Wohlforth, America Abroad. Why the Sole Superpower Should Not Pull Back from the World, Oxford 2016.

15

 Vgl. dazu jüngst Ross Douthat, »Only America Can Save the Future«, in: New York Times, 3.2.2024.

16

 Vgl. zu diesem Argument Michael J. Mazarr, »Why America Still Needs Europe. The False Promise of an ›Asia First‹ Approach«, in: Foreign Affairs (online), 17.4.2023, <https://www.foreignaffairs.com/united-states/why-america-still-needs-europe>.

17

 Vgl. Brooks/Wohlforth, America Abroad [wie Fn. 14] S. 117.

18

 U.S. Department of Defense, 2022 Nuclear Posture Review, Arlington 2022, <https://fas.org/wp-content/uploads/2023/ 07/2022-Nuclear-Posture-Review.pdf>.

19

 Vgl. dazu Alyson J. K. Bailes, »NATO’s European Pillar: The European Security and Defense Identity«, in: Defense Analysis, 15 (1999) 3, S. 305–322, und John Gerard Ruggie, »Consolidating the European Pillar: The Key to NATO’s Future«, in: The Washington Quarterly, 20 (1997) 1, S. 109–124.

20

 Für diese Schule vgl. beispielhaft Stephen Wertheim, »Why America Can’t Have It All. Washington Must Choose Between Primacy and Prioritizing«, in: Foreign Affairs (online), 14.2.2024, <https://www.foreignaffairs.com/united-states/ why-america-cant-have-it-all>; Emma Ashford, »Strategies of Restraint. Remaking America’s Broken Foreign Policy«, in: Foreign Affairs, 100 (2021) 5, S. 128–141; John Glaser/ Christopher A. Preble/A. Trevor Thrall, »Towards a More Prudent American Grand Strategy«, in: Survival, 61 (2019) 5, S. 25–42, sowie Barry R. Posen, Restraint. A New Foundation for U.S. Grand Strategy, Ithaca u.a. 2014.

21

 Siehe dazu Stephen M. Walt, »The End of Hubris. And the New Age of American Restraint«, in: Foreign Affairs, 98 (2019) 3, S. 26–35 (30).

22

 Vgl. Posen, Restraint [wie Fn. 20], S. 71.

23

 Dieser prägnante Ausdruck stammt von Barry R. Posen, »Pull Back. The Case for a Less Activist Foreign Policy«, in: Foreign Affairs, 92 (2013) 1, S. 116–128 (121).

24

 Vgl. Christopher Miller, »Department of Defense«, in: Paul Dans/Steven Groves (Hg.), Mandate for Leadership. The Con­servative Promise, Washington, D.C., 2023, S. 91–131 (93ff).

25

 Zitiert in William Drozdiak, »U.S. Tepid on European Defense Plan. EU Leaders Dismiss Worry about Nato«, in: Washington Post, 7.3.2000 (Übersetzung durch die Autoren).

26

 Vgl. dazu die Beiträge in Barbara Lippert/Nicolai von Ondarza/Volker Perthes (Hg.), Strategische Autonomie Europas. Akteure, Handlungsfelder, Zielkonflikte, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Februar 2019 (SWP-Studie 2/2019), doi: 10.18449/2019S02.

27

 Vgl. Max Bergmann, »Europe on Its Own. Why the United States Should Want a Better-Armed EU«, in: Foreign Affairs (online), 22.8.2022, <https://www.foreignaffairs.com/ europe/europe-its-own>.

28

 Siehe zu den Details Christina L. Arabia/Andrew S. Bowen/Cory Welt, U.S. Security Assistance to Ukraine, Washington, D.C.: Congressional Research Service (CRS), 5.10.2023, updated 15.2.2024 (CRS In Focus), <https://crsreports.con gress.gov/product/pdf/IF/IF12040>.

29

 Vgl. Jonathan Masters/Will Merrow, How Much Aid Has the U.S. Sent Ukraine? Here Are Six Charts, New York: Council on Foreign Relations, 8.12.2023, updated 23.2.2024, <https://www.cfr.org/article/how-much-aid-has-us-sent-ukraine-here-are-six-charts>.

30

 Vgl. dazu Markus Kaim, »Wehrhaftigkeit in Zeiten der Multipolarität: Über die transformativen Dimensionen der Zeitenwende«, in: Karl-Rudolf Korte/Philipp Richter/Arno von Schuckmann (Hg.), Regieren in der Transformationsgesellschaft. Impulse aus Sicht der Regierungsforschung, Wiesbaden 2023, S. 81–87.

31

 Nato 2022 Strategic Concept, Brüssel 2022.

32

 Siehe U.S. Department of Defense, »DoD Signs New Ad­ministrative Arrangement with European Defence Agency«, Pressemitteilung, Washington, D.C., 26.4.2023, <https:// www.defense.gov/News/Releases/Release/Article/3373635/dod-signs-new-administrative-arrangement-with-european-defence-agency/>.

33

 Vgl. European Council/Council of the European Union, »PESCO: Canada, Norway and the United States Will Be Invited to Participate in the Project Military Mobility«, Presse­mitteilung, Brüssel, 6.5.2021, <www.consilium.europa. eu/en/press/press-releases/2021/05/06/pesco-canada-norway-and-the-united-states-will-be-invited-to-participate-in-the-project-military-mobility/>.

34

 Vgl. Erik Brattberg, »How Washington Views New European Defense Initiatives«, Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, 3.3.2020, <https://carne gieendowment.org/2020/03/03/how-washington-views-new-european-defense-initiatives-pub-81229>.

35

 Siehe U.S. Department of State, »2nd U.S.-EU Security and Defense Dialogue«, Pressemitteilung, Washington, D.C., 1.12.2023, <https://www.state.gov/2nd-u-s-eu-security-and-defense-dialogue/>.

36

 Zum letzten Treffen im Mai 2023 in Brüssel vgl. U.S. Department of State, Joint Statement on the U.S.-EU Counterterrorism Dialogue, Pressemitteilung, Washington, D.C., 26.5.2023, <https://www.state.gov/joint-statement-on-the-u-s-eu-counterterrorism-dialogue/>.

37

Zum letzten Treffen im Dezember 2022 vgl. U.S. Depart­ment of State, »The 2022 U.S.-EU Cyber Dialogue«, Presse­mitteilung, Washington, D.C., 21.12.2022, <https://www. state.gov/the-2022-u-s-eu-cyber-dialogue/>.

38

 Vgl. Jana Puglierin/Jeremy Shapiro, The Art of Vassalisation: How Russia’s War on Ukraine Has Transformed Transatlantic Relations, London: European Council on Foreign Relations (ECFR), April 2023 (ECFR Policy Brief), <https://ecfr.eu/wp-content/uploads/2023/04/The-art-of-vassalisation-How-Russias-war-on-Ukraine-has-transformed-transatlantic-relations.pdf>.

39

 »Auch wenn der Krieg von Präsident Putin andauert, werden wir uns weiterhin auf die schwerwiegendste lang­fristige Herausforderung für die internationale Ordnung konzentrieren – und die geht von der Volksrepublik China aus. China ist das einzige Land, das sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung neu zu gestalten, als auch in zunehmendem Maße über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt, dies zu tun. Beijings Vision würde uns von den universellen Werten abbringen, die in den letzten 75 Jahren einen Groß­teil des weltweiten Fortschritts ermöglicht haben.« Antony J. Blinken, »The Administration’s Approach to the People’s Republic of China«, Rede an der George Washington Uni­versity, Washington, D.C., 26.5.2022 (Übersetzung durch die Autoren).

40

 Vgl. Ellen Francis, »China Plans to Seize Taiwan on ›Much Faster Timeline‹, Blinken Says«, in: Washington Post, 18.10.2022.

41

 Vgl. zu diesen Beschränkungen die Beiträge in Marco Overhaus (Hg.), State of the Union. Langfristige Trends in der US-amerikanischen Innen- und Außenpolitik und ihre Konsequenzen für Europa, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juni 2021 (SWP-Studie 6/2021), doi: 10.18449/2021S06.

42

 Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, 24. Februar 2022, <https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/02/24/european-council-conclusions-24-february-2022/pdf/> (Zugriff am 14.9.2023).

43

 Ebd.

44

 Ebd.

45

 Vgl. dazu Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Die EU-Sanktionen gegen Russland im Detail, <www.consilium. europa.eu/de/policies/sanctions/restrictive-measures-against-russia-over-ukraine/sanctions-against-russia-explained/> (Zugriff am 14.9.2023).

46

 Informelle Tagung der Staats- und Regierungschefs, Erklärung von Versailles, 10./11.3.2022, S. 2, <http://www.consilium. europa.eu/media/54802/20220311-versailles-declaration-de.pdf> (Zugriff am 14.9.2023).

47

 European Commission, Communication from the Commission to the European Parliament, the European Council and the Council, Commission Opinion on Ukraine’s Application for Membership of the European Union, COM(2022) 407 final, Brüssel, 17.6.2022, <https://neighbourhood-enlargement.ec.europa. eu/system/files/2022-06/Ukraine%20Opinion%20and%20 Annex.pdf> (Zugriff am 14.9.2023).

48

 Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Tagung des Europäischen Rates (23. und 24. Juni 2022) – Schlussfolgerungen, EUCO 24/22, Brüssel, 24.6.2022, S. 4, <https://www. consilium.europa.eu/media/57453/2022-06-2324-euco-conclusions-de.pdf> (Zugriff am 14.9.2023).

49

 Vgl. dazu Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Solidarität der EU mit der Ukraine, Reaktion der EU auf die russische Invasion der Ukraine, <www.consilium.europa.eu/de/policies/ eu-response-ukraine-invasion/eu-solidarity-ukraine/#huma nitarian> (Zugriff am 14.9.2023).

50

 Vgl. Thomas Gutschker, »Mehr Hilfe als erwartet«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.2.2024.

51

 European Commission, The Ukraine Facility, <https://eu-solidarity-ukraine.ec.europa.eu/eu-assistance-ukraine/ ukraine-facility_en?prefLang=de> (Zugriff am 21.3.2024).

52

 Vgl. dazu Nicole Koenig, Putin’s War and the Strategic Compass. A Quantum Leap for the EU’s Security and Defence Policy?, Berlin: Hertie School, Jacques Delors Center, 29.4.2022 (Policy Brief), <https://www.delorscentre.eu/fileadmin/2_ Research/1_About_our_research/2_Research_centres/ 6_Jacques_Delors_Centre/Publications/20220428_Koenig_ StrategicCompass.pdf> (Zugriff am 14.9.2023).

53

 Zu diesen Angaben siehe Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Zeitleiste – Europäische Friedensfazilität, <www.consilium.europa.eu/de/policies/european-peace-facility/timeline-european-peace-facility/> (Zugriff am 14.9.2023, damaliger Stand der Zeitleiste: 25.7.2023).

54

 Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Informelle Videokonferenz auf Ministerebene »Auswärtige Angelegenheiten«, 27.2.2022, <https://www.consilium.europa.eu/de/meetings/ fac/2022/02/27/> (Zugriff am 14.9.2023).

55

 Niklas Helwig, »EU Strategic Autonomy after the Rus­­sian Invasion of Ukraine: Europe’s Capacity to Act in Times of War«, in: Journal of Common Market Studies, 61 (2023) S1, S. 57–67.

56

 »Beschluss (GASP) 2021/509 des Rates vom 22. März 2021 zur Einrichtung einer Europäischen Friedensfazilität und zur Aufhebung des Beschlusses (GASP) 2015/528«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, L102, 24.3.2021, S. 14–17.

57

 Vgl. dazu Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, European Peace Facility, <www.consilium.europa.eu/de/policies/ european-peace-facility/> (Zugriff am 14.9.2023).

58

 Informelle Tagung der Staats- und Regierungschefs, Erklärung von Versailles [wie Fn. 46], S. 4.

59

 Ebd., S. 5.

60

 Rat der Europäischen Union, Ein Strategischer Kompass für Sicherheit und Verteidigung – Für eine Europäische Union, die ihre Bürgerinnen und Bürger, Werte und Interessen schützt und zu Welt­frieden und internationaler Sicherheit beiträgt, Brüssel, 21.3.2022, S. 13, <https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-7371-2022-INIT/de/pdf> (Zugriff am 15.9.2023).

61

 Ebd. Zur Einordung des Strategischen Kompasses der EU vgl. u.a. Markus Kaim/Ronja Kempin, Kompass oder Windspiel? Eine Analyse des Entwurfs für den »Strategischen Kompass« der EU, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Januar 2022 (SWP-Aktuell 1/2022), doi: 10.18449/2022A01; Koenig, Putin’s War and the Strategic Compass [wie Fn. 52]; Jana Puglierin, Der Strate­gische Kompass. Ein Fahrplan für die Europäische Union als sicherheitspolitische Akteurin, Berlin: Bundesakademie für Sicherheitspolitik, 2022 (Arbeitspapier 7/2022), <https://www.baks. bund.de/sites/baks010/files/arbeitspapier_sicherheitspolitik_2022_7.pdf> (Zugriff am 15.9.2023).

62

 Vgl. dazu Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, »Ukraine: EU richtet militärische Unterstützungsmission zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte ein«, Presse­mitteilung, Brüssel, 17.10.2022, <www.consilium.europa.eu/ de/press/press-releases/2022/10/17/ukraine-eu-sets-up-a-mili tary-assistance-mission-to-further-support-the-ukrainian-armed-forces/>; Bundesministerium der Verteidigung, »Bun­deswehr übernimmt bei EU-Ausbildungsmission EUMAM koordinierende Rolle«, Berlin, 18.10.2022, <https://www. bmvg.de/de/aktuelles/bundeswehr-beteiligt-sich-an-ukraine-ausbildungsmission-der-eu-5512372> (Zugriff auf beide Dokumente am 18.9.2023).

63

 Vgl. dazu Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, »Ukraine: EU startet militärische Unterstützungsmission«, Pressemitteilung, Brüssel, 15.11.2022, <www.consilium. europa.eu/de/press/press-releases/2022/11/15/ukraine-eu-launches-military-assistance-mission/>; Bundeswehr, Deutschland–EUMAM UA, <https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/anerkannte-missionen/unterstuetzungsmission-eumam-ukraine> (Zugriff auf beide Dokumente am 18.9.2023).

64

 Der Direktor des Militärischen Planungs- und Durch­führungsstabs der EU (Military Planning and Conduct Capability, MPCC) in Brüssel führt EUMAM UA auf militärstrategischer Ebene. Im polnischen Zagan ist das Combined Arms Training Command (CAT-C) angesiedelt, das sich mit Deutschland um die Koordination der Ausbildungs­maßnahmen bemüht. Vgl. dazu Bundeswehr, Deutschland–EUMAM UA [wie Fn. 63].

65

 Ebd.

66

 Liisu Lass, »Estonia Urges European Countries to Multi­ply Ammunition Production«, in: ERR News (online), 15.2.2023, <https://news.err.ee/1608885824/estonia-urges-european-countries-to-multiply-ammunition-production> (Zugriff am 19.9.2023).

67

 Zitiert nach Alexandra Brzozowski, »EU’s Borrell Sup­ports Estonia’s Joint Arms Acquisition Proposal«, Euractiv, 19.2.2023 (Übersetzung durch die Autoren), <https://www. euractiv.com/section/europe-s-east/news/eus-borrell-supports-estonias-joint-arms-acquisition-proposal/> (Zugriff am 19.9.2023).

68

 Council of the European Union, General Secretariat of the Council, Delivery and Joint Procurement of Ammunition for Ukraine, Brüssel, 20.3.2023, <https://www.consilium.europa. eu/media/63170/st07632-en23.pdf> (Zugriff am 19.9.2023).

69

 European Commission, Directorate-General for Defence Industry and Space, RegulAtion on Supporting Ammunition Pro­duction, Info Session – October 2023, <https://defence-industry-space.ec.europa.eu/document/download/358b3b9d-52d2-4b6c-a237-658ed8588541_en?filename=Asap%20ppt%20 infosession.pdf>.

70

 »EU verfehlt Lieferzusage von Munition für Ukraine«, in: Zeit Online, 14.11.2023, <https://www.zeit.de/politik/ ausland/2023-11/ukraine-krieg-eu-munition-lieferung-boris-pistorius> (Zugriff am 5.12.2023).

71

Vgl. dazu ebd.

72

 European Commission, Directorate-General for Defence Industry and Space, RegulAtion on Supporting Ammunition Production [wie Fn. 69].

73

 Europäische Kommission/Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Gemeinsame Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen und die nächsten Schritte, JOIN(2022) 24 final, Brüssel, 18.5.2022, S. 11, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/ ?uri=CELEX:52022JC0024&qid=1658221079036&from=DE> (Zugriff am 14.9.2023).

74

 Vertrag über die Europäische Union, Art. 41, <https://dejure. org/gesetze/EUV/41.html> (Zugriff am 18.9.2023).

75

 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung, COM(2022) 349 final, Brüssel, 19.7.2022, S. 3, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/PDF/?uri=CELEX:52022PC0349> (Zugriff am 14.9.2023).

76

 Ebd., S. 13.

77

 Regulation of the European Parliament and of the Council on Establishing an Instrument for the Reinforcement of the European Defence Industry through Common Procurement (EDIRPA), Brüssel, 20.9.2023, S. 22, <https://data.consilium.europa.eu/doc/ document/PE-40-2023-INIT/en/pdf (Zugriff am 10.10.2023), sowie Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, »EU-Verteidigungsindustrie: Rat und Europäisches Parlament einigen sich auf neue Vorschriften zur Förderung der gemein­samen Beschaffung«, Pressemitteilung, Brüssel, 27.6.2023, S. 3, <https://www.consilium.europa.eu/de/press/ press-releases/2023/06/27/eu-defence-industry-council-and-european-parliament-agree-on-new-rules-to-boost-common-procurement/> (Zugriff am 18.9.2023).

78

 Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, »EDIRPA: Rat ebnet Weg zur Förderung der gemeinsamen Beschaffung in der EU-Verteidigungsindustrie«, Pressemitteilung, Brüssel, 9.10.2023, <https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/10/09/edirpa-council-greenlights-the-new-rules-to-boost-common-procurement-in-the-eu-defence-industry/> (Zugriff am 10.10.2023).

79

 Europäische Kommission/Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen [wie Fn. 73], S. 16.

80

 Aurélie Pugnet, »Breton Confirms Delay of EU Defence Strategy Proposal to 2024«, Euractiv, 17.10.2023, <https:// www.euractiv.com/section/defence-and-security/news/breton-confirms-delay-of-eu-defence-strategy-proposal-to-2024/> (Zugriff am 17.10.2023).

81

 European Commission/High Representative of the Union for Foreign Affairs and Security Policy, Joint Communication to the European Parliament, the Council, the European Eco­nomic and Social Committee and the Committee of the Regions, A New European Defence Industrial Strategy: Achieving EU Readiness through a Responsive and Resilient European Defence Industry, JOIN(2024) 10 final, Brüssel, 5.3.2024, <https://defence-industry-space.ec.europa.eu/document/download/643c4a00-0da9-4768-83cd-a5628f5c3063_en?filename=EDIS%20 Joint%20Communication.pdf> (Zugriff am 22.3.2024).

82

 Vgl. zum Folgenden u.a. Daniel Fiott, »In Every Crisis an Opportunity? European Union Integration in Defence and the War in Ukraine«, in: Journal of European Integration, 45 (2023) 3, S. 447–462, sowie Luigi Scazzieri, Can European Defence Take Off?, London/Brüssel/Berlin: Centre for European Reform (CER), Januar 2024.

83

 Nicole Koenig u.a., Defense Sitters. Transforming European Militaries in Times of War, Special Edition of the Munich Security Report on European Defense, München: Munich Security Conference, Juni 2023, S. 22, <https://bit.ly/4bjhQqg> (Zugriff am 18.9.2023).

84

 Nicole Koenig/Leonard Schütte, »Verteidigungswende jetzt! Wenn Russlands Krieg nicht für einen gemeinsamen Sprung nach vorne sorgt, was dann? Fünf Vorschläge für eine Transformation der europäischen Sicherheitszusammenarbeit«, in: Internationale Politik, 5 (2023), S. 70–75 (70).

85

 Koenig u.a., Defense Sitters. Transforming European Militaries [wie Fn. 83], S. 20f.

86

 Dänemark war zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten nicht Mitglied der EDA. Das Land ist der Agentur erst am 23. März 2023 beigetreten. Vgl. dazu European Defence Agency, »Denmark Joins the European Defence Agency«, Brüssel, 23.3.2023, <https://eda.europa.eu/news-and-events/ news/2023/03/23/denmark-joins-the-european-defence-agency> (Zugriff am 20.9.2023).

87

 European Defence Agency, Defence Data 2020–2021. Key Findings and Analysis, Brüssel 2022, S. 4, <https://eda.euro pa.eu/docs/default-source/brochures/eda---defence-data-2021---web---final.pdf> (Zugriff am 15.9.2023).

88

 Europäische Kommission/Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen [wie Fn. 73], S. 3f.

89

 Die EU-Kommission und der Hohe Vertreter führen in ihrer Analyse der Defizite der Verteidigungsinvestitionen an: »Hätten von 2006 bis 2020 alle Mitgliedstaaten 2% ihres BIP für Verteidigung und davon 20% für Investitionen ausgegeben, wären etwa 1,1 Bio. EUR zusätzlich für Verteidigung aufgewendet worden, darunter Investitionen in Höhe von 270 Mrd. EUR.« Europäische Kommission/Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen [wie Fn. 73], S. 5.

90

 European Defence Agency, Defence Data 2020–2021 [wie Fn. 87], S. 5.

91

 Koenig u.a., Defense Sitters. Transforming European Militaries [wie Fn. 83], S. 24.

92

 Europäische Kommission/Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen [wie Fn. 73], S. 4.

93

 European Defence Agency, Defence Data 2020–2021 [wie Fn. 87], S. 12.

94

 Koenig u.a., Defense Sitters. Transforming European Militaries [wie Fn. 83], S. 38.

95

 European Defence Agency, Coordinated Annual Review on Defence, Brüssel, November 2022, <https://eda.europa.eu/ docs/default-source/eda-publications/2022-card-report.pdf>, S. 6 (Zugriff am 16.10.2023).

96

 Ebd., S. 7.

97

 Bergmann/Besch, »Why European Defense Still Depends on America« [wie Fn. 2].

98

 Max Bergmann/Pierre Morcos/Colin Wall/Sean Monaghan, Transforming European Defense, Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), August 2022 (CSIS Briefs), S. 4, <https://csis-website-prod.s3.amazonaws. com/s3fs-public/publication/220818_Bergmann_ European_Defense.pdf>.

99

 Koenig u.a., Defense Sitters. Transforming European Militaries [wie Fn. 83], S. 28.

100

 Ebd.

101

 Jean-Pierre Maulny, The Impact of the War in Ukraine on the European Defence Market, Paris: Institut de relations inter­nationales et stratégiques (IRIS), September 2023 (Policy Paper), S. 2, <http://www.iris-france.org/wp-content/uploads/ 2023/09/19_ProgEuropeIndusDef_JPMaulny.pdf>.

102

 Koenig/Schütte, »Verteidigungswende jetzt!« [wie Fn. 84], S. 74.

103

 Rat der Europäischen Union, Ein Strategischer Kompass für Sicherheit und Verteidigung [wie Fn. 60], S. 33.

104

 Hubert Wetzel, »Schatzsuche in Brüssel«, in: Süddeutsche Zeitung, 22.3.2024.

105

Walter Russell Mead, »The Jacksonian Tradition: And American Foreign Policy«, in: The National Interest, 58 (1999), S. 5–29.

106

 Vgl. Daniel S. Hamilton, Trump’s Jacksonian Foreign Policy and its Implications for European Security, Stockholm: Swedish Institute of International Affairs, Mai 2017 (UI Brief Nr. 2), S. 2.

107

 Vgl. dazu beispielhaft Sumantra Maitra, Pivoting the US Away from Europe to a Dormant Nato, Washington, D.C.: Center for Renewing America, 16.2.2023 (Policy Brief), <https:// americarenewing.com/issues/policy-brief-pivoting-the-us-away-from-europe-to-a-dormant-nato/>, oder Doug Bandow, »Trump Is Blunt and Right about NATO«, in: The American Conservative, 22.2.2024, <https://www.theamericanconser vative.com/nato-empowers-military-midgets-at-u-s-expense/>.

108

 »Wenn Deutschland oder die Niederlande gelegentlich Fregatten in den Pazifik entsenden, trägt dies in keiner Weise zur Sicherheit Asiens bei und ist auch kein Zeichen für eine intelligente Lastenteilung. Europäische Fregatten auf Patrouille in der Ostsee sind eine bessere Nutzung der knappen Ressourcen.« Maitra, Pivoting the US Away from Europe [wie Fn. 107] (Übersetzung durch die Autoren). Siehe auch Matthias Naß, »Eurofighter nach Hawaii«, in: Die Zeit, 21.3.2024.

109

 »Verbesserte europäische Fähigkeiten und ein stärkerer europäischer Pfeiler in der Nato machen uns auch für die Vereinigten Staaten zu einem stärkeren Partner auf der anderen Seite des Atlantiks – besser ausgerüstet, effizienter und schlagkräftiger, wenn es darum geht, den großen inter­nationalen Herausforderungen zu begegnen.« Emmanuel Macron/Olaf Scholz, »Sieben strategische Ziele zur Stärkung Europas«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.1.2023.

110

 »Die Regierung der Vereinigten Staaten sollte einen vollständigen Rückzug aus der Nato nie vom Tisch nehmen. Die politischen Entscheidungsträger sollten auch bereit sein, von dieser Option Gebrauch zu machen – insbesondere, wenn die europäischen Nato-Mitglieder keine wesent­lichen Schritte unternehmen, um eine Lastenverlagerung zu errei­chen.« Maitra, Pivoting the US Away from Europe [wie Fn. 107].

111

 »EU einigt sich auf 50-Milliarden-Paket für Ukraine«, tagesschau.de, 1.2.2024, <https://www.tagesschau.de/ausland/ europa/orban-eu-gipfel-104.html> (Zugriff am 2.2.2024).

112

 Vgl. beispielhaft Thorsten Frei, »Das Undenkbare denken«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.5.2022.

113

 Siehe dazu ausführlich Lydia Wachs/Liviu Horovitz, Frankreichs Atomwaffen und Europa. Optionen für eine besser ab­gestimmte Abschreckungspolitik, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Januar 2023 (SWP-Aktuell 7/2023), doi: 10.18449/2023A07; Heinrich Brauß, »Erweiterte Nukleare Abschreckung – zur Glaubwürdigkeit der NATO-Strategie im Lichte der russischen Bedrohung«, in: Sirius, 7 (2023) 3, S. 223–236 (233ff), sowie Kjølv Egeland/Benoît Pelopidas, »European Nuclear Weapons? Zombie Debates and Nuclear Realities«, in: European Security, 30 (2021) 2, S. 237–258.

114

 Vgl. Interview mit Herfried Münkler, »Europa muss atomare Fähigkeiten aufbauen«, in: Stern, 29.11.2023.

115

 Vgl. Interview mit Sergey Lagodinsky, »Ein EU-Nuklear­schirm darf kein Tabu sein«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.12.2023, sowie Interview mit Joschka Fischer, »Ich schäme mich für unser Land«, in: Zeit Online, 3.12.2023.

116

 Vgl. dazu Eckhard Lübkemeier, »Aufbruch zu einer europäischen Selbstverteidigungsunion«, in: Internationale Politik, (2024) 1, S. 110–111.

117

 Siehe dazu auch Liviu Horovitz/Elisabeth Suh, Trump II und die nukleare Rückversicherung der Nato, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2024 (SWP-Aktuell 21/2024).

118

 Vgl. dazu Michael Rühle, »Ein ängstliches Unabhängig­keitsbekenntnis führt in die Irre«, in: Internationale Politik, (2024) 1, S. 112–113 (113), sowie Joachim Krause, »Die Idee einer ›europäischen Atombombe‹ ist unrealistisch«, in: Neue Zürcher Zeitung, 9.1.2024. Die grundsätzlich mögliche Option genuin deutscher Nuklearwaffen kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. Vgl. dazu Markus Kaim, »Trump und die deutsche Bombe«, in: Spiegel Online, 21.12.2023, sowie Karl Kaiser/Joachim Krause, »Wie die Angst vor der deutschen Bombe den Deutschen nutzte«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.2.2024.

119

 »Amerika kann die Rolle des Weltpolizisten nicht mehr ausfüllen. Es gibt zu viele Brandherde und zu viele Widersacher, die selbst an Macht gewonnen haben, militärisch wie wirtschaftlich. Der Fokus auf China, den Biden von Trump übernommen hat, ist in Wirklichkeit eine Selbst­beschränkung. In dieser Lage hat Europa die Wahl zwischen zwei Wegen: die Unterordnung unter Russland […] oder die Selbstbehauptung in einer Welt, die nicht im Ansatz so ›regelbasiert‹ ist, wie man das in Deutschland gerne hätte.« Nikolas Busse, »Sicherheit ohne Amerika«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.1.2024.

120

Nato 2022 Strategic Concept [wie Fn. 31], S. 5 (Übersetzung durch die Autoren). Vgl. auch Markus Kaim/Angela Stanzel, Der Aufstieg Chinas und das neue strategische Konzept der Nato, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Januar 2022 (SWP-Aktuell 5/2022), doi: 10.18449/2022A05.

121

 Vgl. dazu Daniel Fiott, »Wann wird Europa reif für Geo­politik?«, in: Internationale Politik, (2024) 1, S. 25–29 (28).

122

 Vgl. Charlie Vest/Agatha Kratz, »Sanctioning China in a Taiwan Crisis. Scenarios and Risks«, Washington, D.C., Juni 2023 (Atlantic Council Report). Siehe auch Sheryn Lee/ Benjamin Schreer, »Will Europe Defend Taiwan?«, in: The Washington Quarterly, 45 (2022) 3, S. 163–182.

123

 Die Frage, welche Rolle amerikanische Heerestruppen aus Europa in einem überwiegend auf See ausgetragenen Konflikt in Asien überhaupt spielen können, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Vgl. »Does the US Army’s Future Lie in Europe or Asia?«, in: The Economist, 19.2.2024.

124

 Vgl. Tuomas Iso-Markku, EU-NATO Relations in a New Threat Environment. Significant Complementarity but a Lack of Strategic Cooperation, Helsinki: The Finnish Institute of Inter­national Affairs (FIIA), 2024 (Briefing Paper Nr. 380), S. 7.

Dieses Werk ist lizenziert unter CC BY 4.0

SWP-Studien unterliegen einem Verfahren der Begut­achtung durch Fachkolle­ginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review), sie werden zudem einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP-Website unter https:// www.swp-berlin.org/ueber-uns/qualitaetssicherung/.
SWP‑Studien geben die Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2024

SWP

Stiftung Wissenschaft und Politik

Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit

Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0
Fax +49 30 880 07-200
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org

ISSN (Print) 1611-6372

ISSN (Online) 2747-5115