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Die internationale Dimension europäischer Klimapolitik

Eine Strategie zur Verzahnung von interner und externer Dimension

SWP-Aktuell 2024/A 67, 17.12.2024, 8 Pages

doi:10.18449/2024A67

Research Areas

Mit dem Green Deal hat die EU in den vergangenen Jahren nicht nur eine deutliche Ambitionssteigerung ihrer Klimapolitik vollzogen, sondern die europäische Klima­innenpolitik um eine internationale Dimension erweitert. Tatsächlich betreffen zahl­reiche Rechtsakte der EU direkt oder indirekt auch internationale Partner. Dennoch werden interne und externe Dimension der Klimapolitik in der neuen EU-Kommis­sion nicht systematisch zusammengeführt, eine strategische diplomatische Flankierung der Maßnahmen ist nicht gegeben. Gerade mit Blick auf die erhöhte Bedeutung von Wettbewerbsfähigkeit und geopolitischen Konstellationen eröffnet sich die Chance für einen neuen Strategieprozess. Dieser könnte dazu beitragen, dass EU-Institutionen und Mitgliedstaaten die externe Dimension koordinieren und eine sinn­volle Weiterentwicklung der europäischen Klimapolitik erreichen.

Mit dem Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission im Dezember 2024 nehmen die konkreten Vorbereitungen für die nächste Phase der EU-Klimapolitik an Fahrt auf. Weil davon auszugehen ist, dass der künftige US-Präsident Donald Trump viele klimapolitische Initiativen der Biden-Regierung rückabwickeln wird, richten sich wieder mehr Augen und Erwartungen auf den Kurs der EU in diesem Bereich. Doch auch diesseits des Atlantiks hat sich die klimapolitische Lage deutlich verändert. Nach den Europawahlen 2019 gab die da­mals neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 100 Tage nach Amtsantritt mit dem europäischen Klimaschutzgesetz den Startschuss für den European Green Deal (EGD). Neben substantiellen Ambi­tionssteigerungen zu den rechtlich binden­den Emissionsreduktionszielen für 2030 und 2050 wurden in der letzten Legislaturperiode auch Weiterentwicklungen der bestehenden Governance-Architektur be­schlossen – trotz großer Krisen wie der Covid-19-Pandemie und der russischen Invasion in der Ukraine. Die Implementierung des Green Deal, für die neben der Kommission auch die Regierungen der Mit­gliedstaaten von großer Bedeutung sind, steht indes noch bevor. Sie fällt nun in ein politisches Umfeld, das sich grundlegend gewandelt hat und einer ehrgeizigen Klima­politik weniger Chancen bietet.

Verzahnung von Klimapolitik und Wettbewerbsfähigkeit

Ein Grund für die neue Lage ist die Krise von Europas Industrie und Wettbewerbs­fähigkeit, die nicht zuletzt durch den Be­richt des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi von September 2024 ins Zentrum der politischen Debatte gerückt ist. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte an, innerhalb der ersten 100 Tage ihrer neuen Amtszeit einen Clean Indus­trial Deal vorzulegen. Dies verdeutlicht ihr Bestreben, die klimapolitischen Fortschritte der vergangenen fünf Jahre jetzt industriepolitisch zu flankieren. Neben der Program­matik von der Leyens signalisiert auch die Zusammensetzung ihres designierten Kom­missionskollegiums, dass wirtschaftliche Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und stra­tegische Autonomie die Agenda der EU bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2029 prä­gen werden. Im neuen Zuschnitt der Auf­gabenbereiche zeigt sich das Bemühen, Klimapolitik künftig stärker mit Wettbewerbsfähigkeit zu verschränken.

Der Zuständigkeitsbereich der spanischen Sozialdemokratin Teresa Ribera lässt besonders deutlich den Versuch erkennen, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zusammenzuführen. Sie wird als erste Exe­kutiv-Vizepräsidentin der Kommission und Leiterin der einflussreichen Generaldirek­tion (GD) Wettbewerb das Portfolio für eine konkurrenzfähige, saubere und faire Trans­formation verantworten. Eng zusammen­arbeiten wird sie mit dem französischen Liberalen Stéphane Séjourné, der Exekutiv-Vizepräsident für Wohlstand und Indus­trie­strategie sowie Chef der GD Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (klei­ne und mittlere Unternehmen) wird. Auf Ebene der nachgeordneten Kom­missare besetzen Wopke Hoekstra (Niederlande, Europäische Volkspartei – EVP) in der GD Klimapolitik, Jessika Roswall (Schwe­den, EVP) in der GD Umwelt, Dan Jørgensen (Dänemark, Socialists & Democrats – S&D) in der GD Energie und Maroš Šefčovič (Slowakei, S&D) in der GD Handel für die klimapolitischen Entwicklungen entscheidende Schnittstellen in der neuen Kommission.

Die drei großen politischen Parteien (EVP, S&D, Renew) übernehmen somit je­weils zentrale klimarelevante Ressorts, um eine ausgewogene Zusammenarbeit an den Schnittstellen sicherzustellen. Doch zeigten schon die intensiven Auseinandersetzungen im Europäischen Parlament bei den Anhö­rungen der designierten Kommissar:innen, dass – wie schon in der vergangenen Amts­zeit – die Komposition der Zuständigkeiten den tatsächlichen Einfluss einzelner GDs und Kommissar:innen zwar vorstrukturiert, umstrittene Fragen bei überlappender Ver­antwortung aber bewusst offen gehalten werden. Sowohl das Fehlen einer klaren Prioritätensetzung als auch die strukturelle Diffusion von Zuständigkeiten dürften die Konflikte in dem rechtsaktlastigen Politik­feld eher verkomplizieren als zu deren Ein­hegung beitragen.

Spannungen zwischen Klima­innen- und -außenpolitik

Nicht ausreichend berücksichtigt in der neuen Struktur sind die Spannungen zwi­schen Klimainnen- und ‑außenpolitik. Im Mandat der EU-Außenbeauftragen Kaja Kallas (Estland, Renew), die als Vizepräsidentin der Kommission auch der GD Inter­nationale Partnerschaften (INTPA) vorsteht, taucht die externen Dimension europäischer Klimapolitik nur am Rande auf. Und das, obwohl im Rahmen des Green Deal in den letzten Jahren Instrumente beschlossen wurden, die zum Teil erhebliche Auswirkungen auf internationale Partner haben und schon jetzt zu diplomatischen Verwer­fungen führen. Weder in den politischen Leitlinien von der Leyens noch in der Struk­tur der neuen Kommission ist erkennbar, dass diese Schnittstelle strategisch und institutionell ausreichend adressiert würde. Zentrale Herausforderung ist also nicht nur die vieldiskutierte Beziehung zwischen den Portfolios Energie- und Klimapolitik (Ribera) sowie Industrie- und Handelspolitik (Séjour­né), sondern auch ihr jeweiliges Ver­hältnis zur Außen- und Entwicklungspolitik (Kal­las). Hier bleibt ein maßgebliches Handlungsfeld ambitionierter Klimapolitik un­besetzt, das gerade im Hinblick auf eine stärkere Verschränkung mit neuen indus­trie- und handelspolitischen Maßnahmen und angesichts der geopolitischen Lage mehr Koordination bedürfte.

Internationale Dimension des European Green Deal

Die Auswirkungen der europäischen Klima­politik auf internationale Partner wurden durch einige Rechtsakte des Green Deal verstärkt. Dabei ergänzen Letztere die EU-Klimapolitik, die häufig in drei Säulen dar­gestellt wird – dies sind erstens der Emis­sionshandel (ETS)-I, zweitens die Effort-Sharing-Verordnung (ESR) und der ETS‑II sowie drittens Landnutzung, Landnutzungs­änderung und Forstwirtschaft (LULUCF). Als konzeptioneller Überblick zeigt Graphik 1 im inneren Kern der europäischen Klima­politik das EU-Klimaschutzgesetz und die drei genannten Säulen, in einem äußeren Ring wiederum eine Auswahl zentraler Rechtsakte aus dem Green Deal, die Ver­pflichtungen für die Mitgliedstaaten enthalten, sich aber auch auf Handelspartner außerhalb des EU-Binnenmarkts auswirken (für eine kurze Erläuterung der Rechtsakte siehe Tabelle 1).

Auswirkungen auf Partnerländer

Aus allen in Graphik 1 gelisteten Rechts­akten ergeben sich für Nicht-EU-Staaten direk­te oder indirekte Kosten und Verpflichtungen. Sie lassen sich in drei Grup­pen auftei­len. Im ersten Fall geht es darum, dass Ab­gaben beispielsweise auf Importe erho­ben oder diese durch höhere Standards ver­teuert werden, um unterschiedliche Wett­bewerbsbedingungen auszugleichen. Dazu gehören etwa die ETS-Schifffahrt-Integra­tion und der CO2-Grenzausgleichs­mecha­nis­mus (CBAM). Mit einer zweiten Gruppe von Maßnahmen wird versucht, die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU durch größere Unabhängigkeit und Resi­lienz zu verbessern. Zu diesem Zweck setzt man etwa auf eine höhere Unabhängigkeit von Energieimporten (REPowerEU) oder auf Zielvorgaben für die Produktion strategisch wichtiger Technologien, mit denen das Netto-Null-Ziel in der EU (NZIA) erreicht werden soll. Eine dritte Kategorie an Maß­nahmen bringt keine direkten Kosten mit sich, wohl aber Dokumentationspflichten, mit denen die Ziele des Green Deal auch für internationale Lieferketten etabliert werden sollen. Hierzu zählen unter ande­rem die Verordnung Entwaldungsfreie Lie­ferketten (EUDR) und die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD).

Implikationen für die EU

Je nach den Folgen der Rechtsakte für Nichtmitgliedstaaten ergeben sich für die EU selbst unterschiedliche Konsequenzen, welche für die außenpolitische Begleitung richtungsweisend sind. Drei Aspekte lassen sich unterscheiden. Erstens erschwert der zunehmende internationale Widerstand – wie etwa durch Brasilien im Falle der Ent­waldungsverordnung – schon jetzt die Gestaltung oder Umsetzung der genannten Rechtsakte. Die USA unter einer Trump-Präsidentschaft könnten auf die Methan-Regulierung oder den CBAM mit asym­metrischen Gegenmaßnahmen reagieren.

Zweitens verschlechtern sich die Bedingungen für internationale Klimakoopera­tion gerade dort, wo wirtschaftsschwache Entwicklungsländer von den Rechtsakten berührt sind. Denn hier droht das Vertrauen in die EU als Vorreiter und fairen Ver­mittler in internationalen Formaten unter­graben zu werden. Brüssel hat es etwa verpasst, den CBAM kompatibel mit den Entwicklungsinteressen von Partnerländern zu gestalten. So unterblieb es, ärmere Län­der entweder auszunehmen oder zusätz­liche Exportkosten durch gezielte Unterstützung der betroffenen Sektoren auszu­gleichen.

Drittens droht es die EU außenpolitisch insgesamt zu schwächen, dass der inter­nationalen Dimension des Green Deal eine strategische diplomatische Flankierung fehlt. Maßnahmen wie der CBAM und die EUDR ziehen deutliche Kritik von großen Schwellenländern wie Brasilien, Indonesien oder Südafrika auf sich – ebenjenen Län­dern, die die EU angesichts der geopolitischen Situation eigentlich als Partner in anderen Politikfeldern gewinnen will.

Graphik 1

Graphik 1: Konzeptioneller Überblick - Externe Dimension europäischer Klimapolitik

Interne Hürden für die Integration von Klimainnen- und -außenpolitik

Am Beispiel des CO2-Grenzausgleichs­mecha­nismus wird deutlich, dass die bishe­rige institutionelle Logik der zuständigen GDs nicht angemessen funktioniert. An der Schnittstelle von europäischer und inter­nationaler Klimapolitik führen unklare Zu­ständigkeiten, unterschiedliche EU-interne Zielvorstellungen und eine Ad-hoc-Diplo­matie zu enormem Widerstand in Partnerländern.

Innerhalb der Kommission sind eine Vielzahl von Generaldirektionen an der EU-Klimadiplomatie beteiligt. Die zentralen Akteure sind GD Klimapolitik, die jenseits ihrer innenpolitischen Kompetenzen auch für internationale Klimaverhandlungen und ‑partnerschaften zuständig ist, der Europäische Auswärtige Dienst (EAD), der die außenpolitischen Aktivitäten der EU

Tabelle 1

Erläuterung der Rechtsakte

Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), CO2-Grenzausgleichssystem

CO2-Grenzausgleichssystem zur Bepreisung von CO2 in importierten Produkten (Strom, Zement, Stahl, Aluminium, Düngemittel und Wasserstoff) mit Berichts- und Zahlungsverpflichtungen für Importeure.

Critical Raw Materials Act (CRMA), Verordnung zu kritischen Rohstoffen

Europäisches Rohstoffgesetz mit dem Ziel, eigene Kapazitäten aufzubauen und interne wie externe Lieferketten resilienter zu gestalten, unter anderem durch Richtwerte, Stresstests, Partnerschaften.

Net-Zero Industry Act (NZIA), Netto-Null-Industrie-Verordnung

Verordnung mit dem Ziel, 2030 bei definierten Netto-Null-Technologien min­destens 40 Prozent der europäischen Nachfrage aus eigener Produktion zu decken. Bis 2040 soll ein globaler Marktanteil von 15 Prozent erreicht werden. Zudem Nachhaltigkeits- und Resilienzkriterien in öffentlichen Ausschreibungen sowie Bürokratieabbau.

REPowerEU

Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine. Ziel ist, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland durch Diversifizierung der Versorgung, durch Energiesparen und eine beschleunigte Energiewende zu beenden. Der Fokus liegt auf der Stärkung der strategischen Autonomie der EU im Energiesektor.

Schifffahrt im Emissionshandelssystem-1

Seit 2024 umfasst der EU-ETS auch CO2-Emissionen großer Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von mehr als 5.000 (ab 2026 zudem Methan und Lachgas). Bei Fahrten von bzw. mit einem Ziel außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) werden 50 Prozent der Emissionen abgedeckt, Fahrten innerhalb des EWR mit 100 Prozent (sukzessive Einführung bis 2027).

Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), Europäische Lieferkettenricht­linie

Die Richtlinie zielt darauf, nachhaltiges unternehmerisches Handeln in eige­nen Geschäftsfeldern und in globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. Zu diesem Zweck sollen innerhalb und außerhalb Europas nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt reduziert werden. Für verursachte Schäden können Firmen haftbar gemacht werden. Die Regeln gelten zeitlich gestaffelt (2026–2029) für zunehmend mehr Unternehmen, je nach Mitarbeiterzahl und Umsatz innerhalb der EU.

Methan-Verordnung

Seit 2024 verpflichtet die neue Verordnung die europäische Gas-, Öl- und Kohleindustrie, ihre Methanemissionen aus der Bereitstellung fossiler Brennstoffe zu messen, Leckagen schnell zu beseitigen und das Ablassen und Ab­fackeln von Gasen zu verringern. Es gelten schrittweise strengere Anforderungen für Importe. Sichergestellt werden soll, dass auch außerhalb der EU nach und nach äquivalente Überwachungs-, Berichterstattungs- und Überprüfungspflichten wie bei EU-Betreibern angewandt werden.

EU Deforestation Regula­tion (EUDR), Verordnung Entwaldungsfreie Lieferketten

Die Verordnung zielt darauf ab, dass bestimmte Waren, die in der EU in Ver­kehr gebracht werden, dort und anderswo in der Welt nicht zu Entwaldung und Waldschädigung beitragen. Sie umfasst die Produkte Palmöl, Rindfleisch, Soja, Kaffee, Kakao, Holz und Kautschuk sowie daraus hergestellte Erzeugnisse. Händler müssen nachweisen, dass die Produkte entwaldungsfrei sind. Die Um­setzung ist bis Anfang 2026 ausgesetzt.

koordinieren soll, und DG Internationale Partnerschaften, die eine zentrale Rolle gegenüber Entwicklungsländern und im Bereich Klimafinanzierung spielt – mit Formaten wie Global Gateway und den Just Energy Transition Partnerships (JETPs).

Klar wird angesichts der Kompetenz­aufteilung und des »Mission Letter« der Kommissionspräsidentin an Kaja Kallas aber auch, dass Klimadiplomatie und Außenpolitik der EU weiter in getrennten Sphären ablaufen werden. Eine stärkere Integration ist damit strukturell erschwert. Dabei wäre eine verstärkte Koordinierung gerade im Lichte der Zuständigkeiten inner­halb der EU – wo Außenpolitik vor allem durch Mitgliedstaaten, Klimapolitik aber maßgeblich auf Unionsebene bestimmt wird – von besonderer Bedeutung. Eine zu­sätzliche Herausforderung bildet die inter-institutionelle Position des EAD, dessen Rolle unklar ist, was die neue Wirtschaftsaußenpolitik und Fragen der wirtschaft­lichen Sicherheit angeht.

Jenseits der GDs müssten weitere europäische Institutionen besser einbezogen wer­den. Auch das EU-Parlament gehört dazu, das bei klimadiplomatischen Aktivitäten zwar nur eine Nebenrolle spielt, in der Ge­setzgebung zum Green Deal aber ein wich­tiger Akteur ist. Für einen solchen Ansatz braucht es einen politisch-strategischen Rahmen, der neben inhaltlichen Zielen auch Prinzipien der Zusammenarbeit vor­gibt. Die Schlussfolgerungen der Ratsformation für Auswärtige Angelegenheiten (FAC), die jährlich die Energie- und Klimadiplo­matie-Prioritäten der EU definieren, gehen theoretisch in diese Richtung. In der Praxis fungieren sie allerdings selten als tatsäch­liche Grundlage für EU-weites Handeln und lösen keine Koordinationsprobleme zwi­schen den GDs der Kommission. In Ab­wesenheit einer übergreifenden Strategie dominieren Prioritäten, die sich aus der Logik einzelner Institutionen oder GDs er­geben. An die Partner der EU gelangen da­mit widersprüchliche Signale zur externen Dimension europäischer Klimapolitik.

Eine außenpolitische Flankierung des European Green Deal

Da die Bedeutung der europäischen Wett­bewerbsfähigkeit gestiegen ist, steht die Klimapolitik unter einem stärkeren Recht­fertigungsdruck als in den vergangenen fünf Jahren. In der strategischen Verknüpfung von Klimainnen- und -außenpolitik liegen dabei zwei Chancen. Zum einen können Synergien zwischen Green-Deal-Beschlüssen und internationaler Wettbewerbsfähigkeit identifiziert und durch neue Initiativen vorangetrieben werden. Gerade bei strategisch wichtigen Technologien und Lieferketten, die für die Transition zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen rele­vant sind, besteht hier großes Potential. Zweitens bietet eine strukturierte Bearbeitung der externen Dimension europäischer Klimapolitik einen wichtigen Ansatzpunkt, damit neue Instrumente wie der CBAM bei Partnern nicht primär als Quelle der Irrita­tion wirken, sondern als Bestandteil neuer Allianzen dienen können, indem sie diplo­matisch flankiert und in breitere Initiativen eingebettet werden.

Außenpolitische Instrumente

Der EU steht eine Vielzahl an Instrumenten zur Verfügung, die effektiver zur diplomatischen Begleitung europäischer Klima­politik genutzt werden könnten. Bestehende Instrumente sollten gestärkt und konse­quenter an bereits im Green Deal beschlos­sene Rechtsakte ausgerichtet wer­den; neue Instrumente gilt es von Beginn an ent­spre­chend zu konzipieren.

Die Global-Gateway (GG)-Initiative zielt etwa schon darauf ab, den zunehmenden Fokus der EU auf Wettbewerbsfähigkeit und strategische Interessen mit dem Engagement für die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zu verbinden. Im Vergleich zu anderen Infrastrukturprojekten wie der chinesischen Belt and Road Initiative (BRI) ist das angekündigte Budget von GG, das 300 Milliarden Euro bis 2027 umfasst, allerdings gering. Überhaupt ist Global Gateway von Fragmentierung und Strategielosigkeit geprägt. Abgesehen davon, dass für GG keine neuen EU-Mittel zur Verfügung stehen, besteht Zweifel, ob die Brüsseler Garantien tatsächlich private Investitionen in der anvisierten Höhe von 135 Milliarden Euro anlocken können.

Zusammen mit den angekündigten Partnerschaften für sauberen Handel und Investitionen (Clean Trade and Investment Partnerships, CTIP) könnte eine gestärkte GG-Initiative das beschädigte Vertrauen in die EU als Vorreiter und fairen Vermittler erneuern. Dazu müsste Global Gateway die EU-Interessen in den Bereichen Handel und Investitionen besser mit Entwicklungs- und Klimazielen in Einklang bringen. Erforderlich dafür wäre wiederum, die Prioritäten der Partnerländer vermehrt zu berücksichtigen und die Koordinierung zwischen den involvierten EU-Institutionen, den Mitglied­staaten und den Finanzinstituten zu ver­bessern. Gerade im Hinblick auf den stärker wettbewerbspolitischen Fokus der Kommission können beide Instrumente strategischer eingesetzt werden, um beispielsweise den Widerstand gegen CBAM oder EUDR zu verringern. Die CTIP sollten hier ein um­fas­sendes und klares Angebot an ausgewählte Länder machen, das bestehende Initiativen einbindet.

Hierfür wären länderspezifisch differenzierte Ansätze wünschenswert, doch solche gestalten sich schwierig angesichts der viel­fältigen Allianzen von EU-Mitgliedstaaten mit Partnerländern und häufig stark diver­gierender Interessen, etwa was den Umgang mit China betrifft. In der Konsequenz bleibt für Partnerländer häufig unklar, worin der Mehrwert einer Zusammenarbeit mit der EU liegt, so dass bilaterale Kooperationsformate der Mitgliedstaaten als vielversprechender angesehen werden. Die Mitglieder der Group of Friends for an Ambitious EU Climate Diplomacy, darunter Deutschland, sollten es sich zu einem Schwerpunkt machen, existierende Zielkonflikte offen­zulegen, Interessenunterschiede zu mini­mieren und sicherzustellen, dass die jewei­ligen Kooperationsformate der EU-Staaten stärker als bisher berücksichtigt werden.

EU-interne Zusammenarbeit

Da weder Global Gateway (für das GD INTPA zuständig ist) noch die CTIP (GD TRADE) hauptverantwortlich im Cluster von Kom­missarin Teresa Ribera liegen, sind eine Zusammenarbeit über Generaldirektionen hinweg und eine klare Verteilung von Kom­petenzen notwendig, etwa dem Ansatz der Team-Europe-Initiative folgend. Eine stär­kere Einbindung und ein proaktives Enga­gement der EAD-Delegationen in ausgewählten Partnerländern können die Koor­dination unterstützen.

Als ersten Schritt erhielt Ribera mit von der Leyens »Mission Letter« das Mandat, eine »Vision für die Klima- und Energie­diplomatie« zu entwickeln. Dieses Leitbild sollte die außenpolitische Flankierung des European Green Deal als Ausgangspunkt nehmen. Es könnte auch als Anstoß für eine Reihe informeller Inter-GD-Koopera­tionsformate auf Arbeitsebene genutzt werden, um innerhalb von Riberas Cluster systematisch durch Zielkonflikte zu navi­gieren. Darauf aufbauend sollte die Euro­päische Kommission einen breiteren Strate­gieprozess anstoßen; die Erfahrungen mit der deutschen Klimaaußenpolitik-Strategie ließen sich hier als Referenz und Ideen­ge­ber nutzen. Die im Anschluss an die 2040-Ziel-Empfehlung neu geschaffene Taskforce zu internationaler CO2-Beprei­sung und CO2-Markt-Diplomatie wiederum könnte ein Impulsgeber und Startpunkt für eine wei­tere Taskforce mit breiterem Mandat sein. Dieser Prozess sollte alle EU-Institutionen und auch die Regierungen der Mitglied­staaten einbeziehen. Zur Umsetzung der Strategie könnte die Kommission ein ko­ordinierendes Gremium auf hoher Ebene einsetzen, ähnlich der deutschen Staats­sekretärsrunde für die Klimaaußenpolitik.

Im Europäischen Parlament könnte sich eine ausschussübergreifende Arbeitsgruppe bilden, bestehend aus Vertreter:innen der Ausschüsse für auswärtige Angelegenhei­ten (AFET), für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI), Industrie, Forschung und Energie (ITRE) sowie internationalen Handel (INTA). Damit ließe sich eine Plattform für den Austausch und neue Initiativen hinsichtlich der außenpolitischen Dimension europäischer Klimapolitik etablieren.

Schließlich wird es auch darum gehen, die klimaaußenpolitischen Aktivitäten der Mitgliedstaaten regelmäßig zu sammeln und dann auf Synergien sowie etwaige widersprüchliche Aktivitäten und politische Prioritäten hin zu analysieren. Hierzu be­darf es klarer Zuständigkeiten bzw. einer strukturierten Zusammenarbeit zur Klima­diplomatie zwischen den Ratsformationen auswärtige Angelegenheiten, Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt und gegebenenfalls Ver­kehr, Telekommunikation und Energie. Darüber hinaus wäre denkbar, die natio­nalen Energie- und Klimapläne, die regel­mäßig zu aktualisieren sind, künftig um eine klimaaußenpolitische Dimension zu ergänzen. Sie könnten so als Monitoring-Instrument und Ausgangspunkt für die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten genutzt werden und europäische wie natio­nale Initiativen anstoßen.

Die neue Kommission sollte erste Schritte zur Verwirklichung der genannten Vor­schläge frühestmöglich und im Kontext des Clean Industrial Deal einleiten, der für die ersten 100 Tage nach Amtsantritt angekündigt wurde. Möglichkeiten zur Umsetzung bieten auch das 2040-Reduktionsziel und das darauf folgende Legislativpaket für die Fortschreibung der Klimapolitik nach 2030 und für das 2040-Reduktionsziel, ebenso der nationale Klimabeitrag der EU für das Pariser Abkommen.

Ole Adolphsen ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen und im Projekt »Klimaaußenpolitik und Mehrebenengovernance«. Jule Könneke ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen und Leiterin des Projekts »Deutsche Klimadiplomatie im Kontext des European Green Deal«. Dr. Felix Schenuit ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe EU/Europa und im Projekt »Hochskalieren von CO-Entnahme (UPTAKE)«. Alle Autor:innen sind Mitglieder des Forschungsclusters Klimapolitik.

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