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Die Entscheidung zum Kauf von F-35-Kampfjets für die Luftwaffe

Herausforderung für die Integration und die Weiterentwicklung europäischer Luftkampfsysteme

SWP-Aktuell 2023/A 23, 27.03.2023, 5 Pages

doi:10.18449/2023A23

Research Areas

Das Bundesverteidigungsministerium hat 35 amerikanische Kampfflugzeuge als Nach­folger für die veralteten Tornado-Kampfjets bestellt. Damit wird die Fortsetzung der nuklearen Teilhabe gesichert. Gleichzeitig werden dem Eurofighter neue Aufgaben im elektronischen Kampf übertragen. Die Einführung der F-35 droht das anvisierte »Future Combat Air System« zu verdrängen, das Deutschland, Frankreich und Spanien gerade gemeinsam entwickeln. Den Konflikt, der mit der Integration der Systeme verbunden ist, kann Deutschland nur im Austausch mit seinen Partnern lösen.

Ab 2026 erhält die deutsche Luftwaffe die ersten Kampfflugzeuge des Typs F-35A Light­ning II. Für rund 10 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen hat das Bundesverteidi­gungsministerium ein Gesamtpaket erwor­ben, das 35 Flugzeuge, Ersatzteile, Wartungsmaßnahmen und ein umfangreiches Sortiment an Waffen umfasst. 8,3 Milliarden Euro hat der Haushaltsausschuss bereits bewilligt. Für die restlichen rund 1,7 Milliarden Euro wird ein weiterer Beschluss benötigt, sobald das US-Angebot vorliegt. Erstmals wurde ein Flugzeug mit einem vollständigen Servicepaket gekauft. Dies soll eine reibungslose Einführung des neuen Systems ermöglichen. Die deutschen Piloten und Techniker müssen an den Ma­schinen aus­gebildet, die Infrastruktur am Standort Büchel umgebaut werden. Das Luftfahrtamt der Bundeswehr hat sicherzustellen, dass die Zulassung für die Teilnahme am Luftverkehr fristgerecht erfolgt.

Mit der Entscheidung für den Kauf von F‑35 wurde gleichzeitig beschlossen, 15 Euro­fighter mit der Befähigung zur elek­tronischen Kampfführung zu beschaffen. Diese sollen elektronische Aufklärung leis­ten, Schutz- und Gegenmaßnahmen gegen elektromagnetische Angriffe durchführen und feindliche Systeme stören.

Der Eurofighter, der seit Anfang der 2000er Jahre in der Bundeswehr eingesetzt wird, ist ein Mehrzweckkampfflugzeug, das feindliche Flugzeuge und Bodenziele bekämpfen kann. Derzeit verfügt die Bun­deswehr über 138 Maschinen. Die geplante Weiterentwicklung des Eurofighters soll nun erfolgen, die weiterentwickelten Sys­teme müssen ihre militärische Leistungs­fähigkeit unter Beweis stellen.

Bis zum Jahr 2030 müssen die Eurofighter und die F-35 die bisherigen Aufgaben des Tornados übernehmen. Obwohl das Lauf­zeitende des Tornados bekannt ist, wurde die Entscheidung, ein Nachfolgesystem zu bestellen, aus politischen Gründen lange Zeit aufgeschoben. Zunächst traf die große Koalition keine Entscheidung, und nach­dem die Bundesregierung sie getroffen hatte, bemühte sie sich darum, die Beziehungen zu Paris, mit dem das »Next Generation Weapon System« (NGWS) entwickelt wird, so wenig wie möglich zu belasten.

Die Einführung der F-35 sorgt für eine zeitnahe Modernisierung der Luftwaffe. Die Entscheidung, den Eurofighter weiter­zuentwickeln, bietet die Chance, Fähigkeiten der elektronischen Kampfführung in Europa verfügbar zu machen und Schlüsseltechnologien für die Zukunft vorzuhal­ten. Die Risiken eines teuren Misserfolgs – der etwa darin bestehen könnte, militäri­sche Fähigkeiten zu erwerben, die unzu­reichend sind – müssen durch ein hohes Maß an Kontrolle bei den Entwicklungsschritten und Systemanpassungen mini­miert werden, die durch Expertise in der Luftwaffe gewährleistet werden könnten.

Fähigkeitstransfer

Nach dem Ende der Laufzeit des Tornados müssen F-35 und Eurofighter vier wesent­liche Aufgaben übernehmen.

1) Die F-35 wird die Fortsetzung der nu­klearen Teilhabe sicherstellen. Dazu bedarf es einer Zertifizierung der Luftfahrzeuge durch die US-Behörden, die Anfang 2024 erfolgen soll. Mit der F-35 wird Deutschland neben Belgien, Italien und den Nieder­landen, die in die nukleare Teilhabe ein­gebunden sind, über den gleichen Flugzeugtyp verfügen.

2) Die Wahrnehmung der Aufgaben Luftkampf und Unterdrückung feindlicher, bodengebundener Luftverteidigung werden sich die Eurofighter und die F-35 teilen. Für die F-35 wurde zu diesem Zweck eigens ein großes Sortiment an Lenkflugkörpern bestellt. Der Eurofighter muss weiterentwickelt werden, um bodengebundene Luft­verteidigungsmittel effektiver bekämpfen zu können. Dabei geht es für die Kampfflugzeuge darum, die gegnerischen Systeme zu lokalisieren und zu zerstören bzw. von deren Einsatz abzuhalten. Dies ist in einem Konflikt insofern besonders wichtig, als da­durch überhaupt erst ermöglicht wird, dass die eigenen Flugzeuge den Feind effektiv bekämpfen und über Feindgebiet agieren können.

3) Die Aufgabe der optischen und Infrarot-Aufklärung hat der Eurofighter bereits erfolgreich übernommen. Die mit seiner Hilfe generierten Aufklärungsergebnisse sind Grundlage für den Einsatz weiterer militärischer Mittel.

4) Als neue und zusätzliche Aufgabe ist für den Eurofighter das »Escort-Jamming« vorgesehen. Dabei soll er sich selbst wie auch von ihm begleitete Luftfahrzeuge befreundeter Streitkräfte vor elektromag­netischen Bedrohungen schützen. Bislang besitzt kein Flugzeug der deutschen Luft­waffe diese Fähigkeit im gewünschten Maße. Diese Aufgabe wird jedoch in Zu­kunft für die Durchführung militärischer Luftoperationen an Bedeutung gewinnen.

Standardflieger

Mit über 500 bestellten Maschinen hat sich die F-35 zu einem »Standardflieger« der europäischen Luftstreitkräfte entwickelt. Großbritannien und Italien haben sich früh für die Einführung der F-35 entschieden. Ita­lien verfügt als enger Kooperationspartner der USA sogar über eine eigene Produktions­stätte. Hier können bis zu 15 Maschinen jährlich gebaut werden. Damit ist Italien neben Japan einer von nur zwei Produk­tionsstandorten außerhalb der USA, an denen die Gesamtfertigung erfolgt.

Die zehn europäischen Nutzer der F-35 (siehe Schaubild) werden ein Netzwerk bil­den, das sich in viel­facher Hinsicht positiv auf den Einsatz der Maschinen auswirken wird.

Das Waffensystem ist dafür konzipiert, Informationen und Daten während des Flu­ges zu sammeln und auszutauschen. Diese Fähigkeit ist insofern neu, als die F-35 nicht nur wie ältere Flugzeugmodelle Informatio­nen von anderen Systemen aufnimmt und dem Piloten anzeigt, sie kann diese Infor­mationen auch in einem Verbund mit an­deren Maschinen verarbeiten und zu einem Gesamtlagebild zusammenfügen. Dieser tech­nische Vorteil wird zusehends ausgeprägter, weil immer mehr Maschinen in der Nato und in Europa eingesetzt werden. Die dar­aus resultierende Informationsüberlegen­heit führt zu einer Wirkungsüberlegenheit auf dem Gefechtsfeld. Die aufbereiteten Informationen kann die F-35 auch älteren Kampfjets wie dem Eurofighter zur Verfü­gung stellen und damit deren Einsatzwert steigern.

Schaubild

Europäische Nutzer des F-35-Kampfjets

Das gemeinsame Training mit den Maschi­nen wird darüber hinaus die Fähigkeiten der europäischen Luftwaffen verbessern. Zu diesem Zweck bietet Italien über eine Ope­ra­tional Training Infrastructure den Nut­zern die Möglichkeit, ihre Verfahren und den Umgang mit den Maschinen zu opti­mieren.

Ein logistisches Konzept des Herstellers soll sicherstellen, dass sich die europäischen Nutzer auf eine hohe Einsatzbereitschaft des Systems verlassen können.

Die Entscheidung, die F-35 in der deutschen Luftwaffe zu nutzen, ist militärisch sinnvoll, weil die Fähigkeiten dieses Sys­tems derzeit konkurrenzlos sind. Neuartig sind die Tarnkappeneigenschaft und die Möglichkeit, Daten zu transferieren und zu verarbeiten. In der Folge wird sich die Art und Weise verändern, wie Luftoperationen durchgeführt werden. Würden die F‑35 nicht eingeführt, könnten Aufgaben, die im Be­drohungsspektrum höchste Anforderungen stellen, militärisch nicht oder nur mit erhöh­ter Gefahr von Verlusten erfüllt werden. Die Beschaffung sorgt nicht zuletzt dafür, dass durch die Nutzung der F-35 der Anschluss an den fortgeschrittensten Stand der Fähig­keiten im Nato-Bündnis hergestellt wird.

Herausforderungen der Zukunft

F-35

Durch den Kauf der Flugzeuge werden die bilateralen Beziehungen Deutschlands mit den USA gestärkt. Indem sie das gleiche System nutzen, werden die beiden Luft­waffen enger zusammenarbeiten.

In Europa wird die Auswahlentscheidung für die F-35 mit gewissen Erwartungen zur Kenntnis genommen. Paris möchte ein­deutige Zusagen, dass die Beschaffung der F-35 das gemeinsame Projekt »Future Com­bat Air System« (FCAS) und die darin ent­haltenen fliegenden Plattformen NGWS nicht gefährdet. Sollte die gemeinsame Ent­wicklung eines Kampfflugzeugs der 6. Gene­ration hinter den Erwartungen zurückbleiben, hätte die deutsche Luftwaffe mit der F‑35 eine Rückfalloption. Paris und Madrid, mit denen gemeinsam entwickelt wird, hätten dann ein ernsthaftes Problem. Sie müssten den Ausfall in sehr kurzer Zeit und gegen industriepolitische Widerstände im eigenen Land wettmachen. Hier gilt es, an der klaren deutschen Position festzuhalten, dass die Anschaffung der F-35 keine Auswirkungen auf die europäische Kampf­jetentwicklung hat. Diese Auswirkungen werden aber nur dann zu vermeiden sein, wenn langfristig ausreichend Finanzmittel und Personal für die Planungsaufgaben verfügbar sind.

Vollständig voneinander trennen lassen sich der Kauf des US-Flugzeugs und die europäische Entwicklung des FCAS jedoch nicht. So ist denn auch die Frage zu klären, wie die F‑35 in den Systemverbund des FCAS integriert werden soll. Um diese Inte­gration zu ermöglichen, werden viele sen­sible Daten des US-Kampfjets benötigt, welche die US-Seite aktuell aber nicht teilt. Nur mit einer ausführlichen und detaillierten Doku­mentation dieser Daten lässt sich gewährleisten, dass eine vollständige Inte­gra­tion hergestellt werden kann.

Sollte dies nicht gelingen, könnten die deutschen Partner die Gleichung umdrehen und fordern, FCAS mit seinem NGWS in die Weiterentwicklung der Combat-Cloud der F-35 zu integrieren. Das könnte vermutlich von US-Seite über eine Nato-Standardisie­rung initiiert werden, denn die US-Industrie arbeitet gemeinsam mit den amerikanischen Streitkräften intensiv an der Entwicklung von Waffensystemen der Zukunft. Gleich­zeitig erforschen diese, wie die für das Gefechtsfeld relevanten Systeme und Infor­mationen in einem Verbund ähnlich wie bei FCAS zusammengeschlossen werden könnten.

Eurofighter

Im Zuge der Weiterentwicklung muss der seit Jahren in der Luftwaffe geflogene Euro­fighter um zwei wesentliche Fähigkeiten bereichert werden. Erstens muss er für die Unterdrückung der bodengebundenen Luft­verteidigung mit besserer Sensorik zur Erfas­sung der feindlichen Stellungen und mit einem geeigneten Lenkflugkörper ausge­stattet werden. Zweitens muss er befähigt werden, feindliche Kräfte im elektromagnetischen Spektrum (»Jamming«) zu stören. Dazu braucht er Störsysteme, die es ermög­lichen, Radargeräte und Kommunikations-systeme feindlicher Kräfte in unterschiedli­chen Frequenzbereichen zu beeinträchtigen.

Auf diese Weise ließen sich Schlüssel­technologien und wichtige Weiterentwick­lungen im Bereich der elektronischen Kampf­führung in Europa etablieren. Darauf könnte in weiterführenden Entwicklungen wie dem NGWS zurückgegriffen werden.

Gleichzeitig sind mit diesen Entwicklungsmaßnahmen Risiken verbunden. Die Integration geeigneter Systeme in ein vorhandenes Flugzeug ist technisch sehr aufwendig und dauert aufgrund der not­wendigen Zertifizierung längere Zeit. Zu berücksichtigen ist dabei nicht nur der Einbau und die Anbringung am Luftfahrzeug, sondern auch die vollständige Soft­warearchitektur des Systems.

Der Eurofighter wird mit internationalen Partnern betrieben. Ein deutscher Alleingang bei der eben beschriebenen Weiter­entwicklung ist insofern nicht zielführend. Mit welchen Anreizen die Einbindung der anderen Nutzer ermöglicht werden könnte, bleibt noch zu ermitteln.

Die Industrie ist nun in Zusammenarbeit mit der Luftwaffe gefordert, Lösungen zu erarbeiten, die auf dem neuesten Stand der Technik, umsetzbar und militärisch sinn­voll sind. Umfassende Erfahrungen, an die angeknüpft werden könnte, gibt es nicht. Sollten die Entwicklungen nicht erfolgreich sein, wird sich die Frage stellen, warum nicht auf ein etabliertes System aus den USA zurückgegriffen wurde. Ein solches wäre mit der EA-18G Growler, die auf dem bewährten Mehrzweckkampfflugzeug F-18 beruht, im Markt verfügbar gewesen.

Fazit

Mit der Kombination aus F-35-Kampfflug­zeugen und Eurofightern ist die deutsche Luftwaffe gut für die Zukunft aufgestellt. Die Beschaffung der amerikanischen Mehrzweckkampfflugzeuge ist mehr als nur ein sichtbares Zeichen an die Verbün­deten, denn die Entscheidung für den Kauf der F-35, inklusive eines umfangreichen Waffenpakets, sorgt für den Ausbau der bisherigen Fähigkeiten. Das Vorhaben, 15 Eurofighter für den elektronischen Kampf weiterzuentwickeln, ist im Kontext des an­gestrebten Systemverbunds eine heraus­fordernde Aufgabe für Industrie und Luft­waffe. Sie bietet Chancen, ist aber auch mit Risiken behaftet.

Bei der gemeinsamen Entwicklung des FCAS kann die deutsche Luftwaffe als ein­ziger der drei Partner künftig Erfahrungen aus der Nutzung eines Kampfjets der neues­ten Generation einbringen. Gleichzeitig gilt es zu verhindern, dass durch den Kauf der F-35-Flugzeuge die Gefahren eines Scheiterns von FCAS vergrößert werden. Eine früh­zeitige Abstimmung mit den USA und den europäischen Verbündeten über Mög­lichkeiten der Integration der unterschied­lichen Systeme ist eine herausfordernde Aufgabe, die aber in Angriff genommen werden muss.

Die Entscheidung zum Kauf der F-35 hat mittelfristig Folgen für die Finanzierung der Bundeswehr. Unter den gegebenen Rah­menbedingungen muss der Verteidigungshaushalt deutliche Steigerungen erfahren, damit der Betrieb der aufwendigen Systeme ebenso sichergestellt werden kann wie das Training des Personals. Sonst droht ein Kon­flikt zwischen dem Betrieb der F-35 und der FCAS-Entwicklung, die nach aktuellen Be­rechnungen insgesamt 100 Milliarden Euro kosten soll.

In Zukunft muss Deutschland eigene Interessen klarer benennen, damit weit­reichende Entscheidungen besser vorbereitet werden können.

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz benannte Zeitenwende bietet die Möglichkeit, sicherheitspolitisch selbstbewusster zu denken und zu handeln als bisher.

Oberstleutnant i. G. Torben Arnold ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik.

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