Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause 2021 der Anschaffung von fünf Flugzeugen P-8A Poseidon für 1,43 Milliarden Euro zugestimmt. Dieses Flugzeug erfüllt alle technischen und operativen Anforderungen, die an einen modernen Seefernaufklärer der Marine gestellt werden. Die Anschaffung behebt nicht nur einen kurzfristig aufgetretenen Mangel an entsprechenden Luftfahrzeugen, sondern schließt auch eine Lücke in der Aufklärung. Notwendig geworden ist dies durch die militärischen Aktivitäten, die Russland im arktisch-nordatlantischen Raum entfaltet. Dort spielt Deutschland eine besondere geostrategische Rolle. Darum sollte es seine maritimen und militärischen Fähigkeiten weiterentwickeln.
Das Verhältnis des Westens zu Russland ist auf einem Tiefpunkt. Spürbar ist dies vor allem im arktisch-nordatlantischen Raum (siehe Karte, S. 2), also dem maritim geprägten Gebiet zwischen Norwegen, Dänemark sowie Grönland, dem Vereinigten Königreich, Island und der kanadischen Ostküste. Dort hat der Nato-Staat Norwegen eine kurze, aber direkte Landgrenze und eine lange gemeinsame Seegrenze mit Russland. Im selben geografischen Raum justieren Finnland und Schweden, die nicht der Allianz angehören, ihren künftigen sicherheitspolitischen Kurs gegenüber Moskau neu. In Helsinki hält man sich die Nato-Mitgliedschaft offen, und in Stockholm hat das Parlament im Dezember 2020 mit großer Mehrheit für eine »Nato-Option« gestimmt.
Nach wie vor erbringen die USA eine verlässliche Sicherheitsleistung für eine stabile Nordflanke der Nato. Damit konnte die Dreiheit von Abschreckung, Verteidigung und Dialog jahrzehntelang ungeschmälert aufrechterhalten werden. Die Beziehungen des Westens zu Russland haben sich unterdessen erheblich verschlechtert.
Norwegen bewertete den arktischen Raum noch vor wenigen Jahren grundsätzlich als Region der Kooperation. Traditionell versucht Oslo eine Gleichgewichtspolitik zwischen Abschreckung und Zusammenarbeit zu betreiben. Nach 2014 ist dieser Ansatz aufgrund der veränderten Sicherheitslage schwieriger geworden. In der letzten Version seines Langzeit-Verteidigungsplans 2020 musste Norwegen anerkennen, dass der Hohe Norden (wie die europäische Arktis oft genannt wird) zu einem Schauplatz der Großmachtrivalität und damit zunehmender Instabilitäten geworden ist.
Norwegen versteht sich selbst als Auge und Ohr der Nato und investiert daher beträchtliche Summen in die Aufklärung. Ausgehend vom Flughafen Evenes, erprobt die norwegische Luftwaffe derzeit ihr erstes Flugzeug vom Typ Boeing P-8A Poseidon. Fünf dieser Seefernaufklärer wurden im Jahr 2017 bestellt und sollen ab 2022 sukzessive in den aktiven Dienst überführt werden. Damit wollen die norwegischen Streitkräfte bis Ende 2023 ihre veraltete Flotte von Seefernaufklärern und Spezialflugzeugen der Typen Lockheed P-3C/N und Dassault Falcon 20 komplett ersetzen. Im Gesamtgeflecht alliierter Lagebilderfassung und Verteidigungsplanung nimmt Norwegen in der Region eine Vorreiterrolle ein. Als Nation sieht es sich zwar nicht unmittelbar von Russland bedroht, etwa durch eine Invasion. Als Nato-Mitglied aber registriert es die zunehmende Verschlechterung der sicherheitspolitischen Beziehungen und hält darum eine Verlagerung der Spannungen in den Hohen Norden für eine reale Gefahr. Aufmerksam werden daher russische Manöver wie Ocean Shield im August 2019 beobachtet, das mit etwa 70 Schiffen und 58 Flugzeugen direkt vor norwegischen Hoheitsgewässern stattfand. Im Oktober 2019 passierten zehn russische U‑Boote das Europäische Nordmeer auf ihrem Weg in den Nordatlantik – der größte derartige Einsatz seit dem Kalten Krieg. Um genau solche maritimen Aktivitäten aufzuklären, erneuern die norwegischen Streitkräfte ihre Fähigkeiten. Mit der geplanten Stationierung der neuen Flugzeuge im Hohen Norden sollen auch die Distanzen zu etwaigen Einsatzgebieten gering gehalten werden. Beim arktisch-nordatlantischen Raum handelt es sich um ein ausgedehntes Seegebiet, in dem sich U-Boote nahezu uneingeschränkt bewegen können. Daher müssen entsprechende Fähigkeiten grundsätzlich überall und flexibel eingesetzt werden, um Aufklärungserfordernissen Rechnung zu tragen. Von besonderem Interesse sind die militärstrategisch nutzbaren Engstellen – der sogenannte GIUK Gap zwischen Grönland, Island und dem Vereinigten Königreich sowie der Bear Gap zwischen dem norwegischen Festland, der Bäreninsel und Svalbard – sowie die Seegebiete, die an die Hoheitsgewässer der dort beheimateten Alliierten grenzen (siehe Karte).
Doch auch mit den fünf neuen modernen Seefernaufklärern wird Norwegen allein nicht in der Lage sein, den Verbündeten ein umfassendes und nahezu lückenloses Lagebild im riesigen maritimen Gebiet des arktisch-nordatlantischen Raums zu liefern. Dazu müssen auch die anderen Alliierten ihre Beiträge leisten, vor allem jene mit entsprechenden Fähigkeiten und einem geostrategischen Bezug zum Raum. Zu diesen Staaten zählt auch Deutschland, neben den USA, Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Kanada.
Deutschland im arktisch-nordatlantischen Raum
Deutschland ist stark in Themen mit Bezug zur Arktis involviert – seien es die Folgen des Klimawandels, maritime Sicherheit, Fischerei oder die Bewahrung der Arktis als Raum friedlicher Kooperation. Allerdings hat die Arktis ihren Ausnahmecharakter als Ort von Zusammenarbeit, Frieden und Stabilität verloren. Sollte es jemals einen arktischen Exzeptionalismus gegeben haben, so ist seine Zeit zu Ende. Nun treten im arktischen und subarktischen Raum latente Territorial- und Ressourcenstreitigkeiten zutage (so jüngst auf der durch Norwegen verwalteten Inselgruppe Svalbard), in die auch Deutschland verwickelt werden kann.
Geostrategisch liegt Deutschland an den Schnittstellen zum Hohen Norden, zum Atlantik, zur Ostsee und zum europäischen Festland. Wichtige außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische See- und Landverbindungslinien laufen entweder durch Deutschland oder an seinem Territorium vorbei. Weil Deutschland Mitglied der EU und des Ostseerates sowie Beobachter im Arktischen Rat und im Euro-Arktischen Barentssee-Rat ist, hat die Bundesregierung zahlreiche die Arktis betreffende Themen auf ihrer Agenda. Diese hat sie in den Leitlinien deutscher Arktispolitik zusammengefasst.
Aus sicherheitspolitischer Perspektive ist Deutschlands Interesse an dem Raum vor allem im Kontext der Nato zu sehen. Es geht darum, Europa gegen etwaige Bedrohungen zu verteidigen sowie die wesentlichen Transport- und Verbindungslinien offen zu halten.
Deutschland ist eine kontinentale Mittelmacht und auf sichere Schifffahrtswege sowie die uneingeschränkte Nutzung der See angewiesen. Dies wird aber durch die wachsende Machtrivalität der Großmächte USA, China und Russland in Frage gestellt, die auch im Hohen Norden wirksam wird. Als potentielle »peer competitors« der Nato betrachten China und Russland ihre sicherheitspolitischen und ökonomischen Interessen nicht in einem regional begrenzten, sondern größeren geostrategischen Zusammenhang. Deshalb verwundert es wenig, dass die USA und das Vereinigte Königreich den Einsatz von Kriegsschiffen für sogenannte Freedom of Navigation Operations (FONOPs) im Rahmen eines dynamischen Einsatzkonzeptes (dynamic force employment) in der Barentssee durchexerzieren.
Es liegt daher nicht nur im deutschen Interesse, gemäß den Leitlinien deutscher Arktispolitik »bestehenden geopolitischen Spannungen in der Region zu begegnen und (Interessens-)Konflikten und potentiellen Krisen in der Arktis vorzubeugen«. Um die Arktis als konfliktarme Region zu erhalten, sie auf friedliche Weise zu nutzen und die freie Schifffahrt dort zu bewahren, sieht sich Deutschland gezwungen, auch auf russische Aktivitäten zu reagieren und das Potential für eine weitere Destabilisierung einzuhegen.
Russlands militärische Expansion
Alle Arktisanrainer sind an einer friedlichen und stabilen Lage im arktischen Raum interessiert. Grundlegend für die russische Militärpolitik ist jedoch die Behauptung, die USA und Nato-Staaten bedrohten Russland. In der Nationalen Sicherheitsstrategie vom Juli 2021 werden USA und Nato, die angeblich schon jetzt weitreichende feindliche Aktivitäten gegenüber Russland entfalten, sogar als größte militärische Bedrohung identifiziert. Die Strategie, die dem sowjetischen Bastionskonzept zum Schutz der maritimen nuklearen Zweitschlagsfähigkeit in der russischen Arktis zugrunde liegt, dient der Führung in Moskau seit einigen Jahren dazu, den militärischen Einflussbereich immer weiter über das Staatsterritorium hinaus zu vergrößern. Außerdem ist Russlands Politik im Hohen Norden und in der Arktis unmittelbar mit seinen Interessen in Europa verknüpft, wie andernorts bereits ausführlich dargelegt wurde. Chinesische und russische geoökonomische Interessen an der polaren Seidenstraße sind zwar nicht identisch, aber wesentlich für Russlands Nutzung der Arktis als Ressourcenbasis und die eigene Rolle als künftige handelspolitische Drehscheibe. Die angestrebte Stärkung des russischen Großmachtstatus findet ihren militärischen Ausdruck darin, dass Moskau das gemeinsame und koordinierte Zusammenwirken zwischen Russlands Nordflotte und Ostseeflotte aufwertet. Damit sollen geostrategische und geoökonomische Interessen gewahrt sowie die Verteidigung des russischen Hoheitsgebietes sichergestellt werden. Zudem ermöglicht das schmelzende Meereis, fortan Flottenverbände über die Nördliche Seeroute rascher in den Atlantik oder den Pazifik zu verlegen. In der Folge nehmen die militärischen Aktivitäten im arktisch-nordatlantischen Raum zu.
Die Deutsche Marine und die Nato im arktisch-nordatlantischen Raum
Vor dem Hintergrund einer möglichen Rüstungs- und Eskalationsspirale hat Deutschland seine Bündnisverpflichtungen auch im arktisch-nordatlantischen Raum zu erfüllen. Jedwede militärische Aktivität in der Region sollte aber defensiver Natur sein. Die Teilnahme der Bundeswehr an Manövern und Übungen in der Arktis oder im subarktischen Raum ist als Ausdruck der Bündnistreue, Rückversicherung und Signal der Abschreckung zu verstehen.
Landseitig zählten zu diesen Übungen und Manövern vor allem die Mitwirkung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) an der Nato-Großübung Trident Juncture 2018 in Nordnorwegen sowie die Beteiligung des Seebataillons der Marine am arktischen Training mit niederländischen Marines 2019. Letzteres diente dazu, eine gemeinsame deutsch-niederländische amphibische Task Group vorzubereiten.
Seeseitig gehört der subarktische Bereich im Nordatlantik und der nördlichen Ostsee zu den Standardseegebieten, in denen die Deutsche Marine operiert. Das tut sie in ständigen maritimen Einsatzverbänden der Nato und in bilateralen Kooperationen, besonders mit Norwegen. Im Rahmen der angestrebten Baltic Maritime Coordination Function (BMCF) der Nato will die Bundeswehr künftig eine Raumverantwortung für die gesamte Ostsee übernehmen. Im Eckpunktepapier vom Mai 2021 für die Bundeswehr der Zukunft hat die Bundesministerin der Verteidigung dieses Vorhaben sogar zur Priorität erhoben.
Was Ostsee und Nordsee betrifft, ist deutsche Verantwortung für den Schutz von Küstengewässern, angrenzenden Seegebieten und Seeverbindungswegen klar. Doch der »Nordflankenraum« der Nato besteht nicht nur aus dem Seegebiet zwischen Dänemark und dem Baltikum, sondern erstreckt sich über das Europäische Nordmeer in den Hohen Norden bis zum Nordpol. Wegen Russlands verstärkter militärischer Aktivitäten müssen Sicherheit und Resilienz der Länder in diesem Raum erhöht werden. Eines der einfachsten Mittel, gleichermaßen Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit zu steigern, ist ein möglichst lückenloses Lagebild. Dabei geht es nicht nur darum, aggressives Verhalten feststellen, sondern auch nachweisen zu können. Auf diese Weise könnte die Nato Russland klarmachen, wo die Grenzen eines destabilisierenden militärischen Aktivismus in der Region liegen.
Das deutsche Problem See(fern)aufklärung
Das Wissen über Aktivitäten, Zusammenhänge und Entwicklungen in einem sicherheitspolitisch relevanten Raum ermöglicht es, von einer reaktiven zu einer aktiven Sicherheitspolitik überzugehen. Aus diesem Grund ist ein möglichst vollständiges Lagebild über den Raum in Echtzeit unabdingbar. Dafür bedarf es bestimmter Schlüsselfähigkeiten. Gerade bei diesen Schlüsselfähigkeiten für den Hohen Norden wie Seefernaufklärern, U-Jagd-Einheiten und U‑Booten hat Deutschland immer wieder Schwierigkeiten. Von den ehemals acht Seefernaufklärern der Deutschen Marine vom Typ P-3C Orion können derzeit nur noch vier weiterhin betrieben werden.
Ursprünglich sollte dieser Flugzeugtyp erst im Jahr 2035 durch das deutsch-französische Projekt des Maritime Airborne Weapon System (MAWS) ersetzt werden. Der Betrieb, die Abnutzung sowie die ausufernden Kosten für die Instandhaltung der P-3C Orion haben zum Entschluss geführt, das Waffensystem bereits 2025 komplett aus dem Dienst zu nehmen. Schon jetzt ist die Einsatzverfügbarkeit dieses Flugzeugs oft ungewiss, so dass die Bundeswehr gelegentlich ihren Einsatzverpflichtungen mit diesem Modell nicht mehr nachkommen kann. Daher hat sich die Bundesregierung auf eine Zwischenlösung (eines bereits verfügbaren Modells in kleiner Stückzahl) verständigt, um mittelfristig die schon zugesagten Aufgaben im Rahmen alliierter Operationen sowie ständiger Beiträge zu erfüllen und den Zeitraum bis zur Verfügbarkeit des MAWS zu überbrücken.
In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause 2021 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der Anschaffung von fünf Flugzeugen P-8A Poseidon für 1,43 Milliarden Euro zugestimmt. Dieses Flugzeug erfüllt alle hohen technischen und operativen Anforderungen, die derzeit an einen Seefernaufklärer der Marine gestellt werden. Auch Norwegen hat sich für dieses Modell zur Aufklärung im Hohen Norden entschieden.
Als moderne Interimslösung könnte die P-8A deutlich über das Jahr 2035 hinaus im Betrieb der Bundeswehr bleiben, sollte es beim MAWS-Projekt zu Verzögerung oder Problemen kommen. Allerdings mehren sich Presseberichte, laut denen Frankreich über die deutsche Entscheidung für die Interimslösung P-8A verärgert sei und das Projekt MAWS darum möglicherweise abbrechen wolle.
Operativ kann die P-8A Poseidon im gesamten geografischen Spektrum des Nato-Gebietes oder darüber hinaus eingesetzt werden. Technisch ist sie sowohl für die moderne U-Boot-Jagd als auch die Überwasseraufklärung ausgelegt und sollte mit den Systemen der meisten Alliierten problemlos kompatibel sein. In einer eher langfristigen Perspektive soll unter anderem die geplante Fregatte F126 mit einer modernen Sensorik für abstandsfähige Unterwasserortung die Fähigkeiten zur U-Boot-Jagd in der Deutschen Marine komplementieren. Diese wiederum könnten einen erheblichen Beitrag zur Ergänzung der ständigen maritimen Einsatzverbände (SNMG) der Nato oder einer etwaigen Nato Expanded Task Force (NETF) leisten, die beim Manöver Trident Juncture 2018 in Norwegen erprobt wurde. Einsatz- und Präsenzbereich der NETF wäre der arktisch-nordatlantische Raum. Flankiert würde sie durch die SNMGs der Nato im Mittelmeer und Ost- und Nordsee.
U-Boote und die Kooperation mit Norwegen
Noch immer ist der beste U-Boot-Jäger das U-Boot selbst. In Anbetracht des großen geografischen Verantwortungsbereichs der Allianz oder allein des maritimen Raums von der Arktis über den Nordatlantik, die Nordsee und die Ostsee verfügt die Nato allerdings nur über wenige einsatzbereite U-Boote. Derzeit besitzt die Deutsche Marine sechs U-Boote des Typs 212. Aufgrund ihrer kleinen Bauweise und ihres leisen Antriebs mittels einer Wasserstoff-Brennstoffzelle sind sie bestens geeignet für den Einsatz entlang der Seegebiete des Hohen Nordens. Meist ist aber nur die Hälfte der Boote einsatzbereit. Das liegt an Personal- und Stellenbesetzungsproblemen in der Bundeswehr und unter den U-Boot-Fahrern ebenso wie an technischen Schwierigkeiten, Ausfällen sowie geplanten und ungeplanten Instandsetzungen.
Absehbar ist, dass die Deutsche Marine neue Einheiten vom Typ U212 CD (Common Design) bekommen wird. Auch dieser Anschaffung hat der Haushaltsausschuss vor der Sommerpause zugestimmt. Das U212 CD wurde gemeinsam von Deutschland und Norwegen entwickelt. Dabei wurden die Ansprüche der Deutschen und der Norwegischen Marine für ihre Aufträge und Seegebiete berücksichtigt. Auf der Grundlage eines gemeinsamen Forderungskatalogs haben beide Staaten sechs weitgehend baugleiche U-Boote bei der Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) bestellt. Vier davon soll Norwegen erhalten, zwei Deutschland. Dank der baugleichen Boote soll die Interoperabilität zwischen den Seestreitkräften der beiden Staaten verbessert werden. Schon heute aber zeichnet sich ab, dass sowohl deutsche als auch norwegische Sonderwünsche zu Ausstattung, Bewaffnung und Systemen de facto zwei verschiedene U-Bootstypen entstehen lassen. Sie sollen im Zeitraum 2029–2035 der norwegischen Marine den Übergang von Booten der Ula-Klasse zu U212CD ermöglichen. Das erste Boot soll 2029 an Norwegen ausgeliefert werden. Damit sind zumindest erste Schritte bei dem Bemühen zu erkennen, militärische Fähigkeitslücken zu schließen oder wenigstens zu vermindern.
Europäische vs. indo-pazifische Prioritäten
Gerade die Fähigkeiten zur Aufklärung und U-Boot-Jagd braucht die Nato für die Abschreckung und Verteidigung in Nordeuropa. Vor dem Hintergrund der chinesischen Machtpolitik im indo-pazifischen Raum sind die USA jedoch zunehmend außerhalb Europas und seiner Peripherie gefordert, obwohl die US-Marine ihre Präsenz im Nordatlantik verstärkt und dazu im Juli 2018 die 2. Flotte reaktiviert hat. Viele spezialisierte Fähigkeiten der US-Marine werden aber bevorzugt dort eingesetzt werden, wo eine Konfrontation mit China nicht mehr ausgeschlossen werden kann, wie die Autoren andernorts bereits ausführten: Der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte, General Mark A. Milley, erklärte zwar, dass die Arktis in Zukunft sehr wohl eine bedeutende geostrategische Rolle für die USA bekommen werde. Zurzeit aber gebe es andere Prioritäten hinsichtlich der Fähigkeiten und deren Finanzierung. Die Eskalationsdynamik im Indo-Pazifik wird als drängender bewertet. Noch ist keine Verringerung oder Verlagerung amerikanischer Fähigkeiten im Nordatlantik zu beobachten. Dennoch bleibt dies eine Handlungsoption der US-Streitkräfte für den Fall, dass sich die Lage im Indo-Pazifik verschärft.
Es liegt im deutschen Interesse, dass die USA sich den Herausforderungen im Indo-Pazifik stellen. Damit verbindet Washington jedoch die berechtigte Erwartung, dass die europäischen Länder die unmittelbaren Herausforderungen für Europas Sicherheit – auch im Hohen Norden – eigenständiger und glaubwürdiger angehen. Jenseits von Führungs- oder Koordinationsaufgaben erfordert dies, militärische Fähigkeiten zu stärken, die Bereitschaft zu erhöhen sowie spezifische Fähigkeitslücken zu schließen und mehr entsprechende Einheiten verfügbar zu halten. All dies fließt direkt in etwaige Verteidigungsplanungen und die Aufrechterhaltung der Abschreckung durch die Nato ein. Deutschland hat hier noch erhebliche Defizite.
Gemeinsam mit den nordeuropäischen Partnern wird Deutschland daher einen weit substantielleren Beitrag zur Wirksamkeit europäischer Diplomatie und zur Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses im subarktischen Raum leisten müssen. Zu diesem Zweck müssen die Fähigkeiten der Bundeswehr weiter verbessert werden.
Dr. Michael Paul ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik. Fregattenkapitän Göran Swistek ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik.
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doi: 10.18449/2021A74