Seit 2023 verhandeln die USA mit Saudi-Arabien über ein Bündel an Abkommen, das auch einen Friedensschluss zwischen dem Königreich und Israel umfassen soll. Die beiden Staaten – einer wie der andere mit Washington verbündet – hatten angesichts iranischer Expansionsbestrebungen schon 2015 begonnen, sich einander anzunähern. Donald Trump und Joe Biden betrieben während ihrer jeweiligen Präsidentschaft das Projekt eines israelisch-saudischen Friedens auf ganz verschiedene Weise. Dabei sollte eine entsprechende Übereinkunft stets Teil einer größeren Neuordnung des Nahen Ostens sein. Vor seinem erneuten Einzug ins Weiße Haus hat Trump nun angedeutet, das Vorhaben wieder aufnehmen zu wollen. Die Schwierigkeiten sind groß, denn die Partner in den Gesprächen verfolgen unterschiedliche, teils entgegengesetzte Ziele. Vor allem Riad hat sich aus dem amerikanischen Orbit entfernt und führt eine viel eigenständigere Politik als früher. Ein Erfolg bei den Verhandlungen wäre ein historisches Ereignis und hätte sogar das Potential, zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beizutragen.
Noch vor seinem Wahlsieg am 5. November 2024 erklärte Trump, dass er versuchen werde, Frieden im Nahen Osten zu schaffen. Viele Beobachter schließen daraus, er wolle sich erneut darum bemühen, ein Abkommen zwischen Saudi-Arabien und Israel zu vermitteln. Immerhin war dies schon in Trumps erster Amtszeit (2017–2021) ein Ziel seiner Regierung. Maßgeblichen Anteil hatte der damalige Präsident an den »Abraham Accords«, den Friedensschlüssen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sowie Bahrain.
Saudi-Arabien und Israel standen sich schon lange vor der Annäherung ab 2015 nicht mehr feindselig gegenüber. Ein Grund dafür war, dass beide Staaten seit Jahrzehnten mit den USA verbündet sind, ein weiterer, dass ihre Interessen in der Regionalpolitik häufig übereinstimmten.
Keine Feinde mehr
Saudi-Arabien war seit 1945 ein verlässlicher Partner der USA, von dem die Weltwirtschaft Öl zu moderaten Preisen erhielt, während Amerika vor allem den Schutz des Königreichs vor äußeren Feinden garantierte. Wann immer sich die Gelegenheit bot, suchte Riad den USA zu demonstrieren, wie wichtig die Allianz mit Saudi-Arabien für die amerikanische Welt- und Regionalpolitik war. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Politik des Königreichs gegenüber dem israelisch-palästinensischen Konflikt, wo es schon früh eine gemäßigtere Position vertrat als die meisten anderen arabischen Staaten. Anstatt eine Zerstörung Israels anzustreben, forderte Riad einen palästinensischen Staat auf Teilen des historischen Palästinas mit Ostjerusalem als Hauptstadt – also das, was man heute die »Zweistaatenlösung« nennt. Ein Grund für die moderate saudische Positionierung war, dass das Königreich und Israel von den 1950er Jahren an gemeinsame Feinde hatten – zunächst Ägypten, später den Irak und schließlich Iran.
Trotzdem kam es wiederholt zu Konflikten zwischen Riad und Washington. Grund war die aus Sicht der Saudis vorbehaltlose Unterstützung der USA für Israel. Besonders dramatisch waren die Ereignisse nach Ausbruch des Jom-Kippur-Kriegs 1973, als der saudische König Faisal die »Ölwaffe« einsetzte, um die Nixon-Regierung wegen ihrer militärischen Hilfe für Israel zu bestrafen. Es kam zu einem dramatischen Anstieg der Ölpreise und einer schweren Wirtschaftskrise in den USA. In den folgenden Jahrzehnten griff Riad nicht wieder zu diesem Instrument, sondern bemühte sich, Lösungen für den israelisch-palästinensischen Konflikt aufzuzeigen.
Im Februar 2002 präsentierte der damalige saudische Kronprinz und spätere König Abdallah einen Plan, der Frieden mit Israel vorsah, sollte es sich aus allen 1967 besetzten Gebieten einschließlich Ostjerusalems zurückziehen und die Gründung eines palästinensischen Staates zulassen. Der Plan wurde auf Anregung Saudi-Arabiens vom Gipfel der Arabischen Liga im März 2002 einstimmig angenommen und firmierte fortan als »Arabische Friedensinitiative«. Israels damalige Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Ariel Sharon wies den Vorstoß Abdallahs zurück. Ihr ging die Forderung nach einem palästinensischen Staat zu weit, insbesondere vor dem Hintergrund der im Jahr 2000 ausgebrochenen Zweiten Intifada. Trotzdem ist der Plan bis heute die offizielle Position Saudi-Arabiens geblieben.
Gemeinsamer Feind Iran
In den letzten beiden Jahrzehnten stieg in Israel das Interesse an einem Frieden mit Saudi-Arabien, weil das Königreich an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung gewann. Außerdem sorgte die regionale Expansion des gemeinsamen Feindes Iran dafür, dass Israel und Saudi-Arabien jeweils nach Verbündeten suchten. Es war schließlich US-Präsident Trump, der 2017 einen ersten Versuch unternahm, die beiden Staaten zur weiteren Annäherung zu bewegen.
Regionalmacht Saudi-Arabien
Für Saudi-Arabiens steigende Bedeutung gab es mehrere Gründe. Schon seit 1973 hatte der wachsende Öl- und Gasreichtum am Persischen Golf den Einfluss der Vormächte Iran, Irak und Saudi-Arabien erhöht. Eine Folge waren Konflikte um die Vorherrschaft am Golf. Der Irak fiel infolge der verheerenden Kriege, die er von 1980 bis 1988 mit Iran sowie 1991 und 2003 mit US-geführten Koalitionen austrug, als Kandidat für eine Hegemonialstellung aus, was den Weg für Iran und Saudi-Arabien freimachte.
Die Verschiebung der Machtverhältnisse im Nahen Osten bekam einen weiteren Schub, als die lange Phase hoher Energiepreise zwischen 2002 und 2014 die Produzentenstaaten weiter stärkte. Saudi-Arabien wurde so zur arabischen Regionalmacht Nummer eins, während das ehemals führende Ägypten aufgrund seiner wirtschaftlichen Schwäche an Bedeutung verlor. Länder wie Syrien oder der Irak wurden von Protesten, Aufständen und Bürgerkriegen erschüttert und versanken regionalpolitisch in Bedeutungslosigkeit. Nach dem Arabischen Frühling von 2011 waren es vor allem reiche Golfstaaten wie Saudi-Arabien, die VAE und Katar, die aktiv versuchten, ihre Ordnungsvorstellungen durchzusetzen.
Die Expansion Irans
Ein wichtiger Grund für die nach 2011 aggressivere Regionalpolitik der Golfstaaten war das Hegemonialstreben Irans. Die Islamische Republik gehörte trotz Sanktionen ebenfalls zu den Gewinnern der Boomjahre ab 2002 und intervenierte in regionalen Konflikten. Spätestens 2015 ging sie in die Offensive, indem sie ihre Präsenz im Irak und in Syrien ausbaute. Um Teherans Aufmarsch zu verhindern, flog Israel ab 2017 zahlreiche Luftangriffe gegen iranische und mit Iran verbundene Ziele in Syrien und wiederholt auch im Irak – eine Kampagne mit weit über 1.000 Einsätzen, die bis zum Abzug der Iraner und ihrer Milizen aus Syrien im Dezember 2024 anhielt.
Für Saudi-Arabien waren die Ereignisse im Jemen entscheidender. Ab 2014 weitete Iran seine Unterstützung für die jemenitischen Huthis aus, die im September des Jahres die Hauptstadt Sanaa einnahmen und sich dann anschickten, die Hafenstadt Aden im Südjemen zu erobern. Saudi-Arabien und die VAE intervenierten im März 2015 auf Seiten der Regierung des Jemen, was einen jahrelangen Konflikt auslöste. Die Huthis erstarkten seitdem. Nicht nur konnten sie ihre Stellungen im zentralen und nördlichen Hochland halten, auch beschossen sie saudisches Territorium mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen, die meist aus Iran stammten. Das saudische Militär fand kein Mittel, um diese Angriffe zu verhindern, die unter anderem die Hauptstadt Riad und die Ölinfrastruktur trafen.
Irans zunehmend aggressives Vorgehen führte zur Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien. Eine wichtige Rolle spielte auch das Atomabkommen mit Teheran von 2015, das in Riad und Tel Aviv/Jerusalem abgelehnt wurde, unter anderem weil die Aussetzung von Sanktionen der iranischen Führung Einnahmen verschaffte, die sie zur Finanzierung ihrer Regionalpolitik nutzen konnte. Immer häufiger kam es zu mehr oder weniger geheimen Treffen zwischen israelischen und saudischen Politikern wie Beamten, bei denen vor allem Sicherheitsfragen besprochen wurden.
Trumps »ultimativer Deal«
Es war US-Präsident Trump, der 2017 einen ersten Versuch unternahm, Frieden zwischen Saudi-Arabien und Israel zu vermitteln. Dieser »ultimative Deal«, wie Trump ihn nannte, kam nicht zustande, weil der saudische König Salman weitgehende Zugeständnisse an die Palästinenser forderte – die von den USA und Israel nicht gewollt wurden. Lediglich die VAE und Bahrain schlossen Frieden mit dem Land. Das Abkommen zwischen Saudi-Arabien und Israel blieb ein unvollendetes Projekt.
Trump förderte die Annäherung zwischen Israelis und Saudis unter anderem mit dem Ziel, eine breite Front gegen Iran aufzubauen. Von Beginn seiner Präsidentschaft an setzte er auf enge Beziehungen zum saudischen Kronprinzen Muhammad Bin Salman und zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Jared Kushner, den er zum Nahostbeauftragten machte, verfolgte Trump im Kern das ältere Konzept der US-Republikaner, den israelisch-arabischen Konflikt dadurch zu lösen, dass prowestliche Staaten der Region unter Umgehung der Palästinenser mit Israel Frieden schließen. Das schien auch deshalb möglich, weil die neue saudische Führung um König Salman (der 2015 auf seinen verstorbenen Bruder Abdallah gefolgt war) und seinen Sohn Muhammad viel weniger Probleme mit Israel hatte als ihre Vorgänger. Der Kronprinz suchte eine Lösung für den Konflikt, weil er gemeinsam mit Israel Front gegen Iran machen wollte.
Bin Salman trieb 2017 gemeinsam mit Kushner Gespräche über einen Friedensplan voran, der aus palästinensischer Sicht bedeutet hätte, das jahrzehntelange Streben nach einem unabhängigen Staat aufzugeben. Im Kalkül des Kronprinzen hatten die Palästinenser keine Priorität. Dies zeigte sich im November 2017, als Bin Salman laut Presseberichten den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas nach Riad zitierte. Dort soll er ihn aufgefordert haben, einen Plan zu akzeptieren, nach dem die meisten israelischen Siedlungen auf besetztem Territorium bestehen bleiben sollten, die Palästinenser auf Jerusalem als Hauptstadt ihres neuen Staates verzichten müssten und auch das Rückkehrrecht der Flüchtlinge aufgegeben würde. Damit hätte die palästinensische Seite eine Lösung akzeptiert, mit der ihre wichtigsten Forderungen nicht verwirklicht worden wären und ein Gebilde entstanden wäre, das kaum noch Ähnlichkeit mit einem Staat gehabt hätte.
Bin Salman wollte Israel auf seiner Seite wissen, da es die wichtigste Militärmacht der Region ist. Eine saudisch-israelische Allianz wäre mit amerikanischer Unterstützung in der Lage gewesen, die Iraner und ihre Verbündeten in Syrien und im Libanon zu bekämpfen und die Islamische Republik auch direkt anzugreifen. Das Problem bei diesem Ansatz war König Salman, der ein Veto gegen die Pläne seines Sohnes einlegte. Stattdessen verlangte er wiederholt eine Lösung, die die Interessen der Palästinenser berücksichtigt. Dies war mit der Trump-Administration aber nicht in die Tat umzusetzen, denn sie hatte die Ideen der Regierung Netanjahu zu einem Frieden mit den Palästinensern weitgehend übernommen. Ein eigener Staat, der diese Bezeichnung verdient, spielte darin keine Rolle. Die Zusammenarbeit der USA mit Saudi-Arabien verlor wegen Salmans Veto ab Ende 2017 an Bedeutung.
Die Trump-Administration erkannte im Dezember 2017 Jerusalem als Hauptstadt des jüdischen Staates an. In den Folgejahren machten die USA der Regierung Netanjahu weitere politische Geschenke. So wurde die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt und die israelische Annexion der seit 1967 besetzten syrischen Golanhöhen von Washington anerkannt. Ende Januar 2020 stellte Präsident Trump seinen Friedensplan vor. Darin wurde den Palästinensern zwar ein eigener Staat angeboten. Doch sollten sie unter anderem akzeptieren, dass Jerusalem einschließlich seines Ostteils ungeteilte Hauptstadt Israels bliebe, die Siedlungen im Westjordanland nicht geräumt würden und das Jordantal ebenfalls an Israel ginge. Die palästinensische Führung lehnte es ab, über diesen Plan auch nur zu diskutieren; die israelische Regierung akzeptierte ihn, verfolgte ihn jedoch nicht weiter. Allerdings konnte die Regierung Trump einen anderen Erfolg erzielen. Gegen Ende seiner Amtszeit vermittelte der US-Präsident die »Abraham-Abkommen« zwischen Israel auf der einen und den VAE sowie Bahrain auf der anderen Seite. Doch hatten diese nicht die Bedeutung, die eine entsprechende Übereinkunft zwischen Israel und Saudi-Arabien gehabt hätte.
Biden, Saudi-Arabien und Gaza
Die Regierung Biden bemühte sich ebenfalls um Frieden zwischen Saudi-Arabien und Israel. Sie nahm dieses Projekt jedoch verspätet auf, da sie zunächst auf Distanz zu Bin Salman setzte. Als sich diese Politik 2022 nicht mehr durchhalten ließ, ging die Biden-Administration auf Riad zu und begann die Arbeit an einem Abkommen zwischen Israel, Saudi-Arabien und den USA. Die Verhandlungen wurden durch den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gestört, doch wurden sie nicht abgebrochen. Seitdem fordert Riad aber mehr Zugeständnisse an die Palästinenser.
Politikwechsel in den USA 2022
2019 hatte Biden angekündigt, Saudi-Arabien zu einem »Pariastaat« zu machen – eine Reaktion auf den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul. Angesichts des zunehmend kompromisslosen Autoritarismus von Bin Salman plante Biden offenbar, die Menschenrechtslage im Königreich zur Richtschnur amerikanischer Politik zu machen. Dies ließ sich aber unter anderem vor dem Hintergrund der russischen Invasion der Ukraine 2022 und der in jenem Jahr ansteigenden Energiepreise nicht beibehalten. Zu bedeutend war Saudi-Arabien für die globalen Öl- und Gasmärkte. Im Juli 2022 besuchte Biden das Land und traf auch den Kronprinzen. Der Präsident versuchte damals vergeblich, Riad zu einer Steigerung der Ölproduktion zu bewegen, was zu einer Preissenkung beigetragen hätte. Die Episode verdeutlichte der US-Regierung aber umso mehr, wie wichtig Saudi-Arabien für ihre Weltpolitik ist.
Dass die Biden-Administration den Plan einer Übereinkunft zwischen Saudi-Arabien und Israel aufgriff, dürfte seine Ursache vor allem im Verhältnis zu Iran gehabt haben. Die US-Regierung hatte sich seit 2021 bemüht, dem Atomabkommen mit der Islamischen Republik – das seit Washingtons einseitigem Rückzug 2018 faktisch ausgesetzt war – durch Verhandlungen mit Teheran neuen Inhalt zu geben. Als sich im Verlauf des Jahres 2022 zeigte, dass die Gespräche nicht zum Erfolg führen würden, entschied sich Biden für eine Eindämmungsstrategie, um eine nukleare Bewaffnung Irans zu verhindern und dessen hegemonialen Bestrebungen im Nahen Osten entgegenzutreten. Zu diesem Zweck begann die US-Regierung, auf ein Bündnis regionaler Staaten hinzuarbeiten, in dem Israel und Saudi-Arabien als wichtigste Stützen vorgesehen waren. Ein Friedensschluss zwischen ihnen sollte diese Allianz ermöglichen.
Verhandlungen zwischen Washington und Riad
Die Gespräche erfolgten in erster Linie zwischen der amerikanischen und der saudischen Regierung. Im März 2023 wurde bekannt, dass Riad von den USA ein Verteidigungsabkommen einschließlich Beistandsverpflichtung, die Lieferung von modernen Waffensystemen und den Transfer von Technologie für ein ziviles Nuklearprogramm verlangte. Die USA forderten von Saudi-Arabien, ein Friedensabkommen mit Israel zu unterzeichnen und sich an einer Allianz zur Eindämmung Irans zu beteiligen. Für Washington dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass Chinas Einfluss im Nahen Osten während der letzten Jahre gewachsen war. Von Riad erwartete die Biden-Administration eine Positionierung gegen die Volksrepublik.
Spätestens seit dem erneuten Regierungsantritt von Ministerpräsident Netanjahu im Dezember 2022 war auch die israelische Regierung grundsätzlich zu einem Abkommen mit Saudi-Arabien bereit. Eine Übereinkunft mit dem Königreich war bereits seit Trumps erster Präsidentschaft ein Ziel für Netanjahu. Dies hatte auch deshalb Bedeutung, weil kaum zu erwarten war, dass der US-Senat einem Verteidigungsabkommen mit Saudi-Arabien zustimmen würde, sollte Israel sich gegen die Lieferung von Waffen und Nukleartechnologie an Riad aussprechen (ein verbindliches Abkommen benötigt eine Zustimmung des Senats mit Zweidrittelmehrheit).
Problematischer für die US-Regierung war, dass Israel und Saudi-Arabien verschiedene Vorstellungen zur Palästinenserfrage hatten. Zu Netanjahus jetziger Koalition gehörte das rechtsradikale Parteienbündnis »Religiöser Zionismus«, das jegliche Zugeständnisse an die palästinensische Autonomiebehörde ablehnte. Netanjahu soll Presseberichten zufolge Biden Anfang 2023 zwar zugesagt haben, seine Regierungskoalition neu zusammenzustellen, um ein Abkommen mit Riad zu ermöglichen. Ob dies der Wahrheit entspricht, ist aber nicht sicher; die Rechtskoalition regiert Israel bis heute. Gleichzeitig hat Netanjahu seit 2022 auch öffentlich immer wieder betont, wie wichtig ihm der Frieden mit Saudi-Arabien ist – zuletzt in einer Rede vor der UN-Generalversammlung im September 2024.
Bin Salman und die Palästinenser
Unklar ist vor diesem Hintergrund, was genau die saudische Führung von Israel forderte. Zwar gibt es übereinstimmende Berichte, dass sich Bin Salman kaum für das Schicksal der Palästinenser interessierte. Doch galt dies eben nicht für seinen Vater Salman, dem auch 2023 noch Einfluss auf die Grundlinien der saudischen Politik nachgesagt wurde. Politiker und Beamte in Riad bekräftigten, dass die Arabische Friedensinitiative – und damit die Forderung nach einem palästinensischen Staat – die Grundlage saudischer Politik sei. Bin Salman äußerte sich in einem Interview mit Fox News von September 2023 zurückhaltender. Er sagte, dass »für uns die palästinensische Sache sehr wichtig« sei. Es gehe darum, »einen Deal zu finden, der den Palästinensern gibt, was sie brauchen, und der die Region zur Ruhe bringt«. Das waren Formulierungen, die weit hinter Riads üblicher Rhetorik zu diesem Thema zurückblieben.
Im Spätsommer und Herbst 2023 schien eine Vereinbarung kurz vor dem Abschluss zu stehen. Bin Salman sagte im Fox News-Interview, jeden Tag komme man einer Übereinkunft näher – »Es scheint, als sei es zum ersten Mal ernst«. Zum Zeitpunkt des Hamas-Angriffs am 7. Oktober liefen die Gespräche zwischen den USA und Saudi-Arabien noch. Es gibt Hinweise, dass das möglicherweise kurz bevorstehende Abkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien ein Motiv der Hamas für die Offensive war. Sie befürchtete offenbar, eine solche Übereinkunft wäre mit einer Aufwertung der palästinensischen Autonomiebehörde verbunden und könnte ihre eigene Position (ebenso wie die ihres Verbündeten Iran) maßgeblich schwächen.
Die Attacke der Hamas veränderte den Lauf der Gespräche. Diese wurden zwar nur vorübergehend ausgesetzt, und Bin Salman bekannte sich wiederholt zum Ziel eines Friedens mit Israel. Doch erhöhte die saudische Seite den Preis für eine Übereinkunft. Zu groß war die Empörung in der saudischen Bevölkerung und der übrigen arabischen Öffentlichkeit ob der israelischen Kriegführung im Gazastreifen, als dass Riad an der bisherigen Linie hätte festhalten können. Bin Salman forderte jetzt konkrete Schritte in Richtung eines palästinensischen Staates. Dies war schon deshalb problematisch, weil in Israel die rechtsradikalen Parteien mit einem Bruch der Regierungskoalition drohten, sollte es Zugeständnisse an die Palästinenser geben. Außerdem verschärfte der Kronprinz seine Rhetorik, indem er im November 2023 von einem »Völkermord« in Gaza sprach. Zwar bemühte sich die Biden-Regierung weiterhin, die beiden Seiten zusammenzubringen, doch wurde immer deutlicher, dass der Friedensschluss ein Thema für die nächste US-Administration sein würde.
Trump und die Neuausrichtung von Riads Außenpolitik
Im Wahlkampf 2024 kündigte Trump an, er werde für Frieden im Nahen Osten sorgen und Iran weiter isolieren. Wie lobende Interviewaussagen von ihm über Bin Salman und seine Personalauswahl für Schlüsselämter nahelegen, hat er seine Positionen offenbar nicht verändert. So haben sich etwa Marco Rubio und Pete Hegseth, die als Außen- bzw. Verteidigungsminister designiert sind, einen Namen als vorbehaltlose Unterstützer der israelischen Rechten gemacht. Der als US-Botschafter in Israel nominierte Mike Huckabee rechtfertigte wiederholt den Siedlungsbau im Westjordanland. Nahostbeauftragter wird Steven Witkoff, der als Immobilienunternehmer bereits Beziehungen in die Golfstaaten hat.
Witkoff dürfte eine Rolle übernehmen, die der von Kushner in Trumps erster Amtszeit ähnelt. Ihm wird die Aufgabe zufallen, trotz der proisraelischen Ausrichtung der Trump-Administration die guten Beziehungen zu Riad wieder mit Leben zu füllen und auf den »ultimativen Deal« hinzuarbeiten. Sollte Trump tatsächlich einen erneuten Versuch starten, ein Abkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien zu vermitteln, wird er aber auf Probleme stoßen, die es in seiner ersten Amtszeit noch nicht gab.
Saudische Détente mit Iran
Die Außenpolitik Saudi-Arabiens hat sich seit 2019 gewandelt. Ein wichtiger Auslöser dafür war der Angriff Irans vom 14. September des Jahres, bei dem Teile der zentralen saudischen Ölanlagen in Abqaiq und Khurais durch Flugkörper zerstört wurden. Riad erwartete offenbar eine harte amerikanische Reaktion gegenüber Iran, die – jenseits von Trumps üblicher Brachialrhetorik – jedoch ausblieb. Dieses Ereignis bestätigte die saudische Führung in ihrer schon seit 2011 wachsenden Sorge, die hergebrachte amerikanische Sicherheitsgarantie für das Königreich gelte nicht mehr und die USA zögen sich aus dem Nahen Osten zurück.
Eine Reaktion war, dass Riad den Ausgleich mit Teheran suchte und sich um ein Ende des Krieges im Jemen bemühte. Iran reagierte zwar nur verzögert auf die saudischen Avancen. Doch im März 2023 schlossen die beiden Staaten unter Vermittlung Chinas ein Abkommen, in dem sie unter anderem vereinbarten, ihre 2016 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen wiederaufzunehmen, auf wechselseitige Angriffe (auch solche durch Stellvertreter) zu verzichten und die gegeneinander gerichtete Propaganda zurückzufahren. Die saudische Führung wollte Spannungen abbauen, weil sie den iranischen und jemenitischen Angriffen mit Flugkörpern vorerst nichts entgegenzusetzen hatte.
Dass Bin Salman parallel mit den USA über ein Verteidigungsabkommen, Waffenlieferungen und Nukleartechnologie verhandelte, zeigte zwar, dass er sein Land auf künftige Konflikte vorbereitete. Doch zunächst blieb die Entspannung mit Iran ein wichtiger Teil seiner Außenpolitik. 2024 unterstrichen das unter anderem mehrere Besuche iranischer Politiker im Land. Auf einem gemeinsamen Gipfel der Arabischen Liga und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), der im November in Riad stattfand, forderte Bin Salman die internationale Gemeinschaft auf, »Israel zu zwingen, Irans Souveränität zu respektieren und sein Territorium nicht anzugreifen«. Von der einstigen Rhetorik eines Kalten Krieges mit Teheran hatte er sich damit weit entfernt.
Die neue Blockfreienpolitik
Die Hinwendung zu Iran war aber nur ein Teil der Neuausrichtung von Riads Außenpolitik. Häufig wird der jetzige Kurs auch als »Blockfreienpolitik« bezeichnet. Hier dominiert das saudische Interesse, nicht in einen amerikanisch-russischen Konflikt über den Ukraine-Krieg und ebenso wenig in eine neue Blockkonfrontation zwischen den USA und China verwickelt zu werden. Seit 2022 wird immer deutlicher, dass Saudi-Arabien eine Führungsrolle unter jenen Staaten einnehmen will, die sich um Neutralität in diesen Konflikten bemühen. Statt im Windschatten der US-Weltpolitik zu navigieren, möchte Saudi-Arabien an der Spitze einer internationalen Balancepolitik stehen und so selbst globaler Akteur werden.
Hinter dieser Kurskorrektur steht erstens das wachsende Misstrauen gegenüber den Motiven der USA, die unter den letzten drei Präsidenten – Obama, Trump und Biden – auf eine Distanzierung vom Nahen Osten, wenn nicht auf einen Rückzug aus der Region setzten. Zweitens ist sie Ausdruck einer neuen Interessendefinition in Riad, die stärker als bisher durch wirtschaftliche Erwägungen und einen ausgeprägten Nationalismus bestimmt wird.
Ein Ergebnis der Neuausrichtung ist, dass Saudi-Arabien seine Beziehungen zu Russland und China auch nach der Ukraine-Invasion weiter ausgebaut hat. Russland ist vor allem für die saudische Energiepolitik wichtig. Das Königreich benötigt hohe Ölpreise, damit es seine wirtschaftspolitischen Reformen umsetzen kann. Deshalb verweigerte sich Riad 2022 – als der Ölpreis auf 120 Dollar je Barrel stieg – amerikanischen Wünschen nach einer Steigerung der Förderung. Die saudische Führung verabredete mit Moskau in der OPEC‑plus sogar Produktionskürzungen, um die Preise hoch zu halten. Dies war eine brüske Abkehr von der Praxis früherer Jahrzehnte, als Saudi-Arabien mehrfach auf amerikanischen Wunsch seine Ölproduktion ausgeweitet hatte, um Preiserhöhungen zu verhindern.
China hat für Saudi-Arabien mindestens ebenso große Bedeutung. Die Volksrepublik ist mittlerweile der wichtigste Absatzmarkt für saudisches Öl und infolgedessen auch der wichtigste Handelspartner des Königreichs. Doch gehen die Beziehungen zwischen den beiden Staaten schon seit Jahren weit über den Ölexport hinaus. Saudi-Arabien zeigt großes Interesse am Transfer chinesischer Technologie, was Telekommunikation ebenso betrifft wie Drohnen oder Künstliche Intelligenz. China ist zudem an Infrastrukturprojekten und Städtebau in Saudi-Arabien beteiligt und liefert Waffen an das Land. Wie eng das Verhältnis geworden ist, zeigte ein Besuch von Präsident Xi Jinping in Riad im Dezember 2022, der von den Saudis mit großem Pomp gefeiert wurde. Neben zahlreichen Wirtschaftsabkommen unterzeichneten König Salman und Xi eine Übereinkunft über eine »strategische Partnerschaft«, die unter anderem regelmäßige Treffen vorsieht. Xi kündigte zudem eine bilaterale Kooperation in der Nukleartechnologie an. Dass Peking auch als politischer Akteur gefragt ist, zeigte der Umstand, dass das Abkommen zwischen Riad und Teheran von März 2023 unter chinesischer Vermittlung zustande gekommen war.
Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen ist fraglich, ob es der neuen US-Regierung gelingen kann, Saudi-Arabien von einem Frieden mit Israel zu überzeugen, der auch dazu dienen würde, das Königreich für einen Eindämmungskurs oder – wie Trump es formuliert – eine Politik des »maximalen Drucks« gegenüber Iran zu gewinnen. Auch eine Positionierung gegen China dürfte in Riad auf Widerstand stoßen. Gleichzeitig ist sich die saudische Führung ihrer militärischen Schwäche bewusst. Für ein Verteidigungsabkommen, moderne Waffensysteme und Nukleartechnologie wäre sie wohl bereit, den USA gegenüber Zugeständnisse zu machen.
Ausblick
Ein möglicher Frieden zwischen Israel und Saudi-Arabien dürfte auch 2025 ein wichtiges Thema der Regionalpolitik bleiben. Allerdings ist ein solches Abkommen heute schwieriger zu erreichen als noch vor wenigen Jahren, als die Vorstellungen von Trump, Netanjahu und Bin Salman weitgehend deckungsgleich waren. Hierzu trägt vor allem der Wandel in Saudi-Arabien bei, das eine eigenständigere Außenpolitik führt und weitreichende Zugeständnisse von den USA und Israel verlangt. Besonders wichtig ist Riad die Schaffung eines palästinensischen Staates. Auch wenn dies kein vollkommen souveräner Staat wäre, dürften die saudischen Forderungen Israel zu weit gehen. Auch die öffentliche Weigerung Riads, die Eindämmung Irans mitzutragen und sich in einer chinesisch-amerikanischen Blockkonfrontation für eine Seite zu entscheiden, könnte Verstimmungen mit Washington und Tel Aviv/Jerusalem bewirken.
Die israelische Regierung hat maßgeblich teil daran, dass Saudi-Arabien ab Oktober 2023 auf Abstand gegangen ist. So hat nicht nur die rücksichtslose Kriegführung im Gazastreifen dazu beigetragen, dass die saudische Bevölkerung heute viel israelkritischer eingestellt ist als noch vor anderthalb Jahren. Auch die Gewalt von Siedlern und das Vorgehen der Armee im Westjordanland beobachten viele Saudis mit Entsetzen. Selbst für ein so autoritäres Regime wie das von Bin Salman ist es schwierig, entgegen dieser Stimmung auf einen Frieden mit Israel hinzuarbeiten.
Dass die Zeit trotzdem gekommen sein könnte, ein Abkommen anzustreben, hat vor allem damit zu tun, dass Iran so geschwächt ist wie lange nicht mehr. Nach dem 7. Oktober 2023 und dem vorläufigen Ende der Friedensgespräche musste man befürchten, der Hamas-Angriff auf Israel könnte zum Muster für irantreue Gruppen werden, um eine Annäherung zwischen den regionalen Konkurrenten Teherans zu unterbinden. Ein solches Vorgehen dürfte Iran mittlerweile sehr viel schwerer fallen, denn die Hamas wie auch die Hisbollah im Libanon haben empfindliche Niederlagen erlitten. Auch die Islamische Republik selbst war den israelischen Angriffen des Jahres 2024 schutzlos ausgeliefert. Zuletzt stürzte mit Syriens Machthaber Bashar al‑Assad der einzige staatliche Verbündete Irans in der Region. Die Führung in Teheran dürfte auf Jahre hinaus zögern, einen saudisch-israelischen Friedensschluss durch Angriffe ihrer Stellvertreter oder die Drohung von Gewaltakten zu verhindern.
Dr. Guido Steinberg ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.
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DOI: 10.18449/2025A03