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Der Stabilitäts- und Wachstumspakt: Testfall "blauer Brief"

Arbeitspapier 40, 15.03.2002, 6 Pages
Stabilitätsanker

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt spielt im politischen Prozeß der Euro-EU eine zentrale Rolle. Er ist Teil des wirtschaftspolitischen Konzepts, das der WWU zugrunde liegt, und resultiert aus der Überzeugung, daß Preisstabilität und stabile Finanzen günstige Rahmenbedingungen für ein nachhaltige Wirtschaftswachstum schaffen. Eine hohe Staatsverschuldung belastet die Kapitalmärkte und über tendenziell höhere Zinsen die private Investitionstätigkeit.

Die Mitgliedstaaten haben sich zu mittelfristig ausgeglichenen Haushalten oder Haushaltsüberschüssen verpflichtet. Damit soll sicher gestellt werden, daß die öffentlichen Haushaltsdefizite auch in schlechten Konjunkturlagen die 3% BIP-Marge nicht übersteigen. Das 3% BIP-Kriterium läßt sich ökonomisch nicht begründen. Als Richtwert im politischen Prozeß der Haushaltsüberwachung hat es jedoch die Funktion, den Tatbestand eines übermäßigen Defizits meßbar und für das Regelwerk der Haushaltsüberwachung handhabbar zu machen. Das Verbot, die 3%-BIP-Grenze zu überschreiten, gilt für alle Eurostaaten. Die Entwicklung im gesamten Euroraum hängt jedoch in hohem Maße von den großen Mitgliedstaaten ab.

Ein Überwachungsverfahren dient der Früherkennung von Fehlentwicklungen. Kommt die Kommission zu der Auffassung, daß die aktuelle Haushaltsentwicklung von dem vorgegebenen Haushaltsziel erheblich abweicht oder abzuweichen droht, gibt sie eine Empfehlung an den Rat. Der Rat kann dann mit qualifizierter Mehrheit eine Empfehlung an den betreffenden Mitgliedstaat richten, die notwendigen Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen.

Für die Mitgliedstaaten wurde der Stabilitätspakt zum Anker der Haushaltskonsolidierung. Sie haben die öffentlichen Defizite merklich zurückgeführt. Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung hatten vor allem die kleinen und mittleren EU-Staaten zu verzeichnen. Sie haben zumeist ausgeglichene Haushalte oder Haushaltsüberschüsse erzielt. Die großen Eurostaaten schneiden schlechter ab. Sie passen sich langsamer an die haushaltpolitischen Anforderungen der WWU an, vielleicht auch in der Meinung, als große Länder die Regeln autonomer handhaben zu können.

Öffentliche Defizite haben im Jahr 2001 Deutschland ( 2,6%) Frankreich ( 1,4% ) Italien (1,1% ) sowie Portugal ( 2,6%). Die gute Konjunkturlage in den ersten Eurojahren wurde insbesondere von den großen Mitgliedstaaten zu wenig genutzt, um notwendige Reformen auf der Ausgabenseite der Haushalte durchzuführen. Mit dem Rückgang der Konjunktur steigen die Defizite erneut an und nehmen den Spielraum für antizyklische Maßnahmen.

Die von einigen Euro-Kritikern vertretende These, nach der die gleichzeitige Rückführung der öffentlichen Defizite in allen Eurostaaten zu einer Rezession führen würde, wurde durch das gute Wirtschaftswachstum in den Anfangsjahren der WWU widerlegt. Die in der zweiten Hälfte 2000 einsetzende Konjunkturschwäche ist auf andere Faktoren zurückzuführen, darunter steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise als Folge von BSE sowie insbesondere der Konjunktureinbruch in den USA. Die Euro-EU hat es bisher jedoch nicht verstanden, die „assets“ von Binnenmarkt und einheitlicher Währung für ein dynamischeres und vom amerikanischen Konjunkturverlauf unabhängigeren Wirtschaftswachstum zu nutzen. Die Ursachen liegen vorwiegend bei den noch unzureichenden Strukturreformen und nicht bei einer zu restriktiven Handhabung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Deutschland, die größte Euro-Volkswirtschaft, liegt am Ende des Wachstums in der Eurozone.