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Der Emissionsbudget-Ansatz in der EU-Klimapolitik

SWP-Aktuell 2023/A 47, 12.07.2023, 6 Pages

doi:10.18449/2023A47

Research Areas

Nach dem Abschluss des Fit for 55-Pakets wird die Klimapolitik der Europäischen Union (EU) in ihre nächste Phase eintreten. Eine der wichtigsten Entscheidungen wird sein, das übergreifende Emissionsreduktionsziel für 2040 festzulegen, das den Aus­gangs­punkt für die nächste Runde der Überarbeitung aller klimapolitischen Rechts­vorschriften der EU bilden wird. Das Europäische Klimagesetz sieht vor, dass die Europäische Kommission ein Ziel für 2040 vorschlägt, das unter anderem auf einem »projizierte[n] indikative[n] Treibhausgasbudget der Union für den Zeitraum von 2030 bis 2050« basiert. Dieses Budget wiederum stützt sich auf einen Bericht des mit dem EU-Klimagesetz neu geschaffenen Europäischen wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel. Das Kumulieren von Emissionen, die sich aus verschiedenen Minderungs­szenarien er­geben, kann bei der Bewertung der jeweiligen Ambitionsniveaus helfen; dagegen birgt die strikte Ableitung eines EU-Emissionsbudgets aus dem globalen CO2-Budget mehrere Fallstricke. Die Debatte über die Gestaltung der EU-Klimapolitik nach 2030 sollte sich indes nicht zu sehr auf ein »wissenschaftlich angemessenes« Niveau des Ziels für 2040 kon­zentrieren, sondern darauf, wie die Governance-Archi­tektur weiter­entwickelt, die poli­tischen Instrumente gestärkt und die öffentliche Unterstützung für eine ehr­geizige Klimapolitik befördert werden kann.

Während die zahlreichen und komplexen Gesetzgebungsverfahren des Fit for 55-Pakets zum Abschluss gebracht werden, zeichnet sich die nächste große politische Heraus­forderung für den Europäischen Grünen Deal ab: die Entscheidung über das Emissions­reduktionsziel der EU für 2040. Das im Jahr 2021 verabschiedete Europäische Klima­gesetz legt bereits wichtige Elemente fest, indem es die Europäische Kommission auf­fordert, ein Zwischenziel für 2040 vor­zu­schlagen (Artikel 4 Absatz 3), und indem es gleichzeitig unter Verweis auf das lang­fristige Temperaturziel des Pariser Abkommens ein unions­weites Emis­sionsziel von netto null Treib­haus­gasen (THG) für 2050 vorgibt sowie eine Vision formuliert, in der Zeit danach netto negative THG-Emis­sionen zu erreichen (Artikel 2). EU-intern wird das 2040-Ziel der Ausgangspunkt für die nächste Runde der Überarbeitung der zentralen klima- und energiepolitischen Rechtsvorschriften sein. In der Außen­dimension ist die Entscheidung über das 2040-Ziel eng mit der Einreichung der nächs­ten Nationally Determined Contribution (NDC) im Rahmen des Pariser Abkommens ver­knüpft, die 2025 fällig ist.

Während der Verhandlungen über das Europäische Klimagesetz hatte das Euro­päische Parlament (EP) angeregt, ein rechts­verbindliches Ziel für 2040 auf der Grund­lage eines THG-Budgets festzulegen, das von einem wissenschaftlichen Exper­ten­gremium bestimmt werden sollte. Der ur­sprüng­liche Vorschlag der Kommission hingegen sah vor, durch delegierte Rechts­akte einen »Pfad zur Klimaneutralität« vor­zugeben, der spä­tes­tens sechs Monate nach Abschluss jeder Globalen Bestandsaufnahme (Global Stock­take) im Rahmen des Pariser Abkommens aktualisiert werden würde. Die Mit­glied­staaten waren nicht son­derlich interessiert daran, den Entscheidungs­prozess über das EU-weite Emissions­reduk­tionsziel zu ver­ändern, war dieses Ziel doch seit 2007 stets im Europäischen Rat und damit im Konsens zwischen allen Staats- und Regierungschefs festgelegt worden.

Der Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten und dem EP führte schließ­lich dazu, dass das 2040-Ziel zwar Bestandteil des Euro­päischen Klimagesetzes wurde, das Kon­zept des Emissionsbudgets jedoch eine viel schwächere Rolle einnahm als anfäng­lich vom Parlament beabsichtigt. Der durch das Klimagesetz neu eingerichtete Europäische wissenschaftliche Beirat zum Klimawandel (European Scientific Advisory Board on Climate Change, ESABCC) hat den ausdrücklichen Auftrag, die EU-Institu­tio­nen bei der Be­rech­nung eines Bud­gets für THG-Emis­sio­nen zu unterstützen.

Das im Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz definiert das THG-Budget der EU für den Zeitraum 20302050 als »indikative Gesamt­menge der Netto-Treib­hausgasemis­sionen (als CO2-Äquivalent und mit geson­derten Informationen über die Emissionen und den Abbau von Treibhausgasen), die vor­aus­sichtlich in diesem Zeitraum emit­tiert wer­den, ohne dadurch die Verpflichtungen der Union gemäß dem Übereinkom­men von Paris zu gefährden«. Die verabschiedete Fas­sung des Gesetzes sieht im Gegensatz zur ursprünglichen Verhandlungsposition des EP nicht vor, dass das Budget für THG-Emis­sionen eine herausgehobene Rolle bei der Festlegung des Ziels für 2040 spielen wird – es wird lediglich als eines von drei­zehn zu berücksichtigenden Elementen ge­nannt (Artikel 4 Absatz 5 am). Außerdem könnte der Rat der Europäischen Union eine poli­tische Ent­scheidung über den NDC für 2035 bereits treffen, bevor mit dem Par­lament eine formelle Einigung über das im Klima­gesetz zu verankernde Ziel für 2040 gefun­den wurde.

Angesichts der Bedeutung des CO2-Bud­gets in den globalen (und bisweilen auch nationalen) klimapolitischen Debat­ten und in Anbetracht der Geschichte der Verhandlungen zum EU-Klimagesetz ist allerdings zu erwarten, dass das Emissionsbudget trotz seiner marginalen Rolle im Gesetzestext erhebliche Aufmerksamkeit erfahren wird. Daher ist es wichtig, sich sowohl den poten­ziellen Nutzen als auch die zahlreichen Fall­stricke eines Emissionsbudget-Ansatzes auf EU-Ebene vor Augen zu führen.

Grenzen des Budgetansatzes

Globale Erwärmungsniveaus von 2 °C oder 1,5 °C können in globale Budgets für kumu­lative CO2-Emissionen übersetzt werden, die jeweils noch in die Atmosphäre gelangen dürfen. Der Weltklimarat (Inter­governmental Panel on Climate Change, IPCC) aktualisiert regelmäßig die verbleibenden CO2-Budgets (remaining carbon budgets), deren Einhaltung es erlauben würde, den Anstieg der glo­ba­len Mitteltemperatur im Vergleich zur vor­industriellen Zeit unter bestimmten Schwel­len­werten zu halten. Die Methoden der Berechnung (und damit die Größe der Rest­budgets) ändern sich jedoch regel­mäßig. Auch werden relevante Nicht-CO2-Emissio­nen wie Methan- oder Lachgasemissionen nur indirekt berücksichtigt. Darüber hinaus kann die Frage nach »angemessenen« Emis­sionsbudgets auf nationaler oder auf EU-Ebene nicht wissenschaftlich beantwortet werden. Das Pariser Abkommen legt ein globales Langfrist-Temperaturziel fest, des­sen Einhaltung gemeinsame globale An­strengungen erfordert. Die Zuweisung einer genau bezifferten nationalen oder europäischen Verantwortung hängt von Annahmen ab, die nicht genuin wissenschaftlich, sondern wertegeleitet und poli­tisch sind – und vom IPCC nicht bereit­gestellt werden.

Eine nähere Betrachtung dieser Aspekte macht deutlich, warum Emissionsbudgets der EU oder der Mitgliedstaaten nicht von der globalen Ebene ab­geleitet werden soll­ten und dass es pro­blematisch wäre, sie strikt als »wissenschafts­basierte« Limits um­zusetzen, die von Regierungen oder Parla­menten nicht in Frage gestellt werden kön­nen.

Keine Grundlage im Pariser Abkommen

Das verbleibende CO2-Budget, um ein be­stimmtes Temperaturziel mit einer bestimm­ten Wahrscheinlichkeit zu errei­chen, be­zieht sich auf eine reale physikalische Be­gren­zung und ist daher knapp. Dies im­pli­ziert zwangsläufig einen globalen Vertei­lungskonflikt um Emissionsberech­tigun­gen. Wäre ein verbleibendes CO2-Budget die Grundlage für die Verhandlungen im Kon­text der Klimarahmenkonvention der Ver­einten Nationen (UNFCCC), würde dies stets in einem Null­summenspiel resultieren: Was ein Staat erhält, kann ein anderer nicht nutzen. Es überrascht deshalb nicht, dass sich der Budgetansatz in der UNFCCC nicht durch­setzen konnte.

Stattdessen verfolgt das Pariser Abkommen einen pledge and review-Ansatz, der auf weitgehend freiwilligen Minderungsverpflichtungen im Rahmen der NDCs basiert. Diese sollen von den Unterzeichnern des Abkommens regelmäßig verschärft werden. Alle fünf Jahre, im Rahmen der Globalen Bestandsaufnahme, wird der Gesamteffekt aller NDCs mit dem globalen Emissionspfad verglichen, der aus wissenschaftlicher Sicht erforderlich wäre, um das Langfrist-Tempe­raturziel des Pariser Abkommens einzuhalten. Die erste Bestandsaufnahme wird auf der 28. Konferenz der UNFCCC-Vertrags­parteien (COP28) Ende 2023 in Dubai abge­schlossen; sie wird eine neue Runde von NDC-Einreichungen einläuten, die bis 2025 dauert. Bei der Festlegung von Minderungszielen gilt der UNFCCC-Grund­satz der ge­meinsamen, aber differenzierten Verantwor­tung und jewei­ligen Fähigkeiten (common but differentiated responsibilities and respective capabilities, CBDR-RC). Obwohl dieser Grund­satz im Rahmen der UNFCCC nie quantifiziert wurde, wird im Pariser Abkommen aus­drücklich er­wähnt, dass die Industrieländer bei der Redu­zierung der Emissionen »wei­ter­hin die Führung über­nehmen« sollen.

Vielzahl möglicher Verteilungsprinzipien

Will man der EU eine exakt quantifizierte Verantwortung zuweisen, müssen mehrere Annahmen in die Überlegungen einbezogen werden. Die Frage, wie ein fairer Bei­trag der EU zur Erreichung des globalen Lang­frist-Temperaturziels aussehen sollte, lässt sich nicht eindeutig beantworten, da sie sehr stark davon abhängt, wie man das bei derartigen Berechnungen zentrale Krite­rium der Gerechtigkeit interpretiert und operationalisiert.

In der wissenschaftlichen Literatur reicht dies von einem reinen Pro-Kopf-Ansatz (der in der Regel die Industrieländer begünstigt) bis hin zur vollständigen Einbeziehung der historischen Emissionen (zugunsten der Entwicklungsländer). Würde die historische Verantwortung der traditionellen Industrieländer für den Klimawandel berücksichtigt (das heißt 1750 oder 1850 als Anfangsjahr gewählt), würde das in der Regel dazu füh­ren, dass die EU in einem 1,5 °C-kompa­tib­len Budget keinerlei Emissionsberechtigungen mehr erhält. Ein umfassender Gerechtig­keits­ansatz müsste überdies auch die jewei­ligen nationalen Minderungs­poten­ziale und ‑kos­ten sowie die makroökonomische Situa­tion aller Länder berück­sichtigen.

Unterschiedliche Methodologien und Budgetvolumen

Entgegen der weit verbreiteten Wahrnehmung bei Klimapolitikern, Nichtregierungs­organisationen und Medien bieten die glo­balen CO2-Budgets des IPCC keine aus­rei­chend stabile Ausgangsbasis. Die Über­set­zung des Langfrist-Temperaturziels des Pariser Abkommens (Begrenzung des An­stiegs der Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C sowie Anstrengungen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen) in Kohlenstoffbudgets beinhaltet bereits genuin politische Entscheidungen, sei es über das »angemessene« Erwär­mungsniveau (1,5 °C, 1,75 °C oder 2 °C) oder über die ausreichende Wahrscheinlichkeit, mit der ein Ziel erreicht wird (50 Prozent, 67 Prozent oder 83 Prozent). Darüber hin­aus verändern sich die vom IPCC ermittelten ver­bleibenden CO2-Budgets regelmäßig, und zwar schlichtweg in­folge wissenschaftlicher Fortschritte.

Die im 5. Synthesebericht des IPCC (2014) angegebenen Restbudgets wurden im Sonder­bericht über 1,5 °C (2018) deutlich erhöht und im folgenden Bericht der IPCC-Arbeits­gruppe I (2021) nochmals leicht nach oben korrigiert, insbesondere für eine Wahrschein­lichkeit von 67 Prozent. Wäre ein CO2-Bud­get für die EU unmittelbar mit den Be­rech­nungen des IPCC verknüpft, würde dies nach jedem größeren IPCC-Bericht un­wei­ger­lich erhebliche Anpassungen (nach oben oder unten) nötig machen. Die strikte Ab­lei­tung eines CO2-Budgets der EU aus den Be­rechnungen des IPCC ist daher kein ge­eig­ne­ter Ansatz, um einen verlässlichen Politik­pfad zu schaffen.

Zudem wird häufig übersehen, dass kein globales Budget für THG-Emissionen exis­tiert. Aus methodologischen Gründen be­ziehen sich die IPCC-Budgets nur auf CO2 (da es sich in der Atmo­sphäre anreichert), wäh­rend die EU-Klimapolitik alle wichtigen Treibhausgase abdeckt, einschließlich Lach­gas und des kurzlebigen Methans. Bei Emis­sionsminderungspfaden werden Netto-Null-Emissionen von THG später erreicht als die­jenigen von CO2, da beträchtliche Mengen schwer ver­meidbarer Nicht-CO2-Rest­emis­sio­nen (größ­tenteils aus der Land­wirtschaft) durch die Entnahme von CO2 aus der Atmo­sphäre ausgeglichen werden müssen. Wäh­rend das Erreichen von Netto-Null-CO2-Emis­sionen global wahrscheinlich eine Sta­bili­sierung der Temperatur bewirken würde, würde das Erreichen und Auf­recht­erhalten von Netto-Null-THG-Emis­sionen – unter Verwendung der in der UNFCCC konsentier­ten Emissionsmetriken – einen leich­ten Tem­peraturrückgang verursachen.

Kumulieren statt budgetieren

Unter Berücksichtigung der gegebenen Un­sicherheiten ist es grundsätzlich möglich, ein globales CO2-Budget zu bestimmen. Dieser Ansatz eignet sich sehr gut, um die Dringlichkeit zu illustrieren, mit der das globale Klimaproblem bearbeitet werden muss. Eine einfache Aufschlüsselung des globalen CO2-Budgets nach einzelnen Staa­ten oder Sektoren (Budgetierung) und der Versuch, strikt »wissen­schaftsbasierte« Bud­gets zu erstel­len, taugt jedoch nicht, um die Klimapolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu steuern. Die Kumulierung (das heißt die Umrechnung geplan­ter europäischer oder nationaler Minderungspfade in Gesamtmengen an CO2- oder THG-Emis­sio­nen, über mehrere Jahre oder Jahrzehnte hinweg) ist dagegen ein gangbarer Weg, um die klimapolitischen Ambitionen der EU oder ihrer Mitgliedstaaten abzubilden.

Betrachtet man die in der europäischen Klimapolitik häufig anzutreffende Fixie­rung auf weit entfernte Zieljahre einerseits und den Ansatz der Emissionskumulierung ande­rerseits, hat Letzterer zwei wesentliche Vor­teile, die auch Befürworter strikt abge­lei­te­ter Budgets häufig nennen: Erstens er­mög­licht das Kumulieren eine bessere Ver­gleich­bar­keit verschiedener vor­geschla­ge­ner Pfade, die zum gleichen Ziel­jahr für CO2- oder THG-Emissionsneutralität führen, wo­durch sich der Schwerpunkt vom Ziel­jahr selbst auf das allgemeine Anspruchs­niveau verlagert. Da­durch wiederum lassen sich ver­schie­dene politische Akteure (etwa die Euro­päische Union und die Vereinigten Staa­ten) in Bezug auf ihre Klima­schutz­ambi­tionen besser ver­gleichen. Zweitens können bei diesem An­satz die vorgeschlagenen Ziele auf Ebene der EU und der Mit­gliedstaaten jenen Ziel­marken gegenübergestellt werden, die bei der Anwendung unterschiedlicher globaler Gerechtigkeits­kriterien erforderlich wären.

Der kumulative Ansatz würde es nicht nur ermöglichen, das Ambitionsniveau eines Landes zu bewerten, sondern auch zu quantifizieren, welche zusätzlichen inter­nationalen Verpflichtungen sich daraus ergäben. Ein Beispiel hierfür wäre, den Auf­bau einer kohlenstoffarmen Wirtschaft in Schwellen- und Entwicklungsländern zu unterstützen, was das zentrale Ziel der Just Energy Transition Partnerships (JETPs) ist. Auch wenn das Pariser Abkommen einen pledge and review-Ansatz verfolgt, besteht eine natio­nale Verantwortung, einen adäquaten Bei­trag zum globalen Klimaschutz zu leis­ten, der sich an der höchst­möglichen Ambi­tion orientieren sollte (Pariser Abkommen, Artikel 4 Absatz 3).

Der mit dem EU-Klimaschutzgesetz ge­schaffene Beirat ESABCC hat einen Ansatz gewählt, der mit diesen Überlegungen im Einklang steht, indem er eine Spanne und nicht einen einzelnen Wert für das Emis­sionsbudget der EU ermittelt. Diese Spanne berücksichtigt mehrere Prinzipien und Dimensionen von Fairness und Umsetzbarkeit. Die Empfehlungen des ESABCC beru­hen auf den geo­physikalischen Limits des globalen Budgets, während der gerechte Anteil der EU aus verschiedenen Zuteilungs­modellen abge­leitet wird. Darüber hinaus gibt das unab­hängige wissenschaftliche Beratungsgremium eine Spanne für das ku­mulative EU-Budget an, die auf unterschied­lichen Pfa­den zur Erreichung eines Netto-Null-THG-Ziels basiert. Der ESABCC kommt zu dem Schluss, dass ein gerechter Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels sehr ehr­geizige Emissions­reduktionen in Europa erfordert, die durch von der EU finanzierte Maßnahmen in Entwicklungsländern er­gänzt werden müssen.

Fokus auf Klimaschutz-Govern­ance statt auf Emissionsbudget

In Anbetracht der Probleme, die sich aus einer starren Ableitung nationaler Emis­sionsbudgets aus globalen CO2-Budgets er­geben, ist es sinnvoller, sich auf die bereits bestehenden politischen Instrumente und Zielpfade als Ausgangspunkt für eine Stär­kung der EU-Klimapolitik zu kon­zentrieren. Da es sich hierbei um bereits etablierte Politiken und Pläne handelt, sind sie für den Übergang zu Netto-Null-THG-Emissio­nen bis 2050 sehr viel wichtiger als jede Budgetberechnung. Zentrale politische Inst­rumente legen in der EU jeweils spe­zifische Teilziele fest, einschließlich derer, die in den Richtlinien über die Emissionshandelssysteme (ETS I und II) definiert sind sowie in der Lastenteilungsverordnung für Sekto­ren außerhalb des ETS I und in der Verord­nung über Land­nutzung, Landnutzungs­änderung und Forst­wirtschaft (LULUCF). Die verbindlichen Ziele für 2030 und teilweise auch die lang­fristigen Zielpfade wurden kürzlich im Rahmen des Fit for 55-Legis­lativ­pakets ver­schärft. In der zweiten Hälfte der 2020er Jahre werden sie erneut überarbeitet, dann für den Zeit­raum 2031–2040.

Ein wesentlicher Aspekt der anstehenden Revi­sion wird sein, wie die vorhandenen klimapolitischen Instrumente miteinander verbunden und schrittweise integriert wer­den. Eine noch unbeantwortete Frage in Bezug auf die Governance-Architektur ist, wie und wo die CO2-Ent­nahme zum Aus­gleich von Restemissionen gesetzlich gere­gelt wird. Diese Facette dürfte eine entschei­dende Rolle bei den künftigen Bemühungen spielen, derzeit noch ge­trennte Instru­mente und Säulen der EU-Klimapolitik stärker zu verknüpfen. Die bis Mitte 2024 vorzulegenden Nationalen Ener­gie- und Klimapläne (NEKPs) der Mit­glied­staaten wer­den in dieser Hinsicht erste wichtige Infor­mationen liefern. Die in den 27 NEKPs zu dokumentierenden nationalen Ziele und Modellierungsanstrengungen werden dazu beitragen, sich abzeichnende Präferenzen und Koalitionen zu erkunden, die die nächste Phase der EU-Klimapolitik prägen werden. Für eine solidere Klimaschutz-Gov­ernance in der EU braucht es einen sys­te­matischeren Ansatz, der ein gegenseitiges Lernen aus den Umsetzungserfahrungen der Mitgliedstaaten und Sek­toren ermöglicht, beispielsweise durch häufigere obli­gatorische Evaluierungen und peer reviews, die auch Analysen der Zuweisung öffent­licher Mittel für Klimaschutzmaßnahmen einschließen sollte.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die politische Debatte über die Gestaltung der EU-Klimapolitik nach 2030 nicht in erster Linie auf das »wissenschaft­lich angemessene« Zielniveau für 2040 fokussieren sollte, solange diese ehrgeizig genug ist, um bis 2050 Netto-Null-THG-Emis­sionen erreichen zu können. In der bis­lang wohl anspruchsvollsten Phase der EU-Klimapolitik sollte die Priorität für Rat, Parlament und Kommission vielmehr darin liegen, die Governance-Architektur weiter­zuentwickeln, die politischen Instrumente zu stärken sowie die öffent­liche Unterstützung auszubauen.

Dr. Oliver Geden ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe EU / Europa der SWP. Er leitet das SWP‑Forschungscluster Klimapolitik und ist einer der Hauptautoren des IPCC AR6 Syntheseberichts. Dr. Brigitte Knopf ist Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und stellvertretende Vorsitzende des deutschen Expertenrats für Klimafragen. Felix Schenuit ist Wissenschaftler im Projekt CDRSynTra, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.

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(Deutsche Version von SWP Comment 34/2023)