Der Besuch Xi Jinpings in Italien und Frankreich zeigt, wie sehr sich die Interessen und Positionen gegenüber China in der EU unterscheiden. Frankreich, Deutschland und die EU müssen nun Überzeugungsarbeit für eine gemeinsame europäische Politik leisten, meint Gudrun Wacker.
Kurz gesagt, 27.03.2019 Research AreasDer Besuch Xi Jinpings in Italien und Frankreich zeigt, wie sehr sich die Interessen und Positionen gegenüber China in der EU unterscheiden. Frankreich, Deutschland und die EU müssen nun Überzeugungsarbeit für eine gemeinsame europäische Politik leisten, meint Gudrun Wacker.
Am 22. März begann der chinesische Staatspräsident Xi Jinping seine Drei-Länder-Tour nach Italien, Monaco und Frankreich. Fast zeitgleich mit dem Auftakt dieser Reise traf sich die EU zu einem Gipfel, bei dem auch die Politik gegenüber China zur Diskussion stand. Bereits einige Tage zuvor hatte die Kommission dazu ein Papier mit dem Titel »EU-China – Ein strategischer Ausblick« vorgelegt, in dem eine politische Kurskorrektur gegenüber dem wichtigsten EU-Handelspartner zum Ausdruck kommt: China wird nicht mehr nur als Kooperationspartner bezeichnet, sondern gleichzeitig als wirtschaftlicher Wettbewerber und zum ersten Mal in einem EU-Dokument als Systemrivale, der alternative Ordnungsmodelle verfolge.
Das Papier richtet sich an das Europäische Parlament und an den Rat und gibt eine gemeinsame Marschrichtung vor, auch für den nächsten EU-China-Gipfel am 9. April. Es ist Ergebnis der Debatten in den letzten Jahren, ausgelöst durch Chinas innere Entwicklung (Stärkung parteistaatlicher Kontrolle unter Xi) und sein Verhalten nach außen, insbesondere das wirtschaftliche und technologische Ausgreifen und die Zunahme politischer Einflussnahme. Angesichts der unterschiedlichen Interessenlagen der EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf chinesische Investitionen, Handel und Infrastrukturprojekte ist die schon lange beschworene Einigkeit in der Chinapolitik kein leichtes Unterfangen. Der Besuch Xi Jinpings zuerst in Italien, dann in Frankreich demonstrierte die Interessendivergenz anschaulich.
Mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur Seidenstraße war Italien zwar nicht das erste EU-Land, aber das erste Mitglied der G7, das Chinas nahezu globalem Infrastrukturprojekt Legitimität verlieh. Italien öffnet sich damit weiter für chinesische Investitionen und auch für Kredite. Sowohl die EU (indirekt auch Frankreich und Deutschland) als auch die USA warnten im Vorfeld vor diesem Schritt, allerdings aus unterschiedlichen Gründen: Die EU befürchtet eine weitere Schwächung ihrer Einigkeit und Verhandlungsposition gegenüber China, die USA sähen die Europäer gerne als Verbündeten in ihrer Eindämmungspolitik gegenüber China und kritisieren offen jede Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Italiens Regierung selbst zeigte sich gespalten, unterschrieb am Ende aber die Erklärung. Dabei wurden einige Punkte aufgenommen, die europäische Bedenken auszuräumen versuchen: Zum einen ist von einer Abstimmung der Seidenstraße mit europäischen Infrastrukturplänen die Rede, zum anderen wird eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Asiatischen Infrastrukturinvestitionsbank (AIIB) angekündigt, die im Gegensatz zu rein chinesischen Entwicklungsbanken wie der Exim-Bank oder der Chinesischen Entwicklungsbank nach dem Vorbild der Weltbank oder der Asiatischen Entwicklungsbank multilateral organisiert ist. Wie ernst dieses rhetorische Entgegenkommen gegenüber den Europäern zu nehmen ist, bleibt abzuwarten. Bemerkenswert ist, dass die inhaltliche Gliederung der Absichtserklärung einer chinesischen Logik folgt; die Sprache spiegelt in erster Linie bekannte Phrasen der chinesischen Seidenstraßenpolitik wieder. Folglich brachte Italien mit seiner Unterschrift Unterstützung für eine China-zentrierte Strategie zum Ausdruck, die derzeit nicht nur in Europa, sondern auch bei chinesischen Partnern in Asien wie Pakistan oder Malaysia zunehmend hinterfragt wird. Wenn der italienische Premierminister Conte tatsächlich plant, am zweiten Seidenstraßengipfel in Peking Ende April 2019 teilzunehmen, würde dies Chinas Großprojekt zusätzliche Legitimität verleihen.
Auch bei Xi Jinpings Besuch in Frankreich wurde eine Reihe von Wirtschaftsverträgen abgeschlossen, u.a. über den Kauf von 200 Airbus-Flugzeugen. Soweit entsprach dies dem üblichen Ablauf eines bilateralen Staatsbesuchs. Doch zu seinem Gespräch mit Xi Jinping am 26. März hatte der französische Präsident Macron überraschenderweise auch Angela Merkel und Jean-Claude Juncker eingeladen und signalisierte damit seine Unterstützung für einen gemeinsamen europäischen Ansatz in der China-Politik. Schwerpunkt dieses Treffens war die Zukunft der multilateralen Ordnung sowie die Reform internationaler Institutionen wie der Welthandelsorganisation. Dabei verfolgten die Europäer das Ziel, sich mit China auf gemeinsame Positionen bei Klimawandel und anderen globalen Problemen zu verständigen. Allerdings zeigte die abschließende Pressekonferenz die Gegensätze bei der Interpretation zentraler Begriffe wie etwa Multilateralismus.
Die Europäer sind sensibler im Umgang mit chinesischer Rhetorik (»Win-win-Kooperation«) geworden. Sie betonen die Notwendigkeit, die eigenen Standards und Normen zu Hause und die regelbasierte internationale Ordnung über die EU hinaus aktiv zu verteidigen. Die mittlerweile dazu auf den Weg gebrachten Instrumente und Hebel müssen jedoch noch geschärft und EU-weit umgesetzt werden.
Hoffnung, dass eine zumindest in den Grundzügen gemeinsame europäische Politik gegenüber China nicht völlig aussichtslos ist, lässt sich aus der Tatsache ziehen, dass jüngst sehr chinafreundliche Regierungen wie in Polen einen Umschwung vollzogen haben. Und die Vorgänger der jetzigen Regierung in Italien haben noch eine gemeinsame Initiative mit Deutschland und Frankreich zur Stärkung der Kontrolle von ausländischen Investitionen in der EU mitgetragen. Es ist wichtig, dass Mitgliedstaaten jetzt nicht ausschließlich bilateral definieren, wann China ein erwünschter Kooperationspartner oder unerwünschter bzw. unpassender Systemrivale ist. Dafür reicht der Schulterschluss zwischen Frankreich, Deutschland und der EU nicht aus. Sie müssen mehr Unterstützung bei den kleineren Mitgliedstaaten einwerben und auch innerhalb der Länder, z.B. in Deutschland, die Kommunikation mit Städten, Universitäten usw. über den Umgang mit China verstärken.
Dieser Text ist auch bei Handelsblatt Online erschienen.
Zum selbstbewussten Umgang mit chinesischen Initiativen
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Angesichts fehlender westlicher Visionen für die Zukunft der Globalisierung könnte es China schneller als erwartet gelingen, internationale Diskurse zu bestimmen. Nadine Godehardt und Paul J. Kohlenberg über ihre Beobachtungen beim Seidenstraßen-Forum in Peking.
Beitrag zu einer Sammelstudie 2016/S 00, 19.01.2016, 55 Pages, pp. 33–36
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