Saudi-Arabien und Iran gelten als verfeindete Staaten, haben aber nun eine Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen vereinbart. Die Annäherung der rivalisierenden Regionalmächte dürfte allerdings nicht lange währen, meint Guido Steinberg.
Als Saudi-Arabien und Iran am 10. März verkündeten, ihre 2016 abgebrochenen Beziehungen wieder aufzunehmen, kam das einem politischen Erdbeben gleich: Wenn zwei seit mehr als vier Jahrzehnten verfeindete Staaten eine Phase der Entspannung einläuten, könnte diese auf viele Regionalstaaten ausstrahlen. Dennoch besteht der Konflikt zwischen dem Iran und seinen Gegnern fort – und könnte schon bald in einen Angriff Israels auf die iranischen Atomanlagen münden. Eine solche Eskalation könnte dann auch die Auseinandersetzung zwischen Riad und Teheran erneut befeuern.
Das Abkommen beendet einen regelrechten regionalen kalten Krieg zwischen den Rivalen, der seit 2011 und verstärkt seit 2015 ausgefochten wurde. Anlass war die beispiellose Expansion des Iran, das in die Bürgerkriege in Syrien, im Irak und im Jemen intervenierte und seinen Einfluss im Nahen Osten massiv ausweitete. Saudi-Arabien stellte sich dem Iran und seinen Verbündeten vor allem im Jemen entgegen, wo es gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten im März 2015 gegen die Huthi-Rebellen intervenierte. Doch konnte Riad Teheran wenig entgegensetzen und zog am Ende den Kürzeren. Dies zeigte sich spätestens am 14. September 2019, als iranische Drohnen und Marschflugkörper die saudi-arabischen Ölanlagen von Khurais und Abqaiq trafen, die saudi-arabische Ölproduktion für zwei Wochen auf rund die Hälfte verringerten und dem Königreich so seine Verwundbarkeit demonstrierten. Seitdem zeigte sich Riad an einer Verständigung interessiert. Iran hingegen lenkte erst in den vergangenen Monaten ein, weil seine Führung zunehmend unter Druck steht: Die Verhandlungen über eine Neuauflage des Atomabkommens von 2015 dürften gescheitert sein und die internationalen Sanktionen schaden der iranischen Wirtschaft massiv. Hinzu kommen die seit September andauernden Proteste im Land, die die Isolierung Irans verschärften.
Dafür, dass das Abkommen eine längerfristige Entspannungsphase einläuten könnte, sprechen vor allem Veränderungen in der saudi-arabischen Außenpolitik der vergangenen Jahre. Der starke Mann in Riad, Kronprinz Mohammed Bin Salman, hat ehrgeizige wirtschafts- und sozialpolitische Reformen gestartet: Er will aus dem Königreich eine moderne globale Wirtschaftsmacht formen. Vor diesem Hintergrund sind nicht nur die hohen Kosten des Krieges im Jemen ein Problem; dieser und der Konflikt mit dem Iran haben außerdem den Ruf des Landes beschädigt und potentielle Investoren ferngehalten. Die Ambitionen Bin Salmans vertragen sich auch nicht so recht damit, dass immer mal wieder Raketen, Drohnen und Marschflugkörper in Saudi-Arabien einschlagen. Hinzu kommt, dass das Königreich aus den Ereignissen vom September 2019 die Lehre zog, dass es sich nicht mehr auf den Schutz durch die USA verlassen kann – denn der damalige Präsident Donald Trump machte keine Anstalten militärisch zu reagieren. Riads Distanz zu Washington zeigte sich schon 2022, als es dem amerikanischen Ersuchen nicht nachkam, die Ölfördermenge zu erhöhen, um die Ausfälle an Öl aus Russland auszugleichen und so die Preise stabil zu halten. Obwohl die militärische Abhängigkeit von den USA bestehen bleibt, bemüht sich Saudi-Arabien parallel um gute Beziehungen zu Russland und zu China. Offenbar will Bin Salman, dass sein Königreich zu einem sehr viel unabhängigeren und mächtigeren Akteur der Regional- und Weltpolitik wird.
Die machtpolitischen Ambitionen des Kronprinzen und die Entwicklung des Konfliktes zwischen dem Iran und seinen Gegnern sprechen jedoch gegen einen Erfolg des Abkommens – und damit auch gegen eine längere Entspannungsphase. Mohammed Bin Salman sieht sich als Führer einer starken und idealerweise dominierenden Regionalmacht, die auf das iranische Vormachtstreben und vor allem auf die wahrscheinlich bevorstehende nukleare Bewaffnung des großen Rivalen reagieren muss. Bisher ist dies vor allem dadurch geschehen, dass Saudi-Arabien seine militärische und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit Israel ausgebaut hat – das als einziger Staat im Nahen Osten die Fähigkeiten hat sich dem Iran entgegenzustellen. Zuletzt zeigte sich Riad sogar zu einem Friedensschluss mit dem jüdischen Staat bereit, wenn die USA ihr Sicherheitsversprechen für das Königreich erneuerten und ihm bei einem saudi-arabischen Nuklearprogramm assistierten.
Hier zeigte sich, wie sehr Saudi-Arabien den Iran weiterhin als Bedrohung betrachtet und sich bemüht, die eigene Position gegenüber dem Nachbarn mithilfe der USA und Israels zu stärken. Deshalb kann die neue, ausgleichende Politik des Königreichs schon binnen kurzem scheitern, wenn die israelische Regierung sich entscheiden sollte, tatsächlich mit Militärschlägen gegen die iranischen Atomanlagen vorzugehen, wie sie das immer wieder angekündigt hat. Angesichts der Zusammenarbeit mit Israel dürfte Saudi-Arabien in einem solchen Fall große Schwierigkeiten haben, Iran davon zu überzeugen, dass es neutral und an guten Beziehungen interessiert ist. Der Schutz durch die USA dürfte dann wieder wichtiger sein als die neue Freundschaft zu Iran.
Irans Expansion im Nahen Osten stößt an Grenzen
doi:10.18449/2021S08
Der iranisch-saudische Konflikt dominiert die Region
Wie der Machtkampf zwischen Iran und Saudi-Arabien die Weltsicherheit bedroht