Der Lissabonner Vertrag hat das Europäische Parlament umfassend gestärkt. Deshalb wird man sich an eine Volksvertretung gewöhnen müssen, die in allen Politikbereichen der EU vehement Mitgestaltungsrechte einfordert. Die Konfrontationen der letzten Monate zwischen einem streitlustigen, in vielen Fällen machtpolitisch motivierten Parlament und überraschten Mitgliedstaaten sind Vorboten längerfristiger Verschiebungen im Dreieck zwischen Kommission, Rat und Parlament. Die Mitgliedstaaten müssen sich zügig auf die neuen Spielregeln einstellen, sonst drohen in vielen Bereichen weitere Konflikte die Handlungsfähigkeit der EU zu untergraben. Möchte indes das Parlament seinem Anspruch gerecht werden, auf Augenhöhe mit den Mitgliedstaaten die europäische Politik zu gestalten, liegt seine größte Herausforderung darin, über die einfache Gesetzgebung hinaus auch die längerfristigen politischen Weichenstellungen mitzuprägen. Stärker denn je werden diese von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat vorgegeben.